TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 G314 2198726-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

G314 2198726-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.06.2018, Zahl XXXX, A) beschlossen und B) zu Recht erkannt:

A)

1. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 8a VwGVG die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr bewilligt.

2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und VI. des

angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.06.2018 in XXXX bei einem Ladendiebstahl beobachtet. Nach seiner Festnahme wurde er am XXXX.06.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ua zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vernommen. Mit Mandatsbescheid vom XXXX.06.2018 wurde über ihn die Schubhaft angeordnet und am XXXX.06.2018 wurde er über den Landweg abgeschoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF durch seinen Aufenthalt in Österreich die Einwanderungsvorschriften missachtet habe, weil er beim Ladendiebstahl betreten worden sei. Da er über keine wesentlichen Geldmittel verfüge und sein Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sei ein Einreiseverbot zu erlassen. Der BF habe weder familiäre noch berufliche Anbindungen, die seinen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Ein zweijähriges Einreiseverbot sei notwendig, um die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu verhindern.

Gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, diese ersatzlos zu beheben, in eventu, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu, dessen Dauer zu reduzieren, sowie dem BF die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr zu gewähren. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das BFA nicht berücksichtigt habe, dass er unbescholten sei und sich im Zusammenhang mit den fremdenpolizeilichen Maßnahmen einsichtig und kooperativ verhalten habe. Auch im Hinblick auf den Ladendiebstahl, den er aus Not begangen habe, habe er sich geständig gezeigt. Er sei nicht nach Österreich gekommen, um einer unerlaubten Beschäftigung nachzugehen. Er sei hier zwar obdachlos gewesen, habe sich aber nicht vor der Behörde verborgen gehalten.

Zu seinem Verfahrenshilfeantrag legte der BF ein Vermögensbekenntnis vor, aus dem hervorgeht, dass er in Serbien unentgeltlich im Haus seiner Eltern wohnt und abgesehen davon einkommens- und vermögenslos ist.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem BVwG vor.

Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX geboren [Reisepasskopie AS 74]. Er beherrscht die serbische Sprache. In seinem Heimatstaat besuchte er nach der achtjährigen Grundschule eine vierjährige weiterführende Schule, die er mit der Reifeprüfung und einer Ausbildung zum "Wirtschaftstechniker" abschloss. Vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet lebte er in Serbien, wo er zwei Jahre lang als Gabelstaplerfahrer arbeitete, zuletzt aber ohne Beschäftigung war, zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern. Auch weitere Verwandte des BF leben in Serbien [Niederschrift BFA AS 18 f].

Der BF ist ledig und ohne Sorgepflichten [Niederschrift BFA AS 19].

Er verfügt über einen am XXXX.07.2011 ausgestellten und bis 2021 gültigen serbischen Reisepass, mit dem er am 09.05.2018 über Ungarn nach Österreich einreiste [Reisepasskopie AS 74 ff]. Grund für die Einreise war, dass ihm hier ein Arbeitsplatz im Baugewerbe (samt den dafür notwendigen Bewilligungen) zugesagt worden war, den er letztlich nie antrat. Während seines Aufenthalts in Österreich verfügte er nur während seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum zwischen XXXX.06.2018 über eine Wohnsitzmeldung; abgesehen davon war er obdachlos [Niederschrift BFA AS 21 f; Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR].

Der BF wurde am XXXX.06.2018 beim Versuch der Entwendung von Lebensmitteln (Schokolade im Wert von ca. EUR 160) in einem Lebensmittelgeschäft in XXXX beobachtet. Bei seiner darauffolgenden Festnahme durch Beamte der Landespolizeidirektion XXXX konnte er keine finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nachweisen. Er ist mittellos [Anzeige AS 1 f; Niederschrift BFA AS 21 f; Vermögensbekenntnis AS 98].

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt. Er hat im Bundesgebiet keine familiären oder sozialen Bindungen. Er ist hier weder sprachlich noch beruflich noch gesellschaftlich integriert, verfügt über keinen Niederlassungs- oder Aufenthaltstitel und war bis April 2018 in Serbien aufhältig [Niederschrift BFA AS 18 ff; Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister-IZR; Strafregisterauszug].

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Die Abschiebung des BF in sein Heimatland geht aus dem Abschiebeauftrag und der damit korrespondierenden Eintragung im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) hervor.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln, wobei sich die angegebenen Aktenseiten (AS) auf die Nummerierung der Verwaltungsakten beziehen.

Die Identität des BF wird durch die vorliegende Kopie aus seinem Reisepass bestätigt, aus dem auch sein Geburtsort und die Wohnanschrift in Serbien hervorgehen. Serbische Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Staatsangehörigkeit naheliegend und können auch deshalb festgestellt werden, weil eine Verständigung mit dem vom BFA beigezogenen Dolmetsch für Serbisch problemlos möglich war. Der BF zeigte sich - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde - vor dem BFA kooperativ und wirkte bei der Sachverhaltsfeststellung mit. Die Feststellungen zu seinen persönlichen, familiären und finanziellen Verhältnissen basieren auf seiner überzeugenden Schilderung. Das Vorhandensein eines Aufenthaltstitels lässt sich weder den Akten noch dem IZR entnehmen und wird auch vom BF explizit ausgeschlossen (siehe AS 18 f).

Der BF gab glaubhaft an, er sei in Österreich obdachlos gewesen. Im Zentralen Melderegister (ZMR) scheint damit übereinstimmend keine Wohnsitzmeldung (vor seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum) auf. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF wird durch die Einsicht in das Strafregister, in dem keine Verurteilung aufscheint, belegt. Die Betretung bei einem Diebstahlsversuch ergibt sich aus der entsprechenden Anzeige und wurde vom BF, der sich bei der Einvernahme vor dem BFA dazu reuig zeigte, zugestanden.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen des 25-jährigen BF sind nicht zutage getreten, zumal er nach eigener Darstellung zu Erwerbszwecken nach Österreich kam (siehe AS 17 unten) und sich als gesund bezeichnete. Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, dass der BF im Bundesgebiet bereits seit 31.05.2015 einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei (vgl. AS 60), ist dies aktenwidrig. Es liegen keine Beweisergebnisse für diese Annahme vor, zumal auch die Einreisestempel im Reisepass des BF damit nicht in Einklang zu bringen sind.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass der BF über irgendwelche finanziellen Mittel verfügt. Dies korreliert mit seiner Aussage, er habe in Serbien Probleme wegen Geldschulden, sowie mit dem vorgelegten Vermögensbekenntnis.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich zutage getreten, zumal sich sein Lebensmittelpunkt bislang in Serbien befand, wo auch seine Familie lebt. Dafür spricht auch die vom BF geschilderte Ausbildung und seine frühere Erwerbstätigkeit in Serbien.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) 1.:

Gemäß § 8a Abs 1 VwGVG ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs 1 EMRK oder des Art 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe sind gemäß § 8a Abs 2 VwGVG nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen.

Da sich aus dem vorgelegten aktuellen Vermögensbekenntnis im Einklang mit dem übrigen Akteninhalt ergibt, dass der BF über keinerlei finanzielle Mittel verfügt, beeinträchtigt sogar die geringe Eingabegebühr seinen notwendigen Unterhalt, sodass ihm die Verfahrenshilfe antragsgemäß zu bewilligen ist.

Zu Spruchteil A) 2.:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erhoben wurde, kommt eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung nicht in Betracht, ebensowenig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Da der Beschwerde vom BFA die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde und die Beschwerde dagegen zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 55 Abs 4 FPG das Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise rechtskonform. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht korrekturbedürftig.

Da der BF schon am 07.06.2018 in seinen Heimatstaat abgeschoben wurde, ist die Fristsetzung aufgrund der in Art 16 § 1 (1) 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 16/2020, normierten Grundsätze im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen

Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff; VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Im Zusammenhang mit der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel muss der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (siehe VwGH 29.04.2010, 2007/21/0262). Es ist initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass der oder die Fremde nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung des Unterhalts verfügt, sondern der Unterhalt für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer und die Rückreise gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass ein Rechtsanspruch darauf besteht und die Mittel nicht aus illegalen Quellenstammen (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Der BF hat diesen Nachweis nicht erbracht. Barmittel, Ersparnisse oder andere Vermögenswerte wie Rechtsansprüche auf Geld- oder Unterhaltsleistungen wurden weder behauptet noch belegt. Die prekäre wirtschaftliche Situation des BF spiegelt sich nicht nur im versuchten Lebensmitteldiebstahl und der Obdachlosigkeit im Inland wieder, sondern auch im Verfahrenshilfeantrag, zumal er nicht einmal die Eingabegebühr für die Beschwerde von EUR 30 aufbringen konnte. Er hatte auch keine Möglichkeit, in Österreich auf legalem Weg weitere Unterhaltsmittel zu erwerben. Da der BF über keine finanziellen Mittel verfügte und auch seine Heimreise nicht aus eigenen Reserven hätte in Angriff nehmen können, hat das BFA zu Recht die Erfüllung des Tatbestandes des § 53 Abs 2 Z 6 FPG bejaht.

Die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheids zu einer unerlaubten Erwerbstätigkeit des BF haben keine Grundlage in den Beweisergebnissen. Im Spruch des Bescheids wurde das Einreiseverbot auch nicht auf § 53 Abs 2 Z 7 FPG gestützt. Die bloße Absicht des BF, im Inland allenfalls eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfüllt diesen Tatbestand, der eine Betretung bei einer dem AuslBG widersprechenden Beschäftigung voraussetzt, jedenfalls nicht.

Da der BF ohne die erforderlichen Unterhaltsmittel in das Bundesgebiet einreiste und hier versuchte, sich Lebensmittel ohne Bezahlung zuzueignen, gefährdet sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Wegen seiner Beschäftigungslosigkeit, der Unmöglichkeit der Aufnahme einer (legalen) Beschäftigung im Inland und der tristen finanziellen Lage kann für ihn keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Wiederholungsgefahr besteht. Wegen des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel ist die Annahme einer Gefährdung iSd § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt, zumal sich die mit Mittellosigkeit allgemein verbundene Gefahr der Beschaffung von Unterhaltsmitteln aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (siehe VwGH 12.07.2019, Ra 2018/14/0282) in dem Versuch, Lebensmittel zu entwenden, bereits realisiert hat.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von Schäden für die österreichische Wirtschaft ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal sein Lebensmittelpunkt in Serbien liegt und er keine zu berücksichtigenden Bindungen in Österreich hat. Abgesehen von dem Wunsch nach einer Arbeitsaufnahme im Baugewerbe liegen keine Integrationsmomente vor. Seine Kernfamilie lebt in Serbien, wo er mit Sprache und Gepflogenheiten vertraut ist und seine Schulausbildung absolvierte. Allfällige Kontakte zu Freunden und Verwandten außerhalb seiner Kernfamilie, die in vom Einreiseverbot betroffenen Staaten wohnen, können auch durch Telefonate, elektronische Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) oder Besuche beim BF in Serbien oder in anderen Staaten, die nicht vom Einreiseverbot umfasst sind, aufrechterhalten werden.

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbots sind daher erfüllt. Dessen vom BFA mit zwei Jahren festgelegte Dauer ist auch nicht zu reduzieren, weil sie dem Fehlverhalten des BF und der von ihm ausgehenden Gefährdung entspricht.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.10.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann eine (von keiner Partei beantragte) Beschwerdeverhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil C):

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

Eingabengebühr, Einreiseverbot, Interessenabwägung, öffentliche
Interessen, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2198726.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten