Entscheidungsdatum
12.02.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W195 2216776-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2019, XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung am 29.01.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
I.1. Der Beschwerdeführer, ein bengalischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen das Bundesamt für Fremdenwessen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit Bescheid vom 12.02.2018, XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abwies (Spruchpunkt II.). Einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 erteilte das BFA nicht (Spruchpunkt III.), es erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.) und es setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
Dieser Bescheid wurde nicht bekämpft und erwuchs nach Zustellung am 14.02.2018 in Rechtskraft per 16.03.2018.
I.2. Der BF kam seiner aus dieser Entscheidung resultierenden Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern zog es vor, seinen nunmehr illegalen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet fortzusetzen.
I.3. Am 11.01.2019 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte.
I.4. Mit Schreiben vom 30.01.2019 verständigte das BFA den BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihm eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
I.5. Am 14.02.2019 brachte der BF beim BFA eine Stellungnahme ein. In dieser führte er im Wesentlichen aus, er habe seine Identität nicht verschleiert. Seine Abschiebung sei nicht erfolgt und in Zukunft auch nicht möglich. Er verfüge über kein gültiges bengalisches Reisedokument. Ein Ersatzreisedokument sei für den BF bisher von Bangladesch nicht ausgestellt worden. Es könne ihm daher nicht vorgeworfen werden, dass seine Abschiebung aus von ihm zu vertretenden Gründen gem. § 46a Abs. 3 FPG unmöglich sei. Es sei dem BF daher derzeit unmöglich, nach Bangladesch zurückzukehren.
Der Stellungnahme legte der BF zwei Flixbusfahrscheine (Graz - Wien sowie Wien - Graz, beide für Fahrten am 12.02.2019) bei.
I.6. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG ab.
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass eine allfällige nicht mögliche Abschiebung dem unkooperativen Verhalten des BF zuzurechnen sei. Seit der Durchsetzbarkeit der Entscheidung sei der BF zur Ausreise verpflichtet und er sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. In Österreich sei der BF weder beruflich noch sozial verankert. Seit der rechtskräftigen Entscheidung vom 30.03.2018 (gemeint: 12.02.2018) seien keinerlei Änderungen seiner privaten und familiären Verhältnisse hervorgekommen. Da die Abschiebung des BF nicht unzulässig sei und das BFA von Amts wegen nicht festgestellt habe, dass seine Abschiebung aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei, sei er nicht geduldet. Da in seinem Fall somit die Voraussetzung der Duldung gem. § 46a Abs. 1 Z 3 FPG nicht vorliege, sei sein Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete somit gem. § 46a Abs. 4 FPG abzuweisen.
I.7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF - durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH vertretene - rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Darin bringt er - nach einer Wiederholung des Verfahrensganges und des behaupteten Sachverhalts - soweit wesentlich vor, der BF sei in seinem Parteiengehör verletzt worden. Dazu beantrage er die Einvernahme eines Zeugen. Er sei tatsächlich bei der bengalischen Botschaft gewesen. Seine Abschiebung sei aus tatsächlichen nicht von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich. Die Botschaft habe sich geweigert, ihm einen Reisepass auszustellen und sie habe ihm auch keine Bestätigung für seinen Botschaftsbesuch ausgestellt. Der BF habe ein rechtliches Interesse an der Ausstellung einer Karte für Geduldete.
Die Beschwerde beantragt, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und auszusprechen, dass dem BF eine Karte für Geduldete auszustellen sei, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts durchzuführen und in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen.
I.8. Mit Schreiben vom 07.01.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 29.01.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.9. Am 29.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich zum Beschwerdegegenstand, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.
Der gesunde BF hat zu seinen Verwandten in Bangladesch regelmäßig Kontakt. Kinder, eine Beziehung oder Verwandte hat der BF nicht in Österreich. Er lebe von unregelmäßiger Unterstützung durch Gelegenheitsarbeiten. Ansonsten sitze er vor der Caritas in Graz und warte auf diese Gelegenheitsarbeit. Sein Plan wäre jedoch in Österreich zu arbeiten, wenn er die Berechtigung dafür erhalte. Seine Familie, die er vermisse, habe ihn wegen der Kosten für die Krankenbehandlung seiner Mutter ersucht, Geld nach Bangladesch zu schicken, welches er jedoch nicht habe. Den Kontakt pflege er über das Mobiltelefon mit Internetzugang. Eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache ist, wie sich vor dem BVwG gezeigt hat, nur begrenzt möglich. Die Freunde des BF kommen nach seinen Angaben aus Ungarn, China, Serbien, Afghanistan, Türkei.
Befragt, was der BF am 12.02.2019 gemacht habe, erzählte er anfänglich, dass er habe "Gebiet für einen Ägypter, der in den Urlaub ging" für zweieinhalb Monate gemacht. Es stellte sich in weiterer Folge heraus, dass der BF als Zeitungszusteller (mit "Gebiet" war das Zustellungsgebiet gemeint) gearbeitet hatte. Er wüsste zwar, dass er in Österreich, seitdem er die negative Entscheidung erhalten habe, nicht arbeiten dürfe, aber er müsse es ja machen, um sich zu versorgen.
Öfters nachgefragt, was der BF am 12.02.2019 gemacht habe, führte dieser - nach Hinweisen durch den vorsitzenden Richter - letztendlich aus, dass er in Wien gewesen sei, bei der Botschaft von Bangladesch. Dort habe man ihm keine Papiere und auch keine Bestätigung geben wollen.
Nachgefragt, wie der BF denn in Wien zur Botschaft (welche sich in der Peter Jordan Straße, 1190 Wien, befindet) gelangte, führte dieser aus, er sei mit dem Flixbus von Graz nach Wien, Westbahnhof, (und danach retour) gereist; zum Beweis legte der BF auch eine Fahrkarte vor. Danach sei er mit der Straßenbahn Linie "43" (die Linie "43" führt von Schottentor nach Neuwaldegg) oder mit der Linie "49" gefahren (die Linie "49" führt von Ring/Volkstheater nach Hütteldorf).
Auf die Frage, wo denn die Botschaft gelegen sei, antwortete der BF:
"Ich weiß es nicht genau. Ich habe nur Gedanken für die Arbeit, das ich immer arbeite. Ich bin sonst nicht viel unterwegs gewesen." Er sei aber mit einem anderen Bengalen dort gewesen.
In der Botschaft habe man ihm gesagt, dass er keine Dokumente bekäme, weil man nicht wisse, ob er wirklich Bengale sei. Er sei zweimal dort gewesen, um vorzusprechen. Er sei mit den "Botschaftsleuten und der Polizei", zusammengesessen und sie hätten miteinander gesprochen. Es seien Polizisten von diesem Land gewesen, zwei Frauen und zwei Herren, in Zivilbekleidung, und die Botschaftsleute hätten einen nach den anderen gerufen.
Der BF, der über sein Mobiltelefon auch Internetzugang hat, habe sich nicht im Internet erkundigt, wie man zu einem Pass aus Bangladesch gelange.
Befragt, warum er keine Bestätigung in der Botschaft bekommen hätte, führte der BF schlicht aus, dass er es nicht wisse.
Da die belangte Behörde nicht zur Verhandlung erschienen war wurde diese um ergänzende Stellungnahme zu konkreten Fragestellungen ersucht.
Die Stellungnahme der belangten Behörde langte fristgerecht am 03.02.2020 im BVwG ein.
Auf die Frage, ob der BF vom BFA zu Terminen in die Botschaft begleitet wurde, erfolgte eine negative Beantwortung. Es habe auch keine Vorführung vor die Botschaft gegeben, die Botschaft sei jedoch am 23.01.2020 vom BFA urgiert worden. Weitere Unterlagen könne das BFA nicht vorlegen. Vorgelegt wurde die Zustellungsbestätigung des am 16.03.2018 in Rechtskraft erwachsenen Bescheides.
Diese Stellungnahme wurde dem BF zum rechtlichen Gehör gebracht und die Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt.
Der BF gab am 11.02.2020 die Stellungnahme ab und führte darin zusammengefasst aus:
Am 14.02.2019 sei der BF zum ersten Mal zur Botschaft Bangladeschs in Wien gefahren. Diesbezüglich verweise er auf sein Busticket. Seitens der Botschaft sei ihm mitgeteilt worden, dass für ihn kein Reisepass oder Ersatzreisedokument ausgestellt werde, da er über keine identitätsnachweisende Dokumente verfüge und die Botschaft ihn nicht als Staatsangehörigen Bangladesch identifizieren könne. Eine schriftliche Begründung sei ihm nicht ausgestellt worden.
Mit Bescheid vom 12.03.2019 habe das BFA dem BF aufgetragen an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken und an einen Interviewtermin bei der Botschaft am 03.04.2019, 10 Uhr, wahrzunehmen.
Der BF habe dieser Aufforderung Folge geleistet und sei am 03.04.2019 zur Botschaft in Wien gefahren, wo er befragt worden sei. Zum Beweis würde ein Ticket von Flixbus von Graz nach Wien-Westbahnhof (und retour) vorgelegt.
Der BF sei in der Botschaft Bangladeschs nicht erfolgreich gewesen. Obwohl der BF um eine Bestätigung über seinen Besuch bat, sei ihm diese nicht ausgestellt worden.
Im übrigen wurde auf die bisherigen Äußerungen, die Beschwerde sowie die Verhandlung vor dem BVwG verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Festgestellt wird, dass der BF nach unrechtmäßiger und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, welcher vom BFA mit Bescheid vom 12.02.2018, negativ beschieden wurde; auch subsidiärer Schutz oder ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht zuerkannt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bangladesch zulässig sei sowie eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Dieser Bescheid wurde nicht bekämpft und erwuchs nach Zustellung am 14.02.2018 in Rechtskraft per 16.03.2018.
Festgestellt wird, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und sich seit April 2018 illegal im Bundesgebiet aufhält.
Am 11.01.2019 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, welcher mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid abgelehnt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der BF - durch die XXXX vertretene - rechtzeitig Beschwerde.
Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG und den nachfolgenden Stellungnahmen kann festgestellt werden, dass der BF am 12.02.2019 als auch am 03.04.2019 von Graz nach Wien (und retour) fuhr.
Festgestellt wird, dass der BF nicht schildern konnte, wo sich die Botschaft Bangladeschs befindet und mit welchen öffentlichen Verkehrsmitteln man dorthin komme.
Festgestellt wird, dass der BF behauptet, dass ihm die Botschaft Bangladeschs keine Dokumente ausgestellt habe; festgestellt wird, dass offensichtlich auch die belangte Behörde davon ausgeht, ansonsten eine Urgenz des BFA an die Botschaft Bangladeschs vom 23.01.2020 nicht erfolgt sei.
Nicht festgestellt wird, dass der BF von der Botschaft keine Bestätigung seiner beiden Vorsprachen erhalten habe.
Zu seinen derzeitigen persönlichen Umständen wird festgestellt:
Der gesunde BF hat zu seinen Verwandten in Bangladesch regelmäßig Kontakt. Kinder, eine Beziehung oder Verwandte hat der BF nicht in Österreich. Er lebt von unregelmäßiger Unterstützung durch Gelegenheitsarbeiten.
Seine Familie, die er vermisse, habe den BF wegen der Kosten für die Krankenbehandlung seiner Mutter ersucht, Geld nach Bangladesch zu schicken, welches er jedoch nicht habe. Den Kontakt pflegt der BF über das Mobiltelefon mit Internetzugang.
Festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer auch nicht an seine in Bangladesch lebenden, zahlreichen Familienmitglieder gewandt hat, um auf diesem Weg Dokumente, die seine Identität belegen, zu erlangen.
Eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache ist nur begrenzt möglich. Die Freunde des BF kommen nach seinen Angaben aus Ungarn, China, Serbien, Afghanistan, Türkei.
Festgestellt wird, dass der BF zeitweise ohne Erlaubnis arbeitete.
II.2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt sowie die Feststellungen ergeben sich aus den dem BVwG vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie auf Grund des Ergebnisses der Verhandlung vor dem BVwG am 29.01.2020 sowie den ergänzenden Stellungnahmen der belangten Behörde und des BF.
Es ergibt sich unzweifelhaft, dass der BF nicht mit seinen Familienangehörigen in Kontakt trat, um einen Reisepass bzw. Dokumente, die er für die Ausstellung desselben benötigen würde, zu erhalten, obwohl er regelmäßigen Kontakt über ein Mobiltelefon mit Internetfunktion hat.
Dass der BF Fahrscheine von Graz nach Wien bzw. von Wien nach Graz vorgelegt hat beweist nicht, dass er tatsächlich bei der Botschaft war, um sich einen Reisepass oder ein Ersatzreisedokument ausstellen zu lassen. Auch wenn bei einer Fahrt ein bengalischer Freund des BF dabei gewesen sein mag, ist dies kein Beweis für das Aufsuchen der Botschaft, deren Adresse dem BF nicht bekannt war und dem BF auch nicht die öffentlichen Verkehrsmittel, mit denen er zur Botschaft gelangen würde, aufzählen konnte.
Der BF hat keine Bestätigung vorgelegt, dass er tatsächlich in der Botschaft um entsprechende Dokumente angesucht hat und diese ihm verweigert worden wären. Vielmehr hätte der BF eine Bestätigung der bengalischen Botschaft vorlegen müssen, um die Nichtausstellung eines Reisepasses oder eines Ersatzreisedokuments seitens der bengalischen Vertretungsbehörde zu belegen. Dass die Botschaft ihm nicht einmal eine Bestätigung für sein dortiges Vorsprechen ausgestellt hat, ist nicht glaubhaft.
Die mangelhafte Glaubwürdigkeit der Aussagen des BF resultieren auch daraus, weil der BF selbst über einen langen Zeitraum, nämlich seit April 2018, sich illegal im Bundesgebiet aufhält und offensichtlich keinerlei Veranlassung sah, sich selbständig um entsprechende Dokumente zu kümmern, sondern erst über Druck des BFA die ersten zögerlichen Schritte gesetzt hat. Statt dessen arbeitete der BF illegal und versucht sich mittels Gelegenheitsarbeiter über Wasser zu halten. Somit geht das BVwG - im Einklang mit dem BFA - davon aus, dass der BF nicht bereit ist, an seiner Außerlandesbringung mitzuwirken und die Fahrt nach Wien einzig den Zweck verfolgte, ein vermeintliches Beweismittel zu erlangen, um sich die Ausstellung einer Duldungskarte zu erschleichen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das BFA dem BF offensichtlich bei der Erlangung der erforderlichen Dokumente behilflich ist und diesbezüglich bei der Botschaft Bangladeschs am 23.01.2020 urgierte.
Die Erlangung einer Duldungskarte ist somit derzeit nicht gerechtfertigt.
II.3. Rechtlich folgt:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl. I. 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
II.3.1. Zum Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde:
Der mit "Duldung" überschriebene § 46a FPG idgF lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
...
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
...
(2) ...
(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzdokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Heimreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen ,Republik Österreich? und ,Karte für Geduldete?, weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
..."
Gemäß § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat gemäß § 46 Abs. 2 FPG - vorbehaltlich des Abs.
2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem
ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
Das Bundesamt ist gemäß § 46 Abs. 2a FPG jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
Das Gesetz setzt es somit als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. - in dessen Auftrag - der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.
Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer mit der bengalischen Botschaft in Wien keinen erfolgreichen Kontakt zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes aufgenommen. Auch hat er gar nicht behauptet und keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er mit seiner Familie in Bangladesch Kontakt aufgenommen hätte, um sich entsprechende Dokumente und Unterlagen, die allenfalls für die Ausstellung eine solchen nötig wären, auf postalischem Wege schicken zu lassen, bzw. hat er im Verfahren auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich entsprechende Dokumente aus Bangladesch zu beschaffen.
Da der Beschwerdeführer sohin im gegenständlichen Fall nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem BFA gegenüber nachzuweisen und er offensichtlich auch keine Anstrengungen unternommen hat, mit seiner Familie in Bangladesch Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Unterlagen schicken zu lassen - was insofern kausal ist, als dadurch die Identität des Beschwerdeführers urkundlich belegt werden könnte und dies sowohl für die Erlangung eines Reise- wie auch eines Ersatzreisedokuments notwendig wäre - war die Beschwerde, weil die Abschiebung aus von ihm zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, als unbegründet abzuweisen.
II.3.2. Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.
Schlagworte
Duldung, Karte für Geduldete, Mitwirkungspflicht, ReisedokumentEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2216776.1.00Zuletzt aktualisiert am
29.06.2020