TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/21 G306 2214439-2

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Veröffentlicht am 21.04.2020
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Entscheidungsdatum

21.04.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G306 2214439-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX,

StA: Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingshilfe gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2019, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 55 Abs. 1 iVm. 54 Abs. 2 AsylG, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 16.05.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

2. Am 18.07.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF im Aufenthaltstitelantragsverfahren vor dem BFA statt.

3. Mit Schreiben des BFA vom 18.09.2018 wurde der BF unter Bekanntgabe der in Aussicht genommenen Abweisung seines Antrages und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbotes, zur schriftliche Stellungnahme binnen zwei Woche aufgefordert.

Mit Schreiben vom 08.10.2018 gab der BF eine Stellungnahme ab.

4. Mit Bescheid des BFA, vom 10.01.2019, wurde der gegenständliche Antrag des BF gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG eine auf 6 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

5. Mit Beschluss des BVwG, GZ.: G306 2214439-1/2E, vom 21.02.2019, wurde der in I.4. genannte Bescheid anlässlich einer Beschwerde des BF aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

6. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 08.07.2019, wurde der Antrag des BF gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) sowie gegen den BF gemäß § 55 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf 7 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

7. Mit per E-Mail am 19.07.2019 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, jeweils in eventu die Behebung der Spruchpunkte I. und II. sowie die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels, die ersatzlose Behebung des Einreiseverbotes oder die angemessene Reduzierung dessen Befristung, sowie die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

Die Beschwerde samt Verfahrensakten wurde vom BFA dem BVwG am 31.07.2019 vorgelegt.

8. Mit Teilerkenntnis des BVwG, GZ.: G306 2214439-1/2Z, vom 05.08.2019, wurde der Beschwerde des BF hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos behoben. In einem wurde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

9. am 21.01.2020 fand in der Grazer Außenstelle des BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an jener der BF sowie dessen RV persönlich teilnahmen und die Mutter des BF, XXXX, als Zeugin einvernommen wurde.

10. Mit jeweils per Telefax eingebrachten Schriftsätzen vom 09.08.2019 und 09.09.2019 brachte der BF weitere Unterlagen in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Serbien.

Der BF ist in Österreich geboren und aufgewachsen, wo er auch die Volks- und Hauptschule besuchte und eine Lehre als Spengler begann.

Der BF ist seit seiner Geburt, abgesehen von wiederholten Urlaubsfahrten in den Jugendjahren des BF in den Herkunftsstaat, durchgehend in Österreich aufhältig.

Der BF ist ledig und kinderlos und wohnt mit seiner Mutter, welche den BF finanziell unterstützt, im gemeinsamen Haushalt in Österreich.

In Österreich halten sich die Mutter, die Schwester sowie ein Neffe des BF auf, zu jenen er engen Kontakt pflegt. Die Mutter des BF ist seit 2007 österreichische Staatsbürgerin und seit 2016 in Pension.

Die Schwester des BF, XXXX, geb. XXXX, StA: Serbien, verfügt über einen Daueraufenthaltstitel für Österreich.

Der BF war bis 2010 im Besitz eines Aufenthaltsteils und wurde dieser mit Entscheidung der zuständigen NAG Behörde vom 12.08.2011 nicht verlängert. Zuletzt wurde ein Antrag des BF auf neuerliche Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 02.04.2012 von der zuständigen NAG Behörde mittels Bescheid am 31.08.2016 zurückgewiesen. Seither hat der BF keinen Antrag mehr auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG gestellt.

Am 28.12.2018 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG beim BFA.

Der BF ist der Deutschen Sprache vollumfänglich mächtig und beherrscht die serbische Sprache nur rudimentär.

In Serbien halten sich nach wie vor eine Schwester und ein Bruder der Mutter des BF auf, zu jenen der BF jedoch keinen Kontakt pflegt.

Der BF weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf:

1. JGH XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX1999, RK XXXX1999, wegen §§ 127, 128 Abs. 1/4, 129/1, 130, 15 StGB, §§ 15, 105/1 StGB, §§ 136/1, 269/1, 176/1 StGB: Freiheitsstrafe von 22 Monaten, davon 15 bedingt nachgesehen. (Jugendstraftat)

2. JGH XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX2000, RK XXXX2000, wegen §§ 127, 129/1, 130 StGB, § 28/2 SMG, § 12 StGB, § 27/1 SMG: Freiheitsstrafe von 12 Monaten. (Jugendstraftat)

3. LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX2003, RK XXXX2003, wegen §§ 127, 129/1, 15 StGB: Freiheitsstrafe von 16 Monaten.

4. LG XXXX, Zl XXXX, vom XXXX2008, RK XXXX2009, wegen §§ 27 Abs. 1 und 2/2 1. Fall SMG, § 141/1 StGB, §§ 27 Abs. 1/1 und Abs. 3, 27 Abs. 1/1 und Abs. 2 SMG, § 15 StGB: Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

5. LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX2012, RK XXXX2012, wegen §§ 127, 129 Z 1 StGB: Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe am XXXX2011 in XXXX R.W. fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Autoradio, einen USB-Stick, eine optische Sonnenbrille, eine Handtaschenlampe LED, einen Regenschirm, diverse Parkscheine und Zigaretten im Gesamtwert von insgesamt EUR 402,- durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem er die Fahrertüre des PKW des R.W. mittels Schlossdichtungsstich aufbrach und sodann die angeführten Gegenstände aus dem PKW an sich nahm.

Mildernd wurde dabei das reumütige Geständnis, erschwerend jedoch 4 einschlägige Vorstrafen gewertet.

6. LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX2015, RK XXXX2015, wegen §§ 30 (1) 1. Fall, 30 (2) SMG, §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 27 (1) Z 1

8. Fall, 27 (3) SMG, § 15 StGB: Freiheitsstrafe von 16 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe in Wien vorschriftswidrig

I. Suchtgift, nämlich Cannabiskraut in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf gewerbsmäßig (§ 70 StGB)

a. Überlassen, und zwar am XXXX2015 dem abgesondert verfolgten C.P. 1,2 Gramm brutto um EUR 10,-

b. Zu überlassen versucht (§ 15 StGB), und zwar

i. AmXXXX2015

1. Dem abgesonderten C.P. ein Baggy mit 1,5 Gramm brutto um EUR 8,50 und eine Tablette Praxiten;

2. Unbekannten Suchtgiftabnehmern weitere 3,9 Gramm brutto, indem er das Suchtgift an einer szenetypischen Örtlichkeit zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereithielt;

ii. Am XXXX2015 insgesamt 42,9 Gramm brutto, nämlich

1. An einen verdeckten Ermittler ein Baggy um EUR 30,-, wobei es beim Versuch blieb, da sich der verdeckte Ermittler vor der Übergabe zu erkennen gab;

2. Unbekannten Suchtgiftabnehmern weitere 17 Baggies, indem er das Suchtgift an einer szenetypischen Örtlichkeit zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereithielt;

II. Suchtgift, nämlich Cannabiskraut zum ausschließlichen Eigengebrauch besessen, und zwar

a. Am XXXX2015 eine Dose mit 1,9 Gramm netto;

b. Am XXXX2015 eine Dose mit einer nicht feststellbaren Menge;

III. Durch die unter Punkt I.b.i.1. beschriebene Handlung einen psychotropen Stoff, und zwar eine Tablette Praxiten (Wirkstoff Oxazepam), zum ausschließlichen Eigengebrauch erworben.

Mildernd wurde dabei das teilweise reumütige Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgiftes und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend jedoch die fünf einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB sowie die teilweise Tatbegehung in Kenntnis eines laufenden Strafverfahrens gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die beschriebenen Straftaten begangen hat.

In den Zeiträumen XXXX2003 bis XXXX2004, XXXX2008 bis XXXX2009, XXXX2013 bis XXXX2014 sowie XXXX2017 bis XXXX2018 wurde der BF in Justizanstalten in Österreich angehalten.

Der BF hat während seiner letzten Haftstrafe eine Suchttherapie begonnen und wird seit seiner Haftentlassung im Juni 2018 erfolgreich im Ambulatorium der Suchthilfe Wien medizinisch und sozialarbeiterisch betreut. Zudem befindet sich der BF in einer Substitutionsbehandlung und verrichtet therapeutische Arbeiten bei der XXXX.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet und/oder arbeitsunfähig ist.

Erwerbstätigkeiten ging der BF einzig von 28.03.2000 bis 31.03.2000 und 01.10.2004 bis 31.12.2005, sowie wiederholt zwischen 13.07.2006 bis 21.08.2006, überwiegend im geringfügigen Ausmaß nach und bezog zudem zwischen 11.10.2002 und 18.11.2004 und 10.02.2006 und 19.12.2010 wiederholt Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung. Der BF ist mit seiner Mutter mitversichert.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

Am XXXX2019 wurde der BF nach Serbien abgeschoben und kehrte der BF im Oktober 2019 nach Österreich zurück.

Mit Bescheid der BPD XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX2003, wurde gegen den BF anlässlich seiner seinerzeitigen Verurteilungen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der besagte Bescheid wurde im Rechtsmittelverfahren mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion XXXX, Zl.: XXXX, vom 13.08.2004, jedoch wieder behoben.

2. Beweiswürdigung

2.1.Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, zur Staatsangehörigkeit, zum Besitz eines Aufenthaltstitels bis 2010 sowie zum Gesundheitszustand des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen jenen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurde.

Die Geburt des BF in Österreich vermochte der BF durch die Vorlage einer Geburtsurkunde (siehe AS 477) nachweisen und brachte er zudem Haupt- und Berufsschul-Zeugnisse in Vorlage, welche seinen Schulbesuch sowie den Beginn einer Berufsausbildung in Österreich belegen. (siehe AS 103ff). Ferner brachte der BF eine Meldebestätigung der Gemeinde XXXX in Vorlage, wonach der BF von 09.01.1982 bis 09.10.1987 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst gewesen sei. (siehe OZ 8) Demzufolge sowie den sonstigen im Zentralen Melderegister dokumentierten Wohnsitzmeldungen konnte, gestützt durch die Angaben seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung, wonach der BF bloß in Jugendjahren auf kurze Aufenthalte, überwiegend zum Zwecke der Erholung, in Serbien zurückblicken kann, sich sonst jedoch seit Geburt in Österreich aufhalte, ein durchgehender Aufenthalt des BF in Österreich von Geburt an festgestellt werden.

Den konsistenten und konkreten Angaben des BF folgen zudem die Feststellungen zu seinem Familienstand, seiner Kinderlosigkeit, zur Rückkehr nach Österreich im Oktober 2019, zur finanziellen Unterstützung durch seine Mutter, sowie zum gemeinsamen Haushalt mit derselben. Die finanzielle Unterstützung sowie der gemeinsame Haushalt mit der Mutter des BF wird zudem durch die Angaben der Mutter des BF in der mündlichen Verhandlung gestützt, welche die besagten Sachverhalte bestätigte.

Ebenfalls den glaubwürdigen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung folgen die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten in Österreich, welche letztlich auch durch eine Abfrage des Zentralen Melderegisters und Fremdenregisters eine Bestätigung erfahren. Den besagten Registern lassen sich zudem die österreichische Staatsbürgerschaft der Mutter des BF sowie der Aufenthaltstitel der Schwester des BF entnehmen. Im besagten Fremdenregister ist auch die Nichterfolgte Verlängerung des Aufenthaltstitels des BF sowie die Zurückweisung des letzten Antrages des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu entnehmen, und findet sich zudem eine Ausfertigung des entsprechenden Bescheides der NAG-Behörde, Amt der XXXX Landesregierung, Zl.XXXX, vom 31.08.2016, im Akt einliegend (siehe AS 441). Ferner weist das Besagte Register keine darüberhinausgehende Antragstellung des BF nach dem NAG aus und lässt sich diesem auch keine Ausstellung eines aktuell gültigen Aufenthaltstitels an den BF entnehmen.

Die Pensionierung der Mutter des BF wurde von dieser in der mündlichen Verhandlung vorgebracht und findet diese in einem Sozialversicherungsauszug derselben eine Bestätigung. Einem Sozialversicherungsauszug des BF wiederum können dessen Erwerbstätigkeiten und Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung entnommen werden. In diesem scheint auch die Mitversicherung des BF mit seiner Mutter auf.

Die gegenständliche Antragstellung des BF wiederum ergibt sich aus dem im Akt einliegenden vom BF ausgefüllten und unterschriebenen Formularvordruck des BFA und konnte sich das erkennende Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung von den Deutschsprachkenntnissen des BF überzeugen. Zudem hat der BF die Schule in Österreich besucht und sich sein bisheriges Leben im Bundesgebiet aufgehalten was wiederum nicht nur die Deutschsprachkenntnisse des BF sondern auch die fehlenden Sprachkenntnisse der serbischen Sprache plausibel erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund eines derart langen und ausschließlichen Aufenthaltes in Österreich, insbesondere auch den fehlenden Bezügen zum Herkunftsstaat, kann dem BF Glauben geschenkt werden, wenn dieser das Beherrschen der serbischen Sprache nur im rudimentären Ausmaß wiederholt behauptet.

Die familiären Bezugspunkte in Serbien beruhen auf den konkreten Angaben der Mutter des BF in der mündlichen Verhandlung. Ein Kontakt zu in Serbien aufhältigen Angehörigen wurde vom BF verneint und von seiner Mutter nicht thematisiert. Zudem ist es nachvollziehbar, dass nachdem der BF seit Kindertagen nicht mehr nach Serbien gereist ist, keine Bezüge zu im Herkunftsstaat lebenden Angehörigen hat. Letztlich gab der BF in der mündlichen Verhandlung an, nach seiner - im Zentralen Fremdenregister dokumentierten - Abschiebung nach Serbien im Juli 2019 eine private Unterkunft bezogen zu haben. Eine Unterkunftsnahme bei Angehörigen brachte er nicht vor. Im Falle des Bestehens eines - engen - Kontaktes zu den besagten Angehörigen wäre jedoch der Logik folgend davon auszugehen gewesen, dass der BF zumindest um Unterstützung/Unterkunft bei diesen angefragt hätte.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF samt den teils näheren Ausführungen zu den Straftaten sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich, sowie einer jeweiligen Ausfertigung der zwei aktuellsten oben zitierten Strafurteile.

Im Zentralen Melderegister sind die Anhaltungen des BF in Justizanstalten in Österreich dokumentiert und brachte der BF eine Bestätigung der Justizanstalt XXXX über die Absolvierung einer Suchttherapie in Vorlage (siehe AS 480). Dieser kann auch die Suchterkrankung des BF (Polytoxikomanie) entnommen werden. Zudem brachte der BF eine Bestätigung der XXXX, vom 21.01.2020 in Vorlage, in welcher bestätigt wird, dass der BF im Substitutionsprogramm ist, sohin Drogenersatzmedikamente erhält, eine erfolgreiche medizinische und sozialtherapeutische Betreuung erhält, und therapeutische Arbeiten verrichtet. (siehe Verhandlungsprotokollbeilage)

Die Feststellung, dass Serbien als sicherer Herkunftsstaat gilt, beruht auf § 1 Z 6 HStV.

2.2.2. Der BF vermittelte in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck. Er war in der Lage und gewillt alle ihm gestellten Fragen konkret und ohne Umschweife zu beantworten. Der BF vermochte den Großteil seiner Angaben durch die Vorlage von Beweismittel belegen oder konnte die Wahrheit derselben durch Abfragen behördlicher Datenbanken ermittelt werden. Ferner wurden die Angaben des BF zudem teils durch die Angaben seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung gestützt. Die Angaben des BF erwiesen sich als schlüssig und konsistent. Widersprüche konnten keine ausgemacht werden und ließen sich letztlich keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF die Unwahrheit gesagt hätte feststellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Die BF als Staatsangehörige von Serbien ist sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind seit 15.12.2010 nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, idF VO (EU) 109/2010 vom 24.11.2010 von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Die BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der BF hält sich seit seiner Geburt - von kurzen Aufenthalten im Herkunftsstaat in Jugendjahren sowie zwischen Juli und Oktober 2019 abgesehen - durchgehend in Österreich auf. Er war bis 2010 im Besitz von Aufenthaltstiteln, stellte am 22.12.2009 einen erfolglosen Verlängerungsantrag und letztlich am 16.05.2018 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Ein Antrag iSd. § 55 AsylG vermittelt gemäß § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht, und kommt dem BF sohin, unter Berücksichtigung der einem Verlängerungsantrag zukommenden Verlängerung eines Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung durch die NAG Behörde (siehe § 24 NAG idF. BGBl. Nr. I 38/2011) seit 12.08.2011 kein Aufenthaltsrecht in Österreich mehr zu, weshalb sich sein aktueller Aufenthalt seither als unrechtmäßig erweist.

3.1.3. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK" betitelte § 55 ASylG lautet:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

3.1.5.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

• die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

• das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

• die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

• den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

• die Bindungen zum Heimatstaat,

• die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

• auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können Ausweisungen ausnahmsweise auch nach über zehn Jahre andauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (Vgl. VwGH 10.12.2013, 2012/22/0129)

Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

"Es trifft zwar zu, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 MRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (vgl. VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, mwN). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN)." (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/01/0409)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

3.1.5. "Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001)."

(vgl. VwGH 08.11.2018, Ro 2016/22/0120)

Der BF wurde in Österreich geboren, wo er auch aufgewachsen und durchgehende aufhältig ist. In Österreich halten sich seine Mutter und seine Schwester auf, und lebt der BF mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt, welche den BF auch finanziell unterstützt. Demzufolge weist der BF ein Privat- und Familienleben iSd. Art 8 EMRK in Österreich auf.

Zudem hat der BF in Österreich die Schule besucht, eine Berufsausbildung begonnen, wiederholt Erwerbstätigkeiten ausgeübt und ist er der Deutschen Sprache mächtig. Wenn der BF auch wiederholt straffällig geworden ist und in Justizanstalten angehalten wurde, kann dennoch nicht gesagt werden, dass der BF keine Integrationsschritte gesetzt hätte. Dabei gilt es gegenständlich zu berücksichtigen, dass die bedeutenden Integrationsschritte bzw. integrationsbegründenden Sachverhalte während eines Zeitraumes des rechtmäßigen Aufenthaltes des BF in Österreich verwirklicht wurden und der BF bereits seit Jugendjahren an einer therapiebedürftigen Suchterkrankung leidet. Ferner hat der BF keinen Bezug zu seinem Herkunftsstaat, in jenem er noch nie gelebt hat und ist er der dort gesprochenen Sprache nicht hinreichend mächtig.

Der BF wurde jedoch unbestritten wiederholt einschlägig, zuletzt wegen der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften sowie des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monate verurteilt.

Das vom BF in der Vergangenheit gezeigte Verhalten lässt vor dem Hintergrund der wiederholt gezeigten einschlägigen Verurteilungen und der teilweisen Gewerbsmäßigkeit der letzten Taten, ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten anderer und damit einhergehend eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen erkennen. So hat der VwGH wiederholt das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474) sowie von Suchtmitteldelikten (vgl. VwGH 25.04.2013, 2013/18/0053) betont.

Bei den ersten beiden Straftaten handelte es sich jedoch um Jugendstraftaten (vgl. VwGH 12.04.2001, 2007/18/0962: hinsichtlich der besonderen Berücksichtigung von Jugendstraftaten) und liegt die letzte Straftat des BF bereits 5 Jahre zurück und wurde der BF seither nicht mehr verurteilt.

Mittlerweile befindet sich der BF in einem Substitutionsprogramm und in therapeutischer Betreuung, welche bereits Erfolge zeigen. Der BF zeigte sich zudem in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich seiner Suchterkrankung und deren Rolle bei seinen bisherigen Straftaten einsichtig und hat ein Erkennen der Notwendigkeit deren Behandlung und der Änderung seines Verhaltens zu verstehen gegeben.

Nach Beurteilung des vom BF gezeigten Verhaltens und der sich daraus ergebenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen sowie nach erfolgter Abwägung sich wiederstreitender öffentlicher und privater Interessen iSd. Art 8 EMRK, ist, unter Berücksichtigung der aktuellen positiven Entwicklung des BF im Hinblick auf dessen Problemeinsicht in Bezug auf seine Suchterkrankung und deren Behandlung, zum Schluss zu kommen, dass im konkreten Fall gerade noch ein Überwiegen der privaten Interessen des BF festzustellen ist.

Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung würde sohin eine Verletzung der Rechte des BF nach Art. 8 EMRK nach sich ziehen, und erweist sich eine solche sohin aufgrund des nicht nur vorübergehenden Wesens der dieser Verletzung zugrundeliegenden Umstände, als iSd. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig.

Insofern liegen die Voraussetzungen für die Erteilungen eines Aufenthaltstitels an den BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor. (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH um setzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist)

Aufgrund der durch in Österreich absolvierter Pflichtschule erfolgter Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung iSd. § 81 Abs. 36 NAG iVm. § 14a Abs. 4 letzter Satz iVm. 14b Abs. 2 Z 5 NAG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 seitens des BF, war der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß festzustellen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 Abs. 2 AsylG "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen ist. Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.

3.1.6. Aufgrund erfolgter - die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender - Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an den BF, fällt auch die Voraussetzung für die Verhängung eines Einreiseverbotes (§ 53 FPG) sowie einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) samt Festsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides - im Zuge der Stattgabe der Beschwerde - als aufgehoben gelten.

Mit Teilerkenntnis des BVwG, wurde der Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides bereits behoben sodass gegenständlich über diesen nicht - noch einmal - abzusprechen war.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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