Entscheidungsdatum
20.04.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2229439-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, welcher aus Palästina stammt, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 28.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zu seiner Person liegt kein EURODAC-Treffer vor. Eine VIS-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer über ein von der spanischen Vertretungsbehörde in Jerusalem/Israel ausgestelltes Schengen-Visum Typ C, gültig von 23.09.2019 bis 06.11.2019, verfügte.
Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (28.10.2019) gab der Beschwerdeführer befragt nach seinen Angehörigen an, seine Eltern, seine vier Brüder und seine vier Schwestern seien alle in Palästina wohnhaft. In Österreich lebe seine Ehefrau, die auch als Vertrauensperson anwesend sei, sowie die drei gemeinsamen Töchter. Sie seien österreichische Staatsbürger und in Wien wohnhaft.
Den Entschluss zur Ausreise habe der Beschwerdeführer Anfang September 2019 gefasst; sein Ziel sei Österreich gewesen, da hier seine Frau und die gemeinsamen Kinder seien. Er sei am 27.09.2019 illegal von Jerusalem nach Jordanien geflüchtet, da er sonst die israelische Grenze hätte überschreiten müssen. Er besitze ein palästinensisches Reisedokument, welches er im Moment gerade nicht finde. Er habe aber eine Kopie bei sich. Das palästinensische Reisedokument sei in XXXX von der palästinensischen Autorität ausgestellt worden [Ausstellungsdatum und Dokumentennummer im Akt ersichtlich; Kopie der Kopie des Dokuments im Akt]; er habe es bei der Ausreise nicht vorgezeigt. Von Jordanien nach Spanien sei er legal gereist, unter Verwendung eines Visums, gültig bis zum 06.11.2019. Auch der Weiterflug von Spanien nach Österreich sei legal gewesen. Das spanische Schengen-Visum sei ihm über eine Agentur in Jerusalem besorgt worden. Er habe bisher in keinem anderen Land um Asyl angesucht.
Als Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Neffe am XXXX 2019 mit einem Messer auf einen israelischen Soldaten losgegangen sei. Daraufhin sei er erschossen worden. Der Beschwerdeführer selbst sei als sein Onkel verhört worden. Man habe ihm ein Gerichtsverfahren und mehrere Haftstrafen angedroht, da man der Meinung gewesen sei, er habe den Neffen zu der Tat angestiftet. Zwei Freunde des Beschwerdeführers seien verhaftet worden und ebenfalls der Mittäterschaft bezichtigt worden. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat befürchte der Beschwerdeführer mehrjährige Haftstrafen. Er werde der israelischen Armee vorgeführt werden und im Schnellverfahren für mehrere Jahre ins Gefängnis gesteckt.
Aus einem Vermerk vom 29.10.2019 ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer freiwillig auf Leistungen aus der Grundversorgung verzichtete und über die Einstellung der Grundversorgung belehrt wurde; Grund dafür war der Privatverzug zu seiner Frau und den Kindern, wo der Beschwerdeführer seit 25.10.2019 mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.
2. Am 05.11.2019 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an die spanische Dublin-Behörde, welchem Spanien mit Schreiben vom 25.11.2019 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ausdrücklich zu stimmte.
3. Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 09.12.2019 im Beisein einer Rechtsberaterin die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt.
Zuvor wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen. Sie gab über Nachfrage an, sie könne bestätigen, dass der Beschwerdeführer ihr Gatte sei. Sie hätten im Jahr 2014 in Palästina geheiratet. Befragt, wie lange die Beziehung schon bestehe, erklärte sie, dass er ihr Cousin sei und sie ihn etwa zwei Jahre vor der Eheschließung kennen gelernt habe. Zur Frage, wie sich das Familienleben gestaltet habe, führte sie aus, dass sie ihren Mann regelmäßig in Palästina besucht habe und so sei zunächst auch die erste gemeinsame Tochter entstanden. Sie sei im Jahr 2015 in Wien geboren worden. Mittlerweile hätten sie drei Kinder zusammen. Befragt, ob sie versucht hätten, dass der Beschwerdeführer legal nach Österreich kommen könne, bejahte sie das. Zunächst hätten sie versucht, ein österreichisches Schengen-Visum zu bekommen. Das sei aber abgelehnt worden; vermutlich im Jahr 2016. Nachdem die zweite Tochter Anfang 2017 geboren worden sei, hätten sie versucht, eine Familienzusammenführung durchzuführen. Sie hätten dies über die österreichische Botschaft in Tel Aviv beantragt; das sei aber nach Prüfung der Umstände abgelehnt worden. Der Grund sei gewesen, dass ihr Mann keinen Deutschkurs besucht habe. Im Jahr 2018 hätten sie es nochmals versucht, da habe ihr Mann einen Deutschkurs besucht, jedoch sei der Antrag aufgrund der Wohnsituation und ihrem Einkommen in Österreich ein weiteres Mal abgelehnt worden. Vorgehalten, dass der Beschwerdeführer nun unter Verwendung eines spanischen Visums nach Österreich eingereist sei und nachgefragt, wie sie sich jetzt die gemeinsame Zukunft vorstellen würden, erklärte sie, dass sie hier in Österreich ein gemeinsames Leben führen wollten. Sie wünsche sich, dass ihr Mann gemeinsam mit den Kindern hier leben könne. Die größte Tochter werde nächstes Jahr das Pflichtjahr im Kindergarten beginnen und spätestens dann sei es ihr gar nicht mehr möglich, ihren Mann in Palästina zu besuchen.
Der Beschwerdeführer gab zu Beginn seiner Einvernahme über Nachfrage an, dass er sich psychisch und physisch dazu in der Lage sehe, die Befragung zu absolvieren. Er leide an keiner Erkrankung und stehe auch nicht in ärztlicher Behandlung. Nachgefragt, ob er Beweismittel vorlegen wolle, erklärte der Beschwerdeführer, dass er hinsichtlich seiner Fluchtgründe Unterlagen habe, die er vorlegen könne, wenn das erforderlich sei. Es handle sich dabei um eine Bestätigung des Roten Kreuzes, dass er von der israelischen Armee angeschossen worden sei; dazu habe er auch ärztliche Befunde. Weiters habe er Unterlagen dazu, dass er mit 14 Jahren für zwei Jahre festgenommen und eingesperrt worden sei. Er sei öfters festgenommen worden, aber immer nur kurzfristig. Nachgefragt, weshalb das passiert sei, erklärte der Beschwerdeführer, er sei bei der Fatah-Bewegung aktiv gewesen.
In Österreich habe der Beschwerdeführer seine Frau und seine drei Töchter. Auch die Familie seiner Frau lebe hier. Seine Frau und die Kinder seien alle österreichische Staatsbürger. Über Aufforderung, sein Familienleben zu beschreiben, schilderte der Beschwerdeführer, dass der Vater seiner Frau sein Onkel mütterlicherseits sei. Er habe sie immer wieder, etwa einmal im Jahr, in Palästina besucht. Die jetzige Frau des Beschwerdeführers habe ihren Vater bei den Besuchen immer begleitet und so hätten sie sich kennen gelernt. Sie hätten geheiratet und seine Frau habe ihn dann jedes Jahr vom sechsten bis zum neunten Monat und dann wieder vom ersten bis zum dritten Monat des Jahres besucht. Dann sei sie wieder nach Österreich zurückgereist. Sie habe sich nicht länger als drei Monate durchgehend in Israel aufhalten dürfen.
Nachgefragt, ob er zuvor schon versucht habe, auf legalem Weg nach Österreich zu kommen, antwortete der Beschwerdeführer, dass er ein Visum beantragt habe und auch einmal einen Deutschkurs besucht habe. Währenddessen habe er auf die Antwort gewartet, aber jetzt sei er auf diesem Weg, also mit einem spanischen Visum hierhergekommen, weil er Probleme bekommen habe und nicht mehr länger warten habe können. Zuletzt sei er von den israelischen Behörden gesucht worden, weil sein Neffe, der Sohn seiner Schwester, beschuldigt worden sei, einen Anschlag verüben zu wollen. Er sei erst 14 Jahre alt gewesen und sei mit 18 Schüssen getötet worden. Nach dem Vorfall sei er selbst und seien auch andere Familienmitglieder einvernommen worden. Zwei Tage später sei es zu einem Schusswechsel zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen. Er sei beschuldigt worden, daran beteiligt gewesen zu sein.
Nachgefragt, ob er denn daran beteiligt gewesen sei, antwortete der Beschwerdeführer, ja, er habe daran teilgenommen und er würde es auch wieder tun. Zwei seiner Freunde seien festgenommen worden und sie würden zehn Jahre Haft bekommen. Die Israelis hätten einen 14-jährigen Buben erschossen; mit welchem Recht hätten sie das getan? Der Beschwerdeführer sei daraufhin illegal aus Palästina ausgereist und dann mit einem spanischen Visum über Jordanien nach Spanien und von dort weiter nach Österreich gekommen.
Befragt, wie er zu dem spanischen Visum gekommen sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass das über zwei Freunde gelungen sei, die gute Kontakte zur spanischen Botschaft hätten. Es seien Geschäftsleute, die sehr oft nach Spanien reisen würden. Nachgefragt, ob er also das Visum von der spanischen Botschaft in Jordanien erhalten habe, schilderte der Beschwerdeführer, dass er sich zunächst nach dem Vorfall in Palästina versteckt habe. Dann habe man ihn zum spanischen Konsulat gebracht und dort habe er auch seine Fingerabdrücke abgegeben und so das Visum erhalten. Ungefähr zehn Tage später sei ihm dann der Reisepass mit dem Visum gebracht worden. Zur Frage, wo sich der Pass jetzt befinde, antwortete der Beschwerdeführer ausweichend, dass er den Pass nach der Einreise seinem Schwiegervater gegeben habe, der ihn im Taxi mitgehabt habe; dann habe er den Pass nicht mehr finden können.
Dem Beschwerdeführer wurde sodann mitgeteilt, dass geplant sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Spanien geführt worden seien; die Zustimmung zur Übernahme seiner Person seitens Spaniens liege bereits vor. Dazu erklärte der Beschwerdeführer, er hätte sich auch ein Jahr in Österreich verstecken können, um erst danach hier einen Asylantrag zu stellen. Das habe er aber nicht wollen. Er wolle bei seiner Familie sein und sich hier nicht illegal aufhalten. Er respektiere die österreichischen Gesetze und wünsche sich, dass sein Antrag hier angenommen werde und dass sich Österreich für ihn zuständig erkläre. Als er in Jerusalem gelebt habe, habe er gehört, dass in Europa die Menschenrechte respektiert würden. Mittlerweile glaube er aber, dass das alles so nicht stimme. Wie könne es sonst sein, dass man ihn nach Spanien schicken wolle, wenn seine Töchter hier leben würden.
Zur Frage, ob er konkrete Gründe angeben könne, die gegen ein Verfahren in Spanien sprächen, wiederholte der Beschwerdeführer, dass seine Frau und seine Töchter in Österreich leben würden und er bei ihnen sein wolle. Zu den aktuellen Länderberichten zu Spanien gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab. Er betonte, dass er sich wünsche, dass sein Antrag hier angenommen werde. Er habe in Spanien noch keine Einvernahme gehabt. Er sei nur zunächst nach Spanien gereist, sei dort etwa zehn Tage in einem Hotel gewesen und sei dann nach Österreich weitergeflogen.
Die anwesende Rechtsberaterin beantragte abschließend die Zulassung des Verfahrens unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls und Art. 8 EMRK.
Dem Beschwerdeführer wurde die Niederschrift Wort für Wort rückübersetzt, was er mit seiner Unterschrift bestätigte.
Vorgelegt wurden der palästinensische Personalausweis sowie eine Kopie des palästinensischen Reisepasses des Beschwerdeführers, eine Kopie der Geburtsurkunde der Ehefrau, Kopien der Geburtsurkunden der drei Töchter, in denen jeweils der Beschwerdeführer als Vater aufscheint, weiters die Reisepasskopien der Ehefrau und der Töchter, Kopien der palästinensischen Geburtsurkunde des Beschwerdeführers und der Heiratsurkunde samt Übersetzungen und Kopien der Meldezettel aller Beteiligten zum Nachweis dafür, dass sie im gemeinsamen Haushalt wohnen.
Per E-Mail vom 20.01.2020 machte der Beschwerdeführer plötzlich geltend, dass es zu Fehlern bei der Übersetzung in der Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2019 gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe dem Dolmetscher gesagt, dass er bei einer "problemlosen Demonstration" dabei gewesen sei [gemeint wohl: bei einer Demonstration, die friedlich und ohne Probleme verlaufen sei]. Zwei Tage später sei es zu einem Schusswechsel zwischen den israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen. Der Beschwerdeführer habe dem Dolmetscher gesagt, dass er bei dem Schusswechsel nicht dabei gewesen sei.
4. Im Akt finden sich einige Unterlagen der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv/Israel, denen sich entnehmen lässt, dass der Beschwerdeführer am 12.07.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Schengen-Visums Typ C eingebracht hatte, welcher wegen des Verdachts auf Niederlassung abgewiesen wurde. Am 20.12.2017 hatte er einen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gestellt, welcher ebenso abgewiesen wurde. Der zweite Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" vom 21.12.2018 ist derzeit noch in Bearbeitung, doch lässt sich der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.02.2020 entnehmen, dass beabsichtigt sei, den Antrag - aus näher dargelegten Gründen (Vorlage von gefälschten Führungszeugnissen, mangelnde Vorlage eines A1-Sprachzertifikats) - ebenfalls abzuweisen.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 21.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Spanien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Spanien traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert, gekürzt; Länderinformationsblatt Spanien, Stand vom 06.07.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 13.03.2019):
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 13.3.2019, Unterbringung von Dublin-Rückkehrern (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer)
Das Oberste Gericht (Tribunal Superior de Justicia) von Madrid hat im Dezember 2018 die spanischen Behörden aufgefordert, sicherzustellen, dass Asylbewerber, die aus anderen europäischen Ländern nach der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückkehren, nicht vom Zugang zum Aufnahmesystem ausgeschlossen werden. Der Anlass waren zwei Beschwerdeführer, deren Unterbringung im Aufnahmesystem für Asylbewerber nach der Rückkehr abgelehnt worden war, weil diese auf das Recht auf Aufnahme durch ihre Ausreise verzichtet hätten. Mindestens 20 Personen, die im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückgekehrt waren, waren aufgrund dieser Praxis in Madrid von der Unterbringung ausgeschlossen worden. Um dem Urteil zu entsprechen, hat das Ministerium für Arbeit, Migration und soziale Sicherheit Anweisungen erlassen, die das Recht der wiedereingeführten Asylbewerber auf Wiedereintritt in das Aufnahmesystem und einen angemessenen Lebensstandard gewährleisten. Im Unterbringungshandbuch wurde klargestellt, dass das Recht auf Unterbringung von Dublin-Rückkehrern nicht aufzuheben ist, weil zuvor der Wohnsitz aufgegeben wurde (ECRE 25.1.2019).
Quellen:
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ECRE - European Council on Refugees and Exiles (25.1.2019): ECRE Weekly Bulletin, per E-Mail
Allgemeines zum Asylverfahren
Spanien verfügt über ein rechtsstaatliches Asylsystem mit administrativen und gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. In erster Instanz ist das Oficina de Asilo y Refugio (OAR) zuständig für die Bearbeitung von Asylanträgen. Es untersteht dem Innenministerium:
(...)
Die Wartezeit, bis ein Antragsteller seinen Asylantrag formell einbringen kann, beträgt durchschnittlich sechs Monate. Die Verfahren dauerten 2017 durchschnittlich 14,4 Monate (9,2 Monate für Syrer, 16,8 Monate für Afghanen und 20 Monate für Iraker) (AIDA 15.3.2018; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
Dublin-Rückkehrer
Spanien erhält wesentlich mehr Dublin-In-Anfragen als es Dublin-Out-Anfragen stellt. 2016 erhielt Spanien 5.854 Anfragen. 2017 waren es 5.953, wobei es letztlich zu 425 Transfers kam. Spanien gibt vor Transfer keine Garantien an Mitgliedsstaaten ab; bei Ankunft der Rückkehrer koordiniert OAR sich aber mit dem Sozialministerium, das für die Unterbringung zuständig ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten von Problemen bei der Identifizierung von zurückkehrenden Opfern von Menschenhandel (hauptsächlich aus Frankreich), die nicht effektiv als solche erkannt wurden. Dublin-Rückkehrer haben keine Probleme beim neuerlichen Zugang zum Asylsystem. Ihre Interviews werden priorisiert, falls sie einen Asylantrag stellen wollen. Wenn ihr voriges Verfahren abgebrochen wurde ("discontinued"), müssen sie einen neuerlichen Asylantrag einbringen, der jedoch nicht als Folgeantrag gilt (AIDA 15.3.2018).
Das spanische Innenministerium hat auf Anfrage bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer ein eventuelles Asylverfahren in Spanien fortsetzen bzw. einen neuen Asylantrag stellen können. Außerdem ist der Zugang zu Versorgung, wie für andere Asylwerber auch, garantiert (ÖB 31.8.2016).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Madrid (31.8.2016): Auskunft des spanischen Innenministeriums, per E-Mail
Non-Refoulement
2016 und 2017 hat das OAR vermehrt die sichere Drittstaatenklausel in Bezug auf Marokko angewendet. Dies wurde mehrfach gerichtlich bestätigt (AIDA 15.3.2018).
An der Grenze von Marokko zu den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla kam es Berichten zufolge 2017 zu zahlreichen Fällen von Push-backs und Refoulement nach Marokko (AIDA 15.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Migranten sehen sich großen Hürden bei der Ausreise aus Marokko und dem Zugang zu den asylum points an der spanischen Grenze gegenüber. Im März 2015 wurde die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Drittstaatsangehörige, die bei der illegalen Einreise betreten werden, direkt an der Grenze zurückzuweisen. Dies wird als Verstoß gegen internationale rechtliche Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen kritisiert. UNHCR ist in den Enklaven präsent (AIDA 15.3.2018).
Die langen Wartezeiten, bis ein Antragsteller seinen Antrag formell einbringen kann, sind ein Problem, da die Betroffenen vorher kein Ausweisdokument erhalten und somit einem Risiko der Ausweisung und des Refoulements ausgesetzt sind (AIDA 15.3.2018).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018
Versorgung
Das spanische Unterbringungssystem besteht aus:
1. Vier Unterbringungszentren (Centros de acogida de refugiados, CAR) mit gesamt 420 Plätzen Kapazität.
2. Temporären Migrationszentren (Centros de estancia temporal para inmigrantes, CETI) in den Enklaven Ceuta (Kapazität: 512 Plätze) und Melilla (Kapazität: 700 Plätze).
CAR und CETI werden vom Arbeits- und Sozialministerium betrieben.
3. Weiters gibt es eine Unterbringungs- und Betreuungskomponente, die vom og. Ministerium an NGOs ausgelagert ist.
Wegen der zum Teil langen Wartezeiten bis zum Einbringen eines Antrags wurde auch eine Art Erstaufnahme geschaffen, während der Antragsteller bis zur Zuweisung eines Unterbringungsplatzes in Hotels untergebracht werden können (Assessment and referral phase). Die Größe der og. Zentren hängt vom Betreiber ab. Manche sind größer, andere wiederum in Appartments eingerichtet, einige in urbaner Umgebung, andere wiederum in ländlicher Gegend gelegen. Insgesamt verfügt Spanien (Stand Dezember 2016) über 4.104 Unterbringungsplätze. Seit 2017 sind 20 NGOs mit Finanzierung durch den spanischen Staat in der Unterbringung von Asylwerbern und Flüchtlingen tätig. Eine genaue Statistik der NGO-Unterbringungsplätze in Spanien ist nicht verfügbar. Versorgungsmaßnahmen werden niemals wegen hoher Antragszahlen reduziert, sondern es werden Notmaßnahmen eingeleitet und Antragsteller untergebracht, wo es möglich ist. Der Anstieg der illegalen Einreisen im Zuge des Jahres 2017 hat zu Schwierigkeiten bei der Unterbringung geführt, die Bedingungen haben sich aber nicht verschlechtert, da zusätzliche Plätze geschaffen wurden (AIDA 15.3.2018).
Personen, die ihren Asylantrag in den Enklaven Ceuta oder Melilla stellen, müssen die Zulässigkeitsentscheidung über ihren Antrag dort abwarten und werden erst dann aufs spanische Festland überstellt. Es gibt aber Berichte über Fälle, die trotz positiver Zulässigkeitsentscheidung nicht transferiert wurden. Spanische Gerichte haben ein solches Vorgehen mehrmals verurteilt. In den letzten Jahren wurden die Transfers nach Festland-Spanien beschleunigt, der Ablauf wird aber weiterhin als intransparent kritisiert (AIDA 15.3.2018). Die CETI in Ceuta und Melilla werden in Zusammenhang mit Überbelegung kritisiert (USDOS 20.4.2018). 2017 haben 3.218 Migranten die CETI in den Enklaven durchlaufen und sich dort im Schnitt 2,1 Monate aufgehalten. 2010 waren es noch 11,4 Monate gewesen (ep 1.2.2018).
Im spanischen Unterbringungssystem werden die Antragsteller in Absprache zwischen der Asylbehörde und der NGO, welche das Unterbringungszentrum führt, untergebracht. Man ist bemüht, die am besten geeignete Unterkunft für den Einzelfall zu finden. Asylwerber, die über keine finanziellen Mittel verfügen, haben das Recht auf Unterbringung und Versorgung zur Deckung ihrer grundlegenden Bedürfnisse. Die materiellen Bedingungen sind für alle Antragsteller dieselben, egal in welcher Art von Verfahren sie sich befinden. Dieses System hat stark integrativen Charakter und unterstützt Nutznießer von der Antragstellung bis zum Abschluss des Integrationsprozesses, aber maximal für 18 Monate (verlängerbar auf 24 Monate für Vulnerable). Wenn Antragsteller sich für eine private Unterkunft außerhalb des Systems entscheiden, haben sie keinen garantierten Zugang zu finanzieller Unterstützung und Leistungen wie in den Zentren. Die Versorgung geschieht in drei Phasen zu je sechs Monaten Dauer bei jeweils abnehmender Unterstützungsintensität, um in der letzten Phase Selbständigkeit und soziale Integration der Betreffenden zu erreichen (AIDA 15.3.2018).
1. Während der 1. Versorgungsphase werden Antragsteller in Unterbringungszentren (Centro de acogida de refugiados, CAR) bzw. in Wohnungen im ganzen Land untergebracht. Während dieser Phase erhalten die AW grundlegende Schulungen mit dem Ziel, ihre Integration in die spanische Gesellschaft zu ermöglichen. Die Phase muss daher in einem CAR absolviert werden. In der ersten Versorgungsphase erhalten Asylwerber ein Taschengeld in Höhe von €51,60 im Monat, plus €19,06 für jeden abhängigen Minderjährigen. Zusätzlich werden andere persönliche Ausgaben (Transport, Kleidung, pädagogische Aktivitäten, Verwaltungsangelegenheiten, Übersetzerkosten) gegen Vorlage von Rechnungen abgedeckt.
2. In der zweiten Versorgungsphase, der sogenannten Integrationsphase, haben die Asylwerber Anspruch auf finanzielle Unterstützung und Übernahme grundlegender Ausgaben für den Aufbau eines normalen Lebens. In der 2. Phase der Versorgung erhalten Asylwerber kein Taschengeld mehr und werden in Wohnungen und Privathäusern untergebracht. Die Mieten werden übernommen.
3. In der dritten Versorgungsphase, der sogenannten Autonomiephase, ist das Erreichen finanzieller Unabhängigkeit des Antragstellers vorgesehen. In dieser Phase erhalten die Asylwerber punktuell finanzielle Unterstützung zur Deckung bestimmter Ausgaben.
Kritisiert wird, dass nach der ersten Unterbringungsphase ein Maß an Autonomie, Selbsterhaltungsfähigkeit und Spracherwerb vorausgesetzt wird, das in sechs Monaten kaum zu erreichen sei. Gerade mangelnde Sprachkenntnisse sind ein erhebliches Hindernis beim Zugang zu Beschäftigung (AIDA 15.3.2018).
Gemäß Gesetz haben alle Migranten Zugang zu grundlegender Versorgung, unabhängig vom rechtlichen Status (USDOS 20.4.2018).
Negativ beschiedene Antragsteller dürfen in der Unterbringung bleiben, bis die maximale Unterbringungsdauer erreicht ist. Asylwerber haben nach sechs Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt, aber mangelnde Sprachkenntnisse, administrative Schwierigkeiten und Diskriminierung schmälern diesen Zugang in der Praxis (AIDA 15.3.2018).
Abgesehen von den Unterbringungskapazitäten für Asylwerber verfügt Spanien über neun Haftzentren (zusammen 1.589 Plätze) für fremdenrechtliche Haft (Centros de Internamiento de Extranjeros, CIE) (AIDA 15.3.2018).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
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ep - europapess (1.2.2018): Un total de 3.218 migrantes pasaron por los CETI de Ceuta y Melilla en 2017, donde estuvieron de media 2,1 meses,
http://www.europapress.es/sociedad/noticia-total-3218-migrantes-pasaron-ceti-ceuta-melilla-2017-donde-estuvieron-media-21-meses-20180201153420.html, Zugriff 5.7.2018
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018
Medizinische Versorgung
Das spanische Recht sieht für alle Asylwerber den vollen Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem wie für spanische Bürger vor, einschließlich Zugang zu spezialisierterer Behandlung für Personen, die Folter, schwere körperliche oder seelische Misshandlungen oder Traumatisierung erlitten haben. Obwohl in Spanien Zugang zu spezieller Behandlung durch Psychologen und Psychiater frei und garantiert ist, gibt es keine Institutionen, die auf die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge spezialisiert sind. Gegenwärtig gibt es drei NGOs, die für Asylbewerber mit psychischen Bedürfnissen zuständig sind. Die NGO Accem betreibt in Zusammenarbeit mit der Firma Arbeyal das Hevia Accem-Arbeyal - Zentrum, das auf Behinderung und psychische Gesundheit spezialisiert ist und Plätze für Asylsuchende reserviert, aber nicht ausschließlich auf diese Zielgruppe fokussiert. Die NGO CEAR (Comisión Española de Ayuda al Refugiado) betreibt auch Einrichtungen, die auf Asylsuchende mit psychischen Erkrankungen spezialisiert sind. Die Stiftung La Merced bietet Aufnahmeplätze für junge erwachsene Asylsuchende, die spezielle Unterstützung aufgrund psychischer Erkrankungen benötigen. Wenn die Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder gestrichen wird, bleibt der Zugang zu medizinischer Versorgung weiterhin bestehen (AIDA 15.3.2018).
Spanien hat 2015 einen strategischen Plan zur Eliminierung der Hepatitis C angenommen und seither etwa 100.000 Erkrankten Zugang zu einer Behandlung mit antiviralen Medikamenten der jüngsten Generation ermöglicht. Die Heilungsrate von etwa 95% ist eine der höchsten der Welt (AEHVE 29.5.2018). Mitte 2017 hat die spanische Gesundheitsministerin durchgesetzt, dass die Behandlung von Hepatitis C auf alle Stadien der Erkrankung ausgedehnt werden soll, nicht nur auf spätere Stadien. Die Kommunen Madrid und Valencia wendeten dies damals bereits an. Eine Unterstützung für die Kommunen bei der Finanzierung dieser Vorgehensweise, ist nicht vorgesehen (El País 21.6.2017). Um den Jahreswechsel 2017/2018 forderten Interessengruppen weiterhin die Umsetzung dieses Plans (AEHVE 9.1.2018).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
-
AEHVE - Alianza para la Eliminación de las Hepatitis Víricas en España (9.1.2018):Manifiesto de Asociaciones vinculadas a la Hepatitis C,
http://aehve.org/manifiesto-asociaciones-vinculadas-la-hepatitis-c/, Zugriff 5.7.2018
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AEHVE - Alianza para la Eliminación de las Hepatitis Víricas en España (29.5.2018): Llamamiento conjunto al Gobierno y a las Comunidades Autónomas para que faciliten el cribado universal de la hepatitis C, Zugriff 5.7.2018
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El País (21.6.2017): Sanidad acuerda con las comunidades ampliar el tratamiento de la hepatitis C, https://politica.elpais.com/politica/2017/06/21/actualidad/1498060903_372716.html, Zugriff 5.7.2018
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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO Spanien für die inhaltliche Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, da der Beschwerdeführer von Jordanien kommend mit einem spanischen Visum in Spanien eingereist und von dort weiter nach Österreich gereist sei; zwischenzeitlich habe er das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht wieder verlassen, sodass die Zuständigkeit Spaniens nicht erloschen sei.
Der Beschwerdeführer habe keine schweren psychischen Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten. Er verfüge in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte, nämlich über seine Ehefrau, die gleichzeitig seine Cousine sei, und über die drei gemeinsamen minderjährigen Töchter; mit ihnen lebe er derzeit im gemeinsamen Haushalt. Zuvor habe ein solcher jedoch nicht bestanden. Zu den Verwandten bestehe kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreichbestehe nicht.
Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei aus näher dargelegten Erwägungen gerechtfertigt. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.
6. Gegen den Bescheid des BFA vom 21.02.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Inhaltlich wurde zusammengefasst festgehalten, dass gegenständlich ein schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zu seinen in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Angehörigen bestehe und dass Art. 8 EMRK bzw. damit im Zusammenhang das Kindeswohl der drei minderjährigen Töchter des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dem Beschwerdeführer gehe es emotional sehr schlecht, wenn er daran denke, wieder von seinen Töchtern getrennt zu werden. Er verbringe seit seiner Ankunft in Österreich die gesamte Zeit mit ihnen und führe endlich ein normales Familienleben. Für seine Töchter sei die Beziehung zu ihrem Vater sehr wichtig, zumal sich die beiden älteren in einem Alter befänden, in dem die psychische Gesundheit wesentlich von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung abhänge. Die älteste Tochter beginne im Oktober mit der Vorschule. Da die Ehefrau des Beschwerdeführers nach ihrer Karenz ab September 2020 wieder Vollzeit berufstätig sein werde, obliege dem Beschwerdeführer in der Praxis ein wesentlicher Anteil an der Erziehung und Pflege der Töchter. Zur Ehefrau bestehe ein finanzielles sowie emotionales Abhängigkeitsverhältnis. Die Ehefrau komme zur Gänze für den Unterhalt der Familie auf, da der Beschwerdeführer keine Arbeitserlaubnis habe und keine Sozialleistungen empfange. Wechselseitig seien sie aufgrund der Ehe und ihrer Liebe emotional voreinander abhängig und sie könnten diese Beziehung nicht als Fernbeziehung weiterführen, da die körperliche Nähe und die Unterstützung im Alltag wesentlich seien. Sobald die Ehefrau wieder Vollzeit berufstätig sei, habe sie nur mehr fünf Wochen Urlaub im Jahr. Ein fünfwöchiger Besuch der Ehefrau und der Kinder in Spanien könne eine Aufrechterhaltung des Familienlebens nicht gewährleisten.
Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, um den entscheidungsrelevanten Sachverhalt ordnungsgemäß ermitteln zu können. Des Weiteren wurde die Einvernahme der Ehefrau als Zeugin beantragt, zum Beweis dafür, wie wichtig es für die Töchter des Beschwerdeführers sei, bei ihrem Vater zu sein.
7. Die Beschwerdevorlage samt Verwaltungsakt langte beim Bundesverwaltungsgericht am 10.03.2020 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, welcher aus Palästina stammt, reiste aus Jordanien kommend unter Verwendung eines spanischen Schengen-Visums Typ C über Spanien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und anschließend nach Österreich weiter, wo er am 28.10.2019 um internationalen Schutz ansuchte. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war sein spanisches Visum gültig (Gültigkeitszeitraum von 23.09.2019 bis 06.11.2019).
Das BFA richtete am 05.11.2019 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 gestütztes Aufnahmeersuchen an Spanien, welchem Spanien mit Schreiben vom 25.11.2019 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ausdrücklich zu stimmte.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheids zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Spanien an.
Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer verfügt an familiären Anknüpfungspunkten in Österreich über seine im Jahr 2014 in Palästina geehelichte Frau und die drei gemeinsamen minderjährigen Töchter, die alle österreichische Staatsbürger sind, und mit denen er seit 25.10.2015 im gemeinsamen Haushalt lebt. Zuvor bestand zwischen den Genannten bisher zu keinem Zeitpunkt ein längerfristiger gemeinsamer Haushalt. Das Familienleben gestaltete sich derart, dass die Ehefrau den Beschwerdeführer bisher mehrere Monate im Jahr in Palästina besuchte und anschließend wieder ins österreichische Bundesgebiet zurückkehrte. Wenngleich zwischen den Genannten eine emotionale Bindung besteht, so kann ein Abhängigkeitsverhältnis in dem Sinne, dass die Familie auf den Beschwerdeführer (oder umgekehrt der Beschwerdeführer auf die Familie) zur Bewerkstelligung des Alltags notwendiger Weise angewiesen wäre, nicht festgestellt werden. Des Weiteren leben die Schwiegereltern des Beschwerdeführers in Österreich, zu denen ebenso wenig ein berücksichtigungswürdiges Abhängigkeitsverhältnis besteht. Hinweise auf eine verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich haben sich im Verfahren nicht ergeben. Besonders ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen, die einer Ausweisung nach Spanien entgegenstünden, bestehen im österreichischen Bundesgebiet daher insgesamt nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten beruhen auf den durchgehend gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren in Zusammenschau mit der VIS-Abfrage, aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer über ein von der spanischen Vertretungsbehörde in Jerusalem/Israel ausgestelltes Schengen-Visum Typ C, gültig von 23.09.2019 bis 06.11.2019, verfügte.
Die Feststellungen betreffend die Zustimmung Spaniens zur Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO beruhen auf dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der spanischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheids, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Spanien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das spanische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Spanien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen.
Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell (Stand vom 06.07.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 13.03.2019), sie zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Spanien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.
Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt; es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin-III-VO geregelte grundsätzlich sechsmonatige Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Spanien nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Spanien wieder für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um keine besonders vulnerable Person handelt und keine Anzeichen dafür vorliegen, dass er aktuell im besonderen Maße auf eine medizinische Versorgung angewiesen wäre.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen in Spanien hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgebracht. Im Gegenteil wurde dazu im Laufe des Verfahrens überhaupt kein Vorbringen erstattet; etwaige (negative) Vorerfahrungen mit dem spanischen Asyl- und Versorgungssystem konnte der Beschwerdeführers angesichts der Tatsache, dass er sich dort eigenen Aussagen zufolge nur einige Tage auf der Durchreise in einem Hotel aufgehalten habe, ohne einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, auch gar nicht machen.
Dass der Beschwerdeführer unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben; er gab durchgehend gleichlautend an, gesund zu sein und nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich über seine Frau und die drei gemeinsamen minderjährigen Töchter, die allesamt österreichische Staatsbürger sind, sowie über seine Schwiegereltern verfügt, ist unstrittig. Das diesbezüglich erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers zur bisher geführten Beziehung und zur Eheschließung in Palästina im Jahr 2014 deckt sich mit den Angaben seiner Frau, die vor dem BFA als Zeugin einvernommen wurde. Zudem wurden entsprechende Unterlagen vorgelegt, wie etwa eine Kopie der Geburtsurkunde der Ehefrau, Kopien der Geburtsurkunden der drei Töchter, in denen jeweils der Beschwerdeführer als Vater aufscheint, weiters die Reisepasskopien der Ehefrau und der Töchter, Kopien der palästinensischen Geburtsurkunde des Beschwerdeführers und der Heiratsurkunde samt Übersetzungen und Kopien der Meldezettel aller Beteiligten zum Nachweis dafür, dass sie derzeit im gemeinsamen Haushalt wohnen.
Aus dem gleichlautenden Vorbringen des Beschwerdeführers und seiner Frau ergibt sich aber auch zweifelsfrei, dass ein gemeinsamer Wohnsitz erst nach der jetzigen Einreise des Beschwerdeführers in Österreich am 25.10.2019 begründet wurde, dieser sohin also erst seit etwa sechs Monaten besteht, und dass das Familienleben zuvor durch regelmäßige Besuche in Palästina aufrechterhalten wurde. Das Bestehen einer emotionalen Bindung zwischen den Familienangehörigen wird seitens des Gerichts nicht in Abrede gestellt, doch ergibt sich daraus noch kein derartiges gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, das einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Spanien entgegenstünde, zumal keiner der Beteiligter in einem besonderen Maße pflegebedürftig ist und das Familienleben auch zuvor schon über Jahre dergestalt geführt wurde, dass die Beteiligten eben nicht dauerhaft am selben Ort gelebt haben. In dem Zusammenhang wird nicht verkannt, dass minderjährige Kinder grundsätzlich einer Zuwendung durch eine geeignete Betreuungsperson bedürfen, doch geht dieser Bedarf gegenständlich nicht über das normale Maß an Pflege und Erziehung hinaus (anders könnte dies etwa beim Vorliegen von chronischen Erkrankungen, speziellen physischen und psychischen Beeinträchtigungen etc. zu beurteilen sein; dafür gibt es aber konkret keine Anhaltspunkte). Auch der Hinweis, dass der Beschwerdeführer derzeit von seiner Frau finanziell versorgt werde, vermag nichts zu ändern, zumal die Grundbedürfnisse des Beschwerdeführers auch jederzeit durch die Grundversorgung gedeckt werden könnten, auf die er jedoch freiwillig verzichtet hat (vgl. dazu insgesamt auch die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung unter Punkt 3.).
Hinweise auf eine fortgeschrittene Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers - im Sinne von starken privaten oder beruflichen Bindungen an Österreich - haben sich im Verfahren ebenso wenig ergeben und ist eine solche angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet auch nicht zu erwarten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
§ 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."
§ 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:
"§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."