TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W261 2229747-1

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
StVO 1960 §29b

Spruch

W261 2229747-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 27.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 09.01.2020 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.02.2020 basierenden Gutachten vom 14.02.2020 stellte der medizinische Sachverständige folgende Funktionseinschränkungen "Aufbrauchserscheinungen des Bewegungsapparates" und "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert (in der Folge vH) fest und führte zudem aus, dass dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

Die belangte Behörde übermittelte dieses medizinische Sachverständigengutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25.02.2020 und informierte diese darüber, dass sie in den nächsten Tagen den Behindertenpass übermittelt bekommen wird.

Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.02.2020 den Behindertenpass, welchem Bescheidcharakter zukommt. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen hierfür, erfolgte die Ausstellung des Behindertenpasses ohne die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung". Die Ausstellung des Behindertenpasses blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 27.02.2020 wies die belangte Behörde auch den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29 b StVO ab. Begründend dazu führte die belangte Behörde aus, dass die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" Voraussetzung für die Ausstellung eines Parkausweises sei. Nachdem die Beschwerdeführerin diese Voraussetzung nicht erfülle, sei der Antrag auf Ausfolgung eines Parkausweises abzuweisen gewesen.

Mit Schreiben vom 10.03.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid, mit welchem der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29 b abgewiesen wurde, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie vor, dass es ihr nicht möglich sei, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, da es ihr auf Grund ihrer Behinderung nicht möglich sie, in den Autobus einzusteigen, da sie den Fuß nicht so hoch heben könne, dies gelte auch beim Zug. Beim Heben des Fußes habe sie sehr starke Schmerzen. Beim Autoeinsteigen setze sie sich ins Auto und ziehe den Fuß nach. Sie bitte den Einspruch zu behandeln. Die Beschwerdeführerin schloss der Beschwerde keine medizinischen Befunde an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 09.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises.

Die Beschwerdeführerin ist seit 09.01.2020 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H.

Die Voraussetzungen für den Zusatzeintrag "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellung, dass es der Beschwerdeführerin zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ergibt sich aus dem medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 14.02.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.02.2020. Darin führte der medizinische Sachverständige aus, dass bei der Beschwerdeführerin weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vorliegen. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m, ist der Beschwerdeführerin zumutbar und möglich. Die Beschwerdeführerin verwendet keine Gehbehelfe, die das Einsteigen- und Aussteigen behindern. Die Beine können von der Beschwerdeführerin gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten. Somit sind das Erreichen, ein gesichertes Einsteigen- und Aussteigen und ein gesicherter Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln für die Beschwerdeführerin möglich.

Auf Grundlage dieses medizinischen Sachverständigengutachtens stellte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen Behindertenpass ohne den beantragten Zusatzeintrag "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" aus, was im gegenständlichen Verfahren unbestritten blieb.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung der Straßenverkehrsordnung (StVO) lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 29b. (1) Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

..."

Die Beschwerdeführerin ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung Zusatzeintrag "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

Mangels Vorliegens eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO nicht gegeben. Das Beschwerdevorbringen betreffend die eingeschränkte Mobilität der Beschwerdeführerin, und die Schwierigkeiten bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann daher nicht berücksichtigt werden.

Da die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b (1) StVO 1960 somit nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG bzw. die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist, ob die Beschwerdeführerin Inhaberin eines Behindertenpasses ist, in welchem der Zusatz "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" eingetragen ist. Da das Fehlen eines Behindertenpasses mit dieser Zusatzeintragung - wie bereits ausgeführt - unzweifelhaft und unbestritten ist, erscheint der Sachverhalt geklärt. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Parkausweis, Voraussetzungen, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2229747.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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