TE Vwgh Beschluss 2020/6/9 Ra 2020/08/0017

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Index

23/04 Exekutionsordnung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

BSVG §2 Abs1 Z1
EO §156 Abs1
EO §157
EO §183
EO §237 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dr. K B, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 26, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Dezember 2019, Zl. W178 2139361-1/10E, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, Ghegastraße 1, nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde vom 9. August 2016 festgestellt, dass der Revisionswerber vom 1. September 2014 bis 14. Mai 2015 in der Kranken- und Unfallversicherung sowie vom 1. September 2014 bis 30. April 2015 in der Pensionsversicherung der Bauern versichert ist.

5        Der Revisionswerber sei Komplementär der Z. KG. Deren Geschäftszweig sei der An- und Verkauf von Immobilien. Die Z. KG habe am 1. September 2014 bei einer Zwangsversteigerung den Zuschlag für einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in H., Osttirol, im Ausmaß von 105,1207 ha unter dem Vorbehalt der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung erhalten. Laut Einheitswertbescheid habe der Einheitswert der Liegenschaft gemäß § 25 BewG € 2.398,20 betragen. Es handle sich um 23,4497 ha landwirtschaftlich genutzte Flächen mit einem Hektarsatz von € 46,73, um 35,61 ha forstwirtschaftlich genutzte Flächen mit einem Hektarsatz von € 24,93, um landwirtschaftlich genutzte Flächen mit geringem Ertrag im Ausmaß von 20,5790 ha mit einem Hektarsatz von € 21,80 sowie um unproduktive Flächen im Ausmaß von 25,8276 ha, die mit Null bewertet worden seien.

6        Mit Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 25. September 2014 sei der Revisionswerber gemäß §§ 158 f EO zum einstweiligen Verwalter bestellt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 14. Oktober 2014 sei der Z. KG die grundverkehrsrechtliche Genehmigung versagt worden.

7        Mit Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 14. September 2015 sei - in Anbetracht der Nichterteilung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung - die erneute Versteigerung der genannten Liegenschaft bewilligt worden. In diesem Beschluss sei verfügt worden, dass der Zuschlag an die Z. KG weiterhin aufschiebend bedingt wirksam sei und die einstweilige Verwaltung weiterhin beim Revisionswerber liege.

8        Mit Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 12. Oktober 2015 sei der Zuschlag auf Grund der neuerlichen Versteigerung an eine namentlich genannte Meistbietende erteilt und der Zuschlag an die Z. KG aufgehoben worden.

9        Nach der Zuschlagerteilung an die Z. KG am 1. September 2014 seien im Betrieb vom ehemaligen Eigentümer der Liegenschaft landwirtschaftliche Tätigkeiten (Beweidung von Hochlandrindern) ausgeführt worden. Der Revisionswerber habe „mit der Anlieferung von Ziegen“ Bewirtschaftungsmaßnahmen unternommen.

10       Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Feststellung über die durchgeführten Bewirtschaftungsmaßnahmen würden auf dem grundverkehrsrechtlichen Bescheid vom 14. Oktober 2014 beruhen. Aus diesem gehe hervor, dass der Revisionswerber „erste Bewirtschaftungsschritte“ gesetzt habe, indem er im Oktober 2014 Pfauenziegen zum Hof habe liefern lassen. Da adäquate Unterbringungsmöglichkeiten für diese Ziegen nicht verfügbar gewesen seien, seien die Tiere schließlich wieder abtransportiert worden. Der genannte Bescheid habe den Revisionswerber dahingehend zitiert, dass „eine Bewirtschaftung des Hofes dringend geboten“ sei. Der Revisionswerber habe behauptet, dass er keinen Zugang zur Liegenschaft gehabt habe bzw. dieser Zugang „durch den Gemeinschuldner gehörig verhindert“ worden sei.

11       Der Revisionswerber habe auch vorgebracht, dem Voreigentümer niemals eine Erlaubnis zur Weiterführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gegeben zu haben. Aus dem Gutachten des agrarfachlichen Amtssachverständigen vom 29. September 2014 würde hervorgehen, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung sieben Hochlandrinder, davon zwei Kühe, gehalten worden seien.

12       In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sei als Komplementär und damit unbeschränkt haftender Gesellschafter der Z. KG gemäß § 2 Abs. 1 Z 1a BSVG in die Pflichtversicherung einzubeziehen. Die Z. KG habe den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erworben und die grundverkehrsbehördliche Genehmigung beantragt. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes beabsichtige. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei dieser Betrieb von der Z. KG geführt worden. Die ausstehende grundverkehrsbehördliche Genehmigung stehe der zwischenzeitlichen Führung eines Betriebes iSd BSVG und damit dem Eintreten der Pflichtversicherung auch im Fall einer nachträglichen Versagung der Bewilligung nicht entgegen. Die mit dem Übergang der Gefahr infolge des Zuschlages eingetretene Versicherungs- und Beitragspflicht könne auf Grund der gebotenen zeitraumbezogenen Betrachtungsweise durch einen nachträglichen Wegfall des Zuschlags nicht rückwirkend beseitigt werden. Auf die tatsächliche Betriebsführung (durch die Person, um deren Pflichtversicherung es geht) komme es nicht an, sondern nur auf das Führen des Betriebs auf Rechnung und Gefahr des Betriebsführers, sei es auch nicht durch diesen persönlich. Dass es sich um eine extreme Bergbauernwirtschaft handle, sei beim Einheitswert als Ertragsprognose berücksichtigt worden. Durch die Anlieferung von Ziegen an den Hof seien auch anfängliche Bewirtschaftungsschritte gesetzt worden. Zudem habe auch der am Hof verbliebene Voreigentümer Bewirtschaftungsschritte gesetzt. Es sei eine landwirtschaftliche Tätigkeit entwickelt worden. Dass der Voreigentümer unberechtigt Schritte gesetzt habe, würde nichts an der rechtlichen Zurechenbarkeit des Betriebes zum Revisionswerber ändern.

Die Nichtbewirtschaftung von forstwirtschaftlichen Flächen könne gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG nur für einen Monat rückwirkend festgestellt werden. Dafür sei eine Meldung an die belangte Behörde notwendig.

13       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

14       Der Revisionswerber erblickt entgegen dem Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Bundesverwaltungsgericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung in willkürlicher Weise überschritten habe. Es habe nicht berücksichtigt, dass der Versuch, Ziegen anzuliefern, gescheitert sei. Die Ziegen seien nicht einmal vom Transporter abgeladen worden, weil sie der Voreigentümer nicht habe betreuen und versorgen wollen. Abgesehen davon sei dem Voreigentümer im Insolvenzverfahren vom Masseverwalter die Weiterführung des Betriebes untersagt worden. Der Voreigentümer sei auch nicht von der Z. KG mit Arbeiten beauftragt worden, sondern er habe offensichtlich eigenmächtig für sich Geld lukriert. Der Revisionswerber sei als Landwirt iSd BSVG qualifiziert worden, obwohl er dem Versagungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz zu Folge nicht die Fähigkeit zur Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nach den Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit der unzutreffenden Begründung, der Sachverhalt sei aus der Aktenlage geklärt, von der ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.

15       Damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage auf, der grundsätzliche Bedeutung zukäme.

16       Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und 1a BSVG ist ein unbeschränkt haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führt oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert.

17       Der Ersteher einer nach der EO zwangsversteigerten Liegenschaft erwirbt, wie sich insbesondere aus § 237 Abs. 1 EO ergibt, sofort mit der Erteilung des Zuschlags das Eigentum an der Liegenschaft. Mit diesem Zeitpunkt stehen dem Ersteher gemäß § 156 Abs. 1 EO auch die von der Liegenschaft erzielten Früchte zu; es kommt dafür weder auf die Rechtskraft des Zuschlags noch auf die grundverkehrsbehördliche Genehmigung an. Daraus folgt im Fall einer land(forst)wirtschaftlichen Liegenschaft, dass der betreffende Betrieb grundsätzlich schon ab dem Zeitpunkt der Zuschlagserteilung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG auf Rechnung und Gefahr des Erstehers geführt wird. Dass der Eigentumserwerb an der Liegenschaft zunächst auflösend bzw. - im Fall des Vorbehalts der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung - aufschiebend bedingt ist, steht dem nicht entgegen. Sollte der Zuschlag nachträglich unwirksam oder - insbesondere infolge Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung - aufgehoben werden, so sind zwar gemäß § 157 EO die vom Ersteher bezogenen Früchte und Einkünfte zurückzuerstatten; diese Rückabwicklung ändert aber nichts an der Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem BSVG, weil mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage die mit dem Übergang der Gefahr infolge des Zuschlags eingetretene Versicherungs- und Beitragspflicht auf Grund der gebotenen zeitraumbezogenen Betrachtungsweise durch einen nachträglichen Wegfall des Zuschlags nicht wieder rückwirkend beseitigt werden kann (VwGH 11.9.2019, Ro 2019/08/0001).

18       Nun hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde bestritten, dass iSd § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG auf der gegenständlichen Liegenschaft ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, geführt worden sei. Er hat vorgebracht, dass der Masseverwalter die Schließung des schuldnerischen Unternehmens, nämlich das der Führung eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebes durch den „allein an der Hofstelle bislang werkenden Eduard E.“ beantragt und das Insolvenzgericht diesem Antrag (mit Beschluss vom 16. September 2014) stattgegeben habe. Er habe niemals die Erlaubnis erteilt, den Betrieb wieder aufzunehmen. Er sei als einstweiliger Verwalter vom Gerichtsvollzieher nicht in den Besitz eingewiesen worden. Die Liegenschaft sei ihm nicht übergeben worden. Er habe keine Schlüssel besessen. Ein Zugang zur Liegenschaft sei nicht möglich gewesen. Das habe der Gemeinschuldner Eduard E. gehörig verhindert. Davon ausgehend bringt er in der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht habe mit der unzutreffenden Begründung, der Sachverhalt sei aus der Aktenlage geklärt, von der ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.

19       Bei diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber - worauf die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen hat -, vor allem, dass bei der gegenständlichen Liegenschaft 35,61 ha gemäß § 25 BewG als forstwirtschaftlich genutzte Flächen mit einem Hektarsatz von € 24,93 bewertet worden sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1a BSVG sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung die GesellschafterInnen einer offenen Gesellschaft und die unbeschränkt haftenden GesellschafterInnen einer Kommanditgesellschaft, sofern die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984 zum Unternehmensgegenstand der Gesellschaft zählt, pflichtversichert. Dabei sind § 2 Abs. 1 Z 1 zweiter bis vierter Satz BSVG (vgl. VwGH 17.5.2006, 2004/08/0057) entsprechend anzuwenden. Demnach wird auch im vorliegenden Fall vermutet, dass Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§ 16 BSVG) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig. Eine Versicherungsgrenze iSd § 2 Abs. 2 erster Satz BSVG ist nur für die in § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG genannten Personen vorgesehen. Der Revisionswerber behauptet nicht, rechtzeitig eine der genannten Vermutung widersprechende Meldung iSd § 16 BSVG erstattet zu haben.

20       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde, für die mangels Antrags kein Aufwandersatz zuzusprechen war - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080017.L00

Im RIS seit

22.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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