TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/27 95/19/1098

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Veröffentlicht am 27.02.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1. der M A, geboren 1995,

2. des A A, geboren 1984 und 3. des A O A, geboren 1986, alle in Selimsultan Ksyü Karalay (Türkei), alle vertreten durch Mustafa Ay in 6521 Fließ, dieser vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian und Dr. Klaus Brändle, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Eisengasse 25, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 29. August 1995, 1. Zl. 116.088/2-III/11/95,

2. Zl. 116.088/3-III/11/95 und 3. Zl. 116.088/4-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer beantragten am 14. Juli 1994 bei der österreichischen Botschaft in Ankara die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit dem Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin und Vater der beiden anderen Beschwerdeführer. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens legten die Beschwerdeführer mehrfach Lohnbestätigungen des Ehegatten bzw. Vaters vor. Aus der zuletzt vorgelegten, am 2. Mai 1995 bei der Erstbehörde eingelangten, ergibt sich ein monatlicher Nettolohn von S 13.500,--. Mit Bescheiden der Erstbehörde vom 5. Mai 1995 bzw. vom 8. Mai 1995 wies diese die Anträge der Beschwerdeführer mit der Begründung ab, der Lebensunterhalt sei in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert (§ 5 Abs. 1 AufG).

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 25. August 1995 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die den Beschwerdeführern zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel reichten nicht aus, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Die Erteilung einer Bewilligung sei daher gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu versagen. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 MRK.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diese Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof mit einer gemeinsam eingebrachten Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Aufenthaltsbewilligung Fremden unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn deren Lebensunterhalt in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

Gemäß § 6 Abs. 1 zweiter Satz AufG ist im Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung der Zweck des vorgesehenen Aufenthalts genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.

Nach § 7 Abs. 6 erster Satz des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973, hat die Landesregierung durch Verordnung nähere Vorschriften über die Form und das Ausmaß der Sozialhilfe zu erlassen. Hiebei sind nach dem zweiten Satz der zitierten Bestimmung unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in Tirol für die Bemessung des Lebensunterhaltes Richtsätze festzusetzen.

Die Beschwerde erweist sich bei Heranziehung der in der Verordnung LGBl. Nr. 118/1994 festgelegten Richtsätze und unter Berücksichtigung des nur im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin festgestellten Mietaufwandes von S 4.650,-- zuzüglich S 500,-- Betriebskostenakontierung als berechtigt.

In Art. I der genannten Verordnung werden nämlich die Richtsätze der Tiroler Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 68/1974 idF LGBl. Nr. 133/1993, dahin geändert, daß monatliche Leistungen bis zu folgenden Höchstbeträgen (Richtsätze) vorgesehen werden:

    "1. Für Alleinstehende ...................... S 4.840,--

     2. Für Haushaltsvorstände .................. S 4.140,--

     3. Für Haushaltsangehörige ohne Anspruch

        auf Familienbeihilfe .................... S 2.880,--

     4. Für sonstige Haushaltsangehörige ........ S 1.600,--"

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, daß er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinn des § 5 leg. cit. vorliegt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung zur initiativen Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse darf die Behörde auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den vom Fremden in seinem Bewilligungsantrag und im folgenden Verwaltungsverfahren von sich aus bekanntgegebenen Unterhaltsmitteln ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561, mwN). Ein Verfahrensmangel liegt daher insoweit nicht vor.

Die Beschwerdeführer rügen jedoch zutreffend, daß es die belangte Behörde unterließ, bei Berechnung des ihrer Familie monatlich zur Verfügung stehenden Betrages zu berücksichtigen, daß das bekanntgegebene Nettomonatsgehalt 14 x jährlich ausbezahlt wird. Eine derartige ausdrückliche Behauptung stellten die Beschwerdeführer im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden nicht auf, dennoch konnte die belangte Behörde aufgrund des von den Beschwerdeführern dargelegten Nettomonatslohnes nicht ohne weitere Erhebungen davon ausgehen, daß dieser Monatslohn nur 12 x jährlich bezogen werde. Da auch Sonderzahlungen zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel darstellen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, mwN) errechnete sich unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen - unter Außerachtlassung ihrer steuerlichen Begünstigung - ein der Familie monatlich zur Verfügung stehender Nettogehaltsbetrag von etwa S 15.750,--.

Weiters hat die belangte Behörde nicht die Frage geprüft, ob dem Familienerhalter für den Zweit- und Drittbeschwerdeführer Familienbeihilfe zusteht. Bei den Ansprüchen auf Familienbeihilfe handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, mwN) um Ansprüche, die bei der Beurteilung gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu berücksichtigen sind.

Unter Heranziehung der bereits erwähnten Sozialhilferichtsätze im Sinne der Verordnung LGBl. Nr. 118/1994 ergäbe sich daher ein Bedarf von S 10.220,-- (Haushaltsvorstand S 4.140,--, eine Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe S 2.880,-- und - allenfalls - zwei sonstige Haushaltsangehörige je S 1.600,--). Rechnet man hiezu den von der belangten Behörde zugrundegelegten Mietkostenaufwand von (monatlich) S 4.650,--, so ergibt sich ein monatlicher Gesamtbedarf von S 14.870,--, der selbst unter Hinzuziehung der vor der belangten Behörde gleichfalls hinzugerechneten S 500,-- monatlicher Betriebskostenakontierung noch unter dem zur Verfügung stehenden Betrag von S 15.750,-- (ohne Familienbeihilfe) bleibt.

Da somit der Sachverhalt in den aufgezeigten wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf die übrigen Beschwerdevorbringen hinsichtlich des den beschwerdeführenden Parteien zur Deckung ihrer Lebensbedürfnisse zur Verfügung stehenden Sparguthabens sowie betreffend die - nur auf den Familienerhalter lautende - Verpflichtungserklärung eines Dritten war daher nicht mehr weiter einzugehen.

Die Entscheidung über den Kostenaufwand gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191098.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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