TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/14 W131 2179830-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.2020
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Entscheidungsdatum

14.02.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W131 2179830-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2017, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer (= Bf) am 10.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu erfolgte am 12.06.2015 seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 01.10.2016 seine schriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (= belangte Behörde).

2. Ein von der belangten Behörde eingeholtes medizinisches Gutachten zur Altersfeststellung des Bf ergab ein Mindestalter des Bf im Zeitpunkt seiner Antragstellung von 18 Jahren und als spätestmögliches "fiktives" Geburtsdatum des Bf den XXXX . Das Ergebnis der Altersfeststellung wurde dem Bf mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und blieb bestritten.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2016, Zl XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Bf hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm jedoch den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.10.2017 (Spruchpunkt III.).

Dieser Bescheid wurde dem Bf nachweislich durch Hinterlegung am 18.10.2016 zugestellt. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf kein Rechtsmittel.

4. Am 07.09.2017 beantragte der Bf die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung, über welchen bislang lt hiermit dokumentierten Tel des Richters mit der Bescheidgenehmigerin vom 14.02.2020 noch nicht entscheiden wurde. Aus diesem Grund wurde der Bf am 02.11.2017 erneut von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem Bf der ihm mit Bescheid vom 14.10.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die ihm erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.), dem Bf wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt; weiters wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG erlassen und zugleich festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Dem Bf wurde für seine freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).

Gleichzeitig stellte die belangte Behörde dem Bf eine Rechtsberatungsorganisation für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (= BVwG) zur Seite.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf fristgerecht Beschwerde, mit der der Bescheid vollumfänglich aufgrund der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie der Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten wird.

7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.12.2017 wurde die Beschwerde samt dem dazugehörigen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

8. Am 27.02.2019 fand vor dem BVwG unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der neben dem Bf und einem Vertreter seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation auch eine Zeugin teilnahm.

9. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung langten schriftliche Stellungnahmen des Bf und der belangten Behörde ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bf, ein afghanischer Staatsangehörige, wurde am XXXX in Quetta (Pakistan) geboren. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich selbst zum Islam schiitischer Ausrichtung. Er hat sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise in Pakistan im Kreise seiner afghanischen Familie verbracht und war noch nie in Afghanistan. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Bf noch über Angehörige in Afghanistan verfügt. Viele Verwandte des Bf leben nach wie vor in Pakistan.

Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung ist der Bf in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet stellte der Bf am 10.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2016 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zwar abgewiesen (Spruchpunkt I.), jedoch wurde ihm der Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.) erteilt. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete die belangte Behörde - unter Bezugnahme auf die getroffenen Länderfeststellungen - insb gestützt auf folgende Feststellungen:

"Bei Ihnen handelt es sich um einen gesunden jungen Mann, dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben zugemutet werden kann.

Ihre Familie lebt nach wie vor in Quetta, allerdings ohne Aufenthaltsberechtigung. Sie selbst haben keine Schulbildung erfahren und sind Analphabet, haben allerdings Englisch erlernt und in einer Schneiderei gearbeitet. Die Arbeit könnten Sie auch nach Ihrer Rückkehr nach Afghanistan wieder aufnehmen. Dabei könnten Sie auch auf das Wissen, das Sie sich während Ihres Aufenthaltes in Österreich angeeignet haben, zurückgreifen.

Es muss demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass Sie in Quetta geboren sind und in Afghanistan keinerlei Anknüpfungspunkte mehr haben.

Eine innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der Hauptstadt Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif, würde unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Umstände (derzeit) ebenfalls nicht zur Verfügung stehen.

So ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Sie in der Hauptstadt Kabul oder den anderen Städten über keinerlei familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte verfügen und mit den dortigen Gegebenheiten nicht vertraut sind. Aus Ihren Angaben konnte geschlossen werden, dass für Sie das reale Risiko besteht, dass Sie mangels eigenem Vermögen, mangels einer speziellen Ausbildung, mangels eines ausreichenden sozialen Netzwerkes, in diesem hinreichend sicheren Teil Afghanistans im Falle einer Rückkehr in eine hoffnungslose Lage kommen würden.

Im vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass Ihnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist."

Am 07.09.2017 stellte der Bf fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung. Von der belangten Behörde wurde - wie von der Bescheidgenehmigerin am 14.02.2020 telefonisch und hiermit festgehalten bestätigt - über den gestellten Verlängerungsantrag bislang noch nicht entschieden, sondern amtswegig der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 06.11.2017 wurde ua der dem Bf mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2016, Zl XXXX , zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die mit selben Bescheid erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet die belangte Behörde aufgrund folgender Feststellungen:

"Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen nicht mehr vor.

Sie sind mittlerweile 21 Jahre alt und ein erwachsener, junger, lediger und arbeitsfähiger Mann. Zum heutigen Zeitpunkt besteht für Sie die Möglichkeit einer Rückkehr ins Heimatland.

Die Familie stammt ursprünglich aus der Provinz Ghazni/Jagori und es liegt in ihrem Fall zwar eine relevante Gefährdungslage im Fall einer Rückkehr in Bezug auf ihre unmittelbare Heimatprovinz - nicht aber Afghanistan allgemein - vor.

Die Sicherheitslage in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ist relativ sicher.

Kabul verfügt über einen Flughafen. Sie können Kabul erreichen, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein.

Auch Mazar-e Sharif verfügt über einen Flughafen - diesen können Sie auch über Kabul erreichen, ohne einer besonderen Gefahr ausgesetzt zu sein.

Herat verfügt ebenfalls über einen Flughafen - diesen könne Sie auch über Kabul und im Anschluss über den Verkehrsweg (Herat City Airport Road) erreichen, ohne einer besonderen Gefahr ausgesetzt zu sein.

Sie haben zwar keine Angehörigen in Afghanistan aber Sie haben Ihre weiteren nahen Angehörigen in Pakistan. Ihr Vater und der Onkel arbeiten dort als Immobilienmakler. Sie können daher Unterstützung bekommen.

Sie verfügen über eine Schulausbildung und haben den Beruf als Schneider erlernt. Weiters haben Sie sich in Österreich Kenntnisse der Deutschen Sprache aneignen und eine Ausbildung als Facharbeiter in der Forstwirtschaft absolvieren können. Sie selbst sind somit arbeitsfähig, Ihre Angehörigen, die Sie schon vorher finanziell unterstützt haben, können Ihnen weitere Unterstützung zukommen lassen, somit geht die erkennende Behörde davon aus, dass Sie für Ihren Unterhalt grundsätzlich sorgen können.

Eine Rückkehr ins Heimatland ist Ihnen als männlicher, gesunder, arbeitsfähiger, alleinstehender Mann mit Berufserfahrungen somit zumutbar. Sie sind mit den Gepflogenheiten Afghanistans vertraut, da Sie im Kreise Ihrer afghanischen Familie und anderen Afghanen in Hazara Town aufgewachsen sind und gelebt haben und würden Sie durch die Rückkehr in keine ausweglose Lage kommen."

Seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2016 ist keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Bf eingetreten. Die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht wesentlich und nachhaltig verändert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die Person des Bf, die nicht nur der zunächst erfolgten bescheidmäßigen Zuerkennung, sondern auch der nachfolgenden Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, zugrunde gelegt wurden, gründen sich auf den Akteninhalt bzw den Inhalt der betreffenden Bescheide.

Dass seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2016 und seit der Aberkennung dieses Status mit Bescheid vom 06.11.2017 keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Bf eingetreten ist, gründet sich auf den Inhalt der diesen Bescheiden zu Grunde liegenden Verwaltungsakten sowie den Ausführungen des Bf im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die eine entscheidungserhebliche Veränderung in den subjektiven Umständen des Bf jedenfalls nicht erkennen lassen.

Auffallend ist hierbei va, dass es sich bei den von der belangten Behörde als zentrale Entscheidungsgrundlage für die nunmehrige Aberkennung des subsidiären Schutzes herangezogenen Argumenten (Familie des Bf ist bereits seit Jahren aus Afghanistan ausgewandert und lebt seither in Pakistan, wo auch der Bf geboren wurde und sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten hat; seine Berufserfahrung als Schneider, sowie seiner aufgrund seines bisher im Bundesgebiet verbrachten Aufenthaltes absolvierten Weiterbildungsmaßnahmen, die ihm im Fall seiner (Neu-)Ansiedelung in Afghanistan von Nutzen sein kann; die fehlenden familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat) im Wesentlichen um dieselben handelt, die für die belangte Behörde damals ausschlaggebend waren, dem (auch damals bereits volljährigen) Bf mit Bescheid vom 14.10.2016 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen (vgl hierzu insb auch Pkt 1.2. der Feststellungen).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass sich aus dem Inhalt (insb der rechtlichen Beurteilung) des angefochtenen Abänderungsbescheides ergibt, dass sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG bezog. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde (AS 238 bzw S 6 des Bescheides) zu beantworten, wonach die Aberkennung erfolgt, weil "die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten [...] nicht mehr [vorliegen]."

Im ersten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG stellt das Gesetz darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nie vorgelegen sind. Dieser Tatbestand korrespondiert mit Art 19 Abs 3 lit b der Statusrichtlinie, nach dem eine Aberkennung oder Nichtverlängerung des Status dann erfolgt, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

Im zweiten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich um die Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG handelt, zumal weder Hinweise dafür vorliegen, dass eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seitens des Beschwerdeführers für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Kenntnisstand der Behörde hinsichtlich eines für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstandes (im Sinne des Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes) geändert hätte. Vielmehr zog die belangte Behörde offenbar mit Blick auf eine vermeintliche Änderung des Sachverhalts (Berufserfahrung, Unterstützung durch Familie) sowie aufgrund einer von ihr verorteten Änderung der "Entscheidungspraxis" der Höchstgerichte zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes (betreffend alleinstehende leistungsfähige Männer ohne soziales Netzwerk) den Tatbestand des § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG heran.

§ 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 und Art 16 Statusrichtlinie sind verfassungsmäßig in der Weise zu interpretieren, dass dem Grundprinzip "Rechtskraft" der Rechtsordnung entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung zulässig ist. Auch Art 16 Abs 2 Statusrichtlinie ist in der Weise zu lesen, dass nur bei dauerhafter und wesentlicher Veränderung im Herkunftssaat kein subsidiärer Schutz mehr gebührt.

Wie bereits dargestellt, wurde die Zuerkennung eines subsidiär Schutzberechtigten im Fall des Bf von der belangten Behörde im Wesentlichen mit dem mangelnden Bezug des im Iran geboren und aufgewachsenen Bf zu seinem Herkunftsstaat sowie mit dem Fehlen eines tragfähigen sozialen oder familiären Netzwerks in Afghanistan begründet. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die individuelle Situation des Bf wurde von der belangten Behörde nicht dargetan. Soweit die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Bf bei einer (Neu-)Ansiedlung in Afghanistan finanzielle oder anderweitige Unterstützung durch seine Verwandten erhalten könnte, ist diesbezüglich festzuhalten, dass dieser Umstand von der belangten Behörde bereits im Bescheid vom 14.10.2016 festgestellt und als einer der Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten herangezogen wurde. Die nunmehrige Feststellung eines bestehenden familiären oder sozialen Netzwerks der belangten Behörde (insb Seite 7 des Bescheids) begründet für sich genommen keine (nachträgliche) Änderung des Sachverhalts. Vielmehr hat die belangte Behörde auf Grundlage eines unveränderten Sachverhalts eine andere Beweiswürdigung vorgenommen bzw daraus andere (rechtliche) Schlüsse gezogen.

Auch im Hinblick auf die Ausführung der belangten Behörde, beim Bf handle es sich um einen mittlerweile 21 Jahre alten, erwachsenen, jungen, ledigen und arbeitsfähigen Mann, handelt es sich hierbei nur insofern um eine Änderung, als der Bf seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Oktober 2016 im Vergleich zum nunmehrigen Aberkennungsbescheid vom 06.11.2017 ein Jahr älter geworden ist. Dass dem Alter des Bf bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine wesentliche Rolle zukam, erscheint auch deswegen zweifelhaft, weil der Bf bereits zum damaligen Zeitpunkt volljährig war.

Dass die von der belangten Behörde verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts (hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat oder der Person des Bf) ist, erhellt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aufgrund beinahe gleichlautender Feststellungen zu einem anderen Ergebnis (nämlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) gelangt ist.

Festzuhalten ist jedoch, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lagen gemäß § 9 Abs 1 Z 1 AsylG mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderungen der maßgeblichen Umstände im gegenständlichen Fall nicht vor.

Aus diesem Grund war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.2. Aufgrund der Behebung des Bescheides kommt dem Bf weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zu. Aus diesem Grund wird die belangte Behörde in weiterer Folge über den am 07.09.2017 eingebrachten - und bislang noch unerledigt gebliebenen - "Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes" (richtig: Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung iSd § 8 Abs 4 AsylG) abzusprechen haben.

Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG nicht zuerkannt wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG nicht zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG und des FPG lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121; 08.09.2015 Ra 2015/18/0134, je mwN). Nach Ansicht des BVWG gilt dasselbe im Verhältnis zwischen der Aberkennung eines (subsidiären) Schutzstatus und einer damit verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

Da dem Bf mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche III. bis IV. ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben sind.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH (vgl die unter Punkt II.3.2. und II.3.3. angeführten Erkenntnisse des VwGH) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des VwGH auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, familiäre Situation,
individuelle Verhältnisse, mangelnder Anknüpfungspunkt,
Rückkehrentscheidung behoben, wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2179830.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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