TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/20 G313 2227862-4

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Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G313 2227862-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, vertreten durch ARGE RECHTSBERATUNG, zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird f e s t g e s t e l l t, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt - jedoch spätestens am 08.01.2018 - illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Noch am selben Tag wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen wobei er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Dieser Antrag des BF auf Erteilung von internationalem Schutz wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 27.02.2018, Zl. XXXX abgewiesen und sprach die belangte Behörde aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und dessen Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen.

Der BF wurde insgesamt dreimal rechtskräftig im Bundesgebiet verurteilt:

01) LG F.STRAFS.XXXX vom XXXX.08.2018 RK XXXX.09.2018

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 18.07.2018

Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG F.STRAFS.XXXX RK XXXX09.2018

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.XXXX vom XXXX04.2019

02) LG F.STRAFS.XXXX vom XXXX04.2019 RK XXXX04.2019

§ 50 (1) Z 2 WaffG

§§ 28a (1) 4. Fall, 28a (1) 5. Fall SMG § 15 StGB § 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 10.01.2019

Freiheitsstrafe 21 Monate, davon Freiheitsstrafe 14 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG F.STRAFS.XXXX RK XXXX04.2019

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 10.08.2019

LG F.STRAFS.XXXX vom XXXX08.2019

03) LG F.STRAFS.XXXX vom XXXX07.2019 RK XXXX07.2019

§ 15 StGB § 269 (1) 3. Fall StGB Datum der (letzten) Tat 28.02.2019 Freiheitsstrafe 6 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG

F.STRAFS.XXXX

XXXX RK XXXX04.2019

zu LG F.STRAFS.XXXX RK XXXX07.2019

Mit Bescheid vom 25.07.2019, Zl. XXXX, erließ die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot in der Dauer von 8 Jahren gegen ihn und stellte zugleich fest, dass seine Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig sei.

Dieser Bescheid erwuchs am 28.03.2018 in Rechtskraft.

Am 09.08.2019 hätte der Beschwerdeführer aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen werden sollen, aufgrund einer neuerlichen Verurteilung wurde jedoch die Strafhaft um weitere 6 Monate verlängert.

Mit Bescheid vom 27.09.2019 wurde über ihn zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Dieser Bescheid erwuchs am 09.11.2019 in Rechtskraft.

2. Am 29.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG durch.

3. Am 26.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche mündliche Verhandlung zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft durch und stellte in der Folge gemäß Art 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und deren Aufrechterhaltung im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

4. Am 24.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche amtswegige Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft durch und stellte in der Folge gemäß Art 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und deren Aufrechterhaltung im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

5. Am 17.04.2020 legte die belangte Behörde die den BF betreffenden Akten erneut dem Bundesverwaltungsgericht zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, welche am 20.04.2020 h.g einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist unter Angabe verschiedenster Identitäten in Österreich aufgetreten und zwar:

XXXX, geb. XXXX05.1995

XXXX, geb. XXXX09.1994

XXXX, geb. XXXX05.1995

XXXX, geb. XXXX05.1995

Der BF war vom 19.07.2018 bis 20.07.2018, vom 11.01.2019 bis 19.06.2019 und vom 19.06.2019 bis 01.10.2019 in diversen Justizanstalten mit Neben- und Hauptwohnsitz gemeldet. Seit dem 01.10.2019 befindet er sich im Anhaltezentrum XXXX und ist dort mit Hauptwohnsitz gemeldet. Im Zeitraum 22.01.2018 bis 07.02.2019 war der BF privat mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

Am 07.08.2019 wurde der BF durch Organe der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er BF im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er in Österreich bleiben wolle und hier eine Freundin habe. Auch habe er Verwandte in Spanien; man solle ihm zwei Tage Zeit geben, dann werde er verschwunden sein. Auch würde ihm seine Familie helfen, in Spanien Fuß zu fassen. Nach Algerien wolle er nicht gehen, er habe dafür seine Gründe. Auch gab er an, dass er im Moment zwar kein Geld habe, doch könne ihm in Spanien seine Familie helfen. Auf die Frage, was er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft machen würde, gab der BF an, dass er zuerst seine Freundin aufsuchen und anschließend nach Spanien abhauen würde [BF in Niederschrift des BFA vom 07.08.2019].

Mit Schubhaftbescheid vom 30.09.2019, Zl. XXXX, verhängte die belangte Behörde zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft über ihn. Die Rechtsfolgen dieses Bescheides traten erst nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ein.

Gegen den Schubhaftbescheid erhob der BF jedoch keine Beschwerde, weshalb dieser - ausgehend von der Zustellung - am 09.11.2019 in Rechtskraft erwuchs.

Bereits am 25.07.2018 wurde von der belangten Behörde ein Verfahren mit dem Herkunftsstaat des BF zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) eingeleitet.

Am 06.11.2018 wurde er nach erfolgter Urgenz durch die belangte Behörde der Botschaft des Herkunftsstaates des BF vorgeführt. Zwischenzeitig wurden mehrere Urgenzen seitens der belangten Behörde geführt.

Auch bei der am 29.01.2020 und 26.02.2020 durchgeführten Schuhaftüberprüfungsverhandlung zeigte sich der BF rückkehrunwillig, indem er auf die Frage, ob er freiwillig nach Algerien zurückkehren würde, angab, dass er nicht mehr nach Algerien zurückkehren wolle und dass er illegal zu seinen Verwandten nach Spanien weiterreisen wolle bzw. danach, dass er nicht nach Spanien reisen werde, da er wisse nach Österreich rücküberstellt zu werden. Auf die Frage, wohin er dann wolle, gab er an: "Das weiß ich nicht." Auf die Frage ob er an der Beschaffung von Unterlagen aus Algerien bzw. an seiner Identitätsfeststellung mitwirken wollen würde gab er an, dass er bereits in der letzten Verhandlung gesagt habe, nicht nach Algerien zurückkehren zu können, daher sich auch nicht selbst um Dokumente bemühen werde.

Auch versuchte er mit der Angabe "aus Geldnot bzw., weil ihn jemand angeredet habe", seine strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich zu bagatellisieren.

Der BF ist offensichtlich nicht gewillt, sich an die österreichischen Gesetze zu halten.

Der BF hat - obwohl er eine Freundin in Wien hat - in Österreich keine maßgebliche familiäre, soziale und berufliche Verankerung. Er verfügt auch nicht über die notwendigen finanziellen Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz.

Fest steht weiter, dass er seit dem 30.09.2019, 08:28 Uhr, durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit seiner weiteren Anhaltung in Schubhaft erwecken.

Die belangte Behörde führt das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats bereits beginnend mit 25.07.2018 durch mehrfache Urgenzen zur Erlangung von HR Zertifikaten bzw. Feststellungsversuchen der Identität des BF mit Nachdruck. Am 06.11.2018 wurde der BF der algerischen Botschaft vorgeführt, mit Schreiben vom 07.01.2019 lehnte diese HR Zertifikatsausstellung ab. Das BFA führte darauf Verfahren zur Erlangung eines HRZ mit den Botschaften von Marokko und Tunesien, wobei 9 Urgenzen stattfanden, am 23.01.220 startete über Interpol ein Abgleich der Personendaten in Algerien, Marokko und Tunesien.

Im Rahmen der Identitätsfeststellung ist nach wie vor auch zu Marokko eine weiterführende Prüfung angelaufen da der BF über XXXXnach Marokko (Empfänger XXXX) Geld überweisen ließ, auf eingehende Nachfrage gab der BF schließlich an das er durch einen Freund überweisen habe lassen. Diese Daten wurden der Botschaft des Königreichs Marokko zur Ausstellung eines HRZ übermittelt, zuletzt am 15.04.2020 dazu urgiert. Seitens der Botschaft von Tunesien erfolgte am 23.04.2019 eine erste Ablehnung.

Zuletzt wurde abermals die Botschaft von Algerien zur HRZ Ausstellung ersucht, am 27.03.2020 hätte der BF neuerlich der Botschaft von Algerien vorgeführt werden sollen, aufgrund der Corona Krise wurde dieser Termin jedoch dzt. verschoben.

Ein Heimreisezertifikat liegt aktuell zwar nicht dzt. noch nicht vor, jedoch hat das BFA bisher alles unternommen, um eines zu erlangen. Die Ausstellung eines HRZ ist bislang vorwiegend an der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF gescheitert.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vorgegeben und kann daher die Schubhaft weiter forstgesetzt werden.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF in Österreich und zur Höhe der in diesem Zusammenhang verhängten Freiheitsstrafe ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zur Familiensituation des BF und zu seiner mangelnden (sozialen) Integration in Österreich ergeben sich aus der Aktenlage.

Die zu seiner finanziellen Situation getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus der Aktenlage und fügen sich zudem stimmig in die (unstrittigen) Lebensumstände des BF. Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme sind dem Akt nicht zu entnehmen; ein grundsätzliches Fehlen der Haftfähigkeit wurde in keiner Phase des Verfahrens behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., hat folgenden Wortlaut:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die Bestimmung des § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., lautet wörtlich wie folgt:

"§ 22a. [...]

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit dem 30.09.2019 andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens einer sehr hohen Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) seiner fehlenden Vertrauenswürdigkeit betreffend Angaben zu seiner Identität und fehlender Kooperation weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit als verhältnismäßig.

Da eine zeitnahe Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ als sehr wahrscheinlich gilt, seitens der Behörde auch auf eine Einzelrückführung des BF hingewiesen wurde und er sich bislang trotz rechtskräftiger Entscheidung beharrlich geweigert hat, seiner Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachzukommen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, muss von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden. Der Sicherungsbedarf wird in seinem Fall gerade auch dadurch verstärkt, dass er nunmehr in Kenntnis davon ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht und er seine illegalen Reisebewegungen nicht mehr fortsetzen kann, wodurch ihm eine illegale Weiterreise von Österreich ausgehend in andere europäische Staaten unmöglich wird, über die er sich einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen könnte. Auch hat er seine hohe Bereitschaft, sich dem Zugriff der Behörden durch Flucht zu entziehen, dadurch unter Beweis gestellt, dass er immer wieder betonte, in den Herkunftsstaat nicht zurückkehren zu wollen und illegal nach Spanien zu seinen Verwandten gehen zu wollen. Seine mangelnde Vertrauenswürdigkeit, die sich aus seinem bereits näher dargelegten Gesamtverhalten ergibt, lässt eine Fluchtgefahr durchaus als erheblich erscheinen. Auch seine Bereitschaft sich durch Straftaten Geld im Rahmen der Suchtmitteldelikte zu beschaffen weist auf dringenden Sicherungsbedarf hin, auch um das aufgrund seiner eigenen Suchtmittelabhängigkeit zu verhindern.

Aus den eben dargelegten Umständen ist aktuell - jedenfalls - von einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG (etwa in Gestalt einer Wohnsitzauflage) erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. So gab der BF an, bei Freilassung "zuerst seine Freundin zu besuchen, danach aber gleich nach Spanien abzuhauen". Dies wird auch nicht zuletzt durch das in der Vergangenheit gezeigt Verhalten des BF untermauert.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft allenfalls entgegenstehen könnten, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.

Die in § 80 Abs. 4 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten.

Im Übrigen hat sich an den Umständen, die in den vorangegangenen Schubhaftüberprüfungsverfahren maßgebend waren, nichts Entscheidendes geändert.

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

Das Gericht schließt zwar nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt, etwa bei von der Botschaft angeforderten weiteren Auskünften - als in der nächsten Zeit einzustufen. Eine Abschiebung ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 zumindest noch weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sind. Zur Abschiebemöglichkeit sind derzeit Flugbeschränkungen bis 3.5.2020 vorgesehen. Auch wurde seitens der Behörde auf die Möglichkeit der Einzelabschiebung des BF hingewiesen. Eine zeitnahe Identifizierung und Abschiebung des BF erscheint daher jedenfalls als möglich.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Es sind keine Umstände gegenüber den beiden Schubhaftüberprüfungsverhandlungen der Vergangenheit hervorgekommen, die bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine Wendung erwarten ließen.

Zu Spruchteil B): Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2227862.4.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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