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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
EStG 1988 §124b Z53Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. April 2019, Zl. RV/1100136/2017, betreffend Einkommensteuer 2015 (mitbeteiligte Partei: R K in H, vertreten durch die G&B Steuerberatungs GmbH in 6844 Altach, Bauern 17), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Der im Jahr 1948 geborene Mitbeteiligte war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - von 1975 bis zur Einstellung des Betriebes im Jahr 1997 bei der L AG in der Schweiz beschäftigt.
2 Auf Grund der Beendigung des Dienstverhältnisses und dem dadurch bedingten Auflösen des Vorsorgeverhältnisses mit der Vorsorgeeinrichtung der Arbeitgeberin wurde das Altersguthaben auf ein Sperrkonto bei einer Freizügigkeitsstiftung übertragen.
3 Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit war der Mitbeteiligte in der Folge bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013 wiederum in der Schweiz nichtselbständig tätig.
4 Im Dezember 2015 hat die Freizügigkeitsstiftung dem Mitbeteiligten das aus seiner Tätigkeit bei der L AG herrührende Freizügigkeitskapital antragsgemäß ausbezahlt. Weiters bezog der Mitbeteiligte im Streitjahr 2015 neben einer inländischen Pension eine Rente von der schweizerischen AHV sowie eine weitere Rente von einer schweizerischen Pensionskasse (offenbar jener des späteren schweizerischen Arbeitgebers).
5 Das Finanzamt besteuerte den Auszahlungsbetrag ohne Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988.
6 In seiner dagegen eingebrachten Beschwerde beantragte der Mitbeteiligte die Anwendung der streitgegenständlichen Steuerbegünstigung und führte dazu ins Treffen, dass er keine Wahlmöglichkeit bei Auszahlung „der zweiten Säule“ gehabt habe.
7 Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der es u.a. die Ansicht vertrat, dass der Mitbeteiligte aus Anlass des Austritts aus der Vorsorgeeinrichtung im Jahr 1997 zwischen der Übertragung des Pensionskassenguthabens auf ein Freizügigkeitskonto und der Übertragung auf eine Freizügigkeitspolice habe wählen können, wobei ihm letztere die Möglichkeit einer späteren Auszahlung in Rentenform eröffnet hätte.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde statt. Begründend führte es aus, im Revisionsfall sei unbestritten, dass der Mitbeteiligte auf Grund der Beendigung des hier maßgeblichen Dienstverhältnisses vor Erreichen des Rentenalters und damit vor Eintritt des Vorsorgefalles Anspruch auf eine Austrittsleistung nach Art. 2 Freizügigkeitsgesetz gehabt habe. Nachdem dieses Guthaben auf ein Freizügigkeitskonto überwiesen worden sei, habe der Mitbeteiligte mit Erreichen des Rentenalters nur eine Barauszahlung der Austrittsleistung beanspruchen können. Damit habe kein iSd § 124b Z 53 EStG 1988 begünstigungsschädliches Wahlrecht zwischen gleichrangigen Ansprüchen bestanden.
9 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung nicht zu, dass die in Streit stehende Frage bereits höchstgerichtlich geklärt sei.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit u.a. vorbringt, das BFG habe in Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung angewendet, obwohl anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung ein Wahlrecht zwischen Übertragung des Vorsorgeguthabens auf ein Freizügigkeitskonto oder auf eine Freizügigkeitspolice (mit späterem Rentenanspruch) bestanden habe.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, zu dem der Mitbeteiligte keine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und auch begründet.
13 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2015/15/0033, mwN).
14 Im Erkenntnis vom 5. März 2020, Ro 2019/15/0003, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem vergleichbaren, allerdings die liechtensteinische Gesetzeslage betreffenden, Fall ausgesprochen, entscheidend sei, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice hätte aufrecht erhalten werden können (vgl. auch VwGH 23.1.2020, Ra 2018/15/0107). Dass die spätere Rentenleistung nicht von der Vorsorgeeinrichtung (der Pensionskasse) des früheren Arbeitgebers, sondern von einem „privaten Versicherungsunternehmen“ erfolgt, steht der Annahme eines Wahlrechtes nicht entgegen, sofern ein Verbleib innerhalb des ausländischen Vorsorgesystems trotz Beendigung der Auslandstätigkeit möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.
15 Ausgehend vom Erkenntnis des VwGH vom 22. November 2018, Ra 2018/15/0086, hat das Bundesfinanzgericht keine konkreten Feststellungen darüber getroffen, ob dem Mitbeteiligten nach der schweizerischen Rechtslage und der hiezu in der Schweiz gepflogenen Interpretation sowie den tatsächlichen Gegebenheiten eine Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice mit späterem Rentenanspruch möglich gewesen wäre.
16 Sollte eine derartige Wahlmöglichkeit nicht bestanden haben, wird im fortzusetzenden Verfahren auch zu prüfen sein, ob anlässlich der Wiederaufnahme der Auslandstätigkeit die Übertragung der auf dem Sperrkonto liegenden Austrittsleistung an die Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers möglich gewesen wäre und der Mitbeteiligte auf diese Weise entsprechend höhere Rentenbezüge hätte erzielen können.
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Wien, am 4. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150080.L00Im RIS seit
22.07.2020Zuletzt aktualisiert am
22.07.2020