TE Bvwg Beschluss 2020/2/12 W279 2134853-2

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Veröffentlicht am 12.02.2020
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Entscheidungsdatum

12.02.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W279 2134853-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2020, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX 1994, StA. Afghanistan:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Erster Antrag auf internationalen Schutz

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans reiste unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein und stellte am

XXXX 11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der BF im Zuge seiner Erstbefragung im Wesentlichen vor, dass sein Bruder in Afghanistan Polizist gewesen sei und einige Taliban verhaftet habe. In weiterer Folge hätten andere Mitglieder der Taliban diesen bedroht, ihre Gefährten wieder frei zu lassen. Da sein Bruder diesem Auftrag jedoch nicht nachgekommen sei, hätten die Taliban diesen und einen weiteren Bruder sowie die Ehefrau des BF erschossen. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme erklärte der BF, dass einer seiner Brüder Staatsanwalt gewesen sei und von den Taliban aufgefordert worden sei, mehrere Gefangene zu entlassen. Da er dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen sei, hätten sie ihn und seinen weiteren Bruder sowie dessen Ehefrauen und seine Eltern ermordet.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25.08.2016, Zl. 1095744409/151817466, wurde der Antrag gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Antragsteller gem. § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

1.3. Eine gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.12.2019, W172 2134853-1/25E, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Tatsache, dass der BF beim Bundesamt keine widerspruchsfreien Angaben zu seiner vermeintlichen Gefährdungslage machen habe können, noch nicht einmal auf Nachfragen, die Widersprüche eines vermeintlichen Sachverhaltes aufklären habe können, erschüttere die Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgeschichte massiv. Abgesehen von den Ungereimtheiten habe der BF sein Vorbringen viel zu blass und wenig detailreich geschildert.

Das Erkenntnis erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

2. Zweiter Antrag auf internationalen Schutz (erster Folgeantrag)

2.1. Am 18.01.2020 stellte der Antragsteller in Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und führte im Zuge der Befragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus, dass er sich nach dem Verlassen Österreichs von 17.11.2019 bis zum 20.12.2019 in Deutschland aufgehalten habe. Seine alten Asylgründe würden aufrecht bleiben und er wolle nunmehr vorbringen, dass er ein Kleidergeschäft in Herat gehabt habe und Waren von Kabul nach Herat transportiert habe. Die Taliban hätten ihn aufgefordert, den Boten zu spielen und für sie eine bestimmte Ware auszuliefern. Er sei dieser Forderung jedoch nicht nachgekommen. Er habe Beweismittel dafür, dass die Taliban seinen Bruder getötet hätten. Überdies wolle er vorbringen, dass die Recherchen von Dr. Rassuly bezüglich seines Halbbruders nicht der Wahrheit entsprechen würden. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wäre er gezwungen, die Taliban zu unterstützen.

2.2. Anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 23.12.2019 vor dem BFA, gab der Antragsteller zusammenfassend an, dass er in Deutschland keinen Asylantrag gestellt habe, da er sich in Frankreich bessere Chancen erwartet habe. Er halte sich seit Ende 2015 durchgehend in Europa auf. Er sei niemals festgenommen oder verurteilt worden und sei bislang auch keiner illegalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Zur Frage, welcher Beschäftigung er im Heimatland nachgegangen sei, entgegnete der BF, dass er in Herat seinen Lebensunterhalt als Inhaber eines Textilgeschäftes verdient habe. Die Fragen, ob er in Österreich Familienangehörige habe oder in Österreich soziale Kontakte pflege, wurden vom BF verneint. Seine Kernfamilie lebe im Herkunftsstaat und er könnte bei einer Rückkehr im Heimatland eine Beschäftigung annehmen. Derzeit habe er kein Vermögen.

2.3. Am 27.01.2020 wurde der Antragsteller in Anwesenheit eines Rechtsberaters vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Stellung seines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutzes einvernommen. Nach seinem Gesundheitszustand befragt, führte der BF aus, dass es ihm gut gehe und er in ganz Europa keine Familienangehörigen habe. Die Frage, ob er jemals Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär gehabt habe, wurde vom BF verneint und vorgebracht, dass er nur mit den Taliban Probleme gehabt habe. Er habe sich gegenüber anderen Mitgliedern seiner Volksgruppe nicht benachteiligt gefühlt. In Österreich habe er bislang einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 und A2 absolviert. Seine Schwester sei nach wie vor im Heimatland aufhältig, er habe zu ihr jedoch nur selten Kontakt. Auf Vorhalt, ob er nach wie vor freiwillig in sein Heimatland zurückkehren wolle, entgegnete der BF, dass er sich aufgrund von Problemen nicht mehr in den Herkunftsstaat begeben wolle. Befragt, wieso er neuerlich um Asyl ansuche, erklärte der BF, dass er in Afghanistan Probleme habe und deswegen geflohen sei. Seine alten Gründe würden aufrecht bleiben, es habe jedoch Änderungen gegeben. Zum weiteren Vorhalt, was er mit diesem Vorbringen genau meine, erwiderte der BF, dass die Taliban von seiner gesamten Familie verlangt hätten, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Auf Nachfrage, was er für die Taliban hätte machen sollen, gab der BF an, dass er für diese Auslieferungen vornehmen hätte sollen. Vorgehalten, dass er im Erstverfahren angegeben habe, als Koch in einem Restaurant gearbeitet zu haben und nunmehr zu Protokoll gebe, ein Kleidergeschäft gehabt zu haben, brachte der BF vor, dass er 20 Jahre in einem Kleidergeschäft gearbeitet habe und nach einem Umzug nach Herat anschließend vier bis fünf Monate in einem Restaurant gearbeitet habe. Auf weiteren Vorhalt, dass diese Angaben nicht stimmen könnten, da er nunmehr 26 Jahre sei und unter Zugrundelegung dieser Angaben bereits im Alter von fünf Jahren ein Geschäft gehabt hätten, führte der BF aus, dass er bereits im Alter von zwei Jahren immer bei seinem Bruder im Geschäft gewesen sei. Ein Bruder sei Polizist gewesen, der andere habe ein Kleidergeschäft gehabt. Zum weiteren Vorhalt, dass er vormals erklärt habe, dass sein Bruder Staatsanwalt sei und der andere Bruder als Lebensmittelverkäufer tätig gewesen sei, führte der BF aus, dass der Dolmetscher falsch übersetzt habe. Vorgehalten, dass er in mehreren Einvernahmen mit mehreren Dolmetschern sowie auch in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgehend angegeben habe, dass sein Bruder Staatsanwalt sei, entgegnete der BF, dass dieser Einwand nicht stimme, da er in diesen Einvernahmen erklärt habe, dass sein Bruder bei einer Behörde arbeite. Befragt, ob er etwas für die Taliban transportiert habe, erwiderte der BF, dass er dies nicht getan habe, da er ansonsten in Afghanistan hätte bleiben können. Auf die Frage, was passiert sei, nachdem er das Angebot abgelehnt habe, brachte der BF vor, dass sein Bruder und er selbst etliche Male Briefe von den Taliban erhalten hätten, dass sie diverse Zustellvorgänge vornehmen hätten sollen. Da in weiterer Folge der Bruder des BF umgebracht worden sei, habe sich der BF dazu entschlossen, Afghanistan zu verlassen. Zur Frage, wo seine Eltern bzw. sein anderer Bruder leben würden, gab der BF an, dass alle bereits verstorben seien. Seine Mutter sei bereits gestorben, als er erst ein Kind gewesen sei. Zum Vorhalt, wieso er im Erstverfahren angegeben habe, dass seine Brüder, seine Schwägerinnen und seine Mutter von den Taliban im eigenen Haus umgebracht worden seien, replizierte der BF, dass er auch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA bereits vom Tod seines Bruders berichtet habe. Auf weiteren Vorhalt, dass er zwar angebe, dass seine Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren aufrecht seien und er nunmehr weitere Probleme mit den Taliban vorbringe, seine aktuellen Ausführungen in direkten Abgleich mit den Angaben aus dem Erstverfahren jedoch deutliche Widersprüche hervorheben würden, entgegnete der BF, dass er gezwungen werde, zu lügen.

Am 23.01.2020 langte beim BFA ein Antrag auf freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat ein.

2.4. Am 27.01.2020 wurde dem Antragsteller der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich verkündet und die mündliche Verkündung beurkundet.

Begründend legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dar, dass die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung aufrecht sei, zumal er zwischenzeitlich das Bundesgebiet zwar verlassen habe bzw. 18 Monate nicht vorbei seien. Der BF verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht und sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung, z.B die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seien bereits gegeben. Auch habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsstaat nicht entscheidungswesentlich geändert. Bereits in seinem Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen werde. Auch bezüglich der persönlichen Verhältnisse sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsland in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass dem BF keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben, drohe. Es würden somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen.

Mit Mitteilung des BFA vom 28.01.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt bezüglich der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes übermittelt und angemerkt, dass sich der BF derzeit in Schubhaft befinde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und führt die im Spruch angegebenen Daten; seine präzise Identität steht nicht fest. Er hält sich nach einer Rücküberstellung aus Deutschland zumindest seit 20.12.2019 wieder im Bundesgebiet auf, wobei er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügte.

Der Antragsteller stellte nach irregulärer Einreise am XXXX 11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Diesen begründete er damit, dass sein Bruder aufgrund seiner Tätigkeit als Bruder bzw. Staatsanwalt Probleme mit den Taliban bekommen habe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 25.08.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.)

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2019, W172 2134853-1/25E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer begab sich nach Abschluss seines ersten Verfahrens nach Deutschland und wurde am 20.12.2019 nach Österreich zurückgeschoben, wo er aus dem Stande der Schubhaft am 17.01.2020 einen zweiten Antrag (Folgeantrag) auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 27.01.2020 wurde diesbezüglich der faktische Abschiebeschutz des Antragstellers gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des Erstantrages ergeben hätte, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat.

Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der Beschwerdeführer auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Abschlusses des letzten inhaltlichen vom Beschwerdeführer initiierten Verfahrens bestanden haben und die bereits im letzten inhaltlichen Verfahren als unglaubwürdig gewertet wurden bzw. auf ein Vorbringen, das darauf aufbauend in seinem Kern aufgrund massiver Steigerungen bereits als unglaubwürdig zu werten ist.

Hinweise auf entscheidungsrelevante gesundheitliche Probleme des Antragstellers liegen nicht vor. Der BF brachte keine medizinischen Unterlagen in Vorlage. In Österreich hat der Antragsteller keine familiären oder sozialen Bindungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan läuft der Antragsteller nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose, beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person und den privaten und familiären Verhältnissen des Antragstellers ergeben sich aus seinen Angaben, jene zum Verfahrensablauf ergeben sich aus der Aktenlage. Sein Fluchtvorbringen hinsichtlich einer Verfolgung durch Taliban sowie die Lage im Herkunftsstaat wurde eingehend im mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2019 rechtskräftig entschiedenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erörtert und abgewogen.

Wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid vom 27.01.2020 darlegte, hat sich das Vorbringen des Antragstellers lediglich auf das Fortbestehen der bereits im ersten und zweiten Verfahren behaupteten und rechtskräftig als unglaubhaft bewerteten Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Behörden des Herkunftsstaates bezogen. Im ersten Verfahren begründete der Antragsteller diese Furcht vor Verfolgung mit einer Drohungen der Taliban gegen seinen Bruder.

Die vom BF im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates nämlich, dass seine ganze Familie zur Zusammenarbeit aufgefordert worden sei und er persönlich von den Taliban aufgefordert worden sei, für sie bestimmte Lieferungen nach Kabul vorzunehmen, stellen eine Steigerung seines Fluchtvorbringens dar. Daraus leitet sich ab, dass der BF in dem Zeitraum nach Erlassung des rechtskräftigen negativen Bescheides durch das BFA, keine neuen Sachverhaltselemente glaubwürdig vorgebracht hat. Sein Vorbringen zu den Aufforderungen der Taliban, für sie bestimmte Waren nach Kabul zu transportieren, ist als gesteigertes Vorbringen zu werten und ändert - abgesehen von der Unglaubwürdigkeit der in diesem Zusammenhang getätigten Aussagen - nichts an der Identität der Sache. Überdies ist dem BFA beizupflichten, wenn es im angefochtenen Bescheid ausführt, dass die zu Protokoll gegebenen Zeitangaben des BFA nicht den Denkgesetzen der Logik entsprechen und bereits persönliche Daten des BF wie Berufs-und Familienstand sowie Todesursache seiner Familienmitglieder im Rahmen seiner Einvernahmen gänzlich divergierend vorgebracht wurden.

Eine für den Antragsteller relevante Änderung an der Situation in seinem Herkunftsstaat kann anhand der Feststellungen im mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2020, denen der Antragsteller im Verfahren nicht entgegengetreten ist, nicht erkannt werden. Umstände, die in der Person des Beschwerdeführers liegen, insbesondere sein Gesundheitszustand und die privaten und familiären Verhältnisse des Antragstellers in Österreich, sind seit dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2019, im Wesentlichen unverändert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im Zuge eines Verfahrens über einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Daher war diese Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 BFA-VG dahingehend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen.

Im Einzelnen bedeutet dies:

1.) Aufrechte Rückkehrentscheidung (§ 12a Abs 2 Z 1 AslyG 2005):

Gegen den Antragsteller liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor, konkret die zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2020, Zl. XXXX , bestätigte.

2.) Res iudicata (entschiedene Sache) (§ 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005):

Objektiv nachvollziehbare und glaubhafte neue Tatsachen hat der Antragsteller nicht vorgebracht; insbesondere legte er auch keine Beweismittel vor. In Bezug auf die Fluchtgründe des Antragstellers liegt voraussichtlich eine entschiedene Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG vor und steht das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2019, Zl. W172 2134853-1/25E, einer neuerlichen Absprache über diese Gründe sohin voraussichtlich entgegen.

Auch im Hinblick auf die Sicherheits- und Versorgungslage in seinem Herkunftsland brachte der Antragsteller nichts Substantiiertes vor.

Es ist daher nach einer Grobprüfung davon auszugehen, dass der gegenständliche Folgeantrag gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

3.) Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK (§ 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005):

Im ersten Verfahren wegen internationalen Schutzes haben das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG).

Auch im nunmehr zweiten Verfahren wegen internationalen Schutzes sind keine Risiken für den Antragsteller im Sinne von § 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen, in der Person des Antragstellers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine asylrelevante, schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden, wie in der Beweiswürdigung umfassend dargelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Ra 2016/01/0096 vom 13.9.2016 ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde - es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl etwa das Urteil des EGMR vom 5.9.2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09).

Demzufolge müsste die Gefährdung des Antragstellers im Sinne des Art 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden.

Eine, den Antragsteller individuell drohende Verfolgung hat dieser auch nicht glaubhaft vorgebracht.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl etwa VwGH vom 19.2.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2016/19/0036 vom 25.5.2016 ausführt, kann die Außerlandesschaffung eines Fremden auch dann gegen Art 3 EMRK verstoßen, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden höchstgerichtlichen Judikatur ist eine solche Situation jedoch nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 EMRK notwendig, konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden beziehungsweise amtswegig hervorgekommen, dass der Antragsteller einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre.

Entsprechend den obigen Ausführungen, stellt - nach der Prüfung des Aktes im hier erforderlichen Ausmaß - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar beziehungsweise ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art 8 EMRK gerechtfertigt.

Unter Hinweis auf die im Verwaltungsakt einliegenden Länderberichte ist davon auszugehen, dass für den Antragsteller als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

4.) Rechtmäßigkeit des Verfahrens: Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs 3 AVG) zu beachten ist.

Die belangte Behörde hat das Ermittlungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.

Gemäß § 22 Abs 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG 2005 in gegenständlichem Fall gegeben; es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr spricht die gegenständliche Tatsachenlastigkeit des vorliegenden Falles gegen das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2134853.2.00

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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