Entscheidungsdatum
16.04.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G303 2227732-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Algerien, zu BFA-Zl. XXXX, zu Recht:
A) Es wird gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: BFA) vom 30.09.2019, Zl. XXXX, wurde über den betroffenen Fremden (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
2. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ. G303 2227732-1/4Z, vom 27.01.2020, GZ. G305 2222774-2/2E, vom 21.02.2020, und GZ. 308 2222774-3/2E vom 18.03.2020, wurde jeweils gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
3. Am 14.04.2020 langten beim Bundesverwaltungsgericht die vom BFA gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zum Zweck der weiteren periodischen amtswegigen Überprüfung der seit XXXX.2019 andauernden Anhaltung in Schubhaft des im gegenständlichen Verfahren betroffenen BF vorgelegten Verwaltungsakten unter Anschluss einer diesbezüglichen Stellungnahme der belangten Behörde (datiert mit 10.04.2020) ein. Darin wurden die Gründe für die Aufrechterhaltung der Anhaltung in Schubhaft dargelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit), welche durch Interpol Algier festgestellt wurde. Er verfügt über kein gültiges Reisedokument.
Der BF ist erstmalig zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt über Ungarn illegal ins Bundesgebiet eingereist und stellte am XXXX.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz;
Spätestens am XXXX.08.2015 (Zeitpunkt der Abmeldung aus der Grundversorgung) tauchte der BF unter und war es nicht möglich, seinen Aufenthalt zu ermitteln.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 09.11.2015, Zahl: XXXX, wies die belangte Behörde den Asylantrag des BF gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF. als unzulässig zurück und stellte fest, dass gemäß Artikel 18.1.b iVm. 25.2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Ungarn für den Asylantrag des BF zuständig ist und ordnete gemäß § 61 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF. die Außerlandesbringung nach Ungarn an und stellte fest, dass die Abschiebung des BF dorthin zulässig ist.
Am 06.12.2016 langte ein Wiederaufnahmeersuchen der französischen Asylbehörden bei der belangten Behörde ein, die dieses mit Schreiben vom 13.12.2016 unter Verweis auf die Zuständigkeit Ungarns ablehnte.
Spätestens am 31.05.2018 reiste der BF erneut illegal ins Bundesgebiet ein.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX, Zahl: XXXX vom XXXX.2018, rechtskräftig mit XXXX.2019, wurde der BF wegen Diebstahls, Widerstands gegen die Staatsgewalt und absichtlich schwerer Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren verurteilt.
Der BF befand sich im Zeitraum vom XXXX.2018 bis XXXX.2019 in Untersuchungs- und Strafhaft.
Am XXXX.08.2019 stellte der BF - aus dem Stande der Strafhaft - einen Asylfolgeantrag.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX.2019, Zl. XXXX, wurde der Asylantrag des BF abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des BF wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 28.10.2019, GZ: I411 2224620-1/4E, als unbegründet ab.
Der BF befindet sich seit XXXX.2019 in Schubhaft, die derzeit im AHZ Vordernberg vollzogen wird.
Er hat in Österreich keine maßgebliche familiäre, soziale und berufliche Verankerung. Er verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz.
Der haftfähige BF ist nicht ausreisewillig. Er verwendete im Verfahren vor der belangten Behörde unterschiedliche Identitäten.
Die belangte Behörde leitete am 30.10.2019 ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats ein, welches bis dato noch nicht ausgestellt wurde. Am 07.04.2020 erfolgte diesbezüglich die letzte Einzelurgenz an die algerische Botschaft. Trotz der bestehenden Einschränkungen, welche aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie bestehen, ist es nach wie vor wahrscheinlich, dass ein Heimreisezertifikat innerhalb der gesetzlich möglichen Dauer der Schubhaft ausgestellt und eine Abschiebung des BF nach Algerien durchgeführt werden kann.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, einschließlich der Gerichtsakten zur GZ. G303 2227732-1, GZ. G305 2227732-2 und GZ. G308 2227732-3 zu den zuletzt ergangenen Haftprüfungsentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die angeführte Staatsangehörigkeit konnten anhand einer Identifizierung vom Interpol Algier, welche am 13.10.2016 erfolgte, festgestellt werden.
Aus dem vorliegenden Akt und den Vorakten ergibt sich, dass der BF bislang unterschiedliche Identitäten verwendete.
Dass der BF über kein gültiges Reisedokument verfügt, basiert aufgrund seiner Angaben im Verfahren.
Die Feststellungen zu den Anträgen auf internationalen Schutz und zur Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot ergeben sich aus dem gegenständlichen Akteninhalt und konnten durch Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister getroffen werden. Des Weiteren wurde in dem zur Zahl I411 2224620-1/4E geführten Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes Einsicht genommen.
Aus der Anhaltedatei ergibt sich, dass sich der BF ab XXXX.2019 in Schubhaft befindet und diese im Anhaltezentrum Vordernberg vollzogen wird.
Die Feststellung zu der strafgerichtlichen Verurteilung wird durch einen entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt.
Die Feststellung zur Dauer der Strafhaft bzw. Untersuchungshaft ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister, Strafregister und dem Akteninhalt.
Der Umstand, dass der BF spätestens am 31.05.2018 erneut illegal in das Bundesgebiet einreiste, ergibt sich daraus, dass dieser am 31.05.2018 festgenommen wurde.
Aus der Bargeld - und Effektenaufstellung ergibt sich, dass der BF selbst über keine finanziellen Mittel verfügt, die ausreichend sind, damit sein Lebensunterhalt entsprechend gesichert ist.
Anhaltspunkte für familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet bzw. eine maßgebliche soziale und berufliche Integration konnten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF über keinen aufrechten Wohnsitz verfügt.
Es sind keine Hinweise auf signifikante Erkrankungen und Einschränkungen der Haftfähigkeit des BF aktenkundig.
Die Tatsache, dass der BF ausreiseunwillig ist, ergibt sich daraus, dass er am 05.09.2019 bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde angab, dass er alles tun werde, damit seine Abschiebung nicht zu Stande komme und er diese auf jeden Fall verhindern würde. Der BF setzte auch keine nachweislichen Schritte, um freiwillig auszureisen.
Dass das BFA, dass Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats am 30.10.2019 einleitete und am 07.04.2020 zuletzt urgierte konnte aufgrund der Stellungnahme des BFA im Rahmen der Aktenvorlage am 10.04.2020 festgestellt werden. Die Feststellung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats und einer anschließenden Abschiebung innerhalb der gesetzlich möglichen Dauer der Schubhaft, die gegenständlich 18 Monate beträgt, basiert darauf, dass das BFA unmittelbar nach Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2019 das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats einleitete, bereits bei der Botschaft urgierte, die Identität des BF durch das Interpol eindeutig festgestellt wurde und nach glaubwürdigen Angaben des BFA regelmäßig HRZ-Ausstellungen erfolgen und Abschiebungen nach Algerien durchgeführt werden. Auch geht das erkennende Gericht davon aus, dass die derzeit bestehenden Reisebeschränkungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie als vorübergehend anzusehen sind und voraussichtlich in nächster Zeit wieder wegfallen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gesetzliche Grundlagen:
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß
Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:
§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.
3.2. Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX.2019 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
Zunächst ist festzuhalten, dass den im vom Bundesverwaltungsgericht zuletzt ergangenen Erkenntnis zur GZ.: G308 2222774-3/2E vom 18.03.2020 dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.
Gegenständlich liegt auch eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, nämlich eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vor.
Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Unterhaltes und über keinen aufrechten Wohnsitz. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden und bestehen im Bundesgebiet keine feststellbaren familiären Beziehungen. Damit ist auch § 76 Abs. 3 Z9 FPG erfüllt.
Auch durch die Verwendung von unterschiedlichen Identitäten und durch das Untertauchen hat der BF am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt bzw. so bislang seine Abschiebung im Sinne des § 76 Abs. 3 Z1 FPG behindert.
Unter Berücksichtigung dieser nach wie vor vorliegenden Umstände kann von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden.
Zudem wurde der BF rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Dieses massive strafrechtliche Fehlverhalten ist gemäß § 76 Abs. 2a FPG im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich zu berücksichtigen.
Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere seines strafrechtlichen Fehlverhaltens, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit sowie seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat bislang keine Bereitschaft gezeigt hat freiwillig auszureisen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.
Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) durch die zuständige Auslandsvertretungsbehörde, nämlich gegenständlich die Botschaft von Algerien, ist im Laufen.
Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für den BF ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).
Da das Verfahren hinsichtlich einer HRZ-Ausstellung für den BF seitens des BFA effizient und nachhaltig geführt wird, insbesondere das BFA laufend mit der zuständigen Botschaft in Kontakt steht, eine Identifizierung des BF durch Interpol Algier vorliegt und sich keine Umstände ergeben haben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer von gegenständlich 18 Monaten nicht möglich wäre, ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor gegeben.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von verstärkter Fluchtgefahr, nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.
Die in § 80 Abs. 4 Z1 und Z2 FPG vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von 18 Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt nicht überschritten.
Sollten die Einschränkungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie bei Reisebewegungen jedoch weit über Mai 2020 hinaus verlängert oder gar unbefristet angeordnet werden, wird die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft des BF zu hinterfragen sein, zumal dann voraussichtlich nicht mehr von der Möglichkeit einer zeitnahen Abschiebung nach Algerien ausgegangen werden kann.
Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.
3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, ging doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar hervor, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Zudem war derzeit zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
3.4. Zu Spruchteil B): Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2227732.4.00Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020