TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W279 1439337-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W279 1439337-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1989, StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .01.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2019, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste im September 2013 illegal nach Österreich ein. Am XXXX .09.2013 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass im Herkunftsstaat aufgrund seiner Tätigkeit als Englischlehrer das Gerücht verbreitet worden sei, er wolle für das Christentum missionieren, weswegen sein Vater drei Mal entführt worden sei. Aus Angst, dass dem BF dasselbe widerfahren könnte, habe er dessen Ausreise organisiert.

2. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am XXXX .11.2013 brachte der BF zum Fluchtgrund befragt vor, dass er als Englischlehrer gearbeitet habe und in seinem Dorf das Gerücht verbreitet worden sei, dass in seinem Kurs alle Teilnehmer zum Christentum konvertiert seien, weswegen sein Vater zwei Mal entführt worden sei, bei einem weiteren Versuch habe dieser jedoch flüchten können. In weiterer Folge sei der BF auf dem Heimweg von fünf Männern angehalten und attackiert worden. Die Frage, ob er selbst je persönlich von den Taliban bedroht worden sei, wurde vom BF verneint. Auf die Frage, ob es ein fluchtauslösendes Ereignis gegeben habe, erklärte der BF, dass er nicht beabsichtigt habe, die Heimat zu verlassen, sondern von seinem Vater dazu gedrängt worden sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom XXXX .12.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX .09.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Der BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die vom BF angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes unglaubwürdig seien. Es könne nicht festgestellt werden, dass er aufgrund von Drohungen bzw. Mitnahme seines Vaters durch die Taliban ausgereist sei. Der BF habe bezüglich möglicherweise stattgefundener Bedrohungsszenarien vage sowie unpräzise Aussagen getätigt und habe nicht den Eindruck erwecken können, dass das Geschilderte persönlich Erlebtes darstelle. Das Vorbringen sei in seiner Gesamtheit derartig dürftig gehalten, dass man daraus kein, den BF betreffendes, zusammenhängendes und einigermaßen glaubhaftes Geschehen ableiten könne. Der BF habe auf die vom Bundesasylamt gestellten Fragen leidglich ausweichende und detailarme Antworten gegeben, die keine konkrete Gefährdung seinerseits in Afghanistan vermitteln hätten können. So sei es zudem auch zu Widersprüchen und Ungereimtheiten gekommen. So habe der BF im Rahmen der Erstbefragung ausgeführt, dass sein Vater drei Mal mitgenommen worden sei, währenddessen er vor dem Bundesasylamt angegeben habe, dass er zwei Mal mitgenommen worden sei. Aufgrund der gravierenden Widersprüche und der Ungereimtheiten sei eine Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft nachvollziehbar. Aufgrund obiger Ausführungen gehe die Behörde davon aus, dass sich der BF einer konstruierten Geschichte bediene.

Gegen den negativen Bescheid des BAA wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF Beschwerde erhoben.

2. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2012, W229 1439337-1/5E, wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass sich das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren in wesentlichen Punkten als mangelhaft erweise. Die Erstbehörde habe bezüglich der asylrelevanten Verfolgung des BF zwar festgestellt, dass sich dessen Vorbringen nicht als glaubhaft dargestellt habe, aus den Ermittlungen der Behörde ergebe sich jedoch nicht zweifelsfrei, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht den Tatsachen entspreche. Es sei zwar der belangten Behörde zuzustimmen, dass im Vorbringen des BF durchaus Widersprüche und Ungereimtheiten aufgetreten seien, welche Zweifel am Realitätsgehalt seines Vorbringens aufkommen lassen könnte, dennoch sei dem BF beizupflichten, wenn er in seiner Beschwerde vorbringe, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit seiner Tätigkeit als Englischlehrer bei der besagten Organisation und den in diesem Zusammenhang vorgebrachten Fluchtvorbringen auseinandergesetzt habe. Dahingehende Ermittlungen seien zur Überprüfung der Plausibilität der Angaben des BF jedoch entscheidend. Die belangte Behörde habe zwar festgestellt, dass der BF als Englischlehrer bereits Berufserfahrung gesammelt habe, habe es jedoch unterlassen, sich näher mit seiner Tätigkeit für die von ihm angegebene Organisation auseinanderzusetzen. Zudem wären die Angaben des Beschwerdeführers insbesondere jene betreffend die Vorwürfe der Missionierung sowie der Konversion einiger Teilnehmer bei dem von ihm genannten Institut zu überprüfen gewesen. Zudem wäre die belangte Behörde dazu angehalten gewesen, im Rahmen der im bekämpften Bescheid angeführten Länderberichte, Feststellungen zur Sicherheitslage bzw. Bedrohungssituation von Personen, die im Bildungsbereich arbeiten bzw. insbesondere an Schulen Englisch unterrichten, durch bestimmte Gruppierungen (insbesondere die Taliban) zu treffen. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, das Parteivorbringen des Beschwerdeführers bezüglich etwaiger gewaltsamer Einflussnahmen durch die Taliban im Lichte dieser Feststellungen zu würdigen. Diesbezüglich sei auch dem Einwand in der Beschwerde zu folgen, wonach im gegenständlichen Fall eine ernsthafte Auseinandersetzung und Würdigung der vorgelegten Beweismittel, insbesondere der auf dem vorgelegten USB-Stick gespeicherten Fotographien und Videos, durch die belangte Behörde nicht erfolgt sei. Es sei für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde sich in ausreichender Weise mit diesen vorgelegten Dokumenten auseinandergesetzt habe. Im Ergebnis sei festzuhalten, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Ermittlung der Sachlage insbesondere betreffend die Frage des Vorliegens asylrelevanter aber auch bezüglich der Frage des subsidiären Schutzes nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen sei und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich (in der Bescheidbegründung) nur mangelhaft mit den Angaben des Beschwerdeführers und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt habe.

3. Im Rahmen einer erneuten niederschriftlichen Einvernahme am XXXX .04.2015 brachte der BF vor, dass es kein bestimmtes Ereignis gegeben habe, aufgrund dessen er Christ geworden sei. Auf Nachfrage, was ihn am Islam gestört habe, entgegnete der BF, dass Ehefrauen immer zu Haus sein müssten und es kaum Frauenrechte gebe. Befragt, wie sich die Religion konkret auf seine Person bezogen von jener in Afghanistan unterscheide, erklärte der BF, dass er in Österreich seine Lebensweise selbst bestimmen könne. Zur Frage, ob er sich Gedanken gemacht habe, wie sich die Konvertierung auf sein Leben auswirken könnte, erwiderte der BF, dass er nach seiner Taufe ohne Schwierigkeiten an der Universität aufgenommen worden sei. Die Frage, ob er die Religion gewechselt habe, um sich das Leben zu erleichtern, wurde vom BF verneint und zu Protokoll gegeben, dass es sich um seine innere Überzeugung handle. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde man ihn steinigen, verbrennen und schlagen.

Der BF legte im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme ein Taufzeugnis über eine Taufe am XXXX .09.2014, ein Stundenplan 2014, eine Bestätigung vom XXXX .02.2015 über die Absolvierung eines Vorstudienlehrganges "Deutsch für Anfänger mit geringen Vorkenntnissen", eine Bestätigung vom XXXX .04.2015 über die Mitgliedschaft im XXXX Fußballverband und eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit als Englisch Nachhilfelehrer sowie Englisch/Dari Übersetzer vor.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom

XXXX .04.2015, Zl. XXXX , wurde dem Antrag des BF auf internationalen Schutz vom XXXX .09.2013 stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

5. Aufgrund einer Reisebewegung in den Iran leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX .11.2018 ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein. In weiterer Folge fand am XXXX .12.2018 die Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde statt.

Hierbei führte der Beschwerdeführer aus, dass er im letzten Jahr in Teheran vor einem Mullah geheiratet habe. Seine Ehegattin sei nach wie vor schiitische Muslimin und wisse nicht, dass er Christ sei. Seiner Familie sei ebenfalls nicht bekannt, dass er zum Christentum konvertiert sei, da er lediglich Freunde in Österreich über seinen Religionswechsel informiert habe. Befragt, wo seine Familie nunmehr wohnhaft sei, erklärte der BF, dass sein Vater mit seiner Mutter in Kabul lebe. Auf Nachfrage, wer sich um seine Ehefrau kümmere, die im Iran wohnhaft sei, entgegnete der BF, dass sie dort alleine lebe, sie sei 2017 aufgrund der Hochzeit in dieses Land übersiedelt. Zur Frage, weshalb er seine Ehefrau nicht über seinen Glaubenswechsel informiere, entgegnete der BF, dass ihre Familie sehr religiös sei und er befürchte, dass sie bei Kenntnis dieses Umstandes nicht mehr mit ihm zusammenleben wolle. Bei den iranischen Behörden habe er jedenfalls angegeben, Moslem zu sein. Nachgefragt, wie er seinen Glauben in Österreich auslebe, erwiderte der BF, dass er bereits ein Jahr nicht mehr zur Kirche gegangen sei und zuletzt zu Weihnachten dort gewesen sei. Befragt, was ihm am christlichen Glauben gefalle, erklärte der BF, dass alle Menschen gleich seien und auch nicht zwischen Mann und Frau differenziert werde. Da er als Lehrer bei der Volkshochschule sowie als XXXX Fahrer beschäftigt sei, habe er keine Zeit mehr, die Kirche zu besuchen. Auf die Frage, wie er sich auf Weihnachten vorbereite, gab der BF zu Protokoll, dass er keine speziellen Vorbereitungen dafür treffe. Der BF stehe in regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Familie. Befragt, was Weihnachten für ihn bedeute, brachte der BF vor, dass sich ein neues Jahr ankündige und man im Vorfeld beten müsse. Zu Weihnachten werde die Geburt Gottes gefeiert. Auf Vorhalt, ob er wisse, was in der Bibel über Weihnachten ausgeführt werde, entgegnete der BF, dass er nichts Genaues darüber wisse. Er sei als Sohn von Maria in Jerusalem geboren worden. Die Sakramente kenne er nicht. Befragt, ob er die Bibel lese, führte der BF aus, dass er diese seit einem Jahr nicht mehr lese. Der BF könne keine bestimmten Gebete wiedergeben, da er lediglich bete, wenn es ihm schlecht gehe. Das Glaubensbekenntnis könne er ebenfalls nicht nennen. Auf Nachfrage, ob es Dinge gebe, die einem Christen verwehrt seien, brachte der BF vor, dass man das Eigentum eines anderen nicht wegnehmen und man niemanden ermorden dürfe. An weitere Verbote könne er sich nicht erinnern.

Auf Aufforderung, seinen Lebenslauf zu schildern, führte der BF aus, dass er in Ghazni geboren sei und 12 Jahre die Schule besucht habe. Anschließend habe er drei Jahre in Kabul Pharmazie studiert. In Österreich absolviere er nunmehr ein Lehramt Studium. Die Frage, ob er in Österreich familiäre oder private Bindungen habe, wurde vom BF verneint. Er verdiene eigenständig seinen Lebensunterhalt und sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Befragt, ob er im Heimatland noch Onkeln oder Tanten habe, erwiderte der BF, dass er einen Onkel in Mazar e-Sharif habe. Sein Vater habe eine Schwester im Heimatdorf, er wisse jedoch nicht, ob diese noch lebe. Zuletzt habe er mit seiner Familie vom Iran aus telefoniert. Bei einer Rückkehr befürchte der BF, dass er getötet werde, wenn man erfahre, dass er Christ sei. Auch Städte wie Kabul, Herat oder Mazar e-Sharif seien nicht sicher. Er wisse nicht, ob seine Familie auch in Kabul bedroht worden sei.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF eine Bestätigung der Volkshochschule vom XXXX .12.2018 über die Verlängerung seiner Tätigkeit bis XXXX .06.2019, ein Anhang zum Dienstzettel über ein Bruttogehalt in Höhe von 1.509,43,- Euro, ein Bescheid der Universität XXXX vom XXXX .07.2015 über die Zulassung zum Bachelorstudium Lehramt Englisch sowie Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, ein Ergänzungsprüfungszeugnis der Universität XXXX vom XXXX .09.2016 über die Absolvierung des Ergänzungsprüfungsfaches "Geographie und Wirtschaftskunde" mit der Note "Befriedigend", ein Ergänzungsprüfungszeugnis der Universität XXXX vom XXXX .07.2016 über die Absolvierung des Ergänzungsprüfungsfaches "Englisch" mit der Note "Befriedigend", ein Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch vom XXXX .06.2016, eine Lohn/Gehaltsabrechnung vom November 2016, Bestätigung über die geringfügige Beschäftigung als Chauffeur bei XXXX Mietwagen GmbH vom XXXX .09.2018, ein Dienstzeugnis vom XXXX .06.2018 über eine Tätigkeit als Trainer im Rahmen des Netzwerkprojektes " XXXX Jugendcollege" als Trainer, ein Zertifikat der XXXX vom XXXX .06.2018 über die Absolvierung eines "Diversity Trainings" vom XXXX .06.2018, ein Zertifikat über die Absolvierung des Workshops "Gender Mainstreaming" vom XXXX .06.2018, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX .05.2018 über die Absolvierung einer Fortbildungslehrveranstaltung der Diakonie, zwei Zeugnisse über die zuverlässige Arbeit des BF als Trainer, ein österreichischer Führerschein sowie ein Studentenausweis in Vorlage gebracht.

In weiterer Folge wurde vom Vertreter des BF eine Stellungnahme eingebracht und ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor prekär sei. Weiters werde festgehalten, dass der Betroffene in Österreich sozial, sprachlich sowie beruflich sehr gut integriert sei und auch einen entsprechenden westlichen Lebensstil führe. Zudem werde festgehalten, dass auch sein christlicher Glaube in Afghanistan für ihn ein persönliches Problem bedeuten würde, wenn er diesen Glauben in Afghanistan leben wolle. Der BF weise darauf hin, dass er nicht in Afghanistan gewesen sei, sondern wegen seiner Eheschließung in den Iran gefahren sei. Der Stellungnahme wurden eine Heiratsurkunde im Original sowie in englischer Übersetzung angeschlossen.

6. Mit Bescheid des BFA vom XXXX .07.2017, Zl. XXXX , wurde dem BF der ihm mit Bescheid vom XXXX .04.2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und gem. § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem BF gem. § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde außerdem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde dem BF eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt VI.)

Beweiswürdigend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF im Unterschied zu seinem Asylverfahren zu seinem Glauben zurückgekehrt sei und somit keiner Verfolgung mehr unterliege. Wie sich aus seinen bisherigen Ausführungen eindeutig entnehmen lasse, habe sich die persönliche Lage in Afghanistan alleine schon aufgrund seiner Rückkehr zum islamischen Glauben derart geändert, dass eine Rückkehr nun möglich sei. Niemand in Afghanistan habe über seinen Glaubenswechsel erfahren und es sei aufgrund seiner Rückkehr zum islamischen Glauben auch eine Verfolgung auszuschließen, wenn jemand von seiner Konversion gewusst hätte. Von einer noch bestehenden inneren Überzeugung könne nicht ausgegangen werden und es sei festzustellen gewesen, dass er zu seinem muslimischen Glauben zurückgekehrt sei, zumal eine Eheschließung ansonsten nicht möglich gewesen wäre. Selbst wenn man seinem Vorbringen für Ghazni und einer Suche nach ihm Glauben schenken würde, hätte er die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative.

7. Mit Schriftsatz vom XXXX .02.2019 wurde vom Vertreter des BF fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird darauf hingewiesen, dass sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Asylstatus nicht wesentlich geändert habe. Der BF sei weiterhin Christ, besitze weiterhin sein Taufzeugnis und praktiziere seinen Glauben. Die Heirat nach islamischem Recht mache ihn nicht wieder automatisch zu einem Moslem. Diesbezüglich seien auch keine einschlägigen Länderberichte von der belangten Behörde vorgebracht worden. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien irrelevant und in den wesentlichen Punkten lückenhaft und unvollständig. In Zusammenhang mit der Feststellung der Rückkehrentscheidung habe die belangte Behörde einseitige und unvollständige Berichte zur Lage in den Städten Kabul, Herat und Mazar e-Sharif eingebracht und würden diese Städte keine brauchbaren innerstaatlichen Fluchtalternativen darstellen. Die abschließende Analyse des UNHCR ergebe, dass für Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen würden, einschließlich Personen, die der Blasphemie oder der Konversion vom Islam bezichtigt werden würden sowie für Angehörige religiöser Minderheiten abhängig von den jeweiligen Umständen des Falles ein Bedarf an internationalen Flüchtlingsschutz bestehen könne. Im Hinblick auf die humanitäre Lage würden auch weitere herkunftslandspezifische Berichte zeigen, dass sich die Lage nicht wesentlich gebessert habe. Laut der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat Stadt und Mazar e-Sharif aufgrund der anhaltenden Dürre herrsche im Umland von Mazar e-Sharif aktuell große Wasserknappheit und unzureichende Wasserversorgung. Der BF verfüge wegen seiner längeren Abwesenheit aus Afghanistan und seinem Aufenthalt im europäischen Ausland weder über die nötigen örtlichen noch kulturell-gesellschaftlichen Kenntnisse, um sich in den Großstädten zurechtzufinden und seine Existenz aus eigenem sichern zu können. Der BF sei als Konvertit besonders gefährdet, da er sowohl von staatlichen als auch privaten Akteuren verfolgt werden würde, sobald bekannt werden würde, dass er zum Christentum konvertiert sei. Die belangte Behörde unterlasse es zur Konversion, zur Rückkehr zum Islam, zum Leben von zurückgekehrten Konvertiten in Afghanistan, westlichen RückkehrerInnen und Personen, die aufgrund ihres langen Aufenthalts in Europa als vom Islam abgefallen gelten würden, zu ermitteln. Da die vom BFA herangezogenen Länderberichte zum Teil nicht aktuell und unvollständig seien sowie bei der Beweiswürdigung nicht entsprechend berücksichtigt worden seien, sei der Bescheid mit erheblichen Ermittlungsmängeln und einer mangelhaften Beweiswürdigung sowie mangelhaften Feststellungen belastet. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde wurden ein Dienstzettel vom XXXX .09.2018 über ein Bruttogehalt in Höhe von 411,13,- EUR, ein Anhang zum Dienstzettel vom XXXX .12.2018, ein Dienstzettel für Arbeitnehmer/innen vom XXXX .06.2018 über eine Tätigkeit als Trainer im Projekt Jugendcollege, Datenschutzverpflichtungserklärung vom

XXXX .06.2018, ein Schreiben der XXXX Volkshochschulen vom XXXX .12.2018 über die Verlängerung des Dienstverhältnisses, ein Zwischenzeugnis vom Jänner 2019 über die Tätigkeit im Projekt "Star

XXXX -Jugendcollege" im Ausmaß von 23 Wochenstunden, ein Empfehlungsschreiben vom XXXX .01.2019, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX .05.2018 über die Absolvierung der Fortbildungsveranstaltung "Nie mehr sprachlos", ein Zertifikat vom

XXXX .06.2018 über die Absolvierung des Workshops "Gender Mainstreaming", ein Zertifikat vom XXXX .06.2018 über die Absolvierung des Workshops "Diversity Training", Studienbestätigungen vom XXXX .02.2019 über ein Bachelorstudium Lehramt, ein Empfehlungsschreiben vom XXXX .01.2019, ein Schreiben vom XXXX .01.2019 über die Tätigkeit als Trainer, ein Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch vom XXXX .06.2016 sowie weitere Studienbestätigungen in Vorlage gebracht.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 18.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm.

Im Zuge der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Ghazni geboren sei und in Kabul drei Jahre Pharmazie studiert habe. Anschließend sei er im Jahr 2013 in Österreich eingereist. Er sei verheiratet und seine Ehegattin lebe derzeit in ihrer Heimatprovinz Kandarhar in Afghanistan. Befragt, ob er derzeit beschäftigt sei, entgegnete der BF, dass er als Englischtrainer bei der Volkshochschule sowie als XXXX Fahrer tätig sei. Nebenbei studiere er an der Universität XXXX Lehramt Englisch und Geschichte. Seine Ehefrau sei ebenfalls als Trainerin in einer Schule und unterrichte Englisch und Mathematik. Auf die Frage, ob es ein Land gebe, in dem er mit seiner Gattin zusammenleben könnte, erwiderte der BF, dass er in Österreich zum Christentum konvertiert sei und deswegen in keinen islamischen Ländern leben könne. Er sei jedenfalls nunmehr evangelischer Protestant. Zur Frage, ob er das Augsburger oder das helvetische Bekenntnis angenommen habe, erklärte der BF, dass er dies nicht wisse. Befragt, wer Martin Luther sei, entgegnete der BF, dass er die Bibel auf Deutsch übersetzt habe, um sie für eine größere Personengruppe zugänglich zu machen. Auf Nachfrage, was Protestanten von Katholiken unterscheide, brachte der BF vor, dass Frauen in der katholischen Kirche nicht Priester werden dürfen. Zudem bräuchten Protestanten für die Abnahme der Beichte keinen Priester. Der BF gehe manchmal zwei Mal in der Woche in die Kirche, manchmal auch nur alle zwei Wochen, da er aufgrund seiner Arbeitstätigkeit nicht immer Zeit habe. Die Frage, ob seine Ehefrau wisse, dass er konvertiert sei, wurde vom BF verneint. Seine Gattin sei 2019 vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Im Iran habe sie zwei Jahre in einer Mietwohnung gelebt und als Schneiderin gearbeitet. Auf Aufforderung, die 10 Gebote zu nennen, gab der BF an, dass man keinen anderen Gott haben soll, sich kein Bild von Gott machen soll, den Namen des Herrn nicht missbrauchen soll, den Feiertag heiligen soll, Vater und Mutter respektieren soll und weder stehlen noch lügen soll. Überdies sei Ehebruch nach den 10 Geboten nicht zulässig, das Eigentum des Nachbarn sei zu respektieren und Familie des Nachbarn sei nicht herablassend zu beäugen. Befragt, wie sein Tagesablauf aussehe, brachte der BF vor, dass er immer um 6 Uhr in der Früh aufstehe und unterrichte. Am Abend lese er auf seinem I-Pad die Bibel. Dienstags, mittwochs sowie donnerstags sei er an der Universität und gehe danach seiner Tätigkeit als VHS Lehrer nach. Zur Frage, was die vier Evangelien seien, brachte der BF vor, dass es sich um die Evangelien des Lukas, Matthias und Johannes handle. Das Alte Testament umfasse 37, das Neue Testament bestehe aus insgesamt 27 Büchern. Befragt, ob es irgendein ausschlaggebendes Ereignis gegeben habe, dass er Christ geworden sei, entgegnete der BF, dass ihn ein Kollege, den er im Zuge seines Deutschkurses 2014 kennengelernt habe, gefragt habe, ob er mit ihm in die Kirche gehen wolle. Da es ihm dort gut gefallen habe, sei er dort öfter hingegangen. Nachgefragt, was die Dreifaltigkeit darstelle, erwiderte der BF, dass es sich dabei um den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist handle. Er sei bereits am XXXX .09.2014 getauft worden. Zum Vorhalt, wieso er seiner Ehefrau noch nicht mitgeteilt habe, dass er getauft sei, replizierte der BF, dass sie aus einer streng religiösen Familie stamme und es für ihn daher schwierig sei, in Ländern wie Afghanistan oder im Iran seine Konvertierung darzulegen. Auf die Frage, wie er sich auf Weihnachten vorbereite, gab der BF an, dass sie am 21.12. in der Gemeinde Weihnachten feiern würden und er am 24. mit Kollegen feiere. Zu Weihnachten werde die Geburt von Jesus Christus gefeiert. Befragt, wie oft er in den Iran oder nach Afghanistan fliege, erklärte der BF, dass er lediglich zwei Mal im Sommer 2017 sowie im Sommer 2018 in Teheran gewesen sei. Auf die Frage des Rechtsvertreters, wie es ihm dabei gehe, dass er seiner Ehefrau nicht von seinem Religionswechsel berichten könne, brachte der BF vor, dass es in Österreich leichter wäre, seine Ehefrau über seine Konvertierung zu informieren.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vom BF ein Unterstützungsschreiben vom XXXX .12.2019, eine Gleitzeitänderungsmitteilung der Volkshochschule vom Juni 2019 sowie vom XXXX .12.2019, ein Zwischenzeugnis der Volkshochschule vom Dezember 2019 und ein Schreiben eines Pastors vom XXXX .12.2019 über die Teilnahme des BF an Veranstaltungen der Iranischen Christlichen Gemeinde seit Jänner 2014 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der männliche, volljährige, gesunde, und arbeitsfähige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist im Zuge seines Aufenthaltes in Österreich zum christlichen Glauben konvertiert. Er stammt aus der Provinz Ghazni, besuchte von 1997 bis 2009 eine Grundschule in Qarabagh und anschließend eine Universität in Kabul. Er ist verheiratet und seine Ehefrau lebt in Afghanistan in der Provinz Kandarhar, wo sie als Lehrerin arbeitet.

Er reiste im September 2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom XXXX .04.2015, Zl. XXXX , wurde dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom XXXX .07.2018 bis zum XXXX .08.2018 im Iran, um seine Freundin zu ehelichen. In weiter Folge wurde ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.

Der Beschwerdeführer konnte über mehrere Wochen hindurch in einem islamisch geprägten Umfeld, welches Konversion nicht toleriert, leben. Dabei hat niemand - nicht einmal die Ehefrau des Beschwerdeführers - angenommen, dass der Beschwerdeführer einer anderen Religionsgruppe angehört.

Der Beschwerdeführer führt derzeit weder aus persönlicher noch aus innerer Überzeugung sein Leben nach den Regeln des Christentums. Er wurde am XXXX .09.2014 getauft und besucht Veranstaltungen der Iranisch Christlichen Gemeinde.

1.3. Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

Der aufenthaltsrechtliche Status des Beschwerdeführers in Österreich beruhte anfangs ausschließlich auf seiner vorläufigen Stellung als Asylwerber. Seit 09.04.2015 kommt dem Beschwerdeführer in Österreich der Status des Asylberechtigten zu.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Freundeskreis, jedoch keine engen, familienähnlichen Bindungen. Durch die Frau besteht weiterhin bzw. erneut eine Bindung zum Herkunftsstaat.

Er hat sich sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache im Rahmen eines Vorstudienlehrganges angeeignet und an zahlreichen Workshops sowie Kursen teilgenommen. Er ist an der Universität XXXX für das Bachelorstudium Geschichte und Englisch auf Lehramt sowie das Anglistik-Vollstudium XXXX inskribiert und ist derzeit als Englisch-Trainer an einer Volkshochschule sowie als XXXX Fahrer tätig.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

Quellen:

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Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,

https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-

elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/. Zugriff 22.5.2019

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AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in

Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-

military-training-centre-kabul-190530082719388.html. Zugriff 3.6.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019):

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

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BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

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Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?,

https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-

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Zugriff 4.6.2019

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IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results,

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TW - The Week (2.6.2019): Afghan officials: 3 bomb blasts in capital, 1 killed, https://

www.theweek.in/news/world/2019/06/02/afghan-officials-3-bomb-blasts-in-capital-1-

killed.html, Zugriff 3.6.2019

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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_ar

med_conflict_-_first_quarter_report_2019_english_.pdf. Zugriff 3.4.2019

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VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/a/islamic-state-in-afghanistan-growingbigger-more-dangerous/4927406.html. Zugriff 4.6.2019

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den U

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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