TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/5 97/18/0557

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Veröffentlicht am 05.03.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §9;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §51;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/18/0558

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S in Wien, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in Wien I, Fleischmarkt 28, gegen A. den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. September 1997, Zl. SD 406/97, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Ausweisungs-Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. November 1996 (hg. Zl. 97/18/0557) und B. den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. September 1997, Zl. SD 406/97, betreffend Zurückweisung der Berufung gegen den vorgenannten Ausweisungs-Bescheid (hg. Zl. 97/18/0558), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. September 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. November 1996, mit dem er gemäß § 17 Abs. 1 FrG, ausgewiesen worden war, nach § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Das Argument des Beschwerdeführers, er wäre durch einen Hungerstreik in seiner Dispositionsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen, sodaß er kein Rechtsmittel hätte erheben können, gehe ins Leere. Denn der Beschwerdeführer habe zumindest fahrlässig in Kauf genommen, daß er durch den Hungerstreik geschwächt würde, und er habe damit rechnen müssen, dadurch eventuell eine Frist zu versäumen. Bei einem Hungerstreik handle es sich jedenfalls nicht um ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis. Selbst unter der Annahme, daß der Ausweisungs-Bescheid - so die Behauptung des Beschwerdeführers - nach der Zustellung zu seinen Depositen gegeben worden sei, hätte er jederzeit Zugriff zum Bescheid, von dessen Existenz er ja gewußt habe, und somit die Möglichkeit gehabt, ein Rechtsmittel zu ergreifen. Schließlich sei der Einvernahme des Beschwerdeführers ein Dolmetscher beigezogen und ihm der daran anschließend erlassene Bescheid samt Rechtsmittelbelehrung gleichfalls übersetzt worden.

Angesichts des gegebenen Sachverhaltes habe der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen können, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen sei, noch, daß ihn daran nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Da somit die Voraussetzung des § 71 Abs. 1 AVG nicht vorliege, sei der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen gewesen.

2. Ebenfalls mit Bescheid vom 18. September 1997 wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Ausweisungs-Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. November 1996 am 21. Jänner 1997 erhobene Berufung gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Der erstinstanzliche Ausweisungs-Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 11. November 1996 durch persönliche Übergabe zugestellt worden, sodaß die zweiwöchige Berufungsfrist am 25. November 1996 geendet habe. Darüber hinaus sei ein Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Zustellung des diesbzüglichen Berufungsbescheides rechtskräftig abgewiesen worden. Somit sei die am 21. Jänner 1997 zur Post gegebene Berufung gegen den Ausweisungs-Bescheid als verspätet zurückzuweisen gewesen, ohne daß die belangte Behörde in der Lage gewesen wäre, sich mit den Berufungsausführungen in der Sache selbst auseinanderzusetzen.

3. Sowohl gegen den unter I.1. als auch den unter I.2. genannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, die angefochtenen Entscheidungen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages

1.1. Der Beschwerdeführer behauptet, daß er durch einen Hungerstreik (in der Schubhaft), somit durch ein "medizinisches Ereignis", an der Abfassung einer fristgerechten Berufung gegen den Ausweisungs-Bescheid gehindert gewesen sei. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer nicht mehr haftfähig gewesen sei, sei es ihm nicht möglich gewesen, zielgerichtet zu handeln. Der Hungerstreik stelle ein unabwendbares Ereignis dar, weil er die einzige Möglichkeit gewesen sei, um aus der Schubhaft entlassen zu werden. Dieses "Unterfangen" sei dem Beschwerdeführer schließlich nach mehrwöchigem Hungerstreik auch geglückt.

1.2. Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß die durch den Hungerstreik bewirkte schlechte psychische und physische Verfassung des Beschwerdeführers nur dann als ein unvorhergesehenes oder/und unabwendbares Ereignis i.S. des § 71 Abs. 1 AVG zu werten gewesen wäre, wenn dadurch seine Dispositionsfähigkeit zur Gänze ausgeschlossen und er solcherart außerstande gewesen wäre, die nach der Sachlage erforderlichen Maßnahmen zu setzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0843). Sofern man die obigen Ausführungen des Beschwerdeführers dahin versteht, daß er dispositionsunfähig in diesem Sinn gewesen sei und überdies davon ausgeht, daß er Entsprechendes bereits in der Berufung vorgebracht habe - diesbezüglich weist die Beschwerde darauf hin, er hätte dort ausgeführt, "geschwächt" und nicht in der Lage gewesen zu sein, für seine Berufung "fristgerecht Sorge zu tragen" - vermag er damit seine Verhinderung an der Einhaltung der Berufungsfrist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis nicht, wie von § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG gefordert, glaubhaft zu machen. Denn die bloße in diese Richtung gehende Behauptung kann das Wahrscheinlichmachen nicht ersetzen. Um einen gänzlichen Ausschluß der Dispositionsfähigkeit glaubhaft zu machen, wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, mit Hilfe einer ärztlichen Bescheinigung darzutun, daß er aufgrund eines durch den Hungerstreik herbeigeführten geistigen und körperlichen Ausnahmezustandes während des Laufes der zweiwöchigen Berufungsfrist (11. November bis 25. November 1996) außerstande gewesen sei, das Rechtsmittel zu erheben (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Wien 1996, auf S. 674 unter 23a. und b. angeführten hg. Entscheidungen). Die Notwendigkeit einer derartigen Glaubhaftmachung wird auch nicht durch den Hinweis entbehrlich, daß dem Beschwerdeführer ein zielgerichtetes Handeln spätestens "ab dem Zeitpunkt", als er "nicht mehr haftfähig war", unmöglich gewesen sei, wird doch damit nicht einmal behauptet, daß die Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers - setzte man diese mit einer Dispositionsunfähigkeit im beschriebenen Sinn gleich - bereits vor Ablauf der Berufungsfrist (25. November 1996) eingetreten sei.

1.3. Aber auch mit dem (behaupteten) Umstand, daß der Ausweisungs-Bescheid zu den Depositen des Beschwerdeführers genommen worden sei, tut er kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis i.S. des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG dar, hat doch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, ohne daß die Beschwerde insoweit widersprochen hätte, dargelegt, daß der Beschwerdeführer, bei Zutreffen seiner Behauptung, es sei ihm der Bescheid nicht belassen worden, jederzeit Zugriff auf diesen und im Hinblick darauf, daß ihm der Bescheid samt Rechtsmittelbelehrung von einem Dolmetscher übersetzt worden sei, auch die Möglichkeit, diesen zu bekämpfen, gehabt hätte.

2. Da es nach dem Gesagten dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, ein die Einhaltung der Berufungsfrist hinderndes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis i.S. des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG glaubhaft zu machen, brauchte auf die im angefochtenen Bescheid unter der Annahme des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses behandelte (und verneinte) Frage, ob den Beschwerdeführer nur ein minderer Grad des Versehens treffe, nicht eingegangen zu werden.

B. Zur Zurückweisung der Berufung gegen den Ausweisungs-Bescheid

Im Hinblick darauf, daß die Berufung unbestritten erst nach Ablauf der hiefür vorgesehenen zweiwöchigen Frist (§ 63 Abs. 5 AVG) eingebracht, somit verspätet erhoben wurde, steht deren Zurückweisung mit dem Gesetz (§ 66 Abs. 4 AVG) in Einklang. C. Da unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen die behauptete Rechtsverletzung hinsichtlich keiner der beiden angefochtenen Bescheide vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen. D. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997180557.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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