TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W239 2229969-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W239 2229969-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 04.12.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seiner Person liegt kein EURODAC-Treffer vor. Eine VIS-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer über ein von der polnischen Vertretungsbehörde in Abuja/Nigeria ausgestelltes Schengen-Visum Typ C, gültig von 20.11.2019 bis 03.12.2019, verfügte.

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (04.12.2019) gab der Beschwerdeführer befragt nach seinen Angehörigen an, seine Eltern seien verstorben. In Österreich oder dem sonstigen Bereich der EU habe er keine Familienangehörigen oder Verwandten.

Den Entschluss zur Ausreise habe der Beschwerdeführer im Jahr 2017 gefasst. Ende November 2019 sei er aus der Heimat in einem Lkw Richtung Libyen gefahren und dort einige Tage geblieben. Er sei legal ausgereist und habe einen nigerianischen Reisepass besessen, den er jedoch in Libyen verloren habe. Weiter sei er mit einem Schlauchboot nach Italien gelangt, wo er weniger als eine Woche gewesen sei. Anschließend sei er mit einem Reisezug nach Österreich gekommen. Er wisse nicht, was EU-Länder seien und könne daher keine Angaben dazu machen. Er sei nur kurz in Italien gewesen und habe in keinem anderen Land bisher um Asyl angesucht. Nachgefragt, ob er auch in Polen gewesen sei, verneinte der Beschwerdeführer das. Nach mehrmaliger Nachfrage gestand er letztlich ein, ein polnisches Visum gehabt zu haben, welches ihm ein "unbekannter Freund" besorgt habe. Er blieb jedoch dabei, keinen Schlepper gehabt zu haben und selbstständig mit einem Reisezug von Italien nach Österreich gekommen zu sein.

Als Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass sein Vater Mitglied der IPOB-Bewegung [Anm.: "Indigenous People of Biafra"] gewesen sei und für das Biafra Movement gekämpft habe. Der Vater sei im Jahr 2017 von Soldaten umgebracht worden. Sie hätten alle umbringen wollen, auch die Mutter des Beschwerdeführers sei getötet worden, aber dem Beschwerdeführer sei die Flucht gelungen. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat befürchte er, von Soldaten getötet zu werden.

2. Am 09.12.2019 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein auf Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Informationsersuchen an die italienische Dublin-Behörde; diese gab mit Schreiben vom 23.12.2019 bekannt, dass der Beschwerdeführer in Italien nicht bekannt sei.

Daraufhin richtete das BFA am 20.01.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Polen, welchem die polnische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 03.02.2020 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ausdrücklich zu stimmte.

3. Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 19.02.2020 im Beisein einer Rechtsberaterin die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Der Beschwerdeführer gab zu Beginn über Nachfrage an, Igbo sei seine Muttersprache, er spreche aber auch Englisch und sei damit einverstanden, dass die Befragung in dieser Sprache durchgeführt werde. Er sehe sich psychisch und physisch dazu in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Zu seinem Gesundheitszustand gab er weiter an, er nehme derzeit Schmerzmittel, die er vom Arzt in der Betreuungsstelle erhalten habe, und er werde demnächst eine Blutabnahme machen; er habe eine Überweisung bekommen. In Afrika habe er eine Leistenbruchoperation gehabt und seither habe er Schmerzen an der Leiste. Er sei damit einverstanden, dass von der Behörde Einsicht in die Befunde der Krankenstation genommen werde. Nachgefragt, seit wann er diese Schmerzen habe, erklärte er, dass er manchmal Schmerzen beim Treppensteigen habe, bereits seit einiger Zeit. Er sei diesbezüglich bisher nur in Österreich beim Arzt gewesen, weil die anderen [Ärzte] so viel Geld verlangt hätten.

Nachgefragt, ob er Beweismittel vorlegen wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass er Mitgliedsausweise der IPOB bei sich habe; diese wurden in Kopie zum Akt genommen.

In Österreich bzw. dem sonstigen Bereich der EU habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen oder Verwandten, zu denen eine besonders enge Beziehung bestehe. Er lebe auch mit niemanden in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft, sondern er sei in einer Betreuungsstelle untergebracht.

Dem Beschwerdeführer wurde sodann mitgeteilt, dass geplant sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Polen geführt worden seien; die Zustimmung zur Übernahme seiner Person seitens Polens liege bereits vor. Dazu erklärte der Beschwerdeführer: "Ich möchte nicht nach Polen zurückgehen. Die machen das nicht gewissenhaft. Die sind nicht so gut in solchen Verfahren wie die Leute hier in Österreich. Ein weiteres Problem ist, dass die Leute in Polen nicht Englisch sprechen."

Der Beschwerdeführer habe sich selbst umgehört. Er habe versucht, mit einigen Leuten zu kommunizieren und es sei nicht gegangen. Nachgefragt, ob er jemals in Polen aufhältig gewesen sei, verneinte er das. Vorgehalten, wie er dann versucht habe, mit polnischen Staatsbürgern zu kommunizieren, gestand er ein, dass er doch zwei Tage in Polen gewesen sei. Vorgehalten, weshalb er das zuvor nicht angegeben habe, erklärte der Beschwerdeführer, er sei zwei Tage in Polen aufhältig gewesen und dann von Polen nach Italien gereist. Er sei mit dem Flugzeug nach Polen geflogen und sei dort in einem Hotel gewesen. Bei der Einvernahme habe er seinen Aufenthalt in Polen verschwiegen, da jemand bei seiner Ankunft in Österreich zu ihm gesagt habe, dass er nur seinen Aufenthalt in Italien angeben solle, da diese Personen hier gut angenommen würden. Nachgefragt, mit wem er in Polen gesprochen habe, meinte er, es seien Leute gewesen, die er dort getroffen habe. Er habe keinen Kontakt zu den polnischen Behörden gehabt.

Zur Frage, weshalb er ein Visum für Polen beantragt habe, gab der Beschwerdeführer an, das sei gewesen, als er fliehen habe wollen. Jemand habe ihm geholfen und den Kontakt hergestellt. Nachgefragt, warum er Polen dann wieder verlassen habe, erklärte der Beschwerdeführer, er glaube, dass die Leute in Polen Mitglieder der Biafra Bewegung nicht aufnehmen würden. Er wisse es nicht genau, aber seitdem er in Österreich sei, sei er gut aufgenommen worden. Er habe sich im Internet informiert; Österreich nehme die Leute auf.

Zu den Länderfeststellungen zu Polen gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab. Er betonte lediglich, dass er nicht nach Polen zurückgehen wolle. Die Leute in Österreich seien sehr gut zu ihm, auch was seine Gesundheit betreffe. Er wolle auf alle Fälle in Österreich bleiben. Wie das Hotel in Polen geheißen habe, könne er nicht sagen. Da sei nichts auf Englisch angeschrieben gewesen. Er habe etwa 35,-- EUR bezahlt. Er habe zuerst Geld wechseln müssen, da sie keine EUR angenommen hätten. Den Namen der dortigen Währung wisse er nicht.

Die anwesende Rechtsberaterin stellte keine weiteren Fragen und erstattete kein Vorbringen.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.03.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Polen zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Polen traf das BFA folgende Feststellungen (Länderinformationsblatt Polen, Gesamtaktualisierung am 27.06.2019; unkorrigiert, gekürzt):

Allgemeines zum Asylverfahren

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten: (...)

(AIDA 11.3.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Für das Jahr 2018 ist kein Fall eines Antrags auf Wiedereröffnung des Verfahrens innerhalb der Neun-Monatsfrist bekannt. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer mit aufrechtem Asylverfahren (z.B. Antrag auf Wiedereröffnung) sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.3.2019; vgl. EASO 24.10.2017).

Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

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VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Die Behörde ist verpflichtet bei Angehörigen dieser Gruppen unmittelbar nach Antragstellung zu prüfen, ob sie spezielle Bedürfnisse haben. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse medizinische und psychologische Identifikationsmechanismen vorgesehen und werden auch angewendet, wenn auch die Initiative dazu oft vom Antragsteller ausgehen muss. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an, die von NGOs als ungenügend kritisiert werden. Einige NGOs behaupten, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniert. Das Unterbringungszentrum in Debak ist für Behinderte adaptiert. Es wird von Fällen berichtet, in denen Vulnerable aufgrund mangelnder Identifizierung in geschlossene Unterbringungseinrichtungen gebracht wurden, obwohl dies gesetzlich verboten ist (AIDA 11.3.2019).

Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind entsprechend unterzubringen. Spezielle Bedürfnisse bestehen, wenn ein Antragsteller behindertengerecht, in einer medizinischen Einrichtung, in einer auf psychosoziale Betreuung spezialisierten Einrichtung, oder in einem Einzelzimmer für alleinstehende Frauen mit Kindern untergebracht werden muss bzw. angepasster Ernährung bedarf. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Vier Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können bei Bedarf in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern (AIDA 11.3.2019).

Die Gesetze sehen vor, dass für unbegleitete Minderjährige auf Antrag der Asylbehörde vom lokalen Bezirksfamiliengericht ein Vormund (kurator) bestimmt werden muss, was in der Praxis auch ausnahmslos der Fall ist. Die Frist zur Bestellung beträgt drei Tage, zu ihrer Einhaltung in der Praxis gibt es aber keine Berichte. Der Vormund ist zuständig für das Asylverfahren, soziale Betreuung und gegebenenfalls freiwillige Rückkehr, nicht jedoch für andere Lebensbereiche des UMA. In den letzten Jahren gab es in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an geeigneten Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist werden NGO-Mitarbeiter oder entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten bestellt. Der Vormund soll während des Asylinterviews des unbegleiteten Minderjährigen anwesend sein, ebenso ein Psychologe. UMA werden nicht in Unterbringungszentren für Erwachsene, sondern in Jugenbetreuungseinrichtungen in ganz Polen unergebracht. Kurzfristig (besonders in der Eingangsphase) ist auch die Unterbringung bei Pflegefamilien oder in Krisenzentren möglich. Wenn das Asylverfahren negativ ausgeht, darf der UM in der Unterbringung bleiben, in der er sich befindet. Die meisten UMA in Polen entziehen sich dem Verfahren durch Verlassen der Unterbringung, bei manchen Nationalitäten zu 100% (z.B. Vietnamesen) und ihre Verfahren werden eingestellt (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.a).

Alle Kinder in Polen unterliegen bis zum Alter von 18 Jahren der Schulpflicht. Im September 2018 besuchten 878 asylwerbende Kinder 45 öffentliche Schulen in Polen. 491 dieser Kinder lebten in Unterbringungszentren. In den Zentren gibt es Polnisch-Kurse für Kinder. Es gibt die Möglichkeit eigene Vorbereitungsklassen einzurichten, was in der Praxis auch genutzt wird (AIDA 11.3.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist mit Zustimmung des Antragstellers bzw. seines Vertreters, eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür: allgemeine medizinische Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird in der Regel die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt (AIDA 11.3.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.a): Unaccompanied minors, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/maloletni-bez-opieki/, Zugriff 26.6.2019

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USDOS - US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019

Non-Refoulement

Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist ("first country of asylum"). 2018 gab es in Polen 1.037 Unzulässigkeitsentscheidungen, davon keine wegen "first country of asylum" (AIDA 11.3.2019).

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-Backs" am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland, ungeachtet einiger einstweiliger Anordnungen des EMRK gegen die polnischen Behörden, welche Abschiebungen untersagen, wenn ein Antragsteller die Absicht äußert, einen Asylantrag zu stellen. Ein Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts vom Mai 2018 verurteilte die Grenzwache, weil diese über das Interview bezüglich des Aufenthaltszwecks nur ein zusammenfassendes Memo anstelle eines vollständigen Protokolls ausstellt. Dieses Urteil wird von der Grenzwache aber ignoriert, mit der Begründung, dass man sich an den Schengener Grenzkodex halte (AIDA 11.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002617.html, Zugriff 26.6.2019

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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002221.html, Zugriff 26.6.2019

Versorgung

Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), haben sie kein Recht auf Versorgung. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung für die Dauer des Verfahrens wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2018 nur in einem von 87 Fällen getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.b).

Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage. Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 11.3.2019).

Asylwerber sehen sich Sprachbarrieren gegenüber und ihr Zugang zu höherer Bildung ist eingeschränkt (USDOS 13.11.3.2019).

Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit 22 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.d).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.b): Who can obtain assistance and when,

https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 26.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.d): Rights and obligations

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applicant,

https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 26.6.2019

-

USDOS - US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019

Unterbringung

Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2018 erhielten durchschnittlich 1.361 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.730 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben wollen, wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen. Selbst für Familien reicht die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.c).

In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.231 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über andere Untergebrachte bzw. über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 11.3.2019).

Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 590 Plätzen, von denen Ende 2018 insgesamt 216 belegt waren (AIDA 11.3.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 26.6.2019

Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten:

psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).

Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen 2018 der Arzt pro 120 Asylwerber zehn Ordinationsstunden und die Krankenschwester 20 Ordinationsstunden leisteten. Für je 50 Asylwerber mehr sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Krankenschwester vorgesehen. Seit April 2017 gibt es an der Grenze zu Weissrussland eine Einrichtung, in der frisch angekommene Antragsteller einem epidemiologischen Filter unterzogen werden, um ansteckende Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren (AIDA 11.3.2019).

Die Versorgung umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden grundlegende Behandlung (Unterstützung und Beratung, sowie Diagnose psychischer Störungen) durch einen Psychologen vorgesehen, sowie je eine Stunde mehr pro 50 zusätzliche Asylwerber. Asylwerber können auch an Psychiater oder psychiatrische Spitäler überwiesen werden. Viele NGOs und einige Experten sind der Meinung, dass eine spezialisierte Behandlung von traumatisierten Antragstellern oder Folteropfern in Polen in der Praxis nicht verfügbar sei. NGOs kritisieren vor allem den Mangel an angemessener Behandlung von PTBS. Die verfügbare Behandlung wird als Intervention betrachtet, nicht als reguläre Therapie. 2018 boten spezialisierte NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Beratung und Behandlung für Asylwerber an. Das größte Hindernis beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind aber mangelnde interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachenkenntnisse. Petra Medica ist verpflichtet entsprechende Übersetzung bei Bedarf zu gewährleisten, das ist Berichten zufolge aber manchmal nicht möglich. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Antragsteller, die außerhalb der Zentren und weit weg von diesen leben, erhalten Hilfe in den Woiwodschaftshauptstädten. Termine in Gesundheitseinrichtungen werden über die Hotline von Petra Medica fixiert (AIDA 11.3.2019).

Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Die medizinische Versorgung umfasst medizinische Betreuung durch Ärzte und Krankenschwestern in den Zentren; gegebenenfalls Überweisung zu fachärztlichen Leistungen in den Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Vertragseinrichtungen; Zahngesundheit in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica zusammenarbeitet; psychologische Betreuung in Unterbringungszentren oder in besonderen Fällen Überweisung an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken; wenn nötig Überweisung zu stationärer Krankenhausbehandlung in öffentlichen oder Vertragsspitälern; Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Einschätzung des Facharztes finanziert. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Krankenrevier des nächstgelegenen Unterbringungszentrums oder vereinbart einen Besuch in einer Vertragseinrichtung unter der Hotline von Petra Medica. Grundlage für die Erbringung einer Facharztleistung ist eine entsprechende Überweisung, die gegebenenfalls im Zentrum oder von der Hotline genehmigt werden muss. Die Krankenschwester oder der Hotline-Mitarbeiter bestimmt Ort und Datum der Dienstleistung, gibt Auskunft darüber, welche Einrichtung zu besuchen ist und wie sie sich auf den Besuch vorbereiten kann. Bei medizinischen Notfällen ist jede Notaufnahme ansprechbar (PM o.D.).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 19.6.2019

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

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PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 26.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO Polen für die inhaltliche Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei; Polen habe gemäß dieser Bestimmung der Aufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zugestimmt.

Der Beschwerdeführer leide seinen Angaben nach seit einer im Heimatland durchgeführten Leistenbruchoperation beim Treppensteigen gelegentlich an Schmerzen. Laut Krankengeschichte der Betreuungseinrichtung liege ein unauffälliger Labor- bzw. Ultraschallbefund vor. Aus den vorliegenden Befunden habe weder erhoben werden können, dass eine dringliche Untersuchung oder eine Operation in Kürze anstehe bzw. geplant sei, noch, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Auch in Polen sei medizinische Versorgung gegeben, wie sich aus den Länderberichten ergebe. Im Falle einer Überstellung nach Polen werde der Gesundheitszustand und die Transportfähigkeit des Beschwerdeführers von der Fremdenpolizeibehörde beurteilt und es würden gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen gesetzt. Nur in außergewöhnlichen Umständen, wie der Gefahr eines qualvollen Todes, liege eine Verletzung der in Art. 3 EMRK verankerten Rechte vor. Dafür gebe es gegenständlich keine Anhaltspunkte. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Ein möglicher Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei aus näher dargelegten Erwägungen (keinerlei familiären Anknüpfungspunkte, keine Integrationsverfestigung, kurze Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet) jedenfalls gerechtfertigt. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.

5. Gegen den Bescheid des BFA vom 12.03.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer die Gründe, die gegen eine Rückkehr nach Polen sprächen, bereits in der Einvernahme vor dem BFA dargelegt habe und er diese auch als Begründung der Beschwerde aufrechterhalte. Der Beschwerdeführer sei in Nigeria am Leisten operiert worden und leide noch immer unter diesem Eingriff. Er stehe in Behandlung, die noch nicht abgeschlossen sei.

6. Die Beschwerdevorlage samt Verwaltungsakt langte beim Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 04.12.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war er in Besitz eines seit weniger als sechs Monaten abgelaufenen polnischen Schengen-Visums Typ C (Gültigkeitszeitraum von 20.11.2019 bis 03.12.2019), aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnte. Er reiste unter Verwendung des polnischen Visums über Polen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und hat dieses seither nicht wieder verlassen.

Das BFA richtete am 20.01.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Polen, welchem die polnische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 03.02.2020 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ausdrücklich zu stimmte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheids zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Polen an.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer leidet unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Überstellung nach Polen entgegenstünden. Er berichtet lediglich über gelegentliche Schmerzen im Leistenbereich beim Treppensteigen und nimmt dagegen Schmerzmittel ein. Weitergehende medizinische Behandlungen sind derzeit nicht geplant.

Besonders ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen des Beschwerdeführers bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gründen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren in Zusammenschau mit der VIS-Abfrage, aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer über ein von der polnischen Vertretungsbehörde in Abuja/Nigeria ausgestelltes Schengen-Visum Typ C, gültig von 20.11.2019 bis 03.12.2019, verfügte. Dass er unter Verwendung dieses Visums über Polen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreiste, gestand der Beschwerdeführer - nach anfänglichen Versuchen der Verschleierung des tatsächlichen Reiseweges - letztlich selbst ein. Anhaltspunkte dafür, dass er dieses zwischenzeitlich wieder verlassen hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Feststellungen betreffend die Zustimmung Polens zur Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO beruhen auf den durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen, der italienischen und der polnischen Dublin-Behörde. Details dazu finden sich im Verfahrensgang. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheids, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das polnische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Polen den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell (Gesamtaktualisierung am 27.06.2019), sie zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Polen, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt; es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin-III-VO geregelte grundsätzlich sechsmonatige Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Polen nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Polen für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um keine besonders vulnerable Person handelt und keine Anzeichen dafür vorliegen, dass er aktuell im besonderen Maße auf eine medizinische Versorgung angewiesen wäre.

Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen in Polen hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgebracht. Im Gegenteil wurde dazu im Laufe des Verfahrens überhaupt kein Vorbringen erstattet; etwaige (negative) Vorerfahren mit dem polnischen Asyl- und Versorgungssystem konnte der Beschwerdeführers angesichts der Tatsache, dass er sich dort eigenen Aussage zufolge nur einige Tage auf der Durchreise in einem Hotel aufgehalten habe, ohne einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, auch gar nicht machen. Es wurde insgesamt kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, Art. 3 EMRK zu tangieren.

Dass der Beschwerdeführer unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben und aus der Einsicht ins Krankenblatt der Betreuungseinrichtung. Das BFA hielt dazu völlig richtig fest, dass daraus keine unmittelbar anstehenden Behandlungen abzulesen sind und medizinische Versorgung grundsätzlich auch in Polen gewährleistet ist; es liegt ein unauffälliger Labor- bzw. Ultraschallbefund vor. Der Beschwerdeführer ist nicht als besonders vulnerabel einzustufen. Von daher geht die vage Behauptung in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer in Behandlung stehe, die noch nicht abgeschlossen sei, ins Leere. Durch Befunde untermauert wurde die Behauptung jedenfalls nicht.

Dass der Beschwerdeführer über keine besonders ausgeprägten privaten, familiären oder beruflichen Bindungen zu Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Er gab durchgehend gleichlautend an, hier keine Familienangehörigen oder Verwandten zu haben. Hinweise auf eine Integrationsverfestigung haben sich im Verfahren nicht ergeben und ist eine solche angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet auch nicht zu erwarten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:

"§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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