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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E008A EGV Art8a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des Henrik Schwaighofer in Zell am See, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27-28, Stiege 2/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 15. Mai 1997, Zl. III-4004/97, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 15. Mai 1997 wurde dem Beschwerdeführer der Reisepaß Nr. S 0379363 gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c sowie § 16 Abs. 1 Z. 1 des Paßgesetzes 1992 entzogen.
Der Beschwerdeführer habe am 4. März 1996 um 23.30 Uhr an der Grenzkontrollstelle Nickelsdorf die rechtswidrige Einreise zweier namentlich genannter ethnischer Albaner aus dem Kosovo vorsätzlich veranlaßt. Er habe die beiden Fremden im Kofferraum seines Fahrzeuges versteckt über die Grenze gebracht. Dafür sei er mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl vom 14. März 1996 rechtskräftig bestraft worden. Der Beschwerdeführer sei bereits davor einmal wegen Veranlassung der illegalen Einreise von zwei Fremden rechtskräftig bestraft worden. Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse die Annahme gerechtfertigt erscheinen, er werde neuerlich versuchen, die rechtswidrige Einreise Fremder zu fördern. Dies solle durch den Entzug des Reisepasses unmöglich gemacht werden. Daß der Paßentzug eine hiefür geeignete und zulässige Maßnahme darstelle, ergebe sich aus § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c des Paßgesetzes 1992.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 16. Juni 1997, B 1332/97-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese mit Beschluß vom 24. Juli 1997, B 1332/97-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragte der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 15 Abs. 1 des Paßgesetzes 1992 - PaßG, BGBl. Nr. 839/1992, in der Fassung BGBl. 507/1995, ist ein Reisepaß, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PaßG ist die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, am 4. März 1996 vorsätzlich die illegale Einreise zweier im Kofferraum seines Fahrzeuges versteckter Fremder veranlaßt zu haben und bereits davor wegen vorsätzlicher Veranlassung der illegalen Einreise zweier Fremder rechtskräftig bestraft worden zu sein. Der Beschwerdeführer stellt auch nicht in Abrede, anläßlich dieser Schleppertätigkeiten zur Legitimation seiner eigenen Einreise den - nummehr entzogenen - Reisepaß verwendet zu haben. Er hat somit den Reisepaß benützt, um die rechtswidrige Einreise von in seinem Fahrzeug versteckten Fremden zu fördern. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keine Bedenken gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PaßG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Entgegen der in den an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen vertretenen Ansicht kann die Verwendung eines Reisepasses zur Förderung der rechtswidrigen Einreise eines Fremden keineswegs nur darin bestehen, "damit Fremde beim illegalen Grenzübertritt scheinbar zu legitimieren".
2.1. In dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Teil der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer - neben einem pauschalen Verweis auf die an den Verfassungsgerichtshof gerichteten verfassungsrechtlichen Ausführungen - lediglich vor, er werde durch die Paßentziehung daran gehindert, "rechtmäßig in paßpflichtige Länder der Gemeinschaft einzureisen, bzw. sich in diesen rechtmäßig aufzuhalten, und damit in seinem Recht auf Freizügigkeit der Person im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft verletzt". Er regt dazu an, die Beschwerde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.
2.2. Es kann dahinstehen, ob die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat seinen eigenen Bürgern den Reisepaß entziehen darf, durch das Gemeinschaftsrecht geregelt wird, weil die vorliegende Maßnahme aus folgenden Gründen selbst bei Anwendung des Gemeinschaftsrechtes gerechtfertigt wäre:
Das Recht auf Freizügigkeit ist in mehreren Bestimmungen sowohl des primären als auch des sekundären Gemeinschaftsrechts festgeschrieben.
Art. 8a Abs. 1 EGV hat folgenden Wortlaut:
"Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten."
Aus diesem Vorbehalt ergibt sich, daß Art. 8a Abs. 1 EGV nicht unmittelbar subjektive Rechte begründet, das dort genannte Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht vielmehr nur nach Maßgabe des Sekundärrechts gewährleistet ist (vgl. W. Kaufmann-Bühler in : C.O. Lenz, EG Vertrag, Kommentar, Art. 8a Rz 1). Daraus folgt, daß zur Beurteilung des allgemeinen Rechtes auf Freizügigkeit und Aufenthalt die Richtlinie 90/364 EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht heranzuziehen ist.
Nach dem Art. 1 Abs. 1, erster Unterabsatz dieser Richtlinie gewähren die Mitgliedstaaten den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen das Aufenthaltsrecht nicht aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist, sowie deren Familienangehörigen nach der Definition von Abs. 2 unter der Bedingung das Aufenthaltsrecht, daß sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedstaat alle Risken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, daß sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen.
Gemäß Art. 2 Abs. 2, erster Unterabsatz der zitierten Richtlinie ist unter anderem Art. 2 der Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft, 68/360/EWG, entsprechend anzuwenden, welcher folgenden Wortlaut hat:
"(1) Die Mitgliedstaaten gestatten den in Artikel 1 genannten Staatsangehörigen die Ausreise aus ihrem Hoheitsgebiet, damit sie im Hoheitsgebiet eines anderem Mitgliedstaats eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis aufnehmen und ausüben können. Um von diesem Ausreiserecht Gebrauch machen zu können, bedarf es lediglich der Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses. Die Familienangehörigen genießen dasselbe Recht wie der Staatsangehörige, von dem sie dieses Recht herleiten.
(2) Die Mitgliedstaaten erteilen und verlängern ihren Staatsangehörigen gemäß ihren Rechtsvorschriften einen Personalausweis oder einen Reisepaß, der insbesondere ihre Staatsangehörigkeit angibt.
(3) Der Reisepaß muß zumindest für alle Mitgliedstaaten und die unmittelbar zwischen den Mitgliedstaaten liegenden Durchreiseländer gelten. Ist die Ausreise nur mit dem Reisepaß statthaft, so muß dieser mindestens fünf Jahre gültig sein.
(4) Die Mitgliedstaaten dürfen von den in Artikel 1 genannten Staatsangehörigen für die Ausreise weder einen Sichtvermerk noch einen gleichwertigen Nachweis verlangen."
Gemäß Art. 2 Abs. 2, dritter Unterabsatz der Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990, 90/364/EWG, dürfen die Mitgliedstaaten nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der Volksgesundheit von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen, wobei in diesem Fall die Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, 64/221/EWG, Anwendung findet. Nach dem Art. 3 Abs. 1 der zuletzt genannten Richtlinie darf bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein.
Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergäbe sich, daß die Entziehung des für einen Inländer ausgestellten Reisepasses und die damit verbundene Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union jedenfalls dann zulässig wäre, wenn es sich hiebei um eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, für welche das persönliche Verhalten des Staatsbürgers ausschlaggebend ist, handelte. Gerade das wäre aber vorliegend der Fall. Der Beschwerdeführer hätte durch seine Schleppertätigkeit mehrmals in gravierender Weise die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens verletzt. Da dieses Verhalten den Schluß rechtfertigte, er werde als Inhaber eines Reisepasses auch in Zukunft gegen das aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. dazu die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit einer Ausweisung im Grunde des § 19 Fremdengesetz; etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 97/18/0066) verstoßen, wäre die Paßentziehung als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt.
2.3. Es ergeben sich somit im vorliegenden Fall keine Zweifel über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Der Verwaltungsgerichtshof folgt daher der Anregung, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften einzuholen, nicht.
3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997180424.X00Im RIS seit
09.11.2001