TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/9 G301 2229673-1

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Veröffentlicht am 09.04.2020
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Entscheidungsdatum

09.04.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G301 2229673-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX,

Staatsangehörigkeit: Kolumbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 06.02.2020, Zl. XXXX, betreffend Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, zugestellt am 11.02.2020, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Mit dem am 21.02.2020 beim BFA, RD Wien, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 23.03.2020 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kolumbien.

Der BF lebt seit einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber seit Anfang August 2009 ununterbrochen in Österreich.

Die am XXXX.08.2009 vor dem Standesamt XXXX, Zl. XXXX, mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX, geboren am XXXX, geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.06.2016 rechtswirksam geschieden.

Der BF ist leiblicher Vater des am XXXX in XXXX geborenen deutschen Staatsangehörigen XXXX, der in Deutschland bei der obsorgeberechtigten Kindesmutter lebt, und des am XXXX in XXXX geborenen österreichischen Staatsbürgers XXXX, der in XXXX bei der obsorgeberechtigten Kindesmutter lebt.

Der BF verfügte als Ehegatte einer Österreicherin, die ihr unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hatte, seit XXXX.09.2009 durchgehend über eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (Aufenthaltskarte). Zuletzt wurde dem BF am XXXX.09.2014 vom Amt der XXXX Landesregierung, XXXX, eine bis XXXX.09.2019 gültige Aufenthaltskarte ausgestellt.

Am XXXX.04.2019 beantragte der BF beim Amt der XXXX Landesregierung, XXXX, die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a NAG.

Mit Mitteilung des Amtes der XXXX Landesregierung, XXXX, vom XXXX.10.2019, Zl. XXXX, wurde das BFA, Regionaldirektion Wien, über das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bzw. das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung einer Dokumentation gemäß § 55 Abs. 3 NAG informiert.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Die beschwerdeführende Partei ist den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten und hat in der Beschwerde auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet. So liegen keine widerstreitenden oder sonst strittigen Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der Feststellung des relevanten und oben dargestellten Sachverhaltes vor. Mit der vorliegenden Beschwerde wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bekämpft.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Ausweisung (Spruchpunkt A.):

Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gegen den BF eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm. § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgesprochen und diese im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass dem BF das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht in Österreich nicht mehr zukomme, weil die mit einer Österreicherin bestehende Ehe am "XXXX.02.2016" (richtig: XXXX.06.2016) geschieden worden sei und trotz Bestehens der Ehe von mehr als drei Jahren die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 55 Abs. 3 iVm. § 54 Abs. 5 NAG nicht vorliegen würden, weil der BF weder über einen Krankenversicherungsschutz verfügen würde noch erwerbstätig sei. Auch unter Einbeziehung des Art. 8 EMRK hätten sich keine Gründe ergeben, die die belangte Behörde daran hindern würden, diese Entscheidung zu treffen.

In der Beschwerde wurde die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass der BF zwar arbeitslos sei, aber bereits eine Einstellungszusage habe. Er habe einen B1-Deutschkurs gemacht und sei - neben einem minderjährigen Kind in Deutschland - auch für seinen minderjährigen Sohn in Österreich "sorgepflichtig". Es liege auch ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich vor. Der BF habe während seines 10-jährigen Aufenthalts in Österreich gearbeitet, sei bereits gut integriert und habe viele Freundschaften geschlossen. Das Verhalten des BF stelle jedenfalls keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, weshalb sein Verbleib in Österreich auch keine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung darstelle.

Die Anwendung der für den gegenständlichen Sachverhalt maßgeblichen Rechtslage ergibt Folgendes:

Gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat gemäß § 66 Abs. 2 FPG das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Gemäß § 66 Abs. 3 FPG ist die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

§ 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, lautet:

"(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt."

§ 55 Abs. 3 NAG nimmt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FPG Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer-)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FPG einzuleiten ist aber auch der Fremdenpolizeibehörde aus Eigenem - also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Niederlassungsbehörde - nach den Bestimmungen des FPG nicht verwehrt (VwGH 18.06.2013, Zl. 2012/18/0005; 13.10.2011, Zl. 2009/22/0330).

Der BF ist Staatsangehöriger von Kolumbien und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der BF war als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt in Anspruch genommen hat, während aufrechter Ehe bis zur Rechtswirksamkeit der Scheidung begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig geblieben, dass sich der BF jedenfalls seit August 2009 und somit seit über zehn Jahren durchgängig in Österreich aufhält und hier seinen Lebensmittelpunkt begründet hat.

Entgegen der verfehlten Ansicht im angefochtenen Bescheid, wonach sich der BF nunmehr nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, da er "unter diesen Umständen" (Scheidung, fehlende Krankenversicherungsschutz und Erwerbslosigkeit; Anm.) sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen könne (Bescheid S. 16), bleibt der BF, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde (zuletzt Aufenthaltskarte mit Dokumentengültigkeit bis XXXX.09.2019), selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll demnach einem Drittstaatsangehörigen möglich sein, trotz des Wegfalles der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre. Dass der Aufenthalt allein schon wegen des Vorhandenseins einer (noch gültigen) Dokumentation als rechtmäßig anzusehen ist, bringen die Erläuterungen insofern deutlich zum Ausdruck als sie davon ausgehen, dass ohne die der Niederlassungsbehörde eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit die Gefahr bestünde, Fremde könnten "weiterhin ihr gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht behalten, auch wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen" (VwGH 18.06.2013, Zl. 2012/18/0005).

Der Aufenthalt des BF in Österreich ist somit auch unter der Annahme, dass das (abgeleitete) unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten Österreicherin wegen Scheidung der Ehe nicht mehr bestehe, weiterhin ein rechtmäßiger.

Weiters als unstrittig erweist sich der Umstand, dass der BF während des gesamten Zeitraums der von XXXX.08.2009 bis XXXX.06.2016 und somit fast sieben Jahre bestehenden Ehe mit einer Österreicherin, die ihr unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt in Anspruch genommen hatte, als begünstigter Drittstaatsangehöriger ebenso über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 54 NAG verfügte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der BF die Scheidung der Ehe der zuständigen Aufenthaltsbehörde nicht gemeldet hat.

Bloß der Umstand, dass ein begünstigter Drittstaatsangehöriger seiner Meldepflicht nach § 54 Abs. 6 NAG betreffend Scheidung der Ehe nicht nachkommt, stellt zwar eine Verwaltungsübertretung dar (siehe § 77 Abs. 1 Z 5 NAG), ändert aber nichts am weiteren Bestehen des Aufenthaltsrechts.

Gemäß § 54a Abs. 1 NAG erwerben Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, das Daueraufenthaltsrecht, wenn sie sich fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. § 53a Abs. 2 ist bei der Berechnung der Fünfjahresfrist zu berücksichtigen. Gemäß § 54a Abs. 2 NAG erwerben diese Angehörigen das Daueraufenthaltsrecht vor Ablauf der Fünfjahresfrist in den in § 53a Abs. 4 und 5 genannten Fällen.

Das Recht auf Daueraufenthalt nach § 54a NAG ist im Unionsrecht begründet (siehe Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG) und nicht an das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen geknüpft, die für den Erwerb des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts erfüllt sein müssen. Gegen Fremde, die über ein solches Recht auf Daueraufenthalt verfügen, darf eine Ausweisung nur aus "schwerwiegenden" Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Freizügigkeitsrichtlinie wurden im FPG insofern umgesetzt, als nach § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben (§§ 53a, 54a NAG), nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (VwGH 12.03.2013, Zl. 2012/18/0228).

Der im Hinblick auf den Erwerb des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts nach § 54a Abs. 1 NAG maßgebliche Umstand, dass sich der BF in der Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger (Ehegatte) über fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, wird jedoch von der belangten Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung in keiner Weise berücksichtigt, obwohl schon die eigene Feststellung der belangten Behörde, dass sich der BF seit 2009 und somit seit über fünf Jahren in Österreich aufhält, Überlegungen in diese Richtung erfordert hätte.

Der Vollständigkeit halber ist überdies festzuhalten, dass der BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Ausweisung mit dem angefochtenen Bescheid bereits mehr als zehn Jahre seinen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, weshalb sich die belangte Behörde auch mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt hätte, ob eine Ausweisung allenfalls nach dem (noch) strengeren Maßstab des § 66 Abs. 3 FPG zu prüfen gewesen wäre.

Aus den dargelegten Erwägungen kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei ordnungsgemäßer Beschäftigung mit dem Aspekt eines bereits erworbenen Daueraufenthaltsrechts im Sinne des § 54a NAG zur Unzulässigkeit der gegenständlichen Ausweisung auf Grund des dafür maßgeblichen strengeren Maßstabes des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG hätte gelangen müssen (vgl. dazu zum - insoweit gleichgelagerten - Daueraufenthaltsrecht nach § 53a NAG: VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132). Demnach ist eine Ausweisung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen, der das Daueraufenthaltsrecht nach § 54a NAG bereits erworben hat, nur dann zulässig, wenn sein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (dazu grundsätzlich VwGH 13.12.2012, Zl. 2012/21/0181). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen vom - unbescholtenen - BF ausgehenden "schwerwiegenden Gefahr" sind im gegenständlichen Fall aber nicht ersichtlich.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass im vorliegenden Fall allein die rechtliche Schlussfolgerung im angefochtenen Bescheid, dass dem BF ein weiteres (unionsrechtliches) Aufenthaltsrecht nach § 54 Abs. 5 NAG nur wegen Scheidung der Ehe, des mangelnden Krankenversicherungsschutzes und wegen (aktueller) Erwerbslosigkeit (trotz Einstellungszusage) nicht zukomme, zur Begründung der Erlassung einer Ausweisung gegen die beschwerdeführende Partei keinesfalls ausreicht.

Dadurch, dass die belangte Behörde die rechtlich gebotene Auseinandersetzung mit der Frage unterließ, ob der BF allenfalls bereits ein Daueraufenthaltsrecht nach § 54a NAG erworben hat, wird der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

Auf die weiteren in der Beschwerde dargelegten Gründe zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheides, etwa wonach die Erlassung einer Ausweisung auch nach Maßgabe einer nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK gebotenen Interessenabwägung ungerechtfertigt wäre, war daher nicht mehr einzugehen.

Da sich die von der belangten Behörde erlassene Ausweisung aus den dargelegten Gründen als rechtswidrig erwiesen hat, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG zur Gänze aufzuheben.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da im vorliegenden Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2229673.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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