TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 W119 2146428-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2146428-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. 12. 2016, Zl 1048717807-140306555/BMI-BFA_OOE_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 19. 12. 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der am 20. 12. 2014 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab er an, in der VR China die Grund- und Mittelschule besucht zu haben sowie verwitwet zu sein. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass seine Ehefrau in einem Hotel gearbeitet habe. Eines Tages sei seine Ehefrau von dem Sohn eines Beamten in diesem Hotel vergewaltigt worden. Sie sei im 3. Monat schwanger gewesen. Daraufhin habe sie im Hotel Selbstmord begangen. Als seine Ehefrau nicht nach Hause gekommen sei, habe er im Hotel angerufen, worauf ihm ihre Kollegen gesagt hätten, dass sie tot sei. Er sei zur Polizei gegangen, habe aber keine Hilfe erhalten. Er sei 9 Monate eingesperrt worden. Als er freigekommen sei, habe er den mutmaßlichen Täter umbringen wollen. Er habe sein Haus verkauft, um Geld zu erhalten. Da er aber er niemanden gefunden habe, der die Tat für ihn hätte begehen sollen, habe er eine Annonce für seine Reise nach Europa in das Internet gestellt. Er habe Angst gehabt, da er erfahren habe, dass der mutmaßliche Täter jemandem 100.000 RMB angeboten habe, um sein Bein abzuhacken.

Er habe diesen Mann, der seine Frau vergewaltigt habe, einmal verfolgt und ihn verletzt.

Am 20. 7. 2016 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und gab dort an, dass er seine Ehefrau am 24. 12. 2010 geehelicht habe. Er habe die VR China im Dezember 2014 verlassen. In den letzten drei Jahren sei er als Verkäufer tätig gewesen. Seine Ehefrau sei im März 2013 gestorben. Auf Vorhalt, dass er anlässlich der Erstbefragung den September 2013 als Todeszeitpunkt genannt habe, gab er an, dass es sich um einen Übersetzungsfehler handeln müsse. Auf die Frage, was mit der dem mutmaßlichen Täter zugefügten Verletzung passiert sei, gab er an, dass er aus der Zeitung erfahren habe, dass er von der Polizei gesucht werde. Diese hätte ihn nicht gefunden.

In weiterer Folge wiederholte der Beschwerdeführer seine bei der Erstbefragung gemachten Fluchtgründe. Weiters führte er aus, dass seine Ehefrau die Vergewaltigung angezeigt habe, diese dem aber nicht nachgegangen sei, weil der mutmaßliche Täter Sohn eines hohen Beamten gewesen sei. Den Namen des mutmaßlichen Täters kenne er nicht, lediglich seinen Spitznamen: " XXXX ". Er wisse nicht, warum er sich neun Monate in Haft befunden habe, nämlich von Mitte März 2013 bis Anfang Februar 2014. Er habe den Grund dafür nicht erfahren. Er sei auch persönlich bedroht worden, konkret von einer Mafiabande. Er habe zwar nie die Haustür geöffnet, sie hätten aber tote Tiere an die Haustür gehängt. Auf die Frage, wie er davon erfahren habe, dass sein Gegner 100.000 RMB geboten habe, damit ihm ein Bein abgehackt werde, gab er an, dass dies vor seiner Haustür gerufen worden sei.

Einem Aktenvermerk des Bundesamtes ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer vom AMS mit einer Arbeitsbewilligung, gültig vom 10. 5. bis 31. 10. 2015, in einem Chinarestaurant gearbeitet habe. Dem Antrag auf eine weitere Arbeitsbewilligung wurde nicht stattgegeben.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. 12. 2016, Zl 1048717807-140306555/BMI-BFA_OOE_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführerin gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde festgelegt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Mit Verfahrensanordnung vom 29. 12. 2016 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 6. 1. 2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, in der er zunächst auf einen ähnlich gelagerten Fall hinwies und weiters darlegte, dass die Richter in der VR China zumeist Mitglieder der kommunistischen Partei seien, sodass der Einfluss der Politik auf die Richter nicht ausgeschlossen werden könne.

Am 4. 12. 2019 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm. Der

Beschwerdeführer legte zunächst eine Einstellungszusage eines chinesischen Restaurantbesitzers vor. Weiters erklärte er zum Tod seiner Ehefrau, dass sie in einem Hotel gearbeitet habe und vom Sohn eines Beamten vergewaltigt worden sei. Sie habe daraufhin eine Anzeige erstattet, aber keine Rückmeldung erhalten. Dort habe man ihr erklärt, dass der Vater des mutmaßlichen Täters ein Beamter sei. Zu diesem Zeitpunkt sei sie im 3. Monat schwanger gewesen. Auf die Frage, ob er wisse, wo der Vater des mutmaßlichen Täters gearbeitet habe, gab er an, in der Region. Auf die Frage, woher er das wisse, gab er an, dass er in den letzten Jahren angerufen und nachgefragt habe. Konkret habe er nach China telefoniert. Er habe aber davon bereits erfahren, als er noch in China gewesen sei. Er habe einen Bekannten kontaktiert, der ihm diese Auskünfte gegeben habe. Diese Familie heiße XXXX . Er habe sich in China nicht getraut, den Namen der Familie des mutmaßlichen Täters zu erfragen. Dies deshalb, weil sie tote Tiere vor seine Haustür gehängt und mit Lack seine Haustür beschmiert hätten. Sie hätten ihm auch für den Fall, dass er nochmals eine Anzeige erstatten würde, gedroht, dass dies kein gutes Ende für ihn nehme.

Auf die Frage, wann er die Anzeige erstattet habe, gab er an, dass seine Ehefrau nicht zu Hause gewesen sei. Er sei daraufhin in das Hotel gegangen, wo sie gearbeitet habe. Eine gute Freundin von ihr habe ihm gesagt, dass sie sich umgebracht habe. Die Polizei habe ihm anlässlich seiner Anzeigenerhebung gesagt, dass sie sich um diese Angelegenheit nicht kümmern könne. Er solle sich an eine andere Stelle wenden. Er habe eine weitere Anzeige an eine andere Stelle erheben wollen, als er eine Drohung erhalten habe. Auf die Frage, ob noch weiteres passiert sei, gab er an, dass er für 9 Monate im Gefängnis inhaftiert gewesen sei. Es seien einige Polizisten zu ihm gekommen.

Er habe die erste Anzeige wahrscheinlich am 15. März erstattet. Die Polizisten seien im Mai erschienen. Es hätte an seiner Tür geklopft und vier oder fünf Polizisten hätten gesagt, dass er mit ihnen kommen solle. Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt ausgesagt habe, von März 2013 bis Februar 2014 in Haft gewesen zu sein, während er nunmehr vom Mai spreche, führte er aus, dass bei der Erstbefragung wahrscheinlich vom Entlassungsdatum 9 Monate zurückgerechnet worden seien. Auf Vorhalt, dass dies nicht stimmen könne, weil er beim Bundesamt von 11 Monaten Gefängnisdauer gesprochen habe, verneinte er dies.

Auf die Frage, wann er das erste Mal den Gedanken gehegt habe, den mutmaßlichen Täter zu töten, gab er an, dass dies nach der Festnahme gewesen sei. Er habe deshalb jemand anderen anstiften wollen, weil sich niemand um den Fall seiner Ehefrau gekümmert habe. Er habe die Tat selbst nicht ausgeführt, weil er Angst bekommen habe. Niemand habe diesen Auftrag annehmen wollen. Auf Vorhalt, dass zwischen seiner Entlassung und der von ihm datierten Tat ein halbes Jahr verstrichen sie, gab er an, dass er auch versucht habe, die Mafia zu beauftragen, die sich jedoch auch geweigert habe. Dann habe er es selbst getan. Er habe die Mafia nach seiner Entlassung beauftragt. Auf Vorhalt, dass er davon nichts erwähnt habe, schwieg er. Er habe den mutmaßlichen Täter im Oktober 2014 verletzt. Er habe ihn auf einem Foto gesehen. Er habe ihn in einem Hotel gefunden und ihn am Parkplatz verletzt. Auf die Frage, warum er China erst 2 Monate später verlassen habe, gab er an, dass er ansonsten verletzt, getötet oder in das Gefängnis gekommen wäre. Auf die Frage, ob er in dieser Zeit Probleme bekommen habe, gab er an, dass er sich versteckt gehalten habe. Er habe seine Wohnung verkauft. Er habe eine öffentliche Anzeige in einem Fischerdorf gesehen, in dem er sich versteckt habe. Er habe diese Anzeige im Fernsehen gesehen, wo es geheißen habe, dass er gesucht werde, weil er jemanden getötet habe. Auf die Frage, wie er seine Flucht organisiert habe, gab er an, dass er seine Flucht via Handy organisiert habe. Es gebe eine Seite, wo man Anzeigen schalten könne. Dort habe er geschrieben, dass er China verlassen wolle und ob ihm jemand helfen könne. Dazu habe er seinen Namen und Telefonnummer angeführt.

Auf die Frage, wie oft er eine Anzeige erstattet habe, gab er an, dass er einmal im Bezirk und einmal bei einer Polizeistelle gewesen sei. Auf die Frage, wann er bei der Polizeistelle gewesen sei, gab er an, nachdem er erfahren habe, dass seine Ehefrau gestorben sei. Auf die Frage, was eine "Anzeige beim Bezirk erstatten" bedeute, gab er an, dass sie ihn nicht hineingelassen hätten. Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt ausgesagt habe, er hätte eine Anzeige erstattet, aber keine Hilfe erhalten, gab er an, dass der Portier ihn abgewiesen habe.

Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt verneint habe, an einer anderen Polizeistelle eine Anzeige erstattet zu haben, gab er an, dass er einmal eine Anzeige erstattet habe, da er das erste Mal abgewiesen worden sei.

Auf die Frage der Rechtsberaterin, ob er näher erläutern könne, wie er die Anzeige erstattet habe, gab er an, dass er zuerst im Bezirk gewesen sei, wo er zurückgeschickt worden sei. Dann sei er zur Polizei gegangen, wo ihn ein Polizist auch abgelehnt und ihm gesagt habe, dass er sich darum nicht kümmern könne.

Zu seiner Integration in Österreich befragt, gab er an, keine Deutschkurse besucht zu haben, er im Buddhistischen Zentrum aushelfe und er zweimal eine Saisonarbeitsbewilligung erhalten habe. Er führe in Österreich kein Familienleben und besuche auch keine weiteren Kurse und Vereine. Er treffe Österreicher im Buddhistischen Zentrum. Er habe seit einigen Monaten eine Freundin, die er gelegentlich in einem Restaurant treffe. Er leide an Gicht, sei jedoch nicht in Behandlung.

Die Rechtsberaterin erstattete zu den in das Verfahren eingeführten Länderberichte eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist chinesischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Han-Chinesen an, ist protestantischen Glaubens und reiste im Dezember 2014 nach Österreich ein. Er stellte am 19. 12. 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er besuchte sechs Jahre die Grundschule und im Anschluss daran drei Jahre eine Mittelschule. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt durch Verkaufstätigkeiten. Der Beschwerdeführer ist verwitwet. Die Ehefrau des Beschwerdeführers, die in einem Hotel beschäftigt war, wurde dort im Jahr 2013 vergewaltigt. Nach einer Anzeige bei den Polizeibehörden, die erfolglos geblieben war, beging sie am 12. März 2013 Selbstmord.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er den mutmaßlichen Täter seiner Ehefrau verletzt und aus diesem Grund in der VR China von den Behörden gesucht werden soll, hat sich als nicht glaubwürdig erwiesen.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung und es besteht auch kein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf. Der Beschwerdeführer befindet sich wegen seiner Gichterkrankung nicht in ärztlicher Behandlung.

Er ist in einem erwerbsfähigen Alter und war bis zu seiner Ausreise aus der VR China erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer führt in Österreich weder ein Familienleben noch hat er in Österreich Verwandte. Er war vom 10. Mai bis 31. Oktober 2015 und vom 12. Mai bis zum 26. Oktober 2017 aufgrund einer vom AMS ausgestellten Arbeitsbewilligung erwerbstätig. Weitere Beschäftigungszeiten des Beschwerdeführers bestehen nicht. Er ist im Besitz einer Einstellungszusage. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer besucht das Buddhistische Zentrum, in dem er auch österreichische Staatsbürger kennengelernt hat. Er steht seit einigen Monaten mit einer Freundin in Kontakt, wobei dieses Zusammentreffen in gemeinsamen Restaurantbesuchen besteht. Er ist weder ehrenamtlich noch gemeinnützig tätig.

Zur Situation in der VR China:

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 10. 7. 2019)

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 10.07.2019: Nichtmehrvorlage des Gesetzesentwurfes zur Auslieferung, betrifft Abschnitt 2. Politische Lage.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat das geplante Auslieferungsgesetz, gegen das seit Wochen protestiert wird, als Reaktion auf anhaltenden Zweifel daran, dass der Entwurf tatsächlich nicht mehr vorgelegt wird, nun als "tot" bezeichnet (BBC 9.7.2019). Es gäbe "keinen Plan" (DS 9.7.2019), das auf Eis liegende Gesetzgebungsverfahren wieder in Gang zu setzten (SO 9.7.2019).

Gegner des Gesetzes kritisieren, das Lams Statement Wortspiele seien (TG 9.7.2019) und fordern den Rücktritt der als pekingtreu geltenden "Chief Executive" (CE) (DS 9.7.2019).

Am 1.7.2019, dem Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China, sind die seit Wochen andauernden Proteste eskaliert (SCMP 1.7.2019), nachdem hunderte Demonstranten und Demonstrantinnen kurzzeitig das Hongkonger Parlament besetzten (ZO 1.7.2019).

Eine am 7.7.2019 abgehaltene Protestaktion im Bereich des im Bezirk Kowloon gelegenen Terminals für die grenzüberschreitende Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke (SCMP 7.7.2019), verfolgte das Ziel, Unterstützung der Proteste von Besuchern des chinesischen Festlands zu lukrieren (SCMP 7.7.2019). Gemäß unterschiedlichen Angaben waren zwischen 56.000 und 230.000 Personen daran beteiligt (DW 8.7.2019). Sechs Demonstranten wurden festgenommen (FAZ 8.7.2019).

Quellen: ? BBC - British Broadcasting Corporation (9.7.2019): Hong Kong extradition bill 'is dead' says Carrie Lam, https://www.bbc.com/news/world-asia-china-48917796, Zugriff 9.7.2019 ? DS - Der Standard (9.7.2019): Hongkongs Demonstranten werfen Lam "Wortspielereien" vor,

https://www.derstandard.at/story/2000106069832/hongkongsregierungschefin-bezeichnet-auslieferungsgesetz-als-tot, Zugriff 9.7.2019 ? DW - Deutsche Welle (8.7.2019): Demonstration in Hongkong eskaliert erneut,

https://www.dw.com/de/demonstration-in-hongkong-eskaliert-erneut/a-49508012, Zugriff 9.7.2019 ? FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (8.7.2019):

Abermals Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/erneut-festnahmen-von-demonstranten-inhongkong-16273834.html, Zugriff 9.7.2019 ? SCMP - South China Morning Post (7.7.2019):

Anti-extradition bill protest at West Kowloon station aims to gain support from mainland Chinese

https://www.scmp.com/video/scmp-originals/3017617/anti-extradition-bill-protestwest-kowloon-station-aims-gain-support, Zugriff 9.7.2019 ? SCMP - South China Morning Post (1.7.2019):

Hundreds of anti-government protesters storm Hong Kong legislature on anniversary of handover to China, https://www.scmp.com/video/hong-kong/3016840/hundreds-anti-governmentprotesters-storm-hong-kong-legislature-anniversary, Zugriff 3.7.2019 ? SO - Spiegel Online (9.7.2019): Carrie Lam bezeichnet Auslieferungsgesetz als "tot",https://www.spiegel.de/politik/ausland/hongkong-regierungschefin-carrie-lambezeichnet-auslieferungsgesetz-als-tot-a-1276423.html, Zugriff 10.7.2019 ? TG - The Guardian (9.7.2017): 'The bill is dead' but Hong Kong protesters are not appeased by Carrie Lam declaration, https://www.theguardian.com/world/2019/jul/09/the-bill-is-dead-but-hong-kongprotesters-are-not-appeased-by-carrie-lams-declaration, Zugriff 9.7.2019 ? ZO - Zeit Online (1.7.2019): Polizei räumt besetztes Parlament,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/proteste-hongkong-rueckgabe-chinademonstration, Zugriff 9.7.2019

KI vom 19.06.2019: Massenproteste gegen Auslieferungsgesetz, betrifft Abschnitt 2. Politische Lage.

Am 9.6.2019 demonstrierten Hunderttausende (DS 10.6.2019), die Organisatoren gehen von mehr als einer Million Menschen aus (BBC 10.6.2019), während die Polizei von etwa 240.000 Personen spricht, in der Sonderverwaltungszone Hongkong gegen ein neues Gesetz, welches eine künftige Auslieferung von verdächtigen Kriminellen an die Behörden in China ermöglichen soll. Peking verhinderte eine Berichterstattung über die Proteste, OnlineNachrichten wurden geblockt und alle Sendungen von CNN und BBC ausgeblendet (DS 10.6.2019).

Am 12.6.19 blockierten zehntausende Demonstranten den Zugang zum Parlaments- und Regierungssitz und verhinderten damit eine für diesen Tag anberaumte Debatte zum Auslieferungsgesetz im Legislativrat der Sonderverwaltungszone. Die Polizei ging daraufhin mit Tränengas, Wasserwerfern (AJ 17.6.2019) und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor (TS 17.6.2019). Etwa 80 Personen, davon 22 Angehörige der Polizei, wurden verletzt. Ein Mann starb als er aus einem Gebäude fiel, in welchem er protestiert hat (TS 17.6.2019).

Trotz der Aussetzung des Gesetzesentwurfs durch Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am 15.6.2019 (AJ 17.6.2019), versammelten sich am 16.6.2019 erneut zahlreiche Menschen zu Protestaktionen (ZO 16.6.2019). Gemäß den Angaben der größten Protestgruppe protestierten dabei fast zwei Millionen Menschen gegen die geplanten Änderungen der Auslieferungsbestimmungen (DS 16.6.2019). Auch besteht von Seiten der Demonstranten Skepsis gegenüber Lams Entscheidung zur Aussetzung des Gesetzes (BBC 16.6.2019). Die Demonstrierenden fordern, das Gesetzesvorhaben ganz aufzugeben. Sie sehen darin einen Einschnitt in Hongkongs Autonomie und eine Bedrohungen ihrer demokratischen Rechte und Freiheiten und befürchten, dass China das Gesetz missbrauchen wird, um unliebsame Kritiker und Dissidenten vor Gericht zu stellen (ZO 18.6.2019). Kritiker weisen auch darauf hin, dass das Justizsystem in der Volksrepublik nicht unabhängig ist, nicht internationalen Standards entspricht und Andersdenkende politisch verfolgt (ZO 28.4.2019). Lam entschuldigte sich mehr als einer Woche nach Ausbruch der Massenproteste persönlich, schloss aber die Forderung der Demonstranten nach einem Rücktritt aus (NBC 18.6.2019).

Seit Juli 1997 ist Hongkong eine Sonderverwaltungsregion (SVR) der Volksrepublik China und untersteht der chinesischen Verfassung der Zentralregierung in Peking. Hongkong genießt jedoch einen hohen Grad an Autonomie in allen Angelegenheiten mit Ausnahme der Außen- und der Verteidigungspolitik (AA 12.3.2019). So nahmen am 4.6.2019, dem 30. Jahrestag der Erhebung, im Zuge des Gedenkens anlässlich der gewaltsamen Niederschlagung von Studentenprotesten am Tian'amen-Platz in Peking im Jahr 1989, in Hongkong, laut Organisatoren, etwa 180.000 Menschen an einer Kundgebung teil. Am chinesischen Festland hingegen wurde jede Form von öffentlichem Gedenken durch scharfe Sicherheitsvorkehrungen verunmöglicht (SK 4.6.2019).

* Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.3.2019): Hongkong: Innenpolitk, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/hongkong-node/-/200956, Zugriff 17.6.2019 ?

* AJ - Al Jazeera (17.6.2019): Hong Kong protests: All the latest updates,

https://www.aljazeera.com/news/2019/06/hong-kong-protests-latest-updates190612074625753.html, Zugriff 19.6.2019 ?

* BBC - British Broadcasting Corporation (16.6.2019): Hong Kong extradition bill: Protesters return to streets despite suspension, https://www.bbc.com/news/worldasia-china-48649077, Zugriff 18.6.2019 ?

* BBC - British Broadcasting Corporation (10.6.2019): Hong Kong extradition protests: Do China demonstrations ever work? https://www.bbc.com/news/world-asia-china48581797, Zugriff 11.6.2019

DS -

* Der Standard (16.6.2019): Hongkonger protestieren gegen Auslieferungsgesetz,

https://derstandard.at/2000104632546/Hongkonger-kaempfengegen-boeses-Gesetz-und-fuer-ihre-Selbstbestimmung, Zugriff 10.6.2019 ?

* DS - Der Standard (10.6.2019): Regierungschefin Lam entschuldigte sich nach Massenprotesten,

https://derstandard.at/2000104916865/Hongkongs-Fuehrung-setztumstrittenes-Auslieferungsgesetz-aus, Zugriff 13.6.2019 ?

* NBC - National Broadcasting Company (18.6.2019): Hong Kong leader issues 'sincere apology,' refuses to resign or withdraw bill, https://www.nbcnews.com/news/world/hong-kong-leader-issues-sincere-apologyrefuses-resign-or-withdraw-n1018596, Zugriff 19.6.2019

* SK - Südkurier (4.6.2019): 30. Jahrestag des Massakers:

Zehntausende Menschen demonstrieren in Hongkong, https://www.suedkurier.de/ueberregional/politik/30Jahrestag-des-Massakers-Zehntausende-Menschen-demonstrieren-inHongkong;art410924,10171743, Zugriff 17.6.2019 TS - The Star (17.6.2019): Fresh protests choke

HK,

https://www.thestar.com.my/news/regional/2019/06/17/fresh-protests-choke-hk/, Zugriff 18.6.2019

* ZO - Zeit Online (18.6.2019): Hongkongs Regierung bittet um Verzeihung,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/massenproteste-hongkongauslieferungsgesetz-regierungschefin-carrie-lam, Zugriff 19.6.2019 ZO - Zeit Online (16.6.2019): Demonstranten in Hongkong versammeln sich zu neuem Massenprotest, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/hongkongmassenproteste-auslieferungsgesetz-ruecktrittsforderungs-regierungschefin, Zugriff 18.6.2019

* ZO - Zeit Online (28.4.2019): Zehntausende protestieren gegen Auslieferungsgesetz,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/hongkong-proteste-abschiebung-chinaauslieferung-verdaechtige, Zugriff 10.6.2019

KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.

Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).

Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).

International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).

Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).

Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).

Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).

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Quellen:

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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018

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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018

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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018

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DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,

http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018

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DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018

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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018

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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018

Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

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AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

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China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

Tibet

China regiert Tibet über die Administration der "Autonomen Region Tibet" (TAR) und 12 autonome Präfekturen bzw. Landkreise in den angrenzenden Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan (FH 1.2017b).

Spannungen in tibetischen Gebieten dauerten zwischen ethnischen und religiösen Gruppierungen - insbesondere zwischen Han-Chinesen und Tibetern - ebenso weiter an, wie Auseinandersetzungen zwischen Tibetern und Hui-Muslimen (USDOS 15.8.2017). Die Regierung geht gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet mit besonderer Härte vor (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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FH - Freedom House (1.2017b): Freedom in the World 2017 - Tibet, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/tibet, Zugriff 4.8.2017

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USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - China, http://www.ecoi.net/local_link/345283/489076_de.html, Zugriff 28.8.2017

Xinjiang

Widerstand gegen die Zentralregierung und die lokale Regierungspolitik wurde 2016 in friedlichen Protesten, aber auch durch Einsatz von Sprengsätzen und andere gewalttätigen Angriffe ausgedrückt. Die chinesische Regierung behauptet, in der Region terroristischen Kräften gegenüber zu stehen und führt Counterterror-Operationen durch (HRW 12.1.2017). Im Namen der Terrorismusbekämpfung kam es zu Belästigungen durch Beamte, zu willkürlichen Festnahmen und zu beschleunigten Gerichtsverfahren gegenüber Personengruppen, welche friedlich ihrem Recht auf Meinungsäußerung nachkamen (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Details über Proteste, Gewalt und Terrorismus sind jedoch aufgrund der wenigen unabhängigen Informationsquellen rar. Dies gilt auch für Informationen über die Terrorismusbekämpfung (HRW 12.1.2017).

In der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) verfolgt die chinesische Zentralregierung einen zweigleisigen Ansatz: zum einen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungs-Triade (religiöser) Extremismus, (ethnischer) Separatismus und (internationaler) Terrorismus, zum anderen Wirtschaftsförderung und Erhöhung des Lebensstandards der Menschen mit dem Ziel der Gewährleistung sozialer Stabilität bzw. Eindämmung von Unruhepotential (AA 15.12.2016). 2013 erfolgte eine Eskalation der Gewalt, bei der ca. 200 Menschen ums Leben kamen. Die Gewaltspirale wird dabei zunehmend auch in andere Regionen Chinas getragen. 2013/2014 kam es zu drei, offenbar von Uiguren verübten Anschlägen, die sich gegen Unbeteiligte richteten (AA 15.10.2014). Die Gewalt in Xinjiang hat sich auch 2015 auf beunruhigend hohem Niveau fortgesetzt. Der letzte (bekannt gewordene) blutige Anschlag großen Ausmaßes ereignete sich im September 2015, als im Bezirk Aksu über 50 Han-chinesische Minenarbeiter nachts in ihrem Schlafsaal ermordet wurden. Darauf antworteten die chinesischen Sicherheitskräfte einige Wochen später mit der Erschießung von 18 uigurischen Tatverdächtigen, darunter auch Frauen und Kinder. Diese harte Reaktion der Sicherheitsbehörden ist Teil der im Mai 2014 gestarteten "strike hard" Kampagne in Xinjiang, über die Schnellverfahren und Massenurteile institutionalisiert wurden. 2015 hat sich nach chinesischen Angaben die Zahl der Verurteilungen wegen Terrorismus und Separatismus auf über 1.400 verdoppelt. Der allergrößte Teil dieser Urteile steht aller Voraussicht nach in Zusammenhang mit Xinjiang, wo im August 2016 das erste provinzeigene Antiterrorgesetz verabschiedet wurde. Seit Beginn des Jahres scheint diese Härte Wirkung zu zeigen. Die Regierung stuft die Lage mittlerweile als "relativ stabil" ein, woraufhin Berichten zufolge auch einige Bewegungsbeschränkungen gelockert worden sein sollen (AA 15.12.2016).

Ethnische Diskriminierung, religiöse Repressionen und Erhöhung der kulturellen Unterdrückung durch die Regierung im Namen des "Kampfes gegen Separatismus, religiösen Extremismus und Terrorismus" führen weiterhin zu steigenden Spannungen in Xinjiang (HRW 12.1.2017).

China macht seit Jahren im Exil lebende uigurische Separatisten für eine Reihe von Angriffen in Xinjiang verantwortlich (Aljazeera 1.3.2017).

Quellen:

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Aljazeera (1.3.2017): ISIL video threatens China with 'rivers of bloodshed',

http://www.aljazeera.com/news/2017/03/isil-video-threatens-china-rivers-bloodshed-170301103927503.html, Zugriff 14.9.2017

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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 7.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 24.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 7.8.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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