TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/9 Ra 2016/08/0005

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
60/04 Arbeitsrecht allgemein

Norm

ABGB §1319
BUAG
BUAG §2
BUAG §2 Abs1 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der W GmbH in Z, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 4. November 2015, E 216/05/2014.004/010, betreffend Feststellung nach § 25 Abs. 6 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See; mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, vertreten durch Mag.a Vera Noss, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Reichsratstraße 17/11; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Unstrittig ist, dass die revisionswerbende Gesellschaft (Revisionswerberin) am oben genannten Standort einen Betrieb (ein Unternehmen) betreibt und dort Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf privatrechtlichen Verträgen beruhen, beschäftigt. Die Revisionswerberin stellt in ihrem Betrieb ganzjährig in der Halle mit Armierungseisen bewehrte Betonsegmente für Betontürme von Windkraftanlagen her. Dabei fertigt ein Teil der Arbeitnehmer (die Baueisenbieger) die Bewehrungen an, die anschließend in Schalungen gehoben werden, welche sodann mit Beton verfüllt werden. Die Revisionswerberin verfügt über eine Gewerbeberechtigung für Betonwarenerzeugung, nicht jedoch für Baueisenbiegen.

2.1. Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (Mitbeteiligte) schrieb der Revisionswerberin nach Durchführung von Erhebungen Zuschläge zum Lohn (§ 21 BUAG) für bestimmte Zeiträume zwischen Jänner und Mai 2014 vor. Die Vorschreibung bezog sich auf 39 Arbeitnehmer, die Tätigkeiten als Baueisenbieger verrichteten und deren Arbeitsverhältnisse daher - nach Meinung der Mitbeteiligten - den Bestimmungen des BUAG unterlägen.

2.2. Die Revisionswerberin bestritt die Vorschreibung, beantragte deren Berichtigung und wendete ein, sie unterliege nicht dem Geltungsbereich des BUAG. Dieses Gesetz sei auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse nicht anzuwenden.

2.3. Die Mitbeteiligte lehnte die Berichtigung der Vorschreibung ab und beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft N (belangte Behörde) gemäß § 25 Abs. 6 BUAG die Feststellung, dass die Revisionswerberin hinsichtlich der als Baueisenbieger beschäftigten Arbeitnehmer den Vorschriften des BUAG unterliege und dieses Gesetz auf die betreffenden 39 Arbeitsverhältnisse anzuwenden sei.

3.1. Mit Bescheid vom 9. September 2014 traf die belangte Behörde die beantragte Feststellung.

Sie führte dazu begründend aus, die Revisionswerberin sei in den Bereichen Baueisenbiegen und Betonwarenerzeugung tätig. Während auf Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe das BUAG anzuwenden sei, scheine die Betonwarenerzeugung nicht in der taxativen Aufzählung des BUAG auf. Es liege daher ein Mischbetrieb im Sinn des § 3 BUAG vor. Unter Baueisenbieger- und -verlegerbetrieben seien Betriebe zu verstehen, die sich mit dem Vorbiegen bzw. der Montage der für Bauten notwendigen Baueisen befassten. Die von der Revisionswerberin beschäftigten Baueisenbieger fertigten Bewehrungen für Betontürme von Windkraftanlagen an. Diese Tätigkeit unterliege daher den Bestimmungen des BUAG.

Die Regelung des § 3 Abs. 1 letzter Satz BUAG, wonach ausschließlich für den eigenen Betrieb vorgenommene Tätigkeiten (Eigenregietätigkeiten) vom Anwendungsbereich des BUAG ausgenommen seien, komme nicht zur Anwendung. Von der Regelung seien nur solche Tätigkeiten erfasst, die der Instandhaltung des eigenen Betriebs dienten, was hier nicht der Fall sei, zumal die Baueisenbiegerarbeiten der Produktion von letztlich auf den Markt gelangenden Windkraftkomponenten dienten. Das Baueisenbiegen stelle auch keine nicht isolierbare bloß untergeordnete Hilfstätigkeit im Rahmen der Betonwarenerzeugung dar.

3.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde.

Sie brachte - soweit von Bedeutung - vor, der Betrieb falle nicht unter die Definition für Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe, weil keine für Bauten notwendigen Tätigkeiten (Windkraftanlagen seien nach den diversen Bauordnungen keine Bauten) ausgeführt würden. Die Revisionswerberin sei Betonwarenerzeugerin und unterliege als solche nicht dem BUAG. Wie auch der Oberste Gerichtshof (27.11.2014, 9 ObA 120/14h) zu einem ähnlichen Sachverhalt (Herstellung von Betonpollern) ausgesprochen habe, sei die bloße Herstellung von Betonfertigteilen in der Halle als Massenprodukt nicht als Bau-, sondern als reine Produktionstätigkeit zu erachten. Soweit dabei auch Bewehrungen zum Einsatz kämen, handle es sich um keine eigenständige Baueisenbiegerleistung, sondern um eine untergeordnete Hilfstätigkeit für das Vergießen der Betonformen.

Im Übrigen finde das BUAG nur auf Baueisenbieger- „und“ -verlegerbetriebe Anwendung, sodass beide Tätigkeiten kumulativ vorliegen müssten, was hier nicht der Fall sei. Ferner stellten die gegenständlichen Baueisenbiegerarbeiten ausschließlich für den eigenen Betrieb vorgenommene Tätigkeiten im Sinn des § 3 Abs. 1 letzter Satz BUAG dar, die vom Anwendungsbereich des BUAG ausgenommen seien. Es handle sich dabei um eine nicht isolierbare bloß untergeordnete Hilfstätigkeit, die nicht am Markt angeboten werde, sondern der eigenen Erzeugung diene. Die Verengung der Ausnahmeregelung auf bloße Instandhaltungsarbeiten für den eigenen Betrieb sei nicht sachgerecht und widerspreche § 32 GewO.

3.3. Die Mitbeteiligte schloss sich den Ausführungen der belangten Behörde im Bescheid an. Ergänzend brachte sie vor, die Windkraftanlagen seien jedenfalls als Bauten zu erachten, auf die diversen Bauordnungen komme es nicht an. Ob Baueisenbieger- und -verlegerarbeiten kumulativ ausgeübt würden, sei unerheblich, zumal das BUAG auch bei Spezialisierung auf einen Teilbereich anzuwenden sei. Betonwarenerzeuger unterlägen auch dann dem Anwendungsbereich des BUAG, wenn sie Fertigbauteile selbst montierten. Dies sei hier der Fall, zumal die Windkraftanlagen durch den E Konzern errichtet würden, dem auch die Revisionswerberin angehöre.

Was die Entscheidung OGH 9 ObA 120/14h betreffe, so sei der dortige mit dem hier gegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar. Dort sei es um die Herstellung von Betonpollern für Autobahnen gegangen; hier gehe es um die Herstellung von Betonsegmenten für Türme von Windkraftanlagen. Dort habe es sich um ein durch eine unbegrenzte Stückzahl und die Fertigung für den anonymen Markt gekennzeichnetes Massenprodukt ohne Verbauung durch den Hersteller gehandelt; hier handle es sich um eine Serienfertigung in begrenzter Stückzahl (täglich 22 Bewehrungskörbe, was einem Turm entspreche, wobei die Einzelteile auch nicht identisch seien) nach Auftragslage unter Errichtung der Windkraftanlagen durch den E Konzern selbst, dem auch die Revisionswerberin angehöre. Dort sei es um keine Bauwerke gegangen, zumal Betonpoller eher als Baustoffe zu qualifizieren und wiederverwendbar seien; hier gehe es um Betonsegmente für Windkraftanlagen, die fest verbaut würden und als Bestandteile von Bauten zu erachten seien.

4.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab, wobei es den bekämpften Bescheid mit der Maßgabe bestätigte, dass sich die Anzahl der vom BUAG erfassten Arbeitsverhältnisse auf 23 (statt 39) belaufe.

4.2. Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung (über Punkt 1. hinaus) folgende Feststellungen zugrunde:

Die Fertigung der Betonsegmente umfasse die Bewehrung, die Betonage und das Finish. Zunächst würden die Vertikalbügel auf einer Biegeanlage vorgefertigt. Dann würden auf den Wickelgestellen (Dummys) die Stahlkörbe gefertigt, wobei zunächst die innere Lage der Horizontalbewehrung aufgewickelt, dann die Vertikalbügel und andere Distanzierungsbügel sowie Einbauteile angebracht und letztlich die Außenlage der Horizontalbewehrung und die Hüllrohre beigefügt würden. Nach Fertigstellung werde der Stahlkorb mit einem Kran in die Schalung gehoben, welche mit Beton verfüllt werde. Nach Aushärtung werde mit der Fräse an der Oberflansch gearbeitet. Dann werde der Betonteil mit dem Kran in den Finish-Bereich gehoben, wo die Beschichtung und der Einbau weiterer Teile erfolgten. Nach Endprüfung gehe der gefertigte Teil ins Lager.

Ein Betonsegment sei ungefähr vier Meter hoch. Die für eine Windkraftanlage erforderliche Anzahl von Segmenten sei von der jeweiligen Höhe des Turms abhängig. Die Segmente seien auf Grund der konischen Turmform [mit einem Durchmesser von elf Metern unten und vier Metern oben] unterschiedlich. Die Türme seien jedoch - abgesehen von der Höhe - (bau)gleich. Grundsätzlich würden je nach Auslastung acht bis 22 Segmente täglich produziert. Am 6. Februar 2014 (Vornahme von Erhebungen durch die Mitbeteiligte) seien im Betrieb der Revisionswerberin 170 bis 180 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, davon 45 ausschließlich im Bereich der Bewehrung im Schichtbetrieb. Für die Fertigung der Eisenkörbe seien zwölf Dummys zur Verfügung gestanden. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seien 23 Arbeitnehmer als Eisenbieger tätig gewesen.

Grundsätzlich würden die Segmente auf Auftrag gefertigt, es gebe aber auch Teile auf Lager. Wenn jemand einen Turm bestelle, würden die Betonteile auf die jeweilige Baustelle gebracht. Der Transport erfolge durch die E L GmbH, das Aufeinandersetzen der Teile auf der Baustelle durch die E S GmbH. Die Segmente seien mit jenen anderer Firmen nicht kompatibel.

4.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen:

Unter Baueisenbieger- und -verlegerbetrieben seien Betriebe zu verstehen, die mit dem Vorbiegen bzw. der Montage der für Bauten notwendigen Baueisen befasst seien. Die Revisionswerberin betreibe einen Betrieb im Sinn dieser Definition, weil Baueisen für Windkraftanlagen verbogen bzw. montiert würden. Windkraftanlagen seien Bauten, zumal es sich um Anlagen handle, die mit dem Boden in Verbindung stünden und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien. Dass solche Anlagen vom Anwendungsbereich diverser Bauordnungen ausgenommen seien, könne daran nichts ändern. Soweit im Gesetz Baueisenbieger- „und“ -verlegerbetriebe angeführt seien, bedeute dies nicht, dass Vorbiegen und Montage kumulativ ausgeübt werden müssten. Vielmehr unterlägen sowohl Baueisenbieger- als auch -verlegerbetriebe dem BUAG. Da die Revisionswerberin Baueisenbiegerarbeiten verrichte, komme das BUAG auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse zur Anwendung. Unerheblich sei, ob eine entsprechende Gewerbeberechtigung vorliege.

Da die Revisionswerberin neben den Baueisenbiegerarbeiten auch sonstige nicht dem BUAG unterliegende Tätigkeiten (Betonwarenerzeugung) ausübe, liege ein Mischbetrieb im Sinn des § 3 BUAG vor. Ein solcher sei von der Anwendung des BUAG ausgenommen, wenn die Tätigkeiten ausschließlich für den eigenen Betrieb (Eigenregietätigkeiten) verrichtet würden. Gegenständlich seien die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des BUAG jedoch nicht gegeben. Insbesondere seien die Eisenbiegerarbeiten nicht als Ausübung der in § 32 GewO angeführten (Neben)Rechte zu erachten. Das Baueisenbiegen diene dazu, Einlagen für Betonformen herzustellen, ein anderer Anwendungsbereich bestehe nicht. Da diese Tätigkeit stets eine unterstützende Vorarbeit zur Betonwarenerzeugung sei und Baueisenbiegerbetriebe im BUAG ausdrücklich genannt seien, handle es sich nicht bloß um eine untergeordnete, nicht dem Gesetz unterliegende Hilfstätigkeit.

Was die Entscheidung OGH 9 ObA 120/14h betreffe, so unterscheide sich der dortige vom hier zu beurteilenden Sachverhalt. Insbesondere stellten die Windkraftanlagen Bauten dar und seien die von der Revisionswerberin auftragsbezogen (einzelne Teile auf Lager änderten daran nichts) erzeugten Betonsegmente auch kein Massenprodukt im Sinn einer sehr großen Produktion mit unbegrenzter Stückzahl für den anonymen Markt.

Insgesamt seien daher die Baueisenbiegerarbeiten nicht vom Anwendungsbereich des BUAG ausgenommen. Die betreffenden (zuletzt 23) Arbeitnehmer unterlägen den Bestimmungen dieses Gesetzes.

4.4. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

5.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit (unter anderem) vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs „Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe“. Das Verwaltungsgericht beziehe durch unrichtige Auslegung weite Teile der Betonwarenerzeugung zu Unrecht in den Anwendungsbereich des BUAG ein. Dies stehe auch mit der zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung OGH 9 ObA 120/14h im Widerspruch. Zudem fehle Rechtsprechung, inwieweit die Bestimmung des § 3 Abs. 1 BUAG zum Tragen komme.

5.2. Die Mitbeteiligte, die belangte Behörde und der (damals zuständige) Bundesminister erstatteten Revisionsbeantwortungen und beantragten die Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs „Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe“ fehlt. Die Revision ist auch berechtigt, weil das Verwaltungsgericht auf Grund einer unzutreffenden Auslegung des BUAG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass das BUAG auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse anzuwenden sei.

7.1. Nach § 1 Abs. 1 BUAG gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - für Arbeitnehmer (Lehrlinge), deren Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen und die in Betrieben (Unternehmungen) gemäß § 2 beschäftigt werden.

Der - taxativen (vgl. OGH 27.11.2014, 9 ObA 120/14h; Martinek/Widorn, BUAG 67) - Aufzählung des § 2 BUAG zufolge sind Betriebe (Unternehmungen) im Sinn dieses Gesetzes unter anderem „Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe“, nicht jedoch Betriebe zur Erzeugung von Baustoffen bzw. Baumaterial.

7.2. Vorliegend ist unstrittig, dass die Revisionswerberin einen Betrieb (ein Unternehmen) betreibt und durch - auf Grund von privatrechtlichen Verträgen beschäftigte - Arbeitnehmer ganzjährig in der Halle mit Armierungseisen bewehrte Betonsegmente für Betontürme von Windkraftanlagen herstellt. Ein Teil der Arbeitnehmer (die Baueisenbieger) fertigt die Bewehrungen an, die anschließend in die Schalungen gehoben werden, welche sodann mit Beton verfüllt werden.

Unstrittig ist weiters, dass die Revisionswerberin über eine Gewerbeberechtigung für Betonwarenerzeugung, nicht jedoch für Baueisenbiegen und -verlegen verfügt. Für die Zugehörigkeit zum BUAG kommt es jedoch seit dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972, BGBl. Nr. 414/1972, nicht (mehr) darauf an, ob eine entsprechende Gewerbeberechtigung vorliegt. Entscheidend ist vielmehr, ob die in einem konkreten Betrieb ausgeübte Tätigkeit in den Tätigkeitsbereich einer der im § 2 BUAG aufgezählten Betriebsarten fällt (vgl. ErläutRV 426 BlgNR 13. GP 13; VwGH 20.9.2000, 97/08/0461; 9.6.2015, Ra 2014/08/0069, 0070).

7.3. Strittig und im Folgenden näher zu erörtern bleibt daher, ob die hier gegenständliche Anfertigung der Bewehrungen für die Betonsegmente dem Tätigkeitsbereich der „Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe“ im Sinn des § 2 BUAG zuzuordnen ist und folglich die betreffenden Arbeitsverhältnisse dem Anwendungsbereich des BUAG unterliegen.

8. Was unter dem Begriff „Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe“ im Sinn des § 2 BUAG zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. In den Materialien zum Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972 (ErläutRV 426 BlgNR 13. GP 13), mit dem der Begriff erstmals in die Aufzählung des § 2 aufgenommen wurde, findet sich die Definition, dass darunter Betriebe zu verstehen sind, „die sich mit dem Vorbiegen bzw. der Montage der für Bauten notwendigen Baueisen befassen“.

9.1. Zur Tätigkeit des Baueisenbiegers gehört, dass das Bewehrungsmaterial auf die benötigte Länge zugeschnitten und durch Biegen in Form gebracht wird sowie dass die Einzelteile - durch Flechten, Verschweißen bzw. auf andere Weise - zu einer Tragekonstruktion verbunden werden (vgl. in dem Sinn OGH 5.6.2012, 10 ObS 37/12g; auch OLG Wien 21.6.2016, 7 Ra 31/16d).

Die Tätigkeit des Baueisenverlegers umfasst hingegen das Anbringen (die Montage) des vorgebogenen Bewehrungsmaterials bzw. der hergestellten Tragekonstruktion im Zuge eines auszuführenden Baus auf einer Baustelle (die Baustellengebundenheit der Verlegertätigkeit folgt aus der Wortinterpretation in Verbindung mit einer systematischen Betrachtung auch der anderen im § 2 BUAG aufgelisteten Verlegerbetriebe).

Vorliegend fertigen - nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen - die betreffenden Arbeitnehmer (mit der Biegeanlage und den Wickelgestellen in näher beschriebenen Arbeitsschritten) die Bewehrungskörbe für die Betonsegmente an. Im Hinblick darauf werden von den Arbeitnehmern Eisenbiegertätigkeiten im Sinn der obigen Definition ausgeführt. Dass zusätzlich Verlegerarbeiten im oben erörterten Sinn verrichtet werden, wurde nicht vorgebracht und ist auch dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen.

9.2. Wenn die Revisionswerberin in dem Zusammenhang argumentiert, der Begriff „Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe“ sei als Einheit zu sehen und dahin zu verstehen, dass beide Tätigkeiten (also Eisenbiegen und -verlegen) kumulativ ausgeübt werden müssten, so braucht darauf hier nicht näher eingegangen zu werden.

Dem BUAG unterliegen nämlich nicht nur Betriebe, die eine Tätigkeit im gesamten oder überwiegenden Umfang einer der aufgezählten Betriebsarten ausüben. Es sind vielmehr auch solche Betriebe umfasst, die sich auf einen kleineren Teilbereich bzw. auf einzelne Tätigkeiten spezialisiert haben. Die Qualifizierung als Spezialbetrieb setzt freilich voraus, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die aus einer dem BUAG unterliegenden Betriebsart stammt (vgl. VwGH 15.5.2013, 2010/08/0208; neuerlich Ra 2014/08/0069, 0070).

Dass sich die Revisionswerberin im Rahmen ihres Betriebs auf einen Teilbereich von Tätigkeiten spezialisiert hat, schließt daher - grundsätzlich - die Anwendung des BUAG nicht aus, sofern die ausgeübte Tätigkeit eine dem BUAG unterliegende Betriebsart darstellt. Ob dies gegenständlich der Fall ist, wird im Folgenden näher zu prüfen sein.

10. Nach der obigen Definition (vgl. Punkt 8.) muss der Betrieb mit dem Vorbiegen bzw. der Montage von „Baueisen“ befasst sein. Der Begriff Baueisen ist dabei als Synonym für Armierungseisen, Bewehrungs- oder Baustahl (vgl. zum letztgenannten Begriff auch die Ausbildungsordnungen etwa für die Lehrberufe Betonbau, Hochbau, Tiefbau) zu verstehen. Baueisen dient der Bewehrung (Verstärkung) von Stahlbeton und wird nach dem Einbau in die Schalungen mit Beton vergossen. Eine weitergehende Bedeutung - abgesehen von der Klarstellung der Verwendung für den Einbau in Stahlbeton - kommt dem Begriff Baueisen (insbesondere dem Wortteil „Bau“) nicht zu.

Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen fertigen die betreffenden Arbeitnehmer (auf schon näher beschriebene Weise) aus Baustahl die Bewehrungskörbe für die Betonsegmente an. Der Betrieb der Revisionswerberin befasst sich daher mit dem Vorbiegen von Baueisen.

11.1. Nach der obigen Definition (Punkt 8.) muss sich der Betrieb ferner mit dem Vorbiegen bzw. Montieren „der für Bauten notwendigen“ Baueisen befassen. Was unter dem Begriff „für Bauten“ zu verstehen ist, wird dabei nicht näher ausgeführt.

11.2. Nach allgemeinem Verständnis setzt ein Bau voraus, dass die betreffende Anlage mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht ist (siehe etwa § 1319 ABGB, wonach ein Bauwerk ein Gebäude oder ein anderes auf einem Grundstück aufgeführtes Werk ist; vgl. in dem Sinn auch: VwGH 21.10.2009, 2006/10/0251; 25.2.2005, 2004/05/0167).

Demnach steht ein Bau zwingend in Bezug zu einem bestimmten Grundstück, mit dem er verbunden ist. Das Vorbiegen bzw. die Montage der für Bauten notwendigen Baueisen muss sich daher auf ein konkretes Bauprojekt auf einer bestimmten Liegenschaft beziehen. Es muss sich um Tätigkeiten handeln, die in Ansehung eines konkreten Bauprojekts nach individuellen Anforderungen und Vorgaben ausgeübt werden. Nicht erforderlich ist indessen, dass das Baueisenbiegen - im Gegensatz zum Verlegen (vgl. bereits Punkt 9.1.) - auf der Baustelle selbst ausgeführt wird, es kann vielmehr auch am Standort des Betriebs oder anderswo (auch in einer Halle) erfolgen.

Nicht als „Bau“ im soeben aufgezeigten Sinn ist unter anderem die bloße Produktion von Baustoffen bzw. Baumaterial - wie die Herstellung von Ziegeln, Betonsteinen und dergleichen, oder auch die Erzeugung von größeren Teilen wie Deckenträgern, Überlagern, Stahlbetonplatten oder Fertigbauteilen - zu erachten, fehlt es dabei doch am notwendigen Bezug zu einem konkreten Bau auf einer bestimmten Baustelle. Soweit also Baueisenbiegerarbeiten im Rahmen einer standardisierten bloßen Produktion von Baustoffen bzw. Baumaterial in großer Stückzahl für den Markt ausgeübt werden, ist ein Betrieb nicht mit dem Vorbiegen der für Bauten notwendigen Baueisen befasst und unterliegt folglich nicht dem Anwendungsbereich des BUAG (vgl. in dem Sinn auch Martinek/Widorn, aaO 70; abermals OGH 9 ObA 120/14h).

Diese Differenzierung erscheint auch mit Blick auf den Gesetzeszweck geboten. Grundanliegen des BUAG ist es nämlich, die Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft vor Nachteilen in Bezug auf den Erwerb von dienstzeitabhängigen Ansprüchen (insbesondere Urlaub und Abfertigung) durch die in der Baubranche typischen saisonalen (witterungsbedingten) Beschäftigungsunterbrechungen zu bewahren (vgl. in dem Sinn Martinek/Widorn, aaO 13 f; OGH 23.5.1990, 9 ObA 116/90). Derartige Nachteile drohen aber in der Regel nur bei auf konkrete Projekte bezogenen Tätigkeiten im Baubereich, nicht auch bei Tätigkeiten im reinen Produktionsbereich (vgl. nochmals OGH 9 ObA 120/14h).

11.3. Vorliegend werden nach dem festgestellten Sachverhalt im Betrieb der Revisionswerberin die Bewehrungen für die ganzjährig in der Halle erzeugten Betonsegmente für die Türme von Windkraftanlagen angefertigt. Die hergestellten Bewehrungen werden in der Folge in die Schalungen gehoben, welche mit Beton verfüllt werden, nach Aushärtung und weiteren Arbeitsschritten gehen die Teile (täglich werden acht bis 22 Segmente im Schichtbetrieb produziert) ins Lager. Die Segmente sind zwar auf Grund der konischen Turmform unterschiedlich, die Türme selbst sind jedoch - abgesehen von der Höhe und der davon abhängigen Anzahl der Segmente - baugleich. Die Segmente werden grundsätzlich auf Auftrag gefertigt, es liegen aber auch Teile auf Lager. Der Transport zu den Baustellen und der Aufbau erfolgen durch andere Unternehmen.

Ausgehend davon führt die Revisionswerberin in ihrem Betrieb kein Vorbiegen bzw. Montieren der „für Bauten“ notwendigen Baueisen durch. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie die Baueisenbiegerarbeiten in Bezug auf ein konkretes Bauprojekt auf einer bestimmten Baustelle nach individuellen projektbezogenen Anforderungen bzw. Vorgaben verrichten würde (vgl. in dem Sinn auch neuerlich OLG Wien 7 Ra 31/16d: Dort wurde die Anwendbarkeit des BUAG bejaht, weil es um die Herstellung von - am Betriebsstandort in Ungarn vorgefertigten und später in einer Halle in Österreich zusammengebauten - Bewehrungen für Betontübbinge auf einer bestimmten Tunnelbaustelle ging; die Verbringung auf die Baustelle und die Anfertigung der Tübbinge selbst erfolgte durch ein anderes Unternehmen).

Demgegenüber dienen im hier zu beurteilenden Fall die Baueisenbiegerarbeiten ausschließlich dazu, die Bewehrungen für Betonsegmente herzustellen, die von der Revisionswerberin ganzjährig im Rahmen einer standardisierten bloßen Produktion in großer Stückzahl für den Markt erzeugt werden. Dabei handelt es sich freilich um eine Tätigkeit im reinen Produktionsbereich (nicht im Baubereich), welche daher nach den obigen Ausführungen nicht in den Anwendungsbereich des BUAG fällt. Daran kann auch nichts ändern, dass die erzeugten Baustoffe bzw. das Baumaterial letztlich zur Errichtung von Bauten bestimmt sind und in der Regel dafür verwendet werden.

11.4. Der Zuordnung der Eisenbiegertätigkeiten zum reinen Produktionsbereich steht auch nicht entgegen, dass sich nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen die Betonsegmente auf Grund der konischen Turmform unterscheiden, sind doch die Türme selbst - abgesehen von der Höhe und der davon abhängigen Anzahl von Segmenten - baugleich. Insoweit besteht daher keinerlei Unterschied zu sonstigen Bauprodukten wie etwa Deckenträgern, Überlagern, Stahlbetonplatten oder Fertigbauteilen, die ebenso in den unterschiedlichsten Formen, Größen und Beschaffenheiten für den Markt produziert werden.

Unerheblich ist weiters, dass die gegenständlichen Betonsegmente - naheliegend auf Grund ihrer beträchtlichen Ausmaße (von vier Metern Höhe und bis zu elf Metern Durchmesser) - nur zum Teil auf Lager vorproduziert und sonst erst nach Bestellung gefertigt werden. In dem Zusammenhang ist ferner ohne Bedeutung, dass die Segmente von den Marktteilnehmern (in der Regel) als ganze Türme nachgefragt werden, was sich zwangsläufig aus dem begrenzten Verwendungszweck der Segmente ergibt.

12.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der (schon mehrfach genannten) Entscheidung 9 ObA 120/14h ebenso die Anwendung des BUAG auf Baueisenbiegerarbeiten im Zuge der Herstellung von Betonfertigteilen (Betonpoller für Autobahnen) verneint.

Dass der dortige Fall - wie vor allem die Mitbeteiligte argumentiert - erheblich anders gelagert wäre als der hier gegenständliche, kann nicht gesehen werden. Die dort zu beurteilende Herstellung von Bewehrungskörben für Betonpoller unterscheidet sich nicht wesentlich von der hier gegenständlichen Herstellung von Bewehrungskörben für Betonsegmente der Türme von Windkraftanlagen. Auch die produzierten Stückzahlen (dort 1.110 Betonpoller in einem zehnmonatigen Zeitraum, hier acht bis 22 Segmente täglich, was bei Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche im fünfmonatigen Zuschlagszeitraum ungefähr 870 bis knapp 2.400 Segmenten entspricht) bewegen sich in einer ähnlichen Größenordnung. In beiden Fällen liegt lediglich eine Produktion in der Halle im Rahmen des jeweiligen Betriebs vor, nicht auch ein (zusätzlicher) Aufbau vor Ort auf Baustellen. Soweit vorliegend der Aufbau durch ein mit der Revisionswerberin in einem Konzern verbundenes Unternehmen behauptet wird, handelt es sich jedenfalls nicht um denselben Betrieb (dasselbe Unternehmen) im Sinn der §§ 1 f BUAG (vgl. zum Betriebsbegriff neuerlich VwGH Ra 2014/08/0069; Martinek/Widorn, aaO 76). Hier wie dort geht es auch um keine Eisenbiegerarbeiten für Bauten im oben erörterten Sinn, vielmehr handelt es sich um die reine Erzeugung von Baustoffen bzw. Baumaterial.

12.2. Nicht entscheidend ist, ob es sich bei den Bewehrungsarbeiten um eine eigenständige Baueisenbiegerleistung oder bloß „um eine untergeordnete Hilfstätigkeit“ für das Vergießen der Betonformen handelt.

Nach den obigen Erörterungen ist für die Beurteilung, dass die gegenständlichen Baueisenbiegerarbeiten nicht in den Anwendungsbereich des BUAG fallen, vielmehr entscheidend, dass die Arbeiten nicht „für Bauten“, sondern für die standardisierte reine Produktion von Baustoffen bzw. Baumaterial in großer Zahl für den Markt ausgeübt werden. Auf eine gewichtende Abwägung der Baueisenbiegerarbeiten im Verhältnis zu den anderen verrichteten Tätigkeiten kommt es dabei nicht an.

13. Die Revisionswerberin ist im Rahmen ihres Betriebs daher nicht mit Baueisenbiegerarbeiten befasst, die in den Tätigkeitsbereich eines der Betriebe gemäß § 2 BUAG fallen.

Im Hinblick darauf kommen die Regelungen für Mischbetriebe gemäß § 3 BUAG nicht zur Anwendung, setzen diese doch voraus, dass (zumindest) in einem Teilbereich Tätigkeiten ausgeübt werden, die in den Tätigkeitsbereich der Betriebe gemäß § 2 BUAG fallen. Auf die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen und die betreffenden weitläufigen Erörterungen der Parteien ist nicht näher einzugehen.

14. Insgesamt ist daher das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte im Hinblick darauf unterbleiben (§ 39 Abs. 2 Z 4 VwGG).

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 9. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2016080005.L00

Im RIS seit

22.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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