TE Bvwg Beschluss 2020/4/3 W124 2229474-1

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Veröffentlicht am 03.04.2020
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Entscheidungsdatum

03.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §9
FPG §52 Abs1 Z1
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W124 2229474-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Somalia gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und Punkt II. bis VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der BF brachte am XXXX beim BFA einen Antrag auf internationalen Schutz i.S.d. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein.

Vor der Einreise des BF nach Österreich hat der BF in Ungarn um Asyl angesucht und einen positiven Bescheid für die Dauer von einem Jahr erhalten.

Am XXXX leitete das BFA ein Konsultationsverfahren gem. Art 18 Abs. 1 lit. b der Dublin-VO mit Ungarn ein. Ein Wiederaufnahmeersuchen der österreichischen Behörden wurde von Ungarn mit Schreiben vom XXXX mit der Begründung abgelehnt, dass der BF in Ungarn bereits den Status des Schutzberechtigten erlangt hat.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde eine Anordnung zur Außerlandesbringung gegen den BF erlassen. Diese Anordnung erwuchs am XXXX in Rechtskraft.

Der BF wurde am XXXX durch das LG für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs.1 StGB sowie des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB unter der XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem siebenjährigen Einreiseverbot erlassen. Diese ist am XXXX in Rechtskraft erwachsen. Am XXXX ist der BF nach Ungarn abgeschoben worden.

Der BF ist trotzdem illegal nach Österreich zurückgekehrt und wurde am XXXX durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Begehung der §§ 223 Abs.1, Abs. 2 StGB und § 27 Abs. 2a 2 Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt.

Im Zuge der mit dem BF am XXXX im Rahmen der Befragung zu seinem Aufenthalt, des Sicherungsbedarfs und Aufenthaltsstatus aufgenommenen Niederschrift, IFA: XXXX wurde dem BF vorgehalten, dass im Zuge einer Personendurchsuchung in seiner Hosentasche ein Säckchen mit grünem Kraut vorgefunden worden sei. Daraufhin wurde gegen den BF die Festnahme ausgesprochen.

Auf Vorhalt, dass der BF keine Aufenthaltserlaubnis für Österreich besitzen würde und gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot in Bezug auf das österreichische Bundesgebiet bis zum XXXX bestehen würde, gab dieser an wieder nach Ungarn, aber auch nach Somalia zu gehen.

Zu seinem Namen bzw. Geburtsdatum gab dieser an XXXX zu heißen, in Somalia geboren und entsprechender Staatsangehöriger zu sein.

Die Frage, wann und wie der BF nach seiner letzten Abschiebung nach Ungarn am XXXX eingereist sei, beantwortete dieser damit, dass er seit eineinhalb Monaten in Österreich sein würde. Vor seiner Festnahme am XXXX habe er in Wien auf der Straße Unterkunft bezogen.

Die Frage, weshalb der BF in Österreich nicht amtlich gemeldet sein würde, nachdem er bereits in seinem Vorverfahren über die Meldeverpflichtung belehrt worden sei, gab dieser an keine Dokumente zu haben. Der Grund seiner Einreise nach Österreich sei darin gelegen, dass er in Österreich bleiben habe wollen. Der Aufenthalt sei von seiner in der Schweiz lebenden Mutter finanziert worden.

Er sei ledig und nicht sorgepflichtig. In Österreich würde er niemanden haben. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu Personen oder Organisationen in Österreich würde nicht bestehen und der BF kaum über Barmittel verfügen.

Am XXXX wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Monaten verurteilt.

Am XXXX wurde gegen den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Am XXXX wurde die Schubhaft mit der Begründung des Wegfalls der Sicherungsmaßnahmen gegen den BF aufgehoben.

Im Zuge der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm einem Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 3 Z 1 FPG vom XXXX , wurden diesen u.a. die Länderinformationsberichte zu Somalia vom XXXX zur Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme mit einer Frist von 2 Wochen übermittelt. Gleichzeitig wurden diesem Fragen zu eventuell in Österreich lebenden Familienangehörigen und zu seiner Schul-, und Berufsausbildung gestellt. Darüber hinaus wurde der BF angehalten die letzte Wohnanschrift vor seiner Einreise in das Bundesgebiet anzugeben und Ausführungen hinsichtlich eines bestehenden bzw. bestandenen Arbeitsverhältnisses zu machen. Andernfalls er darzulegen habe, inwiefern er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreiten würde, er über eine Unfall-, und Krankenversicherung verfüge und auf welcher rechtlichen Grundlage ein etwaiges Unterkunftsverhältnis bestehen würde. Ebenso wurde der BF aufgefordert darzulegen, ob dieser in seiner Heimat politisch oder strafrechtlich verfolgt und weshalb er einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet anstreben würde bzw. was der Zweck seiner Einreise in Österreich gewesen sei. Zudem hätte der BF darzulegen, seit wann er sich im Bundesgebiet durchgehend aufhalten und welche Aufenthaltstitel ihn dazu berechtigen würden.

Die eingeräumte Frist von 2 Wochen ließ der BF ungehindert verstreichen.

Am XXXX wurde der BF wegen des Wegfalls der Schubhaftgründe entlassen.

Am XXXX wurde der BF wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes nach § 120 Abs. 1a FPG iVm §§ 31 Abs. 1 a, 31 Abs. 1 FPG angezeigt.

Am XXXX teilte das SPK Ottakring der LPD Wien mit, dass gegen den BF der Verdacht bestehe, dass dieser das Delikt nach § 83 StGB begangen habe.

Am XXXX wurde der BF wegen des Verdachtes der Übertretung des § 125 StGB angezeigt.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien teilte der Landespolizeidirektion Wien am XXXX mit, dass gegen den BF Anklage nach § 105 Abs. 2 FPG, 37 Abs. 3 NAG und § 30 Abs. 5 BFA-VG erhoben werden würde.

In der Folge wurde der BF am XXXX vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Am XXXX wurde der BF wegen des Verdachtes der Begehung der Straftatbestände § 15 StGB, § 87 Abs. 1 StGB, §§ 105 Abs. 1 und § 106 Abs. 1 StGB vom Landesgericht für Strafsachen Wien in Untersuchungshaft genommen. Diese ist bis dato aufrecht.

Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF trotz Erlassung der Anordnung zur Außerlandesbringung unrechtmäßig wieder nach Österreich zurückgekehrt und in den letzten Jahren immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, indem er vier Mal wegen unterschiedlicher Delikte verurteilt worden sei. Eine besondere Integration habe beim BF nicht festgestellt werden können, als dieser weder einer Beschäftigung nachgegangen sei noch ansonsten seinen Lebensunterhalt habe bestreiten können. Soweit Beziehungen im österreichischen Bundesgebiet vorhanden sein würden, müssten diese angesichts seiner Straffälligkeit in den Hintergrund treten. Selbst wenn ein Privatleben vorliegen würde, so müsse die Schutzwürdigkeit auf Grund des Entstehens im Zustand des unsicheren Aufenthaltes abgesprochen werden. Der BF sei unrechtmäßig nach Österreich gekommen und habe ungerechtfertigt einen Asylantrag gestellt.

Das unwesentliche Privatleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, indem sich der BF schon seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein hätte müssen, dass er nicht in Österreich bleiben hätte können. Daher erachte auch die EMRK Art. 8 durch die Rückkehrentscheidung dann nicht verletzt, wenn das Privat-, und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden sei, indem auf ein dauerhaftes Familienleben nicht mehr vertraut werden habe können.

Dem insoweit geminderten persönlichen Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet stehe sohin zum einen der Umstand der Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Diese hätten in insgesamt vier Verurteilungen innerhalb von rund fünf Jahren gegipfelt, wobei dem ein im Lichte des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Delikten sohin den Interessen der österreichischen Gesellschaft zuwiderlaufen würden.

Auch könne keine besondere Integration festgestellt werden, als der BF kein Deutsch sprechen würde, keiner Beschäftigung nachgehe und nicht in der Lage sein würde für seinen Unterhalt aufzukommen. Der BF würde Bindungen zu seinem Heimatland haben, da er dort den überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht habe.

Rechtlich wurde im Wesentlichen dazu ausgeführt, dass gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen werde müsse. Die Abschiebung Fremder in einen Staat sei gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Solche Gründe würden nicht ersichtlich sein und seien vom BF auch nicht behauptet worden.

Gem. § 50 Abs. 2 FPG sei eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukommen solle. Der BF habe keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und seien derartige Gründe auch nicht ersichtlich. Gem. § 50 Abs. 3 FPG sei eine Abschiebung schließlich unzulässig, wenn die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegenstehe. Eine solche vorläufige Maßnahme sei im Falle des BF nicht empfohlen worden.

Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Der BF habe keine Gründe vorgebracht, welche eine Abschiebung in sein Herkunftsland unzulässig erscheinen lassen würden. Es sei auch nichts bekannt, welches den BF an der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat hindern würde. Es könne dem BF zugemutet werden in sein Heimatland zurückzukehren.

Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG sei dem BF die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen. Der BF habe in Österreich kein Aufenthaltsrecht und würde trotzdem immer wieder legal nach Österreich zurückkehren. Er würde massiv straffällig sein und sei bereits viermal verurteilt worden. Der Status des Schutzbedürftigen in Ungarn sei dem BF aberkannt worden.

Im Falle des BF war in Bezug auf das Einreiseverbot zu berücksichtigen, dass dieser einerseits bereits vier Mal straffällig geworden sei und andererseits über kein Aufenthaltsrecht verfügen würde. Einer rechtmäßigen Beschäftigung sei der BF nicht nachgegangen und nicht in der Lage seinen Aufenthalt zu finanzieren. Es würde sich auch in Zukunft daran nichts ändern und sei davon auszugehen, dass er erneut dem Gesetz zuwiderlaufen würde. Dadurch würde der BF die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Österreich gefährden. Die geminderten persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet würden sohin den Umstand der Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüberstehen. Dies habe in insgesamt vier Verurteilungen innerhalb von fünf Jahren gemündet, wobei dem ein den Interessen der österreichischen Gesellschaft zuwiderlaufendes, schwer verwerfliches Fehlverhalten zur Last liegen würde. Das für acht Jahren gültig verhängte befristete Einreiseverbot würde sich durch die Schwere des Fehlverhaltens des BF ergeben. In diesen acht Jahren sei zu erwarten, dass der BF sein Fehlverhalten soweit einsehen würde, dass sich sein Verhalten zum Besseren wende und dieser die Zeit zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen haben würde, um bei entsprechenden Willen erneut nach Österreich einreisen zu können.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am XXXX Beschwerde an das BVwG erhoben. Ausgeführt wurde dabei im Wesentlichen, dass das BFA den BF nicht einvernommen habe, sondern ihm lediglich ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt worden sei. Die Behörde habe verkannt, dass eine schriftliche Stellungnahme den persönlichen Eindruck vom BF nicht ersetzen könne und habe nur eine ansatzweise Ermittlung der für die Abwägung nach Art 8 EMRK relevanten Umstände vorgenommen. Bei der Festsetzung der Dauer der Einzelfallprüfung habe das BFA eine derartige Beurteilung unterlassen. Auf Grund der unterlassenen Einvernahme des BF zur Erlangung eines persönlichen Eindrucks ergebe sich eine besonders gravierende Ermittlungslücke, da der persönliche Eindruck ein wesentlicher Aspekt für die vom BFA vorzunehmende Gefährdungsprognose darstelle. Die Rückkehrsituation des BF sei nicht korrekt eruiert worden, obwohl bei der Interessensabwägung unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen sei (vgl. VwGH 31. Jänner 2013, 2012/23/0006). Hinsichtlich der Frage der Intensität der privaten Bindungen in Österreich sei die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unabdingbar.

Im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung könne nach der Rechtsprechung des VwGH unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen könne (vgl. VwGH vom 31.08.2017, Ra 2016/21/0296, mwN). Der VwGH habe dabei ausgesprochen, dass sich das BVwG mit der notorischen Dürrekatastrophe in Somalia und der dort vorherrschenden Nahrungsmittelknappheit auch im Rahmen der Rückehrentscheidung hätte auseinandersetzen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt des Privatlebens sei auch von Bedeutung, welche Verhältnisse der Betroffene konkret bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat dort vorfinden würde (vgl. VwGH vom 30.06.2016, 2016/21/0038).

Im gegenständlichen Fall habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflichten dadurch verletzt, als diese keine ausreichenden Ermittlungen im Hinblick auf die familiären Bindungen des BF zu seinem Heimatstaat, die Verhältnisse des BF konkret bei einer Rückkehr sowie die Schaffung einer Existenzgrundlage des BF getätigt habe. Nach Angabe des BF verfüge der BF über keine Familienangehörigen mehr in Somalia, seine Mutter sowie sein Bruder würden sich in der Schweiz befinden, Vater und ein weiterer Bruder in Jemen. Der BF sei seit seinem dritten Lebensjahr nicht mehr in Somalia. Zudem habe es die Behörde verabsäumt sich mit der in Somalia notorischen Dürrekatastrophe und der dort vorherrschenden Nahrungsmittelknappheit im Rahmen der Rückkehrentscheidung auseinander zu setzten.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG habe das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig sei, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Liege eine Konstellation nach § 75 Abs. 20 AsylG vor, so sei diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat beziehe, regelmäßig nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. Das würde nur bei unveränderter Sachlage gelten. Stehe dagegen im Raum, dass sich die Verhältnisse maßgeblich verändert hätten, so sei die Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine Abschiebung in den Herkunftsstaat vor dem Hintergrund des Art. 3 EMRK (noch) zulässig sei (vgl. VwGH vom 24.05.2016, 2016/21/0101).

Nach der jüngsten Judikatur des VwGH zur Prüfung subsidiären Schutz könnten sich Verletzungen des Art 3 EMRK vor allem aus der Kombination von prekärer Sicherheitslage und besonderen Gefährdungsmomenten ergeben (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, Rz 26). Hierbei spiele es nach aktueller Rechtsprechung eine gewichtige Rolle, ob es sich um besonders vulnerable Personen handeln würde. Der BF würde im Falle einer Rückkehr auf Grund der allgemein prekären Lage im Herkunftsstaat sowie auf Grund seiner individuellen Umstände in eine ausweglose, existenzbedrohende Notlage geraten. Die erlassene Rückkehrentscheidung sei demnach auf Dauer unzulässig.

Soweit das erkennende Gericht zu dem Schluss komme, dass die Erlassung der Rückkehrentscheidung rechtmäßig sein würde, sei allerdings die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von acht Jahren unrechtmäßig. Eine konkrete Gefährlichkeitsprognose und eine konkrete Begründung aus welchen Gründen die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Höhe von acht Jahren gerechtfertigt sein würde, lasse das BFA zur Gänze missen.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde u.a. ausgeführt, dass der EGMR bereits mehrfach die Notwendigkeit von Rechtsbehelfen zur Erreichung der Aussetzung einer Abschiebung festgestellt habe, wenn die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohe (EGMR, Urteile vom 26.4.2007, Gebremedhin/Frankreich und vom 23. Februar 2012, Hirsi Jamaa u.a./Italien). Dass gegenständlich eine ebensolche Gefahr bestehe, sei oben ausführlich dargelegt worden. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolge zu Unrecht und hätte dem BF im gegenständlichen Fall zudem eine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden müssen.

Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit XXXX wurde dem BFA das Einlangen der Beschwerdevorlage seitens des BVwG mitgeteilt und gegenständliches Verfahren der zuständigen Gerichtabteilung zugewiesen.

Mit Beschluss des BVwG vom XXXX wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 BFA - Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2. Feststellungen:

Das BFA hat keine ausreichenden Ermittlungen, sowie keine aktuellen Abklärungen, betreffend der privaten Verhältnisse des BF in Österreich vorgenommen. Insbesondere ist das BFA davon ausgegangen, dass im Falle des BF keine Gründe vorliegen, die Art. 2 oder Art 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe vorliegen.

Das BFA hat es im durchgeführten Ermittlungsverfahren diesbezüglich verabsäumt die entsprechende Grundlage für eine umfassende abschließende Beurteilung entsprechend zu hinterfragen. Darüber hinaus hat das BFA die persönlichen Verhältnisse des BF nicht aktuell und nicht vollständig ermittelt und seine Entscheidung in wesentlichen Punkten auf diesbezüglich unvollständige und veraltete Ermittlungsergebnisse gestützt.

Aufgrund des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes kann im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden, ob eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 2,3 und 8 EMRK geschützte Rechte darstellt.

3. Beweiswürdigung:

Der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt der Akten der belangten Behörde und des BVwG. Zweifel an der Richtigkeit sind nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.

Dass der BF bereits mehrfach in Österreich straffällig geworden ist und über ihn nunmehr neuerlich am XXXX eine Untersuchungshaft vom Landesgericht Wien verhängt wurde, weil dieser im Verdacht steht ein Vergehen bzw. Verbrechen nach § 15 StGB § 87 Abs. 1 und §§ 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 StGB begangen zu haben, wurde vom BFA richtiger Weise festgestellt.

Auf Grund dessen, dass das BFA im gegenständlichen Verfahren keine ausreichenden Ermittlungen und Abklärungen des sozioökonomischen Hintergrundes bzw. der entsprechenden Verhältnisse in Somalia vorgenommen hat, kann aufgrund des vorliegenden Inhaltes des Verwaltungsaktes eine abschließend valide Klärung der Frage, ob eine Außerlandesbringung des BF gegenwärtig einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 2 und 3 EMRK geschützte Rechte darstellt, nicht abschließend beurteilt werden. Im Übrigen hat der VwGH bereits im Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119 festgehalten, dass im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommt, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann.

Einleitend ist diesbezüglich zu erwähnen, dass dem BF im Rahmen der Zusendung der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am XXXX u. a. ein Auszug vom Länderinformationsblatt Somalia (Stand XXXX ) übermittelt wurde, während im gegenständlichen Bescheid Auszüge aus der Staatendokumentation Somalia (Stand XXXX ) herangezogen wurden.

Im Unterschied zu den dem BF postalisch übermittelten Auszügen an Länderberichten von Somalia, wurde in den vom BFA im gegenständlichen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Somalia u.a. in der Rubrik "Rückkehrspezifische Grundversorgung" ausgeführt, dass eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration in erheblichen Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig ist. Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld würde sich demnach die Situation schwierig gestalten. Eine andere Quelle würde u.a. ergeben, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein würde, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig sein würde. In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt III. wird im Zusammenhang der Rückkehrentscheidung zwar angeführt, dass eine Abschiebung in einen Staat gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig sein würde, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach Auffassung des BFA würden solche Gründe im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich sein bzw. seien auch nicht behauptet worden.

Diese Schlussfolgerung ist für das BVwG allerdings nicht nachvollziehbar, als sich das BFA damit nicht oder nur sehr unzureichend auseinandergesetzt hat, um eine entsprechende abschließende Beurteilung diesbezüglich abgeben zu können.

Zwar wird im Rahmen der Beweiswürdigung im Hinblick der getroffenen Feststellungen betreffend den BF und seinem Privat-, und Familienleben auf die Unterlagen des Aktes XXXX verwiesen, doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass der BF diesbezüglich nur im Rahmen der mit ihm am XXXX aufgenommenen Niederschrift rudimentär zu den für das gegenständliche Verfahren zu berücksichtigenden und bewertenden Umständen befragt wurde.

So wird beispielsweise in der Beweiswürdigung zu den Feststellungen der Bindungen zum Heimatstaat des Fremden ausgeführt, dass dieser Anknüpfungspunkte nach Somalia haben würde, da er einen überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht habe. Weder aus der mit dem BF im Rahmen der verhängten Schubhaft am XXXX aufgenommenen Niederschrift noch in einem etwaigen Antwortschreiben auf die schriftlich eingeräumte Möglichkeit einer Abgabe einer Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, indem im Übrigen keine entsprechenden Fragen gestellt wurden, lässt sich diesbezügliches entnehmen. Vielmehr führte der BF vor dem BFA am XXXX im Rahmen der Frage, wie er heißen würde und wann er geboren sei lediglich aus, dass er am XXXX in Somalia geboren und somalischer Staatsangehöriger sei. Wie lange sich der BF nach seiner Geburt bis zu seiner Ausreise aus Somalia dort aufgehalten hat, ob dieser das Land in eventu zwischenzeitig verlassen hat und dort neuerlich zurückgekehrt ist, geht aus der Niederschrift nicht hervor. Unabhängig davon wurde mit dem BF weder im gegenständlichen Verfahren, noch in den vom BFA im gegenständlichen Bescheid Bezug genommenen Verfahren XXXX , im Hinblick der eingeführten Länderberichte, zu keinem Zeitpunkt näher erörtert, welchen Stamm er angehören würde, um so einen Rückschluss auf eine entsprechende Unterstützung im Falle der Rückkehr nach Somalia zuzulassen. Den Ausführungen des BF nach lebt seine Mutter derzeit in der Schweiz. Etwaige Nachfragen hinsichtlich einer Unterstützung ihrerseits sind in der Niederschrift vom XXXX nicht erfolgt. In der Beschwerde des BF wird überdies darüber hinaus angemerkt, dass sich der Vater und ein Bruder des BF im Jemen aufhalten würden, sodass mit dem BF im Hinblick einer allfälligen Unterstützungsmöglichkeit und Fähigkeit noch zu erörtern sein wird, ob der BF über die genannten Mitglieder der Kernfamilie hinaus noch über andere Familienmitglieder bzw. über ein die Kernfamilie des BF hinausgehendes tragfähiges Familiennetzwerk verfügt.

Offen bleibt im Übrigen, inwiefern der BF mit den somalischen Gepflogenheiten vertraut ist. In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass der BF mit dem dritten Lebensjahr Somalia verlassen hat. Auseinandersetzungen, wo und bei wem sich der BF seit seiner Geburt in welchen Zeiträumen in Somalia aufgehalten hat, lässt das Ermittlungsverfahren ebenso offen. Selbiges gilt für den Umstand, inwieweit der BF während seines Aufenthaltes in Somalia seinen Lebensunterhalt bestreiten und Unterkunft nehmen konnte. Ob der BF gegebenenfalls im Falle einer Rückkehr in seinem Heimatstaat auf eine etwaige nutzbare Struktur zurückgreifen könnte, wurde mit dem BF nicht näher erörtert. Ebenso bleibt offen, ob bzw. welche Schul-, und/oder Berufsausbildung der BF absolviert hat, die der BF bei einer Rückkehr nach Somalia für sich nutzbar machen könnte offen.

Zu berücksichtigen bleibt im Zusammenhang unter dem Aspekt Versorgungssicherheit neben der Frage, inwieweit Rückkehrer (allenfalls nach Maßgabe ihrer Clanzugehörigkeit) Zugang zu erforderlicher Hilfe haben, aber auch, inwieweit der BF nach einer aktuellen Analyse der Staatendokumentation aus einen jener "Orte" Somalias stammt, die wegen terroristischer Akte und bewaffneter Zusammenstöße "vermutlich als gewaltsamste Orte Somalias bezeichnet werden". Eine genaue Auseinandersetzung der Herkunft des BF hat zu keinem Zeitpunkt im Verfahren stattgefunden.

Der Vollständigkeit halber wird noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das BFA seine getroffenen Feststellungen mehrmals auf die Unterlagen zum XXXX stützt und seine Entscheidung vom XXXX betreffend der Abwägung des Art. 8 EMRK anzunehmend ausschließlich auf eine mit Datum vom XXXX vorgenommene Einvernahme bzw. der nicht abgegebenen Stellungnahme zur Äußerung zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom XXXX stützt. Das BFA geht in seiner Entscheidung, sich somit stützend auf das Beweisergebnis einer vor ca. 9 Monaten durchgeführten Einvernahme aus. Weitere bzw. aktuellere Abklärungen in Bezug auf Art. 8 EMRK hat die Behörde im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht vorgenommen bzw. kann eine solche aktualisierte Abklärung insgesamt nicht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt erschlossen werden.

Zwar hat das BFA durch die Aufzählung der gesamten bisherigen strafrechtlichen Verurteilungen u.a. damit aufgezeigt, dass der BF seit der letzten Einvernahme vom XXXX neuerlich straffällig geworden ist, indem dieser zwischenzeitig vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden ist, doch wird das BFA dadurch nicht von vornherein von der Durchführung einer neuerlichen Einvernahme entbunden, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass seit der letzten Einvernahme vom XXXX bis zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides entscheidungswesentliche Änderungen im persönlichen Bereich des Beschwerdeführers eingetreten sein können, wenngleich das BVwG, wie bereits das BFA, die innerhalb der relativ kurzen Aufenthaltsdauer des BF begangenen schweren Straftaten nicht verkennt.

Das BFA hat im vorliegenden Verfahren somit aber auch keine aktuellen Ermittlungen und Feststellungen betreffend des Bestehens der privaten Verhältnisse des BF vorgenommen. Es hat seine Entscheidung damit ohne Berücksichtigung dieser in Bezug auf eventuelle Art. 8 EMRK Veränderungen vorgenommen und damit insgesamt eine auf die gegenwärtige Situation des BF umfassend erfassenden Abwägung der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich im Verhältnis mit dem hohen Interesse der Wahrung eines geregelten Fremden - und Asylwesens im Sinne des Art. 8 EMRK rechtskonform nicht vorgenommen. Angemerkt wird der Vollständigkeit halber, wie in der Beschwerde zu Recht gerügt wird, dass der gegenständliche Bescheid eine konkrete Gefährlichkeitsprognose und Begründung, warum die Verhängung in der Höhe von acht Jahren gerechtfertigt ist, missen lässt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.

Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen und des hierzu abzuklärenden entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht, bzw. nicht ausreichend und zum Teil nicht mit der erforderlichen Aktualität ermittelt und festgestellt. Damit konnte das BFA die bereits bei der Beweiswürdigung angeführten verfahrenswesentlichen Feststellungen nicht unter Zugrundelegung der noch zu ermittelnden Punkte bzw. der aktuellen privaten Situation des BF treffen.

Das BFA konnte damit in dem angefochtenen Bescheid auf wesentliche Verfahrensfragen nicht ausreichend eingehen bzw. unterließ die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen und Abwägungen gänzlich. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit diesbezüglich grundlegend entsprechend ergänzungsbedürftig.

Das BFA wird somit diese Ermittlungen im Zuge einer umfassenden ergänzenden Befragung nachzuholen und aktuell abzuklären zu haben. Erst auf diese aktuellen Abklärungen aufbauend wird es der Behörde möglich sein eine valide Entscheidung im gegenständlichen Verfahren zu treffen.

Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. An diesen Umstand ändert auch die Tatsache nichts, dass der BF bereits mehrfach wegen schweren Verberchen nach dem StGB verurteilt worden ist.

Eine solcherart durchzuführende Vornahme eines betreffend der oben angeführten Punkte verfahrenswesentlich erstmalig und aktuell durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde für die Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes primär zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten, sowie aktuellen Aspekte abdeckende Ermittlung und Prüfung eines Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.

Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen dem Antrag der Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.

Auf Grundlage der nachzuholen aktuellen Ermittlungsergebnisse wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen somit einen die wesentlich veränderte Situation der Beschwerdeführerin berücksichtigenden neuen Bescheid zu erlassen haben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist hier nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W124.2229474.1.01

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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