TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 W234 2197089-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W234 2197087-1/14E

W234 2197085-1/13E

W234 2197088-1/15E

W234 2197089-1/13E

W234 2197086-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von

1) XXXX , geb. XXXX ,

2) XXXX , geb. XXXX ,

beide StA. Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl

1) vom 30.04.2018, Zl. XXXX ,

2) vom 30.04.2018, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen und es wird gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die Rückkehrentscheidungen zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig waren.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von

3) XXXX , geb. XXXX ,

4) XXXX , geb. XXXX ,

5) XXXX , geb. XXXX

alle StA. Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl

3) vom 30.04.2018, Zl. XXXX ,

4) vom 30.04.2018, Zl. XXXX ,

5) vom 30.04.2018, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)

I. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt VIII der angefochtenen Bescheide wird Folge gegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos aufgehoben.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und es wird gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die Rückkehrentscheidungen zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig waren.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und die Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ) sind Eheleute und die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin ( XXXX und der minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer XXXX ). Die Beschwerdeführer sind georgische Staatsangehörige.

2. Nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet stellten sämtliche Beschwerdeführer am 28.12.2017 Anträge auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.

Dort gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er mit seiner Familie mit einem Direktflug von Tiflis legal nach Österreich eingereist sei. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass seine Tochter, die Drittbeschwerdeführerin, seit ihrer Geburt an einer körperlichen Behinderung leide. In Georgien habe er keine Krankenversicherung oder soziale Unterstützung gehabt. Die Behandlungen seien sehr kostspielig und nicht effizient gewesen. In der Hoffnung, in Österreich Hilfe zu erhalten, sei er mit seiner Familie in das Bundesgebiet eingereist. Befragt, was er bei einer Rückkehr nach Georgien zu befürchten hätte, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er nichts zu befürchten hätte (BFA-Akt des Erstbeschwerdeführers, AS 7).

Die Zweitbeschwerdeführerin begründete ihren Antrag auf internationalen Schutz in der Erstbefragung damit, dass ihr Kind Invalidin und bewegungsunfähig sei. Sie habe epileptische Anfälle und in Georgien könne man ihr nicht helfen. Jeder Arztbesuch koste viel Geld und es gebe keine Besserung des Gesundheitszustandes. Befragt, was sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat zu befürchten hätte, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass ihre Familie absolut nichts zu befürchten hätte (BFA-Akt der Zweitbeschwerdeführerin, AS 7).

3. Am 05.04.2018 fand eine schriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) statt. Der Erstbeschwerdeführer brachte vor, dass er in Sagarejo, Georgien, geboren worden sei. Er habe eine neunjährige Schulbildung erhalten und sei ausgebildeter Schweißer und Metaller. Er habe ca. 600 bis 650 GEL pro Monat verdient. In Georgien habe er mit seiner Familie im Haus seiner Eltern gelebt, die nach wie vor in seinem Heimatort leben würden. Seine Eltern seien Landwirte. Er stehe zu ihnen in regelmäßigem Kontakt. Er habe zudem zwei Schwestern. Eine Schwester würde in Italien leben. Zu dieser habe er keinen Kontakt. Die andere Schwester würde in seinem Heimatort leben. Eine finanzielle Unterstützung seitens seiner Familie in Georgien sei nicht möglich. Er verfüge über keine finanziellen Mittel, um für den Unterhalt seiner Familie in Österreich selbst aufzukommen. Über Ersparnisse oder Eigentum würden sie nicht verfügen.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass der einzige Grund für die Einreise nach Österreich die Behandlung der Drittbeschwerdeführerin sei, weil sie an einem Lähmungssyndrom und Epilepsie leide. Seit ihrer Geburt sei sie in medizinischer Behandlung. Die Behandlungen seien sehr kostspielig gewesen und hätten keinen Erfolg gebracht. Er habe in Georgien immer in unterschiedlichen Jobs gearbeitet. Seine Frau habe sich um die Drittbeschwerdeführerin gekümmert. Der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer seien in die Schule bzw. in den Kindergarten gegangen. Die Drittbeschwerdeführerin würde eine spezielle Schule benötigen, die es in Georgien nicht gebe. Nachgefragt gebe es eine solche Schule nur in Kutaissi, Georgien. Diese Stadt sei vom Wohnort der Familie weit entfernt gewesen. Ein Umzug sei nicht möglich gewesen, weil er keine fixe Arbeitsstelle gehabt habe und es ohne Kontakte schwierig sei, an anderen Orten Anschluss oder einen Job zu finden. Die Finanzierung des Schulbesuchs sei zudem neben dem Erhalt der Familie zu teuer gewesen. Seine Tochter benötige Logopädie, um sprechen zu lernen. Weiters würde sie orthopädisches Zubehör und eine Operation an den Beinen benötigen, um gehen und stehen zu erlernen. In Georgien habe sie spezielle Massagen sowie eine Therapie mit Pferden erhalten, die der Erstbeschwerdeführer bezahlt hätte. Nachgefragt, ob die Krankheit der Drittbeschwerdeführerin heilbar sei, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er nicht glaube, dass diese heilbar sei. Es könnte jedoch alles verbessert werden. Befragt, ob es eine Verbesserung gegeben hätte, seit die Familie in Österreich lebe, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass die Drittbeschwerdeführerin die gleichen Medikamente wie in Georgien in erhöhter Dosierung einnehme. Die von der Drittbeschwerdeführerin benötigten Medikamente habe er in Georgien in der Apotheke in seinem Heimatort bezogen. Er sei nicht krankenversichert gewesen. Seine Tochter habe in Georgien einen Invalidenstatus. Sie erhalte jeden Monat 180 GEL. Die Ärzte müssten die Beschwerdeführer selbst bezahlen. Fünf Jahre lang hätten sie Sozialhilfe erhalten. Vom georgischen Staat hätte die Drittbeschwerdeführerin einmal einen Rollstuhl erhalten, der jedoch zu groß gewesen sei. Befragt, ob die Beschwerdeführer einen Antrag auf Kostenübernahme an den Staat gestellt hätten, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er den Hauptmann in seinem Heimatort um Unterstützung für eine Operation gebeten hätte und 100 GEL erhalten hätte. 600 GEL hätte er selbst bezahlen müssen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab in ihrer schriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am gleichen Tag an, dass sie eine neunjährige Schulausbildung erhalten habe und eine Ausbildung zur Kraftfahrerin absolviert hätte. Zwei Jahre lang habe sie in ihrem Beruf gearbeitet, ehe sie geheiratet hätte. Ihre Eltern würden in der Region Kachetien in Georgien leben. Ihre Mutter erhalte 100 GEL monatlich als Pension. Ihr Vater könne aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Ihre Eltern würden in einem Eigentumshaus leben. Die Zweitbeschwerdeführerin habe zudem einen Bruder, der mit seiner Ehefrau in Tiflis leben würde und als Autowäscher arbeite. Die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin sei verheiratet und von ihrem Ehemann abhängig. Eine finanzielle Unterstützung innerhalb ihrer Familie sei nicht möglich. Die Zweitbeschwerdeführerin habe selten Kontakt zu ihren Familienangehörigen in Georgien.

Die Zweitbeschwerdeführerin habe in Georgien mit ihrer Familie im Haus ihres Schwiegervaters gelebt. Ca. drei bis vier Monate hätten sie auch einmal in Telavi in einer Mietwohnung gelebt, als der Erstbeschwerdeführer dort gearbeitet hätte. Dort habe er im Gegensatz zu seinem Heimatort Sagarejo leicht Arbeit gefunden. Für die Miete habe es gereicht. Insgesamt hätten sie ca. 500 GEL monatlich zur Verfügung gehabt. Dies habe für Nahrung und die Medikamente der Kinder gereicht. Die Drittbeschwerdeführerin habe 180 GEL pro Monat erhalten. Sie hätten dieses Geld für die Drittbeschwerdeführerin vier Jahre im Voraus bezogen. Da die Familie das Geld für vier Jahre im Voraus bezogen hätte, würden sie jetzt vier Jahre lang nichts mehr erhalten.

Befragt zu ihrem Fluchtgrund führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass der einzige Grund für die Einreise nach Österreich die medizinische Behandlung der Drittbeschwerdeführerin gewesen sei. Die Mediziner seien in Österreich besser ausgebildet als in Georgien. Befragt, ob sich der Gesundheitszustand der Drittbeschwerdeführerin gebessert habe, seit die Familie in Österreich sei, brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass sie in Österreich weniger Anfälle als in Georgien hätte. In Georgien habe sie eine Tablette Rivotril in der Früh und eine am Abend eingenommen sowie 500 mg Depakin in der Früh und 500 mg am Abend. In Österreich nehme sie eine Tablette Rivotril mit 2 mg am Tag sowie 250 mg Depakin in der Früh und 250 mg Depakin am Abend. In Georgien habe sie zusätzlich noch Glizin eingenommen. In Österreich nehme sie nur Rivotril und Depakin ein.

4. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden wies das Bundesamt die Anträge auf internationalen Schutz für die Zuerkennung des Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien ab (Spruchpunkte I und II). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden nicht erteilt (Spruchpunkt III). Es wurden Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht (Spruchpunkt VI). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII) und gegen sämtliche Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII).

Diese Bescheide begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass der Grund der Beschwerdeführer für das Verlassen ihres Herkunftsstaates die kostenlose medizinische Behandlung der Drittbeschwerdeführerin in Österreich gewesen sei. Bei einer Rückkehr würde ihnen nicht die Lebensgrundlage gänzlich entzogen werden und sie würden nicht in eine ihre Existenz bedrohende Notlage gedrängt werden. Georgien gelte seit 2009 als sicherer Herkunftsstaat. Zudem würden Familienangehörige (nämlich Geschwister und Eltern) nach wie vor im Herkunftsstaat leben, zu denen ein gutes Verhältnis bestehe. Auch ein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich sei nicht erkennbar. Weiters seien die Beschwerdeführer mittellos und von der Unterstützung Dritter abhängig, weshalb gegen sie auf die Dauer von zwei Jahren befristete Einreiseverbote zu erlassen gewesen seien.

Diese Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 03.05.2018 zugestellt.

5. Gegen diese Bescheide richten sich die hier zu erledigenden gleichlautenden Beschwerden, welche am 24.05.2018 beim Bundesamt per Email einlangten. Darin rügen die Beschwerdeführer, dass das Ermittlungsverfahren sowie die Länderfeststellungen des Bundesamts mangelhaft geblieben seien, was zu unrichtigen Feststellungen geführt habe. Insbesondere habe das Bundesamt den aktuellen Gesundheitszustand der Drittbeschwerdeführerin nur unzureichend erhoben. Beantragt werde ein fachärztliches Gutachten für die Drittbeschwerdeführerin. Zudem hätte sich das Bundesamt nicht mit dem tatsächlichen Zugang zu einer Behandlung im Herkunftsstaat sowie mit den Konsequenzen einer Nicht-Behandlung beschäftigt. Ferner würden die angefochtenen Bescheide auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhen. Aufgrund der Kumulation von schwerwiegenden längerfristigen und umfassenden Diskriminierungen der georgischen Gesellschaft wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der mehrfachbehinderten Personen bzw. deren Familienmitgliedern sei eine Verfolgung im Sinne der GFK gegeben und bei einer Rückkehr sehr wahrscheinlich. Da die finanziellen Mittel der Beschwerdeführer nicht ausreichen würden, um die notwendige medizinische Behandlung der Drittbeschwerdeführerin zu tragen und sie auf kein familiäres Netzwerk in Georgien bauen könnten, welches sie finanziell unterstützen könnte, könne eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren durch Art. 2 und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten im Fall der Abschiebung nach Georgien nicht ausgeschlossen werden. Weiters könne eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Drittbeschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Georgien nicht ausgeschlossen werden. Auch wenn der EGMR und darauf aufbauend der VfGH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hätten, dass kein Fremder ein Recht habe, in einem bestimmten Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, so habe insbesondere der EGMR festgehalten, dass bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führe. Hier sei auf die Entscheidung des EGMR im Fall Paposhvili gegen Belgien zu verweisen. Aufgrund der im gegenständlichen Einzelfall vorliegenden außergewöhnlichen Umstände wäre den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Überdies würde die Abschiebung nach Georgien eine Verletzung des Rechts der Beschwerdeführer auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK darstellen.

6. Die Beschwerdeführer wurden am XXXX mittels Charterabschiebung nach Georgien abgeschoben.

7. Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurden die Beschwerden der zuvor zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der übrigen Beschwerdeführer. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Georgiens und weisen die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Identitäten auf. Sämtliche Beschwerdeführer reisten am 28.12.2017 nach Österreich ein. Im Herkunftsstaat lebten die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise zuletzt in Sagarejo, Georgien, im Haus der Eltern des Erstbeschwerdeführers. Für ca. drei bis vier Monate lebten die Beschwerdeführer in Telavi, Georgien, in einer Mietwohnung.

Alle Beschwerdeführer sind ethnische Georgier und sprechen muttersprachlich Georgisch. Sie sind christlich-orthodoxen Glaubens.

1.1.2. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über eine neunjährige Schulbildung sowie eine Berufsausbildung als Schweißer und Metaller. Er verfügte in Georgien durch Gelegenheitsarbeiten über ein Einkommen von ca. 600 bis 650 GEL monatlich. Der Erstbeschwerdeführer arbeitete in seinem Heimatort und für ca. drei bis vier Monate auch in Telavi, Georgien. Dort war es ihm möglich, leicht Arbeit zu finden. Sein Einkommen im Herkunftsstaat reichte für Nahrung und Arzneien aus.

Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über eine neunjährige Schulbildung und eine Ausbildung zur Kraftfahrerin. In Georgien war sie zwei Jahre lang in diesem Beruf tätig.

1.1.3. Die Eltern des Erstbeschwerdeführers leben in einem Haus in Sagarejo, Georgien, das sich in ihrem Eigentum befindet. Sie arbeiten als Landwirte. Eine Schwester des Erstbeschwerdeführers wohnt ebenfalls in Georgien in der Region Kachetien und ist verheiratet. Die andere Schwester des Erstbeschwerdeführers lebt in Italien; zu ihr hat der Erstbeschwerdeführer kein gutes Verhältnis. Zu den Verwandten in Georgien besteht ein gutes Verhältnis und auch regelmäßiger Kontakt. Eine finanzielle Unterstützung der Beschwerdeführer ist nicht möglich.

Die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin leben in der Region Kachetien in Georgien in einem Haus, das sich in ihrem Eigentum befindet. Die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin erhält eine monatliche Pension von 100 GEL. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht erwerbstätig. Der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Tiflis. Er arbeitet als Autowäscher. Die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin ist verheiratet und ist von ihrem Ehemann finanziell abhängig. Zu den Verwandten in Georgien besteht ein gutes Verhältnis und auch regelmäßiger Kontakt. Eine finanzielle Unterstützung der Beschwerdeführer ist nicht möglich.

1.1.4. In Österreich haben die Beschwerdeführer keine weiteren Verwandten. Die Beschwerdeführer unterhielten freundschaftliche Beziehungen zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin leisteten freiwillige Hilfsarbeiten in ihrer Unterkunft. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin besuchten den Basisbildungskurs der XXXX . Sie waren in Österreich in keinem Verein Mitglieder und sprechen nicht fortgeschritten Deutsch.

1.1.5. Erstbeschwerdeführer, Zweitbeschwerdeführerin, Viertbeschwerdeführer und Fünftbeschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden Erkrankungen.

Die Drittbeschwerdeführerin leidet an einer schweren cerebralen

Mehrfachbehinderung, Epilepsie, einer expressiven Sprachstörung,

einer umschriebenen Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen,

spastischer dyskinetischer Tetraplegie und Tetraparese sowie

Obstipation. Sie erhielt in Georgien in Dauermedikation Depakine (=

Valproat Retard) 500mg/Tag und Rivotril (= Clonazepam) 2mg/Tag. In

Österreich nahm sie unverändert die beiden genannten

antiepileptischen Dauermedikamente Depakine (= Valporat Retard)

500mg/Tag und Rivotril (= Clonazepam) 2mg/Tag ein.

Die Drittbeschwerdeführerin verfügt in Georgien über einen Behindertenstatus.

Bei der Erkrankung der Drittbeschwerdeführerin handelt es sich um keine lebensbedrohliche Erkrankung; die Erkrankung der Drittbeschwerdeführerin ist nicht heilbar. Die von der Drittbeschwerdeführerin eingenommenen Medikamente sind in Georgien verfügbar und wurden durch Drittbeschwerdeführerin schon vor der Ausreise im Herkunftsstaat regelmäßig eingenommen. Die von ihr unbedingt benötigten medizinischen Behandlungen stehen ihr in Georgien zur Verfügung.

1.1.6. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind erwerbsfähig und strafgerichtlich unbescholten. Sie sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen Beschwerdeführer ist durch deren Eltern gesichert.

1.1.7. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin waren in Österreich in Form von Hilfsdiensten in ihrer Unterkunft erwerbstätig und lebten mit ihren Kindern in Österreich von Leistungen der Grundversorgung.

Die Beschwerdeführer verfügten nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um für ihren Unterhalt in Österreich aufzukommen. Die Beschwerdeführer lebten in Österreich von Leistungen der Grundversorgung.

1.1.8. Sämtliche Beschwerdeführer wurden am XXXX mittels Charterabschiebung nach Georgien abgeschoben.

1.2. Zu den Vorbringen der Beschwerdeführer zum Grund ihrer Ausreise

Das Bundesamt stellte keine glaubhafte Verfolgung bzw. Bedrohung der Beschwerdeführer in Georgien fest. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich dem zweifelsfrei an.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Drittbeschwerdeführerin oder die übrigen Beschwerdeführer wegen der Behinderung der Drittbeschwerdeführerin in Georgien Übergriffen oder Diskriminierungen hier relevanten Ausmaßes ausgesetzt wären. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr ansonsten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung bzw. existentiellen Bedrohung ausgesetzt wären. Die Beschwerdeführer sind mit dem Motiv der Behandlung der Erkrankung der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin von Georgien nach Österreich gereist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Drittbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Georgien eine ernste, rasche und unwiederbringliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands mit einem außergewöhnlichen Ausmaß an Leidenszuständen oder einer erheblich verkürzten Lebenserwartung erleiden würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Georgien

1.3.1. Als örtliche Gegebenheiten festgestellt werden ausgewählte Kapitel des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation "Georgien" idF der Gesamtaktualisierung vom 12.09.2019:

2. Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. (FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

-

CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl:

Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

-

DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen,

https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin,

https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

-

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

-

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

-

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

-

Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen -

derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

-

Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

3. Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

-

EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

3.1. Regionale Problemzone: Abchasien

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 27.8.2018).

In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 13.3.2019).

Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 13.3.2019).

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 13.3.2019).

Zu den anhaltenden Problemen Abchasiens gehören ein mangelhaftes Strafrechtssystem, die Diskriminierung ethnischer Georgier und ein Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten. Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen "Behörden", dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.2.2019).

Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratie- politische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste, selbst für den Rücktritt des abchasischen "Staatspräsidenten" (FH 4.2.2019).

Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (USDOS 21.6.2019, vgl. FH 4.2.2019). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.2.2019).

Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.2.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Abkhazia,

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/abkhazia, Zugriff 20.8.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

-

USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011145.html, Zugriff am 20.8.2019

3.2. Regionale Problemzone: Südossetien

Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH 4.2019).

Im März 2017 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in den separatistischen Gebieten Abchasien und Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 27.8.2018, vgl. FH 4.2.2019). Obwohl die südossetischen de facto-Behörden den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien verweigern, gibt es eine besondere Übergangsregelung für diejenigen aus dem Bezirk Akhalgori. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019).

Die russische "Grenzverfestigung" (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 13.3.2019, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes - verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019). Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2018 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im November 2018 verabschiedete das Parlament Südossetiens ein neues Gesetz, das die Geldbußen für illegale Grenzübertritte um fast das Vierfache erhöht. Ende Dezember 2018 gaben die Behörden bekannt, dass ein spezieller Pass erforderlich sein würde, um die Grenze zu Georgien zu überschreiten (FH 4.2.2019).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Zahlreiche politische Parteien wurden durch bürokratische Hürden an der Registrierung vor den Parlamentswahlen 2019 gehindert. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung der vermeintlichen politischen Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.2.2019).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.2.2019).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.2.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

-

AI - Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019):

Human rights toll of "borderization" in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019ENGLISH.PDF, Zugriff am 20.8.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - South Ossetia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2014287.html, Zugriff 20.8.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

-

EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

5. Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector's Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für j

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten