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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AsylG 2005 §10Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2017, Zl. I416 2164789-1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: O C in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Vorgeschichte
1 Der Mitbeteiligte, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte 2003 einen Asylantrag, der mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamts (BAA) gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 abgewiesen wurde.
2 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. Oktober 2013 wurde gegen den Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung und ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG erlassen. Die dagegen erhobene (als Beschwerde geltende) Berufung wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 12. Februar 2014 rechtskräftig als unbegründet ab.
3 Im Mai 2015 stellte der Mitbeteiligte den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
4 Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und erkannte der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 6 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung ab.
Angefochtener Beschluss
5 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. Juli 2017 wurde der Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen (A). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt (B).
6 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, das BFA habe entgegen § 52 Abs. 2 Z 2 FPG keine Rückkehrentscheidung getroffen.
7 Das BFA habe auf eine bereits rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot verwiesen. Dabei übersehe das BFA, dass im Zuge einer Rückkehrentscheidung von ihm selbst zu prüfen sei, ob beim Mitbeteiligten die Überstellungsfähigkeit nach Nigeria gegeben sei bzw.ob aufgrund einer abschließenden Beurteilung seines Gesundheitszustandes eine aktuelle Gefährdung seines durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechtes ausgeschlossen werden könne. Es werde nicht verkannt, dass sich die Behörde mit den allgemeinen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten der vom Mitbeteiligten vorgebrachten und medizinisch belegten Krankheiten in Nigeria auseinandergesetzt und auch entsprechende Feststellungen getroffen habe, es wäre jedoch auch an der belangten Behörde gelegen, diese Ermittlungen einer Prüfung der Rückkehrentscheidung zugrunde zu legen.
8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des BFA.
9 Der Mitbeteiligte verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
10 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen. Auch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Fall eines Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs. 1 AsylG 2005 eine mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung gegenstandslos werde bzw. ob es bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 AsylG 2005 eines Abspruchs nach § 57 AsylG 2005 bedürfe, wenn keine Rückkehrentscheidung erlassen werde.
11 Die Amtsrevision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
Zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG
12 Die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 VwGVG stellt eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162, mwN).
13 Zu prüfen war daher, ob diese Voraussetzungen fallbezogen gegeben sind:
Zur Rückkehrentscheidung nach FPG
14 Das BVwG hat die Zurückverweisung tragend auf die Auffassung gestützt, das BFA habe entgegen § 52 Abs. 2 Z 2 FPG selbst keine Rückkehrentscheidung getroffen.
15 Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten wie folgt:
„Rückkehrentscheidung
§ 52. ...
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
...
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
... und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. ...“ (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015)
„Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. ...
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ...
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ...“
(BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013)
„Besondere Verfahrensbestimmungen
§ 59. ...
(5) Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.
(6) Wenn der Drittstaatsangehörige einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt, wird eine Rückkehrentscheidung vorübergehend nicht durchführbar,
1. bis einer Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird (§ 17 BFA-VG) oder
2. bis einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (§ 18 BFA-VG).
Handelt es sich um einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 so gilt § 12a AsylG 2005.“
(BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013)
„Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung
§ 60. ...
(3) Die Rückkehrentscheidung wird gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen
1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;
...“
(BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013)
16 Auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag ist grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274, mwN).
17 Dies begründete der Verwaltungsgerichtshof unter anderem damit, dass die in den Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 erwähnte Verfahrensökonomie bezweckt, die jeweils nach dem AsylG 2005 und dem FPG zu führenden Verfahren vor dem Hintergrund zu beschleunigen, dass im Regelfall davon auszugehen sein wird, dass der lediglich auf asylrechtliche Bestimmungen gegründete bloß vorläufige legale Aufenthalt des Fremden mit dem Abschluss des asylrechtlichen Verfahrens unrechtmäßig wird. Gerade zur Vermeidung eines weiteren erst im Anschluss an das Asylverfahren zu führenden Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts dient die Anordnung des § 10 AsylG 2005 und des § 52 Abs. 2 FPG (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274, Rn. 40, mit Verweis auf RV 952 BlgNR 22. GP, 39).
18 Besteht (jedoch) gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es gemäß § 59 Abs. 5 FPG bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück des FPG oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorgekommen.
19 Zu § 59 Abs. 5 FPG hat der Verwaltungsgerichtshof (im asylrechtlichen Zusammenhang) bereits wie folgt ausgeführt (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087, mwN):
„Diese Norm besagt, dass es bei Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 leg. cit. hervorgekommen.
Die Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67) zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (BGBl. I Nr. 87/2012) führen dazu aus:
‚Der vorgeschlagene Abs. 5 dient der Verfahrensökonomie und normiert, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung grundsätzlich auch bei den genannten nachfolgenden Verfahrenshandlungen als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dient und es somit nicht der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf. Diese Bestimmung soll naturgemäß nicht gelten, wenn neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen, das heißt dem Bundesamt neue Tatsachen, die eine nochmalige Bemessung der Dauer des Einreisverbotes erfordern, bekannt werden.‘
§ 59 Abs. 5 FPG soll demnach der Verfahrensökonomie dienen und bewirken, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen.
Durch den Verweis auf § 53 FPG, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FPG nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings - wie hier - von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm.“
20 Diese Rechtsprechung, wonach auch bei einer (negativen) Entscheidung über einen Folgeantrag die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung unterbleiben kann, sofern keine neuen Tatsachen hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbotes erforderlich machen, hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst bestätigt (vgl. VwGH 13.2.2018, Ra 2017/18/0332, mit Verweis auf VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087).
21 Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Fall schon deshalb übertragen werden, weil auch hier ein Einreiseverbot verhängt wurde und § 59 Abs. 5 FPG (in diesem Umfang) eine spezielle Regelung der Rechtskraft (einer Rückkehrentscheidung) darstellt.
22 Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (vgl. zu allem VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027, mwN). Diese Bindungswirkung besteht innerhalb der Grenzen der Rechtskraft, sohin nicht im Falle einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0029).
23 § 59 Abs. 6 FPG, welcher die vorübergehende Undurchführbarkeit einer Rückkehrentscheidung für den Fall der (neuerlichen) Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz vorsieht, zeigt, dass dem Mitbeteiligten durch die Zulassung seines Asylverfahrens (nur) ein vorläufiges Aufenthaltsrecht (§ 13 Abs. 1 AsylG 2005) zukam und die rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot - anders als bei einer Rückkehrentscheidung ohne Einreiseverbot (vgl. dazu VwGH 15.3.2016, Ra 2015/21/0174) - nach wie vor aufrecht ist.
24 Bestätigt wird diese Sichtweise (im asylrechtlichen Zusammenhang) durch § 60 Abs. 3 Z 1 FPG. Diese Bestimmung regelt nach dem Willen des Gesetzgebers (RV 1078 BlgNR 24. GP, S 33) „Fälle, in denen einer Rückkehrentscheidung gegenstandslos wird. Die Z 1 beschreibt dabei den Fall, dass dem Drittstaatsangehörigen, nachdem gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt wurde.“
25 Dies zeigt zunächst, dass der Gesetzgeber (im asylrechtlichen Zusammenhang) die Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung erst bei Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, nicht jedoch bereits mit der Erlangung eines vorläufiges Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs. 1 AsylG 2005 (durch die Zulassung des Asylverfahrens) regeln wollte. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er habe (wie oben dargestellt) Rückkehrentscheidungen, welche mit einem Einreiseverbot verbunden sind, gemäß § 59 Abs. 5 FPG mit einer besonderen Rechtskraft (dahingehend, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen) ausstatten wollen und gleichzeitig in Kauf genommen, dass solche Rückkehrentscheidungen bereits mit der Erlangung eines vorläufiges Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs. 1 AsylG 2005 gegenstandslos werden. Eine solche Betrachtungsweise würde der Bestimmung des § 59 Abs. 5 FPG - gerade bei Folgeanträgen wie in der vorliegenden Rechtssache - weitgehend ihren Inhalt nehmen und diese auf nicht zugelassene Asylverfahren reduzieren. Dagegen entspricht es dem oben angeführten Willen des Gesetzgebers, dass im Sinne der Verfahrensökonomie rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dienen können. Für diesen Fall sind diese Rückkehrentscheidungen lediglich gemäß § 59 Abs. 6 FPG vorübergehend undurchführbar.
26 In diesem Sinne hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), bereits festgehalten, dass zwar die (Rückführungs)Richtlinie 2008/115/EG, solange das Verfahren zur Prüfung des Asylantrags läuft, nicht zur Anwendung kommt, dies aber keinesfalls bedeutet, dass dadurch das Rückführungsverfahren endgültig beendet wird, da dieses im Falle der Ablehnung des Asylantrags fortgesetzt werden kann (vgl. EuGH 30.5.2013, Rs. C-534/11, Arslan, Rn. 60, wo der EuGH auf das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, verweist).
27 Anderes gilt, wie vom Verwaltungsgerichtshof (im asylrechtlichen Zusammenhang) bereits festgehalten, bei Rückkehrentscheidungen ohne Einreiseverbot: Ist die Rückkehrentscheidung von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs. 5 FPG und stellt § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. mit näherer Begründung VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087).
28 Somit ist (zu der von der Amtsrevision aufgeworfenen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) zusammenfassend festzuhalten, dass im Fall eines Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs. 1 AsylG 2005 eine mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung nicht gegenstandslos wird.
29 Der in der Revision aufgeworfenen Frage nach der Prüfung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 für den Fall des Unterbleibens einer (neuerlichen) Rückkehrentscheidung kommt fallbezogen keine Relevanz zu, weil einer Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 jedenfalls § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entgegensteht. Nach dieser Bestimmung dürfen einem Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht (vgl. zu abstrakt-theoretischen Rechtsfragen VwGH 11.9.2017, Ra 2017/18/0183).
Fallbezogen
30 Fallbezogen wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. Februar 2014 die gegen den Mitbeteiligten mit Bescheid vom 21. Oktober 2013 erlassene Rückkehrentscheidung, welche mit einem Einreiseverbot verbunden war, bestätigt.
31 Ausgehend von seiner Auffassung, dass das BFA nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG verpflichtet wäre, selbst eine Rückkehrentscheidung zu treffen, hat das BVwG nicht näher begründet, inwieweit seit dieser Rückkehrentscheidung aus 2014 eine wesentliche Änderung im Sinne des § 59 Abs. 5 FPG (des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes) eingetreten wäre, welche dessen Rechtskraft bzw. Bindungswirkung (im oben dargestellten Sinn) zu durchbrechen vermag. Hiefür bestehen im Übrigen schon im Hinblick darauf, dass sich der Mitbeteiligte (nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses) bis September 2016 in Haft befand, keine Anhaltspunkte.
Zu den angenommenen Ermittlungslücken
32 Im Übrigen hat das BFA im vorliegenden Fall Ermittlungen zum Sachverhalt durchgeführt und sich auf Grundlage dieser Ermittlungen beweiswürdigend mit dem Vorbringen des Mitbeteiligten zu dessen Fluchtgründen auseinandergesetzt.
33 Soweit es das BVwG für erforderlich angesehen hat, trotz der bereits getätigten Ermittlungen einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie beizuziehen, genügt es auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Einholung eines solchen Gutachtens eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht rechtfertigt. So hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Anordnung der Ergänzung eines Sachverständigengutachtens vom Verwaltungsgericht vorzunehmen ist, weil dies im Interesse der Raschheit liegt (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2014/04/0031, mwN).
Ergebnis
34 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
35 Auf die von der Revision in den Zulässigkeitsgründen weiters aufgeworfenen Fragen braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Wien, am 22. März 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62011CJ0534 Arslan VORABSchlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017010287.N00Im RIS seit
06.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020