TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 W268 2229280-1

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W268 2229280-1/4Z

W268 2229279-1/4Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ über die Beschwerden der 1.) XXXX , geboren am XXXX , und

2.) XXXX , geboren am XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch den Verein ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkte VI. der Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2020, Zl. 1257956401-200057820 und vom 17.02.2020, Zl. 1260359603-200158766, zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird Folge gegeben und Spruchpunkte VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018, wird den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (in weiterer Folge "BF1" genannt) reiste am 16.01.2020 auf legale Weise in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.In der polizeilichen Erstbefragung am selben Tag brachte die BF1 vor, dass sie zwischen ihrem vierten und 21. Lebensjahr abwechselnd in der Ukraine und im Libanon gelebt habe. Das letzte Jahr haben sie im Libanon verbracht, wo auch ihr Ehemann lebe. Sie wollte nach Österreich, da sie bald ein Kind erwarte und im Internet gelesen habe, dass es hier eine gute medizinische Versorgung gebe. Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie aus dem Libanon geflüchtet sei, da es dort bald Krieg geben würde. Man bekomme kein Geld für geleistete Arbeit und auch die Banken geben kein Geld mehr aus. Zudem sei sie aus ihrer Wohnung geworfen worden und habe nun keinen Schlafplatz mehr. In ihr Heimatland Ukraine wolle sie nicht zurück, da die Wirtschaftslage dort sehr schlecht sei und sie dort lediglich ihre Großeltern habe, welche nahezu kein Einkommen hätten und ihr finanziell nicht helfen könnten. Sie wollte auch zuerst mit ihrem Mann gemeinsam flüchten, jedoch sei er syrischer Staatsbürger und dürfe wegen seinem abgelaufenen Reisepass nicht aus dem Libanon ausreisen. Weitere Fluchtgründe habe sie keine.

1.2. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 31.01.2020 gab die BF1 im Wesentlichen an, dass sie eine Doppelstaatsbürgerschaft Libanon-Ukraine habe. Ihr Vater lebe im Libanon, ihre Mutter und ihre Schwestern in Syrien. In der Ukraine sei sie immer auf Besuch bei ihren Großeltern gewesen. Sie habe als Frau im Libanon keine Rechte und könne ihre Staatsbürgerschaft nicht an ihr Kind oder ihren Mann weitergeben. Sie sei auch von ihrem Vater bedroht worden, als dieser erfahren habe, dass sie einen Moslem geheiratet habe. Ihr Vater und ihr Großvater hätten sie auch sexuell belästigt. In der Ukraine habe sie nichts und sie könne dort keine Arbeit finden. Ihre Großeltern könnten ihr nicht helfen, da sie eine geringe Pension hätten und krank seien. Sie könnte dort ihre Tochter nicht versorgen. Ihr Ehemann könne die Sprache nicht und könnte dort nicht arbeiten. Sie habe niemals Probleme in der Ukraine gehabt. In der Ukraine sowie auch im Libanon habe sie keine Rechte. Ihr Vater sei zudem ukrainischer Staatsbürger und könne sie dort finden.

1.3. Die Zweitbeschwerdeführerin (in weiterer Folge "BF2" genannt) wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte die BF1 am 11.02.2020 für diese einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.4. Die BF1 wurde diesbezüglich am 17.02.2020 einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen. In dieser gab sie an, dass sie auf keinen Fall in die Ukraine könnten. Sie könnten auch nicht in den Libanon aufgrund der politischen und familiären Situation. Die BF2 habe die ukrainische Staatsbürgerschaft, als Libanesin könne sie keine Staatsbürgerschaft an das Kind weitergeben.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 01.02.2020 den Antrag der BF1 auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: AsylG 2005), (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte der BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß §55 Abs. 1 a FPG wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde der BF1 eine Unterkunftnahme ab 16.01.2020 in einem bestimmten Quartier aufgetragen (Spruchpunkt VIII.).

Gegen die BF2 wurde mit Bescheid des BFA vom 17.02.2020 eine im wesentlichen gleichlautende Entscheidung getroffen.

Den Spruchpunkt VI. begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils damit, dass die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen und keine reale Gefahr bestehe, dass ihnen bei einer Rückkehr in die Ukraine eine schwere Menschenrechtsverletzung drohe. Ihr Interesse an einem Verbleib in Österreich für die gesamte Dauer des Asylverfahrens trete hinter das öffentliche Interesse an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

3. Die BF erhoben gegen diese Bescheide vollinhaltlich das Rechtsmittel der Beschwerde und bekämpften damit auch den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aussprechenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids.

4. Die Beschwerdevorlage langte am 05.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. Die BF1 stammt aus der Ukraine, hat jedoch den Großteil ihres Lebens im Libanon verbracht und hat glaublich auch die libanesische Staatsbürgerschaft. Die BF2 besitzt die ukrainische Staatsbürgerschaft. Die Mutter der BF1 stammt aus der Ukraine, lebt jedoch mit den Geschwistern der BF1 in Syrien. Der Vater der BF1 lebt im Libanon. Der Ehemann der BF1 und Vater der BF2, ein syrischer Staatsbürger, lebt im Libanon. Die BF2 wurde in Österreich am XXXX geboren. In der Ukraine leben die Großeltern der BF1, sie selbst hatte jedoch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Libanon und war in der Ukraine hauptsächlich auf Besuch bei den Großeltern.

2.2. In der Ukraine ist das Risiko, als alleinerziehende Mutter ohne entsprechende familiäre Unterstützung ein Leben in Armut zu führen, generell sehr hoch. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich unter anderem, dass die BF1 als ukrainische Staatsbürgerin zwar vermutlich Anspruch auf die Gewährung staatlicher Unterstützung hätte, jedoch diese gewährten sozialen Leistungen in der Regel unzureichend sind. Es ist im Fall der BF1 daher nicht auszuschließen, dass die Existenzsicherung für sich und ihre gerade geborene Tochter eine große Herausforderung darstellt und diese womöglich in eine prekäre Lage bringen könnte.

2.3. Die festgestellte Staatsangehörigkeit der BF, ihre Herkunft und das Vorbringen der BF1 ergeben sich aus ihren Angaben im Verwaltungsverfahren. Die unter Pkt. II.2.2. getroffenen Feststellungen sind dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten und in dieser auch zitierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu entnehmen.

3. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018 (im Folgenden: VwGVG), bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

3.1. Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging: In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Nunmehr hat der Gesetzgeber entsprechend festgelegt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche von Amts wegen zu erfolgen hat; die Verfahrensparteien können eine Entscheidung aber nach Ablauf dieser Frist mittels eines Fristsetzungsantrags herbeiführen (vgl. § 18 Abs. 5 letzter Satz BFA-VG).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

3.3.1. Die BF stellten in ihrer Beschwerde unter anderem den Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus ihren Ausführungen und dem Aufbau des Beschwerdeschriftsatzes geht aber klar hervor, dass es sich dabei nicht bloß um einen gesonderten Antrag handelt, der nach der dargestellten Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre; vielmehr wenden sich die BF - mit der wesentlichen Begründung, dass diese in der Ukraine kaum eine Möglichkeit hätten, ihre existentiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen, zumal es sich bei der BF1 um eine alleinerziehende Frau handelte, die über keine Kontakte in der Kontakte verfüge, was letztendlich eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde - gegen die "Spruchpunkte[] I. bis VII. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts[] sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften". Damit bekämpft sie auch den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verfügenden Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids unter Hinweis auf eine ihr in der Ukraine drohende Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle ihrer Rückführung dorthin. Mit vorliegendem Teilerkenntnis wird über die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt abgesprochen.

3.3.2. Soweit die BF1 behauptet, in der Ukraine zwar über ihre Großeltern zu verfügen, jedoch nicht auf deren Möglichkeit zur finanziellen Unterstützung zählen könnte und dort somit diesbezüglich gänzlich auf sich allein gestellt zu sein mit ihrer neugeborenen Tochter, zeigt sie mit dem Verweis in ihrer Beschwerde auf die angeführten Feststellungen Umstände auf, die vorderhand für ein maßgebliches Risiko einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMRK bzw. auch Art. 8 EMRK im Falle ihrer Rückführung in die Ukraine nahelegen.

Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der BF1 unter Berücksichtigung des Berichtsmaterials zur Lage in der Ukraine nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein. In diesem Sinne hat der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde die aufschiebende Wirkung zuzukommen.

3.4. Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VI. der Bescheide ist aus diesem Grund mittels vorliegendem Teilerkenntnis ersatzlos aufzuheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, wird darüber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert; die zuletzt erfolgte Novellierung dieser Bestimmung sieht eine Entsprechung dieser Judikatur im Gesetzeswortlaut vor (vgl. Erläut. 2285/A BlgNR 25. GP, 85).

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung,
Kassation, Menschenrechtsverletzungen, real risk, reale Gefahr,
sicherer Herkunftsstaat, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W268.2229280.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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