TE OGH 2020/6/5 4Ob70/20b

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek und Dr. David Plasser, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Kommanditgesellschaft, Zweigniederlassung *****, vertreten durch Dr. Walter Müller und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. März 2020, GZ 4 R 153/19b-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien betreiben Supermärkte, in welchen sie Lebensmittel und andere Waren verkaufen. Die Beklagte wirbt in ihren Werbeprospekten, in den zur Werbung für die Wiener Filialen bestimmten Inseraten einer Tageszeitung sowie in TV und Hörfunk mit folgenden Aussagen: „HOFER PREIS,- ALLES ANDERE IST OVERPRICED“, „HOFER PREIS,- ANDERES IST OVERPRICED“.

Das Rekursgericht wies den auf §§ 1, 2a und 2 UWG gestützten Verfügungsantrag, der Beklagten die geschilderten Werbeaussagen zu untersagen, mit der wesentlichen Begründung ab, die Aussagen seien marktschreierisch; der Werbeslogan werde aufgrund seiner kreativen sprachlichen Fassung (zweifacher Reim, gemischt in deutscher und englischer Sprache) vom Publikum nicht wörtlich genommen und im Kern als Behauptung einer bloß günstigen Einkaufsgelegenheit in den Märkten der Beklagten verstanden. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin zeigt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Rechtsfragen in der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO auf:

1. Für eine marktschreierische Anpreisung ist wesentlich, dass sie sofort von niemandem wörtlich ernst genommen wird. Es muss sich um eine nicht wörtlich zu nehmende, bloß reklamehafte Übertreibung handeln, die jedermann den sogleich erkennbaren Eindruck vermittelt, es handle sich hier nur um eine ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit auftretende Anpreisung; im Zweifel, ob eine marktschreierische Anpreisung oder eine ernst gemeinte Behauptung vorliegt, ist immer das letztere anzunehmen (RIS-Justiz RS0078301; RS0078248; RS0078274). Auch marktschreierische Anpreisungen können auf einen sachlich nachprüfbaren Tatsachenkern zurückzuführen sein, der dann, wenn er von Werbeadressaten ernst genommen wird, bei Unrichtigkeit zur Irreführung geeignet ist (4 Ob 111/10t, 4 Ob 201/13g mwN).

2. Die Frage, ob eine bestimmte Werbeaussage eine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung oder nur eine rein subjektive, jeder objektiven Nachprüfung entzogene Meinungskundgebung ist, ist immer nach dem Gesamteindruck der Ankündigung – unter Berücksichtigung ihres Gegenstandes, ihrer Form, des Zusammenhangs, in den sie gestellt wird, sowie aller sonstigen Umstände, die für das angesprochene Publikum maßgebend sein können – zu beurteilen (RS0078340).

3. Bei Verwendung von Versen oder Reimen zu Werbezwecken sind dabei gewisse Übertreibungen vielfach kaum zu vermeiden; Werbeankündigungen in Form von Versen, Reimen oder dergleichen sind daher im Allgemeinen milder zu beurteilen als andere Aussagen und insbesondere nur selten im strengen Sinne des Wortes auszulegen. Gerade die einprägsame, suggestive Wortfassung solcher Werbesprüche oder Werbeslogans macht dem Durchschnittspublikum leicht erkennbar, dass sie inhaltlich nichts Wesentliches aussagen und daher auch nicht wörtlich zu nehmen sind (RS0077953).

4. Die Abgrenzung zwischen marktschreierischer Anpreisung und ernst gemeinter Behauptung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ob die beanstandeten Ankündigungen nach den Umständen des konkreten Falls zumindest von einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums als ernstzunehmende Tatsachenbehauptungen aufgefasst werden können, ist eine Rechtsfrage, der – abgesehen von einer auffallenden Fehlbeurteilung – keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukommt (RS0078340 [T1]).

5. Im konkreten Fall hält sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der aufgezeigten Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass bei den beanstandeten Werbeaussagen die besonders kreative Kombination von deutscher und englischer Sprache im Vordergrund stehe, die einen zweifachen Reim ermögliche, sodass die Aussage nicht wörtlich genommen werde. In der Beurteilung des Rekursgerichts, dass weder eine Irreführung noch eine unlautere Alleinstellungswerbung oder eine Pauschalabwertung der Mitbewerber vorliege, weil mit den beanstandeten Slogans eine bloß günstige Einkaufsgelegenheit beworben werde, wurden die Grenzen des ihm in diesen Fragen eingeräumten Beurteilungsspielraums nicht überschritten.

Schlagworte

Overpriced,

Textnummer

E128405

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00070.20B.0605.000

Im RIS seit

01.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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