TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/28 Ra 2019/21/0368

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs1
AVG §71 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §9
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsident Dr. Pelant und Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D R in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2019, G314 2220406-1/2E, betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und einer Beschwerde in Angelegenheiten des FPG als verspätet (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis und der angefochtene Beschluss werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist bosnischer Staatsangehöriger, befindet sich seit Ende 2010 in Österreich und verfügte zuletzt über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte Plus“.

2        Im Hinblick auf eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. das dieser zugrundeliegende Fehlverhalten verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Asylwerber mit Bescheid vom 14. November 2018 gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein siebenjähriges Einreiseverbot. Unter einem stellte das BFA fest, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Da der Revisionswerber seit 7. November 2018 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet war, verfügte das BFA die Zustellung dieses Bescheides am 14. November 2018 gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG durch Hinterlegung im Akt.

3        Laut Aktenvermerk des BFA vom 22. März 2019 wurde der in Strafhaft befindliche Revisionswerber an diesem Tag aus Anlass seiner Einvernahme zur Erlangung eines Heimreisezertifikates darüber informiert, dass gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot existiere. In der Folge stellte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 10. April 2019 (Postaufgabe 15. April 2019) einen „Antrag auf neuerliche Zustellung“ des Bescheides vom 14. November 2018, weil dessen Zustellung „nicht ordnungsgemäß erfolgt“ sei; er habe - so ist sein Vorbringen offenkundig zu deuten - entgegen der Darstellung im Zentralen Melderegister seinen Hauptwohnsitz an einer näher angeführten Adresse in Salzburg auch über den 7. November 2018 hinaus aufrechterhalten.

4        „In eventu“ stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 14. November 2018 und holte „in einem ... die versäumte Prozesshandlung“ (also die Beschwerde) nach.

5        Mit Bescheid vom 26. April 2019 wies das BFA den Wiedereinsetzungsantrag, weil nicht rechtzeitig eingebracht, zurück. Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er u.a. darauf hinwies, dass sein Antrag auf neuerliche Zustellung des Bescheides (gemeint: vom 14. November 2018) „überhaupt nicht behandelt“ worden sei; er habe seine Abgabestelle niemals aufgegeben und das BFA habe sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. (Zwar) sei ihm „der Bescheid“ am 22. März 2019 in der Justizanstalt übergeben worden, doch sei ihm nicht klar gewesen, worum es gehe, und er habe auch keine Rechtsmittelbelehrung erhalten. Erst durch Akteneinsicht am 3. April 2019 hätten die Rechtsvertreter „von dem vorliegenden rechtskräftigen Bescheid“ erfahren.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Juli 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 26. April 2019, betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages, als unbegründet ab und mit dem unter einem ausgefertigten angefochtenen Beschlusses wies es die Beschwerde gegen den Bescheid vom 14. November 2018, betreffend Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, als verspätet zurück. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG außerdem aus, dass eine Revision jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Über die nach Ablehnung der Behandlung seiner zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 3.10.2019, E 3235/2019-5) ausgeführte außerordentliche Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8        Die Revision ist zulässig und berechtigt. Der Revisionswerber macht nämlich zutreffend geltend, dass sein Antrag auf neuerliche Zustellung des Bescheides vom 14. November 2018 nicht behandelt worden ist. Das ist insoweit relevant, als dieser Antrag vorrangig gestellt und der vom BFA allein behandelte Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich nur „in eventu“ eingebracht wurde.

9        Das Wesen eines Eventualantrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Vor der Erledigung des Primärantrages auf „neuerliche Zustellung“ des Bescheides vom 14. November 2018 war das BFA daher nicht zuständig, über den nur „in eventu“ gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden. Diese Unzuständigkeit, zumal in der Beschwerde ausdrücklich angesprochen, hätte das BVwG aufgreifen müssen (vgl. zum Ganzen VwGH 17.11.2010, 2008/23/0754, 0755, mwN). Das hat es jedoch unterlassen und die behördliche Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages bestätigt, wobei es auch das vom Revisionswerber erstattete Vorbringen zur Rechtswidrigkeit der Zustellung des Bescheides vom 14. November 2018 durch Hinterlegung zum Akt keiner näheren Beurteilung unterzog und auf die dann allenfalls zu beantwortende Frage der Heilung eines Zustellmangels nicht einging. Von daher ist das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; ebenso der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 14. November 2018, weil fallbezogen keine Indizien dafür existieren, die mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholte Beschwerde sei nicht ebenfalls bloß eventualiter (in Verbindung mit dem Wiedereinsetzungsantrag) erhoben worden. Beide angefochtenen Entscheidungen waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

10       Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren auf gesonderten, über den dort genannten Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand hinausgehenden Zuspruch von Umsatzsteuer hat in der genannten Verordnung keine Deckung und war daher abzuweisen (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0380, Rn. 15).

Wien, am 28. Mai 2020

Schlagworte

Allgemein Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210368.L00

Im RIS seit

15.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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