Entscheidungsdatum
20.04.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G308 2227927-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft von XXXX, geb. am XXXX, StA.: Indien; zu Recht erkannt:
A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die
für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD Stmk., vom 03.10.2019, wurde gegen XXXX (im Folgenden: betroffene Partei oder kurz BP), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
2. Am 18.03.2020 wurde vom BFA, RD Stmk., der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung vorgelegt.
3.1. Die BP beantragte am 04.01.2019 bei der Botschaft der tschechischen Republik in Neu-Delhi die Erteilung eines Schengen-Visums für die Dauer von 17. bis 22.01.2019, dieser Antrag wurde mangels Rückkehrabsichten am 10.01.2019 abgelehnt.
3.2. Die BP reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, spätestens jedoch am 01.10.2019 nicht rechtmäßig nach Österreich ein. Am XXXX.2019 wurde er aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich festgenommen, am XXXX.2019 in das PAZ überstellt und ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet.
4.1. Die BP verweigerte bis dato die Kooperation und wirkte im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht mit. Am 27.12.2019 stellte die BP einen Antrag auf internationalen Schutz.
4.2. Mit Bescheid des BFA vom 17.01.2020, Zl: XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gem. § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem Betroffenen am 17.01.2020 zugestellt.
4.3. Die von der BP dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 09.03.2020, W191 2228199-1/6E, als unbegründet abgewiesen.
5. Bei der indischen Botschaft wurde zeitgerecht ein Verfahren zum Erhalt eines HRZ von der belangten Behörde eingeleitet und mittlerweile ein HRZ von der indischen Botschaft ausgestellt, gültig von 14.01.2020 bis 13.07.2020. Die bereits geplante Abschiebung im Rahmen eines gebuchten Charterfluges am 15.01.2020 musste aufgrund der Asylbeantragung von BP storniert werden.
6. Mit Erkenntnis vom 30.01.2020, 25.02.2020 und 19.03.2020 wurde die Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft bestätigt.
7. Am 16.04.2020 wurde der Akt zur Verhältnismäßigkeitsprüfung neuerlich dem BVwG vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Festgestellt wird, dass der BP seit XXXX.2019 durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung der BP in Schubhaft erwecken.
Die BP reiste nach negativer Visumsentscheidung illegal in Österreich ein, er verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung. Das Asylverfahren ist bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen, seine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG zur Zahl W 191 2228199-1/6E vom 07.03.2020 als unbegründet abgewiesen.
BP hatte bis dato keinen Wohnsitz in Österreich und ist nicht bereit in seinen Heimatstaat zurückzukehren.
Die Behörde hat das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats rechtzeitig und zielführend geführt. BP wirkte bei dessen Erlangung nicht mit und verhielt sich unkooperativ.
Die BP befand sich von 04.04.2020 bis 07.04.2020 im Hungerstreik, jedoch sind laut ärztlicher Untersuchung keine gesundheitlichen Folgen gegeben.
Ungeachtet dessen wurde von der indischen Botschaft bereits ein HRZ, gültig von 14.01.2020 bis 13.07.2020 ausgestellt, und kann seine Abschiebung - nach Beendigung der aktuellen Corona-Virus-Situation - zeitnah erfolgen.
BP verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Bindungen in Österreich und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig.
Die für die KW 12 geplante Abschiebung mittels Charterfluges nach Indien konnte aufgrund der aktuellen Coronavirus-Lage - insbesondere durch die Einstellung von Flugverbindungen - noch nicht durchgeführt werden. Jedoch scheint die zeitnahe Rückführung des BP möglich und kann aufgrund des vorliegenden und bis 13.07.2020 gültigen HRZ innerhalb weniger Tagen erfolgen.
2. Beweiswürdigung:
Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit der BP ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.
Aufgrund der eigenen Angaben der BP sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte und nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Er verhält sich unkooperativ und wirkte im Verfahren nicht mit. Er hält sich seit Oktober 2019 illegal in Österreich auf und weigerte sich nach der negativen Asylentscheidung Österreich zu verlassen und in seinen Heimatstaat zurückzukehren.
Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass er in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen.
Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr hinsichtlich des BP ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Die Schubhaft ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.
Im Hinblick auf das bereits vorliegende HRZ ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Das von der indischen Botschaft ausgestellte HRZ ist von 14.01.2020 bis 13.07.2020 gültig und kann zeitnah nach Beendigung der aktuellen Corona-Virus-Situation eine Abschiebung am Luftwege erfolgen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt A.
Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX.2019 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus dem vergangenen Verhalten des BP mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat im Hinblick auf sein bisherige Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine hohe Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen.
Der BP hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig. Das Verhalten der BP in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.
Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.
In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte bereits und ist zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg nach Ende der Corona-Virus-Situation zu rechnen.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BP gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist nicht hervorgekommen.
Der BP hat weder familiäre, soziale, berufliche, sprachliche noch sonstige Bindungen ins Bundesgebiet geltend gemacht. Angesichts des Gesamtverhaltens der BP kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dieser an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft, unterzutauchen, ausgegangen werden.
Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher fortgesetzt werden, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Angaben der BP vor der belangten Behörde, sowie bei den bereits durchgeführten Schubhaftüberprüfungen (auch vor dem BVwG) geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
II. Zu Spruchpunkt B.
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2227927.4.00Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020