TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W195 2181858-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2181858-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 31.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an, Mitglied der Bangladesch National Party (im Folgenden: BNP) zu sein. Er sei angezeigt worden, weil er beschuldigt werde, einen Linienbus in Brand gesteckt zu haben. Als er von der Polizei abgeholt hätte werden sollen, sei er nicht zu Hause gewesen und sei daraufhin geflüchtet, obwohl er unschuldig sei. Er habe keine weiteren Gründe für seine Asylantragstellung. Im Fall einer Rückkehr befürchte er, eingesperrt zu werden.

I.2. Am 15.09.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Der BF führte eingangs aus, keine psychischen und physischen Probleme zu haben. Er habe unter Magenproblemen gelitten, glaublich wegen dem Essen. Ansonsten habe er Schlafprobleme. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung und es seien ihm keine Medikamente verschrieben worden.

Befragt, ob er mittlerweile Dokumente vorlegen könne, gab der BF an, dass er keinen Kontakt nach Bangladesch habe und er mehr Zeit dafür benötige.

Der BF gab weiter zusammengefasst an, seit 2012 verheiratet zu sein und drei Töchter zu haben. Sein Vater sei aufgrund eines Herzinfarkts verstorben. Ansonsten würden noch seine Mutter, seine drei Brüder sowie seine zwei Schwestern in Bangladesch leben. Vor der Ausreise des BF habe die ganze Familie an der gleichen Adresse gelebt. Aus Angst würden nunmehr seit einem Jahr alle Familienangehörigen verstreut leben, aber da der BF keinen Kontakt zu seiner Familie habe, könne er nicht angeben, wo sich diese befinde.

Der BF habe in Bangladesch fünf Jahre eine Grundschule und fünf weitere Jahre eine Hauptschule besucht, wo er eine Abschlussprüfung abgeschlossen habe. Danach sei er zeitweise nach XXXX gegangen. Danach sei er Geschäftsmann gewesen und habe zwei Fastfood-Restaurants betrieben. Seine Brüder seien ebenfalls in verschiedenen Unternehmen tätig. Der Vater des BF habe viel Land gehabt, das landwirtschaftlich bebaut worden sei. Bis vor einigen Jahren habe die Familie ein gutes Leben geführt.

2008 habe seine Familie Land gekauft, den Boden aufbereitet und eine Fabrik erbaut. Sie hätten aus China Maschinen gekauft und die Reisernte damit bearbeitet. In der Fabrik hätten 15 bis 17 Personen gearbeitet. Sein Restaurant habe der BF gemeinsam mit drei anderen Personen geführt. Im Durchschnitt habe er 100.000 Taka im Monat verdient. Die Familie habe noch die Grundstücke, aber es sei niemand mehr dort, um diese zu bearbeiten. Der BF habe in Bangladesch ein gutes Leben geführt, aber 2015 habe er alles verloren.

Der BF sei verheiratet und habe Kinder, könne aber keine Unterlagen dazu vorlegen. Er habe derzeit keinen Kontakt zu seiner Familie. Den letzten Kontakt habe er in Bangladesch gehabt. Der BF habe auch Freunde in Bangladesch, aber auch zu diesen habe er keinen Kontakt.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er sich Anfang 2016 entschlossen habe, Bangladesch zu verlassen. Er sei von Indien mit einem Flugzeug in die Türkei und von dort mit einem LKW bis nach Österreich gereist. Der BF werde in Bangladesch von der Polizei und dem Spezialkommando RAB sowie von Anhängern der Awami League (im Folgenden: AL) gesucht. Der BF sei Mitglied der BNP und habe dadurch viele Schwierigkeiten gehabt. Ende 2015 habe es vier Wahlen gegeben und die AL habe sehr viel Einfluss gehabt. Mitglieder der AL hätten eine Liste mit allen einflussreichen Anhängern der BNP erstellt und diese seien nach der Reihe erschossen oder festgenommen worden. Der BF sei selbst Mitglied der BNP gewesen und habe junge Parteimitglieder für gewisse Aufgaben eingeteilt sowie Meetings organisiert und Slogans zusammengestellt. Im Jänner 2016 habe es ein Meeting geben. Im Zuge dieses Meetings habe es eine Demonstration gegeben, an der der BF teilgenommen habe. Anhänger der AL seien erschienen und hätten die Demonstranten mit Stöcken und Pistolen bewaffnet angegriffen. Neun Menschen seien verletzt worden, der BF selbst habe drei Schläge bekommen und sich danach gemeinsam mit weiteren Personen im Dschungel versteckt gehalten. Am nächsten Tag sei er XXXX geflüchtet und habe sich dort versteckt gehalten. Nach circa 15 Tagen habe er vom BNP-Büro erfahren, dass er versteckt bleiben solle, weil die Gefahr, umgebracht zu werden, noch immer bestehe. Nach 20 Tagen habe es ein Meeting der BNP-Partei gegeben, an welchem der BF aber nicht teilgenommen habe. Sechs Tage danach sei er angerufen worden, dass er zum nächsten Meeting in 30 Tagen bzw. August/September 2016 kommen müsse. Auch bei diesem Treffen habe es eine Demonstration und Streitigkeiten zwischen der BNP und der AL gegeben, im Zuge derer ein Anhänger der BNP gestorben sei. Es sei Mord gewesen, es könne aber auch ein Herzinfarkt gewesen sein. Am nächsten Tag sei ein Bus in Brand gesteckt worden und ein Mensch sei gestorben, woraufhin falsche Anzeigen gegen BNP-Mitglieder, unter anderem den BF, aufgegeben worden seien. Einmal sei die Spezialeinheit RAB und zwei Mal die Polizei, jeweils in der Nacht, zum BF nach Hause gekommen, aber der BF sei nie zu Hause gewesen.

Der BF habe große Schwierigkeiten gehabt. Dadurch habe er sein Geschäft und alles Weitere verloren. Er habe nichts mehr gehabt und habe daher sein Land verlassen müssen.

Der Hauptgrund, warum der BF das Land verlassen habe, sei, dass er aufgrund der falschen Anzeige wegen Brand und Mord von der Polizei gesucht worden sei. Er werde sowohl von der Polizei als auch von Mitgliedern der AL gesucht.

Ergänzend gab der BF an, dass er sich nicht sicher sei, wann die Anzeige gemacht worden sei, aber er glaube im Dezember 2016.

Nachgefragt, ob es bis zu den besagten Vorfällen Übergriffe gegeben habe, gab der BF an, dass er ungefähr elf Mal geschlagen worden sei.

Der BF sei der BNP im Jahr 1996 beigetreten und sei bis zu seiner Ausreise registriertes Mitglied gewesen. Sein Vater sei schon davor Mitglied gewesen. Der direkte Vorgesetzte des BF sei der Präsident seines Gebiets XXXX und der Sekretär gewesen; von diesen habe er Anweisungen erhalten. Der BF sei arbeitendes Mitglied der Partei gewesen. Zurzeit habe er nichts bei sich, um seine Mitgliedschaft und Funktion glaubhaft zu machen, und er bitte um Zeit, um alles zu organisieren.

Nachgefragt, was den BF dazu bewogen habe, eine Funktion in der Partei zu bekleiden, führte der BF aus, dass er die Werte der Partei von Herzen liebe und sein Vater diese Partei auch unterstützt habe. Seine ganze Familie sei von der BNP begeistert.

Zu den konkreten Aufgaben, die der BF im Rahmen seiner Funktion ausgeübt habe, befragt, gab er an, dass es seine Aufgabe gewesen sei, wenn Geld vom Parlament zur Verfügung gestellt worden sei, die Umsetzung zu veranlassen. Er habe auch jungen Mitgliedern und Sympathisanten der Partei die Werte der BNP aufgezeigt und weitergegeben. Zudem sei er zuständig gewesen, die Probleme der Menschen zu lösen und für Sicherheit zu sorgen. Die BNP habe die Philosophie, dass Menschen, die arbeiten, wirklich effizient arbeiten und zB während dem Bau einer Straße die Arbeitszeiten richtig schreiben und jeder die ihm zugewiesenen Tätigkeiten vollbringe. Die Mitglieder der AL seien ganz anders.

Nachgefragt, was die Ziele der Partei seien, gab der BF im Wesentlichen an, dass es keine Todesstrafe mehr geben solle und dass die Partei für Meinungsfreiheit und einen freien Arbeitsmarkt ohne Bestechung stehe sowie dafür sei, dass Bauern von der Regierung unterstützt werden, allen Menschen Bildung ermöglicht werden solle und Gebäude sicher gebaut werden sollen.

Befragt, wodurch sich die BNP hinsichtlich der Ziele von den anderen Parteien unterscheide, gab der BF an, dass die Mitglieder der BNP bei Bedarf direkt aufs Feld gehen und dort arbeiten würden. Die BNP Partei sei sofort bei den Stellen und habe geholfen. Die AL habe gar nichts gemacht und schicke höchstens die Polizei oder die RAB. Die BNP stehe für alle Menschen, während die AL nur auf ihre Mitglieder schaue. Bevor der BF Bangladesch verlassen habe, sei es so gewesen, dass BNP Anhänger nicht mehr auf ihren Feldern hätten arbeiten dürfen, weil sich Mitglieder der AL Partei immer eingemischt und etwas dagegen gehabt hätten.

Der BF habe in zwei Jahren ungefähr an elf Demonstrationen teilgenommen und es sei immer ausgeartet und habe Schlägereien gegeben. Der BF sei bei allen Demonstrationen angegriffen worden. Bei einer Demonstration in XXXX seien circa 1000 Menschen gewesen. Mitglieder der AL hätten gesagt, dass die BNP kein Treffen abhalten dürfe und daraus sei ein Streit entstanden und es habe Übergriffe gegeben. Leute von der AL hätten zu Stöcken gegriffen und irgendwann hätten diese die Polizei gerufen. Die Polizei habe nach ihrem Eintreffen Gas gegen die Anhänger der BNP eingesetzt. Der BF habe sich auf der Bühne aufgehalten, als Mitglieder der AL auf die Bühne gekommen seien und mit Stöcken auf den BF eingeschlagen hätten. Ein anderes Mal sei der BF mit einer Stahlstange geschlagen worden. In diesem Zusammenhang zeigte der BF eine 3 cm lange Narbe am rechten Auge verlaufend, welche durch den Schlag mit der Stahlstange entstanden sollen sei. Weiter gab der BF an, dass insgesamt sechs Personen verhaftet worden seien. Der BF sei, nachdem er geschlagen worden sei, in ein Haus hinter der Bühne geflüchtet. Von dort hätten ihm vier Frauen geholfen, zu entkommen.

Befragt, was das Thema des Treffens in XXXX gewesen sei, führte der BF an, dass drei Monate nach dem Treffen eine Bürgermeisterwahl stattgefunden habe und besprochen worden sei, wer zur Wahl antreten solle. Die Wahl sei dann erst am darauffolgenden Tag abgehalten worden.

I.3. Am 25.09.2017 fand eine weitere Befragung des BF vor dem BFA statt. Darin wurde der BF aufgefordert, die vom BF im bisherigen Verfahren erwähnten Dokumente bis 10.10.2017 im Original vorzulegen.

Der BF gab ergänzend im Wesentlichen an, dass es 154 Bezirke gebe, in denen für die BNP Partei keine Wahlen stattfinden würden. So lange die BNP nicht wieder an der Macht sei, gebe es keine Gerechtigkeit für Mitglieder und Sympathisanten der BNP und seien diese nicht in Sicherheit. Vor sechseinhalb Monaten seien schwarz bekleidete Personen in das leere Haus des BF gekommen und hätten alle Fenster des Hauses zerstört. Die Nachbarn hätten dies beobachtet und dem BF davon erzählt.

Im Jahr 2017 sei der BF im Haus von Bekannten versteckt gewesen, als er Personen in ziviler Kleidung in der Nähe gesehen habe. Der Bekannte des BF habe diesem gesagt, dass es unsicher für ihn sei, weshalb er den BF weggeschickt habe. Tatsächlich sei sein Bekannter von diesen Personen angegriffen und geschlagen worden. Sie seien in sein Haus gekommen und hätten es zerstört. Danach hätten sie nach dem BF gefragt und den Bekannten des BF erst frei gelassen, nachdem dieser ihnen 50.000 Taka gezahlt habe. Danach habe sich der BF in einem Stall versteckt und ab diesem Zeitpunkt nur mehr versteckt gehalten, bis er Bangladesch im Juli 2017 verlassen habe.

Den Entschluss, Bangladesch zu verlassen, habe der BF Anfang 2016 gefasst. Zu diesem Zeitpunkt hätten ihm seine Parteivorgesetzten gesagt, dass er in Bangladesch nicht mehr sicher sei, woraufhin die Familie angefangen habe, Geld für die Flucht des BF zu sammeln.

Nachgefragt, weshalb es eineinhalb Jahre gedauert habe, bis der BF Bangladesch schlussendlich verlassen habe, gab der BF an, dass Mitglieder der BNP diese Idee gehabt hätten und es so lange gedauert habe, bis alles organisiert gewesen sei und das Geld zur Verfügung gestanden sei.

Nachgefragt, wann die Polizei beim BF zu Hause gewesen sei, gab er an, dass sie das erste Mal im März 2016 bei ihnen gewesen sei, aber er nicht sagen könne, ob es Polizisten oder jemand von der RAB gewesen sei. Seine Mutter, seine Ehefrau und seine Schwester seien in dieser Nacht zu Hause gewesen. Die Personen hätten das Haus umzingelt. Die Mutter des BF habe das Licht ausgeschaltet, weil sie gedacht habe, dass die Personen dann gehen würden. Jedoch hätten diese daraufhin begonnen, die Fenster zu brechen, und die Mutter des BF aufgefordert, ihren Sohn rauszuschicken. Nachdem seine Mutter gefragt habe, weshalb sie in der Nacht gekommen seien, und die Personen aufgefordert habe, einen Haftbefehl vorzulegen, seien diese sehr ungehalten geworden und hätten die Mutter des BF mit dem Umbringen bedroht, wenn sich diese weiter in ihren Weg stellen würde. Seine Mutter habe gesehen, dass diese Personen lange Schwerter und kleine Pistolen gehabt hätten. Danach hätten sie den BF erfolglos im Haus gesucht. Seine Mutter und die anderen Personen hätten das Haus am darauffolgenden Tag verlassen. Die Mutter des BF sei nach XXXX , die Ehefrau des BF sei zu ihrem Vater und die Schwester des BF sei zu einem Verwandten gegangen und einige Tage danach zur Mutter des BF geflüchtet. Die Polizisten hätten zur Mutter des BF gesagt, dass sie am 5. oder 7. wiederkommen würden, seien jedoch erst nach 20 Tagen wiedergekommen. Sie hätten das leere Haus vorgefunden, seien eingebrochen und hätten Gold, Geld und Kleidung mitgenommen.

Der BF habe sich nach diesem Vorfall an verschiedenen Orten versteckt. Zum Beispiel sei er in XXXX gewesen, habe nach zwei bis drei Tagen gemerkt, dass er in Gefahr sei und habe daraufhin den Ort gewechselt. Es sei auch finanziell eine schwierige Zeit gewesen, weshalb der BF nachts Gelegenheitsarbeiten angenommen habe, damit er zu Geld komme. Manchmal habe er sich auch Geld von Bekannten oder der Partei geliehen.

Nachgefragt, weshalb die Familie die Wertsachen aus dem Haus nicht mitgenommen habe, die danach von der Polizei bei ihrem zweiten Besuch mitgenommen worden seien, gab der BF an, dass sie einen Schlüssel benötigt hätten, um die Tresore zu öffnen, diesen Schlüssel die Polizei habe aber die Polizei mitgenommen. Seine Mutter sei mit einer Waffe bedroht worden und habe deshalb den ganzen Schlüsselbund herausgegeben.

Nachgefragt, weshalb die Polizei den gesamten Schlüsselbund mitgenommen habe, gab der BF an, dass er nicht wisse, ob es tatsächlich die Polizei gewesen sei, denn diese Personen seien in ziviler Kleidung gekommen. Sie hätten sich nur als Polizisten vorgestellt, wären aber keine Polizisten gewesen. Es werden Personen von der AL gewesen seien. Es sei nur einmal Polizei in Polizeiuniform gekommen, ansonsten hätten die Personen immer Zivilkleidung getragen.

Nachgefragt, ob der BF einen Mitgliedsausweis von der Partei gehabt habe, gab er an, dass er keinen Ausweis gehabt habe, aber ein Blatt Papier für jeweils fünf Jahre ausgestellt bekommen habe. Im Jahr 2017 hätte ein neues Papier ausgestellt werden sollen. Es gebe keine Mitgliedskarte in Form einer ID-Karte, sondern nur ein längliches Stück Papier. Die Mitgliedsnummer ändere sich alle fünf Jahre, daher kenne der BF seine Mitgliedsnummer nicht.

Nachgefragt, weshalb der BF nicht in eine andere Stadt oder einen anderen Landesteil ziehen habe können, gab er an, dass er in vielen Landesteilen gewesen sei, er aber diese nach einiger Zeit habe verlassen müssen, weil er nirgends sicher gewesen sei.

In Österreich wohne der BF in einem Flüchtlingsheim und spiele Fußball und Billard und halte sich manchmal im Fitnessstudio auf. Er wolle unbedingt einen Deutschkurs machen, derzeit besuche er keinen Deutschkurs. Wegen seinen Zähnen habe er Schwierigkeiten.

I.4. Am 12.10.2017 langte ein Schreiben des BF ein, in dem dieser um eine Fristerstreckung für die Vorlage der weiteren geforderten Originaldokumente bat. Dem Schreiben legte er ein Dokument der BNP-Partei bei. Laut Übersetzung wird in dem Schreiben bestätigt, dass der BF aktives Mitglied der BNP sei und bei der Erfüllung seiner Aufgaben mehr als einmal von Anhängern der Regierungspartei mit dem Leben bedroht worden sei.

I.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.11.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF seine Angaben zu den Gründen seiner Ausreise nicht glaubhaft dargelegt habe. Seine Angaben seien vage und allgemein gehalten gewesen, sodass der Eindruck erweckt worden sei, dass er die geschilderten Ereignisse nicht erlebt habe.

Der BF habe eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Mitgliedschaft zur BNP geltend gemacht. Der BF habe die behauptete Bedrohung und drohende Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Mitgliedschaft zur BNP aber nicht glaubhaft darzulegen vermocht. So habe er kaum Kenntnisse über deren Zielsetzung, Aufbau, Struktur und Arbeitswesen gehabt. Aber auch die Schilderungen der Tätigkeiten des BF für die Partei seien abstrakt und allgemein gehalten gewesen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass er tatsächlich Mitglied dieser Partei gewesen sei oder er sich in irgendeiner Weise für diese Partei politisch engagiert habe. Auch habe der BF behauptet, an vielen Treffen der BNP teilgenommen zu haben und sei es ihm aber nicht möglich gewesen, irgendwelche konkreten oder näheren Angaben zu machen, die darauf schließen lassen würden, dass er tatsächlich an Treffen der BNP teilgenommen habe. So habe der BF zahlreiche Orte genannt, an denen Treffen stattgefunden hätten, habe aber nicht genaue Daten oder Zeitpunkte nennen können. Der BF sei auch während der Einvernahme vor dem BFA aufgefordert worden, das Parteisymbol auf ein Blatt Papier zu zeichnen. Das von ihm aufgezeichnete und beschriebene Symbol habe nicht einmal ansatzweise dem Parteisymbol der BNP geähnelt. Alleine diese Tatsache lasse eindeutig erkennen, dass der BF nicht seit 1996 registriertes Parteimitglied sei.

Zudem habe der BF die von ihm aufgestellten Verfolgungshandlungen vage und widersprüchlich dargestellt. So habe der BF vor der Polizei mit keinem Wort erwähnt, dass er an Demonstrationen teilgenommen habe und von Parteigegnern und der Polizei aufgegriffen worden sei. Während der Einvernahme vor dem BFA habe sich der BF mehrmalig zB bei der Anzahl der Besuche und wer bei ihm zu Hause gewesen sei widersprochen.

Das gesamte Vorbringen des BF sei weder glaubhaft noch nachvollziehbar und habe der BF sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auch gesteigert. Zudem seien die Angaben des BF widersprüchlich.

Es stehe dem BF frei, in seiner Heimat eine Arbeit anzunehmen, um seine Grundbedürfnisse zu sichern. Der BF habe mit seiner Familie zusammengelebt und es werde davon ausgegangen, dass dies auch im Fall einer Rückkehr des BF wieder möglich wäre und er Unterstützung von seiner Familie erhalten würde. Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage würden ebenfalls nicht vorliegen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.6. Mit Schriftsatz vom 02.01.2018 wurde der Bescheid des BFA seitens des - rechtsfreundlich vertretenen - BF zur Gänze angefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF in Bangladesch als Mitglied der Partei BNP politisch aktiv gewesen und deshalb mehrmals von Mitgliedern der AL aufgesucht und bedroht worden sei. Der BF werde zudem von der Polizei und dem Spezialkommando RAB gesucht. Nachdem die Bedrohungen ein unerträgliches Maß erreicht hätten, sei der BF geflüchtet und untergetaucht. Der BF sei zudem fälschlicherweise angezeigt worden, da ein Bus in Brand gesteckt worden sei, bei dem ein Mensch verstorben sei.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und veraltet und daher nicht geeignet, um das Ausmaß der Gefährdung, die eine Rückkehr für den BF bedeuten würde, entsprechend beurteilen zu können. Verwiesen werde auf eine aktuelle Anfragebeantwortung zur AL und Anhängern der BNP, aus der deutlich hervorgehe, dass das Justizsystem nicht in der Lage sei, vor Grundrechtsverletzungen zu schützen.

Zudem habe der BF entgegen der Ansicht des BFA sein Vorbringen detailliert und lebensnah gestaltet und sei in der Lage gewesen, die Bedrohung durch Angehörige der AL und RAB frei und umfangreich zu schildern.

Die Feststellung im Bescheid, der BF habe keine konkreten oder detaillierten Angaben machen können, sei daher nicht nachvollziehbar. Der BF habe beispielsweise alle Orte angeben können, an denen Demonstrationen stattgefunden hätten und er habe ebenso vorgebracht, dass es seine Aufgabe gewesen sei, die Umsetzung der ganzen Arbeiten zu veranlassen. Insofern die Behörde in ihrer Beweiswürdigung ausführe, dass der BF kaum Kenntnisse über die Zielsetzungen, Aufbau, Struktur und Arbeitsweise der BNP gehabt habe und die Schilderungen über seine Tätigkeiten in der Partei abstrakt und allgemein gehalten habe, sei dem das detaillierte Vorbringen in den protokollierten Einvernahmen vor dem BFA entgegengehalten. Insofern dem BF vorgehalten werde, dass das aufgezeichnete und beschriebene Symbol nicht einmal ansatzweise dem Parteisymbol der BNP ähneln würde, sei dem entgegen zu halten, dass der BF das Parteisymbol habe erklären können und ihm nicht vorgeworfen werden könne, dass er kein begnadeter Zeichner sei. Insoweit das BFA die vermeintliche Unglaubwürdigkeit des BF auf die Widersprüche zwischen Erstbefragung und der weiteren Einvernahme vor dem BFA stütze, werde auf die Judikatur des VfGH verwiesen, wonach Asylwerber im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zur ihren Fluchtgründen befragt werden dürfen.

Offensichtlich habe die Behörde es unterlassen, die vorgelegten Kopien von Schreiben betreffend die Mitgliedschaft des BF bei der BNP ordnungsgemäß zu würdigen und habe sich nicht mit dem Inhalt der Dokumente auseinandergesetzt. Die Behörde verweise lediglich auf die Länderfeststellungen, nach denen Fälschungen, Verfälschungen und Handel jeder Art von Dokumenten weit verbreitet seien, lasse allerdings unbegründet, weshalb es sich bei den vom BF vorgelegten Dokumenten um Fälschungen handeln soll.

I.7. Am 03.01.2018 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Am 05.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.

Einleitend behauptete der BF, dass bei seiner Einvernahme am 15.09.2017, welche am 25.09.2017 fortgesetzt worden war, "vieles nicht im Detail, wie ich es vorbrachte, aufgenommen" worden sei. Über Nachfrage, ob die Unterschrift auf den einzelnen Seiten der Protokolle seine Unterschrift sei, bestätigte dies der BF. Auf Seite 107 des Verfahrensaktes ist protokolliert, dass der BF auf die Frage, ob er Gelegenheit hatte alles zu sagen, was er wollte, ausführte: "Ja, das hatte ich. Ich hatte Gelegenheit, alles vorzubringen, was mir wichtig war. Das, was ich letzte Woche nicht sagen konnte, konnte ich heute alles vorbringen."

Auch wurde festgehalten, dass dem BF eine Kopie der Niederschrift zur Verfügung gestellt worden war und er eine Eingabe am 10.10.2017 machte, aber keine Veränderung oder Verbesserung des Protokolles beantragte.

Der grundsätzlich gesunde BF erklärte, dass er psychisch und physisch in der Lage sei, der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu folgen.

Mit seiner Familie, der Ehefrau und seinen drei Töchtern, habe er regelmäßig "je nach Möglichkeit" Kontakt; erst über Nachfrage erklärte der BF, dass er "zwei- bis dreimal pro Woche Kontakt" habe. Er vermisse seine Familie und würde sie nach Österreich holen.

Seine Ehefrau und die Kinder habe er "etwa 23 km weit weggebracht."

Sie würden nunmehr beim Schwiegervater leben und "sie (gemeint Personen in Zivilkleidung und Polizisten) würden sie nicht finden".

Er selbst könne seine Familie mit 150 bis 200 € pro Monat unterstützen. Er arbeite selbständig als Zeitungszusteller im Auftrag der Firma XXXX und verdiene ca 1.800 € Brutto.

Verwandte, Kinder oder eine Beziehung in Österreich habe er nicht.

Während der Verhandlung vor dem BVwG wurde festgestellt, dass eine deutschsprachige Konversation mangels sehr begrenzten Wortschatzes faktisch nicht möglich war. Er habe jedoch schon einen Deutschkurs gefunden, der demnächst beginne. Er gehe in der Freizeit Spiele oder mit Freunden Cricket spielen. Die Vertreterin des BF warf in der Verhandlung ein, dass es sehr schwierig sei neben dem Beruf Deutsch zu lernen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der BF aus, dass er von der Polizei gesucht werde. Der BF hatte "Familie und eine gute Situation, weil ich bei der Awami League, also bei der BNP war, wurde ich von ihnen verfolgt und es wurden Sachen geplündert" (Verhandlungsschrift BVwG Seite 10). Nachgefragt gab der BF an, er sei bei der "BNP" und - auf die Frage, welche Funktion er gehabt habe - "Mitglied" gewesen. Er habe, zumindest anfänglich "lediglich Poster aufgehängt" und sei zu Demonstrationen gegangen. Erst später hätte er andere mit Aufgaben betrauen dürfen.

Nach seiner Schulausbildung habe er dem Vater im Geschäft geholfen. Von 2003 bis 2010 sei er in China, Hong Kong und Südkorea gewesen und hätte dort gearbeitet, etwa in der Erzeugung von Bürosesseln oder Fahrradsatteln. Es war in der Verhandlung jedoch nicht möglich zu erfahren, zu welchem Zeitpunkt sich der BF in welchem Land aufgehalten habe, weil er sich permanent widersprach.

Nachdem sein Vater 2009 verstorben sei, sei er 2010 nach Bangladesch freiwillig zurückgekehrt. Er habe dann das frühere Geschäft des Vaters betrieben, sowie einen Handel für Maschinen für die Reisernte oder -bearbeitung geführt.

2012 habe er geheiratet. Seine Töchter seien jetzt 7 Jahre alt, die zweite 4+, die dritte nahe drei, also 2+.

Seit Anfang 2016 sei er vor den politischen Gegnern auf der Flucht. Er habe alles verkaufen müssen und sei geflohen. Einen konkreten fluchtauslösenden Grund konnte der BF nicht benennen.

Er habe seine Ehefrau "im März oder Februar 2016" zu seinem Schwiegervater gebracht. Das sei "im März, Februar oder April" gewesen. Nachgefragt, wann er seine Frau zum letzten Mal gesehen habe, antwortete der BF. "im Juni 2016 habe ich über Sylhet fliehen müssen und das Land verlassen müssen. Es war im Juni 2016, entweder der 10. oder 12. herum. Ich kann mich an das Datum nicht erinnern. Da war das letzte Treffen."

Über den Vorhalt des Richters, dass "Sie ihre jüngste Tochter noch nie in Händen gehalten haben" antwortete der BF: "Ich habe die

Tochter in den Händen halten können ... ist ja geboren im Februar

2017. Ah, Nein, 2016. Ich habe sie nicht halten können. Sie ist geboren im Februar 2016. Nur die 2 Töchter". Über genaues Nachfragen bestätigte der BF allerdings wieder, dass seine jüngste Tochter im Februar 2017 geboren sei und er seine dritte Tochter nie gesehen habe.

Am 13.12.2016 sei eine falsche Anzeige gegen ihn erfolgt. Diese Anzeige, welche mit anderen Dokumenten im Rahmen der Verhandlung dem Richter übergeben wurde (samt englischsprachiger Übersetzung) habe zu einem Strafverfahren geführt, welches noch immer anhängig sei. Falls er nach Bangladesch zurückkehren müsste würde ihn zumindest eine Haftstrafe erwarten.

Darüber hinaus sei er auch in Österreich im Zweig der BNP Mitglied, es liege dazu auch ein Papier vor. Welche Verfolgung den BF auf Grund dieser Mitgliedschaft bei der BNP in Österreich im Heimatland erwarten würde, führte der BF nicht aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF hat in Bangladesch fünf Jahre eine Grundschule und fünf weitere Jahre eine Hauptschule besucht. Nach seiner Abschlussprüfung hielt er sich zeitweise in XXXX auf.

Während der BF vor dem BFA keine Angaben zu einem Auslandsaufenthalt machte führte der BF vor dem BVwG aus, dass er zwischen 2003 bis 2010 in China, Hong Kong und Südkorea, in Seoul, gewesen sei.

Von 2010 bis 2015 war der BF selbständig, führte das frühere Geschäft seines Vaters - welcher aber angeblich auch Beamter und für die Bewässerung von Reisfeldern verantwortlich war - und hat Reis verarbeitet, von 2012 bis Ende 2015 führte er zwei Fastfood-Restaurants (jeweils unterschiedliche Angaben zwischen den Erzählungen vor dem BFA und dem BVwG).

Der BF ist seit 2012 mit einer bengalischen Staatsangehörigen verheiratet und hat drei Töchter. Die Ehefrau und die Töchter des BF sowie seine Mutter, seine drei Brüder und zwei Schwestern leben in Bangladesch. Die Familie des BF verfügt in Bangladesch über ein Haus und mehrere Grundstücke.

Festgestellt wird, dass sich der BF hinsichtlich seiner familiärer Umstände öfters widersprach. So widersprach sich der BF in der Verhandlung vor dem BVwG hinsichtlich des Umstandes, ob er seine jüngste Tochter, welche im Februar 2017 geboren worden sei, in Händen gehalten habe oder nicht. Dies ist in so Ferne bemerkenswert, weil es einem Vater zweifelsfrei bekannt sein müsste, ob er sein jüngstes Kind jemals in Händen hielt. Diese Widersprüchlichkeit ergibt sich daraus, weil der BF vor dem BVwG ausführte, dass er seine Familie das letzte Mal im Juni 2016 gesehen habe, weil er im Juni 2016 das Land verlassen musste. Vor dem BFA führte der BF jedoch aus, dass er seine Familie am 14.07.2017 - bei einem Familientreffen - gesehen habe. Widersprüchlich waren die Angaben des BF hinsichtlich seiner Familie auch dahingehend, dass er nicht wisse, wo sich seine Ehefrau und die drei Töchter aufhalten (Befragung BFA), er keinen Kontakt zu ihnen habe (Befragung BFA) und er mit ihnen regelmäßig zwei- bis dreimal wöchentlich Kontakt habe (Verhandlung BVwG).

In Österreich ist der BF selbständig im Auftrag der Fa XXXX tätig und verdient pro Monat ca 1.800 € Brutto. Er ist in Österreich Mitglied in bengalisch orientierten Vereinen.

Der BF hat bisher sich zu einem Deutschkurs, welcher im Februar 2020 beginnt, angemeldet.

Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist arbeitsfähig und grundsätzlich gesund.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF von 1996 bis zu seiner Ausreise nach Österreich aktiver Funktionär der BNP war.

Es kann festgestellt werden, dass der BF nach seinen Angaben von 2003 bis 2010 nicht in Bangladesch war und danach wieder freiwillig in sein Heimatland eingereist ist. Eine politische Verfolgung vor 2010, wie bereits vom BF angegeben, ist somit unglaubwürdig.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der BF von Mitgliedern der AL aufgrund seiner Parteizugehörigkeit misshandelt, gesucht, bedroht und verfolgt worden ist, weil der BF nicht ausführen konnte, weshalb seit 2010 die Mitglieder der Awami-League ihn besonders verfolgen sollten.

Der BF hat keinen fluchtauslösenden Grund benannt. Seine behauptete Teilnahme an 11 Demonstrationen, welche regelmäßig zu Schlägereien geführt hätten; die verschiedenen Städte bzw. Ortschaften zählte der BF zwar auf, wann diese Demonstrationen stattgefunden hätten, konnte der BF nicht benennen.

Ebensowenig kann festgestellt werden, dass in Bangladesch aus politischen Gründen motivierte eine Anzeige gegen den BF erhoben worden ist. Die vom BF dem BVwG vorgelegten Unterlagen, die dies bestätigen würden, wurden vom im Erwerbsleben stehenden und damit mit einem ausreichenden Einkommen ausgestattetem BF im behaupteter Maßen "Original" und lediglich in einer englischsprachigen Übersetzung (vom 21.01.2020), jedoch keiner beglaubigten deutschsprachigen Übersetzung vorgelegt.

Es wird somit nicht festgestellt, dass der BF aus politischen Gründen in Bangladesch von der Polizei gesucht wurde bzw. gesucht wird.

Ebensowenig kann festgestellt werden, dass der BF in Bangladesch aus politischen Gründen von den Rapid Action Battalions (im Folgenden: RABs) gesucht wurde.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Mitglieder der Polizei oder RABs in das Haus des BF in Bangladesch eingedrungen sind, Fenster zerschlagen haben und Dinge wie Gold, Geld und Kleidung mitgenommen haben.

Festgestellt wird vielmehr, dass das BFA den BF mit widersprüchlichen Aussagen zu seinen behaupteten Fluchtgründen konfrontierte und dieser diese Widersprüche nicht aufklären konnte (AS 97 bis 106).

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus politischen Gründen in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

Festgestellt wird, dass der BF trotz seiner behaupteten Kontakte zur BNP nicht dargelegt hat, welcher konkreten Verfolgung er in Bangladesch auf Grund dieser Kontakte in Österreich ausgesetzt sein würde.

Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche aus anderen Gründen droht.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Gaaprajatantri Balades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

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https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019

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BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019

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DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts,

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DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

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Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019

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Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results,

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019

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ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

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Reuters (1.1.2019): Western powers call

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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