TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/27 96/19/1298

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Veröffentlicht am 27.02.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §5;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;
AVG §40 Abs1;
AVG §65;
AVG §66 Abs3;
AVG §68 Abs1;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des AC, geboren 1950, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1996, Zl. 305.359/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsbürger, verfügte über eine (nicht lückenlose) Reihe von Wiedereinreisesichtvermerken, beginnend im Jahr 1974 bis ins Jahr 1993. Der letzte Wiedereinreisesichtvermerk wurde für den Zeitraum vom 14. August 1992 bis 30. Jänner 1993 erteilt. Weiters war der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 26. November 1993 bis 25. Dezember 1993 aufgrund eines Touristensichtvermerkes zum Aufenthalt im Inland berechtigt.

Der Beschwerdeführer beantragte am 1. Februar 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, welche mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 1995 (wegen Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 - FrG) rechtskräftig versagt wurde.

Am 6. Juni 1995 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Schweißer und Schlosser an. Im Antrag findet sich in der Rubrik "Polizeiliche Meldung in Österreich" eine Adresse im

15. Wiener Bezirk; einen derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer nicht an. Im Antrag wurde vom Beschwerdeführer als Ort der Antragstellung Wien angegeben; auch auf dem Kuvert, in welchem sich der Antrag befand, findet sich eine Wiener Adresse. Das Poststück selbst wurde von Ungarn aus an die Österreichische Botschaft in Preßburg gerichtet und langte am 6. Juni 1995 beim Landeshauptmann von Wien als Aufenthaltsbehörde erster Instanz ein.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 23. Jänner 1996 den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er auf seine weitgehende Integration und auf die lange Dauer seines rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland sowie darauf verwies, daß sowohl die EU-Normen als auch Art. 8 MRK auf den Beschwerdeführer zuträfen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. März 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Beschwerdeführer vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet und aufhältig gewesen sei und offensichtlich nur zu dem Zweck der Antragstellung ins Ausland gereist sei. Der Beschwerdeführer halte sich zumindest seit 26. November 1993 unerlaubt im Bundesgebiet auf, da ihm zu diesem Zeitpunkt ein Touristensichtvermerk mit Gültigkeit bis 25. Dezember 1993 erteilt worden sei und er weiter aufrecht polizeilich seit 6. Dezember 1993 im Bundesgebiet gemeldet sei. Außerdem gebe der Beschwerdeführer in seiner Berufung an, sich bereits seit Jahren rechtmäßig in Österreich aufzuhalten, Sichtvermerke gehabt zu haben und sogar einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft erworben zu haben. Die Tatsache des illegalen Aufenthaltes stelle eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, da das Verhalten des Beschwerdeführers auch auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei zu sagen, daß laut seinen eigenen Angaben keine Familienmitglieder im Bundesgebiet lebten. Unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK überwögen die öffentlichen Interessen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die für die Beurteilung des Beschwerdefalles maßgebenden Bestimmungen des AufG lauteten auszugsweise wie folgt:

"§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. .... Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

"§ 13. (1) Die Berechtigung zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."

§ 4 Z. 2 der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Geltung stehenden Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

1.

...

2.

Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde;"

Der letzte Wiedereinreise-Sichtvermerk des Beschwerdeführers war mit 30. Jänner 1993 befristet. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag vom 1. Februar 1994 als Verlängerungsantrag qualfiziert werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475), weil dieser Antrag mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. März 1995 aus einem anderen Grund als dem der Verspätung des Antrages rechtskräftig abgewiesen wurde. Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 6. Juni 1995 war daher nicht geeignet, eine Bewilligung zum Aufenthalt (weder gemäß § 13 Abs. 1 AufG noch gemäß § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG) zu verlängern, und wurde von der belangten Behörde somit zu Recht als Erstantrag gewertet, für den § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich war.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise ins Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mit weiteren Nachweisen). Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).

Der Beschwerdeführer bestreitet weder, daß er sich im Zeitpunkt der Antragstellung und während des Verwaltungsverfahrens im Inland befunden hat, noch bringt er vor, daß er die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Antragstellung im Inland aus erfüllt hätte. Insbesondere ist für ihn auch aus dem Umstand, daß er in der Vergangenheit über eine Reihe von Aufenthaltstiteln aufgrund von Sichtvermerken verfügte, deshalb nichts zu gewinnen, da er - nach seinem eigenen Vorbringen - nicht Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers ist. Die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wegen Nichtentsprechung der Vorschrift des § 6 Abs. 2 AufG durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf Verletzungen der Menschenrechte (gemeint wohl: Art. 8 MRK) vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Gesetzgeber der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genutzten - Verordnungsermächtigung bereits auf die durch die in Rede stehende Bestimmung der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161). Daß eine der in den genannten Bestimmungen und der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 normierten Ausnahmen von der nach § 6 Abs. 2 erster Satz AufG notwendigen Antragstellung vor der Einreise vom Ausland aus auf den Beschwerdeführer zuträfe, ist im Verfahren nicht hervorgekommen und wird vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Berufung behauptet. Bedenken, daß die Umschreibung des durch diese Vorschriften umschriebenen Personenkreises, für den auch eine Antragstellung im Inland in Frage kommt, zu eng wäre und dem Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden.

Der Fall des Beschwerdeführers ist auch nicht mit der Fallkonstellation vergleichbar, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148 zugrundelag. Der dort verankerten Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes, bei langjährigem rechtmäßigen Aufenthalt im Inland und verspäteter Antragstellung diesen Antrag als Verlängerungsantrag zu qualfizieren hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch bei Anwendung der neuen Rechtslage angeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475). Der dem zuletzt genannten Erkenntnis zugrundeliegenden Fallkonstellation gleicht der vorliegende Fall zwar anscheinend hinsichtlich des langen Zeitraumes rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland vor dem 1. Juli 1993 aufgrund von Sichtvermerken, allerdings handelt es sich beim vorliegenden Antrag nicht um den ersten verspäteten Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser erste Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Februar 1994 wurde zudem nicht wegen verspäteter Antragstellung, sondern gemäß § 5 AufG wegen Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes rechtskräftig abgewiesen. Der vorliegende, zweite Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war daher auch vor dem Hintergrund der obgenannten Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu Art. 8 MRK nicht als Verlängerungsantrag zu werten, bei dem eine Antragstellung vom Inland aus ausnahmsweise zulässig gewesen wäre (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0347 bis 0349).

Schließlich beruft sich der Beschwerdeführer auf von der belangten Behörde mißachtete EU-Normen, die auf ihn "als nützliches Mitglied der Gesellschaft" anwendbar seien. Der Beschwerdeführer, der sich auf diese Argumentation schon in seiner Berufung gestützt hatte, verabsäumt es auch in der Beschwerde, darzulegen, um welche EU-Normen es sich dabei konkret handeln sollte und er unterläßt auch eine Erklärung dafür, in welcher Weise auf ihn als jugoslawischer Staatsbürger die Normen der Europäischen Gemeinschaft, in der Jugoslawien nicht Mitglied ist, Anwendung finden sollten. Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vermag der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen somit nicht aufzuzeigen.

Die vom Beschwerdeführer als Verfahrensmangel gerügte Unterlassung einer mündlichen Berufungsverhandlung ist schließlich auch nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Bescheides darzutun, weil es kein Recht auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gibt und der Beschwerdeführer auch nicht darzulegen vermag, zu welch anderem Bescheid die belangte Behörde bei Vermeidung dieses angeblichen Verfahrensmangels gelangt wäre.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob die belangte Behörde zu Recht den Ausschließgungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG herangezogen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191298.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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