TE Vwgh Beschluss 2020/6/5 Ro 2019/04/0228

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Index

23/04 Exekutionsordnung
40/01 Verwaltungsverfahren
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §105
EO §290b
EO §291a
VStG §54b Abs2
VStG §54b Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der I E in W, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Hütteldorfer Straße 35/5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 5. Juli 2019, Zl. VGW-001/032/5212/2019-6, betreffend einen Antrag nach § 54b VStG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 4. März 2019 wies die belangte Behörde ausgehend von einem zu zahlenden Gesamtbetrag von € 10.773,02 den Antrag der Revisionswerberin vom 2. Jänner 2019 auf Zahlungserleichterung betreffend alle (offenen) Verwaltungsstrafen ab.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 54b Abs. 2 VStG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.

3        Dem Erkenntnis legte das Verwaltungsgericht nachfolgende wesentliche Feststellungen zugrunde:

Zum 4. März 2019 ergäbe sich auf Grund zahlreicher rechtskräftiger Straferkenntnisse wegen Verwaltungsübertretungen aus der vormaligen selbständigen Tätigkeit der Revisionswerberin im Gastgewerbe ein Rückstand von insgesamt € 10.773,02 an Strafbeträgen und Kosten. Ein Vollstreckungsverfahren iSd § 3 VVG oder ein Insolvenzverfahren sei nicht durchgeführt worden.

Die Revisionswerberin verfüge über monatliche Einkünfte aus der Pensionsversicherung in der Höhe von € 855,47 14-mal jährlich. Sie teile sich mit ihrem Lebensgefährten die monatlichen Mietkosten für die gemeinsame Wohnung in der Höhe von € 428,--, habe kein nennenswertes Vermögen und keine Sorgepflichten. Die Revisionswerberin habe während der letzten drei Jahre Teilzahlungen in der Höhe von € 600,-- jährlich geleistet. Künftig sei sie bereit, Teilzahlungen in der Höhe von € 800,-- pro Jahr zu leisten.

4        Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, dass bei erwiesener Uneinbringlichkeit Zahlungserleichterungen nicht zu bewilligen seien. Seien die Voraussetzungen für die Uneinbringlichkeit gemäß § 54b Abs. 2 VStG gegeben, sei für die Anwendung des § 54b Abs. 3 VStG kein Raum.

Dies sei vorliegend der Fall. Das monatliche Pensionseinkommen der Revisionswerberin liege unter dem gemäß § 291a EO für die Berechnung des Existenzminimums maßgeblichen Ausgleichszulagenrichtsatz für das Jahr 2019 (§ 293 Abs. 1 lit. a ASVG) in der Höhe von € 933,06. § 291a Abs. 1 EO gelte gemäß § 290b EO auch für Sonderzahlungen, weshalb der Revisionswerberin auch vom 13. und 14. Monatsbezug ihrer Pension der unpfändbare Teil von € 933,06 zu verbleiben habe. Die Revisionswerberin verfüge somit über keine das Existenzminimum übersteigenden Einkünfte, weshalb Uneinbringlichkeit vorliege.

Selbst wenn man der Argumentation der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren folgen würde, wonach die Sonderzahlungen bei der Berechnung des Existenzminimums nicht zu berücksichtigen seien, sondern dem monatlichen Einkommen über das Jahr verteilt hinzuzurechnen seien, ergebe sich ein das Existenzminimum lediglich um € 64,99 übersteigendes monatliches Einkommen und diesbezüglich ein Rückzahlungszeitraum von mehr als 13 Jahren. Auch wenn seit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 bei Bewilligung eines Antrags auf Teilzahlung und nicht mehr bloß bei Zahlungsaufschub die Strafvollstreckung gemäß § 54b Abs. 3 letzter Satz VStG ausdrücklich aufgeschoben werde und deshalb der Zeitraum der bewilligten Teilzahlung gemäß § 31 Abs. 3 Z 2 VStG nicht in die Vollstreckungsverjährungsfrist eingerechnet werde, könne nunmehr nicht automatisch bei Einkünften über dem Existenzminimum die Uneinbringlichkeit ausgeschlossen werden. Vielmehr müssten die zu erwartenden Einkünfte und die zu entrichtenden offenen Strafbeträge in einem solchen Verhältnis stehen, dass eine Entrichtung in einer angemessenen Zeitspanne möglich und realistisch erscheine. Diese Angemessenheit sei betreffend der Entrichtung von Strafbeträgen von € 10.000,-- in einem Zeitraum von über zehn Jahren nicht gewahrt und eine Entrichtung über einen derart langen Zeitraum faktisch einer Uneinbringlichkeit gleichzusetzen.

Soweit die Revisionswerberin zu einer jährlichen Ratenzahlung von € 800,-- bereit sei, komme es nicht auf die Zahlungsbereitschaft, sondern auf die tatsächliche Einbringlichkeit der Geldstrafen an.

5        Die ordentliche Revision sei in Bezug auf die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit im Zusammenhang mit Anträgen auf Teilzahlung nach § 54b Abs. 3 VStG im Hinblick darauf, dass die bisherige zu der früheren Fassung dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sich nicht ohne weiteres auf die geltende Rechtslage übertragen lasse, und noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54b Abs. 3 iVm § 31 Abs. 3 Z 2 VStG idF der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 vorliege, zulässig.

6        Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu auf kostenpflichtige Abänderung dahin, dass dem Antrag auf Gewährung einer Zahlungserleichterung, insbesondere auf Gewährung von Ratenzahlungen in der Höhe von maximal € 800,-- pro Jahr zur Abzahlung des verfahrensgegenständlichen Strafbetrages Folge gegeben werde. Demgegenüber beantragte die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10       Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 8.8.2019, Ro 2019/04/0020, Rn. 11, mwN).

11       Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz der Rechtsfrage für den Verfahrensausgang begründet wird (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2016/04/0142, mwN).

12       Ergänzend zur Begründung des Verwaltungsgerichts bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, infolge der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 sei auf Grund der Aufschiebung der Strafvollstreckung auch bei Bewilligung des Antrags auf Teilzahlung der Zeitraum der Teilzahlungen nicht in die Vollstreckungsverjährungsfrist einzurechnen. Deshalb sei die Vollstreckungsverjährungsfrist nicht mehr zur Bemessung der Höhe der Teilzahlungen heranzuziehen. Es bleibe somit zu klären, nach welchem Maßstab die zeitliche Dimension der Einbringlichkeit des Strafbetrages zur Ratenzahlung zu beurteilen sei. Dazu fehle bis dato Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die zur Rechtslage vor der Novelle ergangenen Entscheidungen seien auf die geltende Rechtslage nicht anwendbar.

13       Gemäß § 54b Abs. 3 erster Satz VStG in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung der Wiederverlautbarung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, hat die Behörde einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 zum VStG wurde diese Bestimmung dahin ergänzt, dass die Strafvollstreckung auch durch die Bewilligung eines Aufschubes oder einer Teilzahlung aufgeschoben wird. Damit reagierte der Gesetzgeber auf die bis dahin ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 11.9.2013, 2013/02/0183, mwN), dass nur die Bewilligung eines Zahlungsaufschubes (Stundung) die Vollstreckungsverjährung hemmt, nicht jedoch die Bewilligung der Ratenzahlung (vgl. die Erläuterungen zur RV 193 BlgNR XXVI. GP 11f). Ausgehend von dieser Rechtsprechung konnten bis zur Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 nach Ablauf der Vollstreckungsverjährungsfrist ausstehende Raten nicht mehr exequiert werden, worauf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur bisherigen Rechtslage (vgl. etwa nochmals VwGH 11.9.2013, 2013/02/0183, mwN) bei der Bewilligung der Zahlungserleichterung Bedacht zu nehmen war, sodass eine Ratenzahlung nicht zu bewilligen war, wenn die Vollstreckungsverjährungsfrist vor Zahlung der gesamten Geldschuld ablaufen würde.

14       Gemäß dem unverändert gebliebenen ersten Satz des § 54b Abs. 2 VStG ist jedoch die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für eine Anwendung des § 54b Abs. 3 VStG kein Raum, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle gegeben sind. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bzw. für den Fall, dass die Uneinbringlichkeit mit Grund anzunehmen ist, ist einem Antrag auf Zahlungsaufschub nicht stattzugeben. Dies gilt auch hinsichtlich eines Antrages auf Zahlungserleichterungen in Form von Ratenzahlungen (vgl. VwGH 19.5.2014, 2013/09/0126, mwN).

15       Die von der Revisionswerberin beantragte Zahlungserleichterung setzt somit zunächst die Einbringlichkeit der verhängten Geldstrafen voraus. Soweit - wie vorliegend - kein Vollstreckungsverfahren durchgeführt wurde, ist zu erheben, ob die verhängte Geldstrafe mit hoher Wahrscheinlichkeit uneinbringlich ist (vgl. VfSlg. 12.748/1991 mwN).

16       Vorliegend verfügt die Revisionswerberin zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt lediglich über Pensionseinkünfte in der Höhe von € 855,47 monatlich 14-mal jährlich. Der monatliche Pensionsbezug liegt somit deutlich unter dem unpfändbaren Freibetrag („Existenzminimum“) nach § 291a EO in der hier maßgeblichen Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für alleinstehende Personen nach § 293 Abs. 1 lit. a ASVG für 2019 von € 933,06. Die Pensionssonderzahlungen (§ 105 ASVG) sind in Bezug auf deren Pfändbarkeit weder mit dem gleichzeitig im April und Oktober fällig werdenden Pensionsbezug zusammenzurechnen, noch - wie es die Revisionswerberin vermeint - gleichteilig über das Jahr verteilt den monatlichen Pensionsbezügen hinzuzurechnen. Vielmehr hat gemäß § 290b EO auch von den Pensionssonderzahlungen dem Verpflichteten ein unpfändbarer Freibetrag nach § 291a EO zu verbleiben. Die Revisionswerberin verfügt somit nicht nur über kein Vermögen, sondern auch über kein die Pfändungsgrenze übersteigendes Einkommen. Demnach ist gemäß § 54b Abs. 2 VStG von der Uneinbringlichkeit sämtlicher dem Antrag der Revisionswerberin auf Zahlungserleichterung zugrunde liegender Geldstrafen auszugehen.

17       Die Gewährung einer Zahlungserleichterung gemäß § 54b Abs. 3 VStG kommt daher bereits mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung nicht in Betracht.

18       Die sowohl vom Verwaltungsgericht als auch von der Revision zur Zulässigkeit der Revision aufgezeigte Rechtsfrage in Bezug auf die Bestimmung des § 54b Abs. 3 VStG idF der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 hat somit auf den Verfahrensausgang keinen Einfluss.

19       Mangels Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

20       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019040228.J00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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