Entscheidungsdatum
07.04.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W133 2152461-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 22.02.2017 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin ist seit 28.07.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.06.2016, in dem die Funktionseinschränkungen 1. "Lumbalgie, Zustand nach OP (Versteifung)", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) nach der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 2. "Venöses und lymphatisches System - Funktionseinschränkung leichten Grades", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 05.08.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 3. "Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese links bei Zustand nach Hüftkopfnekrose, mittelgradige Funktionseinschränkung", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 02.05.09 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 4. "Schulterarmsyndrom beidseits", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 02.06.04 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 5. "Mäßige Hypertonie", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 05.01.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 6. "Coxarthrose rechts bei Zustand nach Punktion des Ganglions", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 02.05.07 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 7. "Blasenentleerungsstörung bei congenitaler Spaltbildung", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 08.01.04 der Anlage der Einschätzungsverordnung und
8. "Zustand nach Entfernung des rechten Ovars 2001", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 08.03.04 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. objektiviert wurden. Begründend wurde ausgeführt, das Leiden 1 werde durch die Leiden 2, 3, 4 und 6 gemeinsam um zwei Stufen erhöht. Das Leiden 2 sei ein schwerwiegendes Leiden und die Leiden 3, 4 und 6 würden eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit Leiden 1 entfalten. Die Leiden 5, 7 und 8 würden den Grad der Behinderung nicht weiter erhöhen, da es zu keiner negativen wechselseitigen Leidensbeeinflussung mit den anderen Leiden komme. Es wurde weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Am 06.09.2016 stellte die Beschwerdeführerin ohne Vorlage medizinscher Befunde den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.
Mit Schreiben vom 08.11.2016 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde aufgefordert, aktuelle Befunde nachzureichen. Am 23.11.2016 langte ein MRT-Befund des rechten Hüftgelenks vom 02.11.2016 bei der belangten Behörde ein.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 16.02.2017 ein. In diesem Sachverständigengutachten konnten nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 25.01.2017 folgende Funktionseinschränkungen objektiviert werden: 1.) Lumbalgie, Zustand nach OP (Versteifung), 2.) Venöses und lymphatisches System - Funktionseinschränkung leichten Grades, 3.) Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese links, 4.) Schulterarmsyndrom beidseits, 5.) Mäßige Hypertonie, 6.) Coxarthrose rechts bei Zustand nach Punktion des Ganglions, 7.) Blasenentleerungsstörung bei congenitaler Spaltbildung und 8.) Zustand nach Entfernung des rechten Ovars 2001. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 21.06.2016 hätten sich keine Änderungen ergeben. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 22.02.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vom 06.09.2016 unter Hinweis auf das medizinische Beweisverfahren gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Das orthopädische Gutachten vom 16.02.2017 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Mit E-Mailnachricht vom 01.04.2017 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.02.2017. Darin führt sie zusammengefasst aus, dass sie an einer ausgedehnten Atrophie der Rückenmuskulatur, einem 1 x 6 cm großen Ganglion in der rechten Hüfte mit Streckhemmung, einer Immunschwäche und einer Thromboseneigung auf Vibration in Autobussen leide. Ein relevanter Befund bezüglich der Rückenmuskelatrophie sei bei der Gutachtenserstellung nicht beachtet worden, daher ersuche sie um Nachbefundung. Der Beschwerde wurden ein MRT-Befund der LWS vom 12.06.2014 und ein orthopädischer Befundbericht eines näher genannten Facharztes vom 04.07.2016 beigelegt.
Die belangte Behörde legte am 07.04.2017 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht Einsicht in das orthopädische Gutachten vom 16.02.2017 genommen und ergänzend ein weiteres Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 02.02.2018, wiederum basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für beantragte Zusatzeintragung auch aus Sicht des Facharztes für Unfallchirurgie nicht vorliegen würden.
Mit Nachreichung vom 11.06.2019 wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 06.06.2019 sowie zwei Befunde aus dem Jahr 2019 vorgelegt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
Mit Schreiben vom 13.02.2020, der Beschwerdeführerin zugestellt am 18.02.2020 durch Hinterlegung, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
Weder die Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme. Das aktuelle Gutachten wurde nicht bestritten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Die Beschwerdeführerin stellte am 06.09.2016 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Lumbalgie, Zustand nach OP (Versteifung);
2) Venöses und lymphatisches System - Funktionseinschränkung leichten Grades;
3) Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese links;
4) Schulterarmsyndrom beidseits;
5) Mäßige Hypertonie;
6) Coxarthrose rechts bei Zustand nach Punktion des Ganglions;
7) Blasenentleerungsstörung bei congenitaler Spaltbildung;
8) Zustand nach Entfernung des rechten Ovars 2001.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel liegen nicht vor. Die erforderliche Gehstrecke ist zweifelsfrei möglich, die bestehenden Niveauunterschiede können gut bewältigt werden, der sichere Transport im Nahbereich ist gewährleistet.
Das Wirbelsäulenleiden der Beschwerdeführerin ist mittelgradig. Ein sensomotorisches Defizit besteht nicht. Es können beim Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln leichte Schmerzen auftreten, diese können medikamentös kompensiert werden. Kurzfristig mittlere bis starke Schmerzen sind jedoch nicht zu erwarten.
Relevante Bewegungsdefizite liegen nicht vor. Insbesondere ist die operierte Hüfte stabil, Befunde für eine Lockerung liegen nicht vor.
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.
Es liegen weiters keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen vor.
Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 16.02.2017 und eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 02.02.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten vom 02.02.2018 wurde von den Verfahrensparteien nicht bestritten. Eine von den im gegenständlichen Verfahren eingeholten Gutachten abweichende Beurteilung erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 16.02.2017 sowie insbesondere auf das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 02.02.2018. In diesen Gutachten wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin zumutbar ist. Es wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzten sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die mit Nachreichung vom 11.06.2019 vorgelegten Befunde aus dem Jahr 2019 unterliegen der Neuerungsbeschränkung. Die getroffenen Beurteilungen basieren auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunde und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).
Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.
Im Rahmen der Untersuchung für das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten am 02.02.2018 wurde folgender klinischer Status erhoben:
"Relevanter Status:
Wirbelsäule im Lot. HWS in R 45-0-45, F 10-0-10, KJA 1cm, Reklination 14 cm.
Normale Brustkyphose, BWS-drehung 30-0-30, Schober Zeichen 10/14 cm,
FKBA 10 cm, Seitenneigung bis 5 cm ober Patella. Schulterschiefstand rechts - geringe
Skoliose. Rückenmuskulatur spannt sich gut an, Ausdünnung im Bereich des Beckens, aber kein völliges Fehlen oder hochgradige Ausdünnung feststellbar.
Obere Extremitäten:
Schulter in S 50-0-180, F 180-0-50, R 80-0-80, Ellbögen 0-0-135, Handgelenke
60-0-70, Faustschluß beidseits möglich.
Nacken- und Kreutgriff durchführbar.
Untere Extremitäten:
Geringer Beckenschiefstand.
Hüftgelenke in S 0-0-115, F 40-0-30, R 35-0-15, Kniegelenke in S 0-0-140,
bandfest, reizfrei.
Sprunggelenke 15-0-45.
Oberschenkel rechts 43 cm zu links 42 cm, Wade rechts 34 cm zu links 33 cm.
Gangbild/Mobilität:
Gang in Stiefletten mit hohem Absatz ohne Gehbehelfe gut möglich.
Bringt zwei Walkingstöcke mit, mit denen sie flott und sicher unterwegs ist.
Zehenspitzen- und Fersenstand möglich.
Einbeinstand rechts und links gut möglich, kann Becken gut stabilisieren."
Bereits aus diesem Untersuchungsbefund ergibt sich, dass die Funktionseinschränkungen im Stütz- und Bewegungsapparat der Beschwerdeführerin nicht ausreichend erheblich sind und die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel daher diesbezüglich nicht vorliegen. Die erforderliche Gehstrecke von 300 bis 400 Metern ist zweifelsfrei möglich, die bestehenden Niveauunterschiede können gut bewältigt werden, der sichere Transport im Nahbereich ist gewährleistet. Die Benützung von Walkingstecken stellt eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit dar. Eine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit konnte bei der gutachterlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin nicht objektiviert werden. Das Wirbelsäulenleiden ist mittelgradig. Ein sensomotorisches Defizit besteht nicht. Es können beim Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln leichte Schmerzen auftreten, diese können medikamentös behandelt werden. Kurzfristig mittlere bis starke Schmerzen sind jedoch nicht zu erwarten. Relevante Bewegungsdefizite liegen nicht vor. Insbesondere ist die operierte Hüfte stabil, Befunde für eine Lockerung liegen nicht vor.
Zum Beschwerdevorbringen, dass bei der Beschwerdeführerin eine ausgedehnte Atrophie der Rückenmuskulatur vorliegen würde, hält der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Facharzt für Unfallchirurgie nachvollziehbar fest, dass bei der Beschwerdeführerin die Rückenmuskulatur zwar ausgedünnt ist, aber nicht komplett fehlt. Im vorgelegten MRT-Befund wird zwar eine Atrophie der Rückenmuskulatur beschrieben, allerdings sind dies nicht die einzigen Stabilisatoren des unteren Rumpfes. Da sich die Beschwerdeführerin problemlos aufrichten kann, die Bauchmuskulatur nicht betroffen ist und die Hüftmuskulatur nicht wesentlich verschmächtigt ist, stehen genug andere Stabilisatoren zur Verfügung, die die beim Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln erforderlichen statischen und dynamischen Funktionen gewährleisten.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, dass bei ihr aufgrund eines Ganglions in der rechten Hüfte eine Beugekontrakur vorliegen würde, hält der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Facharzt für Unfallchirurgie nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin nachvollziehbar fest, dass eine Beugekontraktur der rechten Hüfte nicht objektiviert werden konnte.
Hinsichtlich therapeutischer Optionen oder Kompensationsmöglichkeiten stellen eine konsequente Heilgymnastik für die Lendenwirbelsäule und die beiden Hüften, vor allem muskelkräftigende Übungen, zumutbare Behandlungsmöglichkeiten dar (vgl. diesbezüglich den mit der Beschwerde vorgelegten Befund eines Facharztes für Orthopädie vom 04.07.2016).
Das Vorliegen einer Immunschwäche (Zoster rezidivierend seit 2004) wird von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde zwar behauptet und wird auch im mit der Beschwerde vorgelegten Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vom 04.07.2016 unter dem Punkt "Diagnosen" ein Zustand nach Herpes zoster Meningitis angeführt, doch wurde das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, im gegenständlichen Verfahren nicht befundmäßig durch entsprechende (fachärztliche) Befunde belegt.
Auch, dass bei der Beschwerdeführerin eine "Thromboseneigung auf Vibrationen im Autobus" besteht, wurde nicht durch die Vorlage entsprechender Befunde belegt. In dem mit der Beschwerde vorgelegten Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vom 04.07.2016 wird unter dem Punkt "Diagnosen" zwar ein Zustand nach einer Beckenbeinvenenthrombose angeführt, es wird jedoch nicht dargelegt, wodurch dieser hervorgerufen wurde.
Das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 02.02.2018 wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die Beschwerdeführerin ist den im gegenständlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Sämtliche nach dem 07.04.2017 (Datum der Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht) vorgelegten Befunde unterliegen der Neuerungsbeschränkung.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
"§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)...
b)...
...
2. ... 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des
Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
...
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
...
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
-
schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
-
nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
..."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 16.02.2017 sowie das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 02.02.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine anhaltende ausreichend erhebliche Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Befunde vorgelegt, die die vorliegenden Gutachten entkräften oder diesen widersprechen würden. Die mit Nachreichung vom 11.06.2019 vorgelegten Befunde aus dem Jahr 2019 unterliegen der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG, wonach in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Die im gegenständlichen Verfahren eingeholten Gutachten erwiesen sich als vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig.
Auch eine Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen ist nicht belegt. Nach den anzuwendenden Erläuterungen ist aber auch die Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin wäre hierfür nach den Erläuterungen nicht ausreichend.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welche aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten erheblichen Verschlechterung ihres Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien haben zudem keine mündliche Verhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5). Dies gilt überdies insbesondere während der Phase der Wirksamkeit des Art 16 § 3 (iVm § 6 Abs 1) des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl I Nr. 16/2020.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zumutbarkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2152461.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.07.2020