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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ASVG §49 Abs3 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der G GmbH in J, vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in 8750 Judenburg, Kaserngasse 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Jänner 2017, G312 2003845-1/14E, betreffend Beitragsnachverrechnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27. August 2012, mit dem die Revisionswerberin zur Nachentrichtung von Beiträgen und Umlagen (samt Zuschlägen und Zinsen) in bestimmter Höhe für Schmutzzulagen, die sie in einem bestimmten Zeitraum an ihre Arbeitnehmer ausbezahlt, jedoch lohnsteuer- und beitragsfrei abgerechnet hatte, verpflichtet worden war, als unbegründet ab.
Das Verwaltungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus, gemäß § 49 Abs. 3 Z 2 ASVG gälten Schmutzzulagen nicht als Arbeitsentgelt und seien daher nicht der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, soweit sie nach § 68 Abs. 1, 5 und 7 EStG 1988 nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterlägen. Gegenständlich habe zwar das Finanzamt (zuletzt) die Lohnsteuerpflicht nur im Ausmaß von 30 % der Schmutzzulagen und darüber hinaus Steuerfreiheit festgestellt, eine Bindung der belangten Behörde und des Verwaltungsgerichts an diese Beurteilung sei jedoch nicht gegeben (Hinweis auf VwGH 21.11.2007, 2005/08/0125, wonach auch bei der Bewertung von Sachbezügen keine Bindung an eine finanzbehördliche Entscheidung bestehe).
Gemäß § 68 Abs. 5 EStG seien - so das Verwaltungsgericht weiter - unter Schmutzzulagen jene Entgeltteile zu verstehen, die gewährt würden, weil Arbeiten überwiegend unter Umständen ausgeführt würden, die im erheblichen (außergewöhnlichen) Maß zwangsläufig eine Verschmutzung der Arbeitnehmer und ihrer Bekleidung bewirkten. Vorliegend hätten die Erhebungen (vor allem die Betriebsbesichtigung durch die belangte Behörde und das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten) ergeben, dass die Arbeitnehmer keiner außergewöhnlichen, sondern nur einer normalen Schmutzbelastung ausgesetzt (gewesen) seien. Folglich seien die Schmutzzulagen zur Gänze als Arbeitsverdienst zu erachten und der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Wie das Verwaltungsgericht ferner festhielt, könne sich die Revisionswerberin auch nicht auf eine (teilweise) Verjährung der nachverrechneten Beträge berufen, weil sie ihrer Erkundigungsobliegenheit nicht ordnungsgemäß entsprochen habe und daher die fünfjährige Verjährungsfrist anzuwenden sei.
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil „eine konkrete“ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage fehle, ob auf Grund des finanzbehördlichen Ausspruchs, dass lediglich 30 % der Schmutzzulagen als Arbeitsentgelt zu werten seien, auch die Sozialversicherungspflicht nur in diesem Umfang in Betracht komme.
3.1. Die Revisionswerberin macht in der Revision geltend, die Beurteilung der Schmutzzulagen als Arbeitsentgelt knüpfe gemäß § 49 Abs. 3 Z 2 ASVG an die Einkommensteuer(Lohnsteuer)Pflicht nach § 68 Abs. 1, 5 und 7 EStG 1988 an. Soweit eine derartige Steuerpflicht nicht bestehe, liege auch kein Arbeitsentgelt vor. Das Finanzamt habe die Steuerpflicht im Ausmaß von lediglich 30 % der Schmutzzulagen festgestellt, sodass ein Arbeitsentgelt nur in diesem Umfang vorliegen könne.
3.2. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
4. Die Revision ist entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zulässig.
5.1. Die Revisionswerberin geht - im Ergebnis - davon aus, dass die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht an die Beurteilung der Schmutzzulagen als Arbeitsentgelt im Umfang von (lediglich) 30 % durch das Finanzamt gebunden seien und eine abweichende Entscheidung im gegenständlichen Verfahren nicht zulässig sei.
5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VwGH 27.7.2001, 98/08/0149, 0159; 30.1.2002, 99/08/0033) bindet jedoch § 49 Abs. 3 Z 2 ASVG den Sozialversicherungsträger und die Rechtsmittelbehörde (nunmehr das Verwaltungsgericht) nicht an die zu § 68 EStG 1988 ergehenden Bescheide der Finanzbehörden. Gingen die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht von einer solchen Bindung aus, würde die Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der finanzbehördliche Bescheid kann zwar als Beweismittel zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts herangezogen werden, sofern dagegen keine Bedenken bestehen; eine inhaltliche Bindung daran im Beitragsverfahren ist jedoch nicht gegeben.
5.3. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht auch auf die - der Sache nach vergleichbare - Rechtsprechung zur Bewertung von Sachbezügen nach § 50 ASVG hin. Auch insofern vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 21.11.2007, 2005/08/0125; 27.7.2001, 2001/08/0076), dass eine Bindung des Sozialversicherungsträgers an die im Einzelfall vom zuständigen Finanzamt getroffene Entscheidung, ob ein Sachbezug gegeben ist, nicht besteht.
6. Ausgehend davon ist jedoch die geltend gemachte Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt. Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.
7. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2017080004.J00Im RIS seit
22.07.2020Zuletzt aktualisiert am
22.07.2020