Entscheidungsdatum
21.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
G302 1308480-2/5E
Im Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA.
Irak, vertreten durch: DIAKONIE Flüchtlingsdienst GmbH ARGE Rechtsberatung, in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion Niederösterreich - vom 20.08.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III.- V. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und werden diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 20.08.2018, Zl. XXXX, wurde der Herrn XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF) mit Bescheid vom 30.11.2006, Zl. XXXX zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürgen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak, autonome Region Kurdistan, zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen. Die belangte Behörde stellte zudem fest, dass der BF seit Jänner 2012 in Österreich nicht mehr in Erscheinung getreten sei und dies den Schluss nahelege, dass der BF den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen seit diesem Zeitpunkt in einen anderen Staat verlegt habe.
Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Vertreter des BF fristgerecht Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Kurden an.
Er stammt aus Bagdad Umgebung und reiste im Alter von 7 Jahren nach dem Tod seines Vaters mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Armenien. Danach lebte der BF mit seiner Familie in Georgien, ehe er nach Moskau übersiedelte. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2003 reiste der BF im Jahr 2004 alleine in die Slowakei und stellte dort einen Asylantrag.
Der BF reiste in Österreich ein und stellte am 30.11.2004 ebenso einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde in Österreich zugelassen.
Im Jahr 2005 war der BF in der Schweiz aufhältig.
Am XXXX.10.2006 wurde der BF aufgrund eines Haftbefehls des Landesgerichts XXXX festgenommen und mit Urteil vom XXXX.11.2006, XXXX wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 1, 130, 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 7 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Am 22.11.2006 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.11.2006 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung in den Irak gemäß § 8 AsylG 1997 als nicht zulässig erklärt. Dem BF wurde bis 30.11.2007 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Gegen den abweisenden Spruchpunkt hinsichtlich § 7 AsylG erhob der BF Berufung.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.08.2007, Zl. XXXX wurde der BF wegen §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Abs. 1, 130, 3. und 4. Fall sowie §§ 15, 229 Abs. 1, 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Der BF befand sich daraufhin bis 15.09.2010 in Strafhaft.
Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 24.09.2008 und 11.09.2009 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, zuletzt bis 24.09.2010, verlängert.
Am 18.11.2010 wurde der BF nach einem Aufenthalt in Deutschland auf Grundlage der Dublin-VO nach Österreich überstellt. Nach der Überstellung war sein Aufenthalt nicht bekannt.
Das zwischenzeitlich auf den Asylgerichtshof übergegangene Beschwerdeverfahren betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes vom 30.05.2011 eingestellt, da sich der BF aufgrund unbekannten Aufenthalts dem Verfahren entzog.
Am 17.01.2012 wurde der BF nach einem Aufenthalt in den Niederlanden auf Grundlage der Dublin-VO nach Österreich überstellt. Wiederum war sein Aufenthalt nach der Überstellung nicht bekannt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 23.03.2012, Zl. XXXX, wurde für den BF ein Abwesenheitskurator bestellt.
Seit dem 16.09.2010 (Entlassung aus der Strafhaft) besteht keine aufrechte behördliche Wohnsitzmeldung des BF mehr im Bundesgebiet. Der BF hat nicht um Verlängerung der bis zum 24.09.2010 erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigungen angesucht und hat seit 13.08.2007 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr bezogen.
Der BF hat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen nicht mehr in Österreich, sondern hat diesen in einen anderen, nicht feststellbaren, Staat verlegt.
Am 17.01.2012 (Überstellung des BF aus den Niederlanden nach Österreich) trat der BF das letzte Mal vor den österreichischen Behörden in Erscheinung.
2. Beweiswürdigung:
Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF gab im Rahmen seines Verfahrens mehrere unterschiedliche Namen und Geburtsdaten an und trat auch in anderen europäischen Staaten unter verschiedenen Identitäten auf. Der BF gab in seiner behördlichen Einvernahme auch selbst an, dass sein Name in Armenien durch seine Mutter geändert worden sei. Die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) konnte somit nicht nachgewiesen werden.
Die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft ergeben sich aus den diesbezüglichen gleichbleibenden Angaben des BF in den behördlichen Einvernahmen.
Die Feststellungen zu den Reisebewegungen des BF in Europa ergeben sich aus den schriftlichen Korrespondenzen der belangten Behörde mit den dortigen Migrationsbehörden sowie den Überstellungsbestätigungen.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen beruhen auf den vorliegenden Gerichtsurteilen sowie einem Strafregisterauszug.
Die Feststellung, dass der BF den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen nicht mehr im Bundesgebiet hat, resultiert aus dem Umstand, dass der BF seit der Entlassung aus der Strafhaft über keine behördliche Meldung mehr verfügt und auch keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht.
Insbesondere zeigte sich der BF bereits während des laufenden Asylverfahrens äußerst mobil und wurde wiederholt aus verschiedenen europäischen Staaten nach Österreich rücküberstellt.
Seit seiner letzten Überstellung aus den Niederlanden nach Österreich am 17.01.2012 bestand keinerlei dokumentierter Kontakt mehr mit österreichischen Behörden.
Auch das Verfahren vor dem Asylgerichtshof wurde aufgrund unbekannten Aufenthaltes eingestellt und auch danach nicht mehr fortgesetzt.
Hinzu kommt, dass der BF keinen Verlängerungsantrag für seine Aufenthaltsberechtigung beantragte und im Jahr 2012 vom Bezirksgericht ein Abwesenheitskurator für den BF bestellt wurde.
Auch in der Beschwerdeschrift wurde die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass der BF den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einen anderen Staat verlegt habe, nicht bestritten.
In Anbetracht dieser Gründe musste festgestellt werden, dass der BF nicht mehr in Österreich aufhältig ist, den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen nicht mehr in Österreich hat, und selbiger daher nunmehr in einem anderen Staat liegen muss.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
3.2. Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen; (2.) er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder (3.) er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 auch dann zu erfolgen, wenn (1.) einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt; (2.) der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder (3.) der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im gegenständlichen Fall stellte die belangte Behörde zwar fest, dass der BF den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat, stützte die Aberkennung in ihrer rechtlichen Beurteilung jedoch auf § 9 Abs. 1 Z 1, zweiter Fall AsylG (" (...)da die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht mehr vorliegen (...)").
Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht an die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde gebunden. Vielmehr ist Sache des Beschwerdeverfahrens die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche zu prüfen (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
Ungeachtet der Prüfung, ob eine geänderte Lage im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1, zweiter Fall AsylG nun vorliegt, ist im gegenständlichen Verfahren der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 2 AsylG (Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in einem anderen Staat) erfüllt:
Mit Bescheid vom 30.11.2006 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, hat der BF den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einen anderen Staat verlegt. Wenn auch der aktuelle konkrete Aufenthaltsstaat des BF nicht festgestellt werden konnte, war aufgrund des Fehlens jeglicher Anhaltspunkte für einen Aufenthalt in Österreich seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am 16.09.2010 mit ausreichender Sicherheit festzustellen, dass er das Bundesgebiet verlassen und sich in einem anderen Staat niedergelassen hat.
Daher war die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 2 AsylG zu stützen, sodass sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheid im Ergebnis als unbegründet erwies.
3.3. Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 bzw. Z 4 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und gemäß § 58 Abs. 3 AsylG über das Ergebnis dieser Prüfung im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Da ein aktueller Aufenthalt des BF im Bundesgebiet, wie festgestellt, nicht vorliegt, kam bereits vor diesem Hintergrund die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht in Betracht (arg.: "Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist [...]"). Die Beschwerde war daher auch im Umfang der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG abzuweisen.
3.4. Zur Behebung der Spruchpunkt III. - V. des angefochtenen Bescheides:
3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 52 Abs. 8 FPG wird die Rückkehrentscheidung im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
§ 52 Abs. 8 FPG normiert, dass die Rückkehrentscheidung den Drittstaatsangehörigen zur Ausreise verpflichtet. Daraus ergibt sich, dass eine Rückkehrentscheidung - abgesehen vom Fall des gegenständlich nicht relevanten § 52 Abs. 1 Z 2 FPG - zum Zeitpunkt der bescheidmäßigen Erlassung der Rückkehrentscheidung einen aufrechten Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt.
Im gegenständlichen Fall war davon auszugehen, dass der BF nach Entlassung aus der Strafhaft im Jahr 2010 den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen außerhalb Österreich errichtete und sich der BF ab diesem Zeitpunkt - abgesehen von kurzfristigen Aufenthalten nach den Überstellungen aus Deutschland (18.11.2010) und den Niederlanden (17.01.2012) - nicht mehr in Österreich aufhielt. Das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung wurde von der belangten Behörde jedoch erst im März 2012 durch Beantragung der Bestellung eines Abwesenheitskurators eingeleitet bzw. erst im Jahr 2018 bescheidmäßig abgeschlossen und erfolgte daher nicht rechtmäßig.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zu dem Ergebnis, dass der Beschwerde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 4 und Abs. 8 FPG stattzugeben und der angefochtene Bescheid in diesem Umfang ersatzlos zu beheben war.
Da sohin der Spruchpunkt über die Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben war (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides), waren auch die darauf aufbauenden Spruchpunkte - die Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG (Spruchpunkt IV.) sowie die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG (Spruchpunkt V.) - ersatzlos aufzuheben.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage bzw. des durch das Gericht weitergeführte Ermittlungsverfahren hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen. Diesbezüglich wird zudem auf die Entscheidung des VwGH Zl. 2013/08/0424 verwiesen.
Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G302.1308480.2.00Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020