TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/9 98/10/0012

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Veröffentlicht am 09.03.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
70/05 Schulpflicht;

Norm

SchPflG 1985 §24 Abs1;
SchPflG 1985 §24 Abs4;
SchPflG 1985 §9 Abs1;
SchPflG 1985 §9 Abs3 Z1;
VStG §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des D in A, vertreten durch Dr. Franz J. Rainer, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Hauptplatz 36, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 27. Oktober 1997, Zl. UVS 30.13-30/97-7, betreffend Übertretung des Schulpflichtgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Vater von vier Kindern. Die beiden älteren Kinder (B. und C.) besuchen die Volksschule in A. Am 5. Dezember 1996 beantragte der Beschwerdeführer im Wege der Schulleitung bei der Bezirksschulbehörde die Erlaubnis zum Fernbleiben der Kinder vom Unterricht in der Zeit vom 9. bis 20. Dezember 1996. Wegen einer Erkrankung (Neurodermitis) der nicht schulpflichtigen Tochter D. sei ein Meeresaufenthalt dringend angezeigt. Leider sei über die Weihnachtsferien alles ausgebucht. Es sei ihm bewußt, daß ein Fernbleiben für Konstantin nicht gerade ideal sei, andererseits erachte er die seelische Belastung bei einer Trennung von den Eltern für schädlicher. Selbstverständlich würden die Kinder während ihrer Abwesenheit von der Schule von den Eltern unterrichtet werden.

Am selben Tag wies der Bezirksschulrat A. den Antrag mangels Vorliegens von Gründen im Sinne des § 9 Abs. 3 SchulpflichtG ab.

Am 9. Dezember langte bei der Volksschule A. ein mit 5. Dezember 1996 datiertes Schreiben des Facharztes für Kinderheilkunde Dr. N. ein. Dieses lautete:

"Betrifft: T.C., geboren 29.6.1989,

T.B., geboren 16.4.1988.

Die beiden älteren Kinder C. und B.T. sind in meiner Ordination mit Infekten des oberen Respirationstraktes in Therapie, da familiär gehäuft Asthmabronchiale und Atopie im Sinne einer Neurodermitis auftreten (die jüngeren Geschwister sind zur Zeit schwerer betroffen). Als betreuender Arzt kann ich einen geplanten längerfristigen Aufenthalt im gemäßigten Meeresklima sowohl als Prophylaxe als auch im Sinne einer Regeneration nur unterstützen und empfehlen."

B. und C. blieben in der Zeit vom 9. bis 20. Dezember 1996 dem Unterricht fern.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Vater der schulpflichtigen Kinder B. und C.T. nicht für die Einhaltung der Schulpflicht gesorgt, indem er - nach Abweisung eines Ansuchens um Fernbleiben vom Unterricht in der Zeit vom

9. bis 20. Dezember 1996 - die Kinder in der genannten Zeit nicht in die Schule geschickt, sondern in den Urlaub mitgenommen habe. Er habe dadurch gegen § 24 Abs. 1 SchulpflichtG verstoßen; es wurden Geldstrafen von zweimal

S 1.000,-- (jeweils ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Begründend stellte die belangte Behörde - ergänzend zum oben wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt - fest, B. habe im laufenden Schuljahr keine, C. nur wenige Fehlstunden zu verzeichnen. Die Schulleiterin habe die Kinder seit Beginn des Schuljahres 1996/97 fast täglich gesehen. Ihr sei kein erkennbares Bronchial- oder Asthmaleiden aufgefallen. Nach der Wiedergabe von §§ 9 und 24 SchulpflichtG vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, dem Schreiben von Dr. N. sei nicht zu entnehmen, daß plötzlich eine akute Erkrankung in solcher Intensität aufgetreten wäre, daß aus gesundheitlichen Gründen das sofortige Fernbleiben von der Schule erforderlich gewesen wäre. Daß dem Schulleiter Erkrankungen des Respirationstraktes bei den Kindern nicht aufgefallen seien, widerlege selbstverständlich den Befund von Dr. N. hinsichtlich einer Behandlungsbedürftigkeit nicht. Es runde jedoch das Bild ab, daß die Kinder nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt gewesen seien, das den Schulbesuch unzumutbar gemacht hätte. Eine allfällige Erholungsbedürftigkeit stelle eine geringere physische und psychische Beeinträchtigung des Wohlbefindens dar als eine Erkrankung. Eine Erkrankung im Sinne des § 9 Abs. 3 SchulpflichtG liege erst vor, wenn der Weg in die Schule, der dortige Aufenthalt und der Weg nach Hause Belastungen darstellten, die eine Überforderung des Schülers bedeuteten. Umsoweniger könne eine gewisse allgemeine Schulmüdigkeit, allenfalls verstärkt durch leichte gesundheitliche Unpäßlichkeiten, wie sie üblicherweise bei vielen Kindern während des Schuljahres auftreten, als Rechtfertigungsgrund dienen. Gerade wegen der Erholungsbedürftigkeit von Kindern sei das Schuljahr durch mehrere Ferien unterbrochen. Erholungsbedürftigkeit könne also nur dann eine Rechtfertigung für das Fernbleiben von der Schule bilden, wenn sie in einer besonderen Intensität vorliege. Beispielsweise sei an die Regenerationsphase eines durch akute Krankheit geschwächten Organismus zu denken. Im konkreten Fall sei nicht erkennbar, weshalb es nicht ausreichend gewesen wäre, mit dem Beginn der notwendigen Erholungsphase 14 Tage bis zum Beginn der Weihnachtsferien zuzuwarten. Nach weiteren Darlegungen zur Strafbemessung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dem Beschwerdeführer sei vorsätzliches Verhalten zur Last zu legen. Die Ablehnung seines Antrages auf Erlaubnis zum Fernbleiben durch den Bezirksschulrat sei ihm bekannt gewesen. Er habe offenkundig einen Grund, nämlich die Erholungsbedürftigkeit der Kinder, vorgeschoben, um seinen von Anfang an geplanten Familienurlaub in der Vorweihnachtszeit ohne Rücksicht auf die Reaktion der Schulbehörde durchzuführen. Schon wegen des vorsätzlichen Verhaltens verbiete sich die Anwendung von § 21 VStG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 SchulpflichtG haben die in eine in § 5 genannte Schule aufgenommenen Schüler den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen. Ein Fernbleiben von der Schule ist nach Abs. 2 leg. cit. während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig. Nach Abs. 3 leg. cit. gelten als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung insbesondere

1.

Erkrankung des Schülers,

2.

mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,

              3.              Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,

              4.              außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,

              5.              Ungangbarkeit des Schulweges durch schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.

Nach Abs. 5 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes den Klassenlehrer (Klassenvorstand) oder den Schulleiter von jeder Verhinderung des Schülers ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Grundes zu benachrichtigen. Auf Verlangen des Schulleiters hat die Benachrichtigung jedenfalls schriftlich und bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit allenfalls unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses zu erfolgen. Gemäß Abs. 6 leg. cit. kann im übrigen die Erlaubnis zum Fernbleiben aus begründetem Anlaß für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenlehrer (Klassenvorstand), für mehrere Tage bis zu einer Woche der Schulleiter erteilen. Die Entscheidung des Klassenlehrers (Klassenvorstandes) bzw. des Schulleiters ist im Instanzenzug der Verwaltung durch Rechtsmittel nicht anfechtbar. Für die Erlaubnis zu längerem Fernbleiben ist die Schulbehörde erster Instanz, für die allgemeinbildenden Übungsschulen jedoch der Bezirksschulrat zuständig, gegen deren Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 erster Satz SchulpflichtG sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch ... zu sorgen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. stellt die Nichterfüllung dieser Pflicht eine Verwaltungsübertretung dar.

Die Beschwerde trägt vor, die belangte Behörde "impliziere" durch Betonung der Glaubwürdigkeit der Schulleiterin, der keine Erkrankung aufgefallen sei, eine Unglaubwürdigkeit des ärztlichen Attestes, scheue sich aber, "in letzter Konsequenz den Befund des Arztes explizite zu widerlegen". Sie gelange auf diese Weise zur Einstufung des doch ernsten und immer wiederkehrenden Bronchialinfektes als Unpäßlichkeit. Nun stünden der Schulbehörde wohl Zweifel am Vorliegen von Rechtfertigungsgründen im Sinne des § 9 Abs. 3 SchulpflichtG zu; diese hätten aber mit der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses zu verstummen. Es sei nicht gesetzlich geregelt, wie ein ärztliches Zeugnis auszusehen habe. Allfällige Fehler dieses Zeugnisses könnten daher dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden. Wenn aber die Aufnahme einer Diagnose in das ärztliche Zeugnis nicht zwingend vorgesehen sei, könne deren freiwillige Erwähnung nicht zu ihrer Infragestellung führen. Es bestehe somit kein "Recht der belangten Behörde auf Anzweiflung des Attestes".

Diese Darlegungen der Beschwerde übersehen, daß die belangte Behörde das Vorliegen des im Schreiben Dris. N. vom 5. Dezember 1996 bezeugten Sachverhaltes nicht bezweifelt hat. Ebensowenig ist aber die von der belangten Behörde gezogene Schlußfolgerung zu beanstanden, wonach sich aus dem Schreiben Dris. N. keine gesundheitliche Beeinträchtigung der Kinder in einem Ausmaß ergibt, die einem Schulbesuch in der fraglichen Zeit entgegengestanden wäre. Im ärztlichen Zeugnis wird nicht gesagt, daß der festgestellte Gesundheitszustand der Kinder dem Schulbesuch entgegenstehe; vielmehr wird erklärt, daß ein längerfristiger Aufenthalt im gemäßigten Meeresklima sowohl als Prophylaxe als auch im Sinne einer Regeneration empfohlen werden könne. Es war nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde aus dieser Erklärung des Arztes - unter Bedachtnahme auf die sonstigen Umstände des Falles - nicht auf eine das Fernbleiben der Kinder von der Schule rechtfertigende Erkrankung im Sinne des § 9 Abs. 3 Z. 1 SchulpflichtG folgerte.

Ein Fernbleiben von der Schule zum Zweck eines der Prophylaxe oder der Regeneration dienenden Kuraufenthaltes könnte hingegen angesichts des Zweckes der Regelung nur dann als im Sinne des § 9 Abs. 3 SchulpflichtG gerechtfertigt angesehen werden, wenn im Hinblick auf den Gesundheitszustand des betreffenden Schülers ein Zuwarten bis zur unterrichtsfreien Zeit nicht angezeigt ist. Für einen solchen Sachverhalt findet sich hier kein Anhaltspunkt.

Die Auffassung der Beschwerde, die belangte Behörde hätte "ein Zuwiderhandeln gegen die Entscheidung der Schulbehörde nur schlüssig annehmen können, wenn in der Antragstellung auf Erlaubnis zum Fernbleiben auf eine Erkrankung von B. und C. abgestellt worden und dieselbe Erkrankung vom Kinderarzt festgestellt worden wäre", geht nicht vom Inhalt des angefochtenen Bescheides aus. Dem Beschwerdeführer wird nicht ein Zuwiderhandeln gegen die (auf Grund des § 9 Abs. 6 SchulpflichtG getroffene) Entscheidung der Schulbehörde, sondern ein Verstoß gegen die ihm durch § 24 Abs. 1 erster Satz SchulpflichtG auferlegte Verpflichtung vorgeworfen. Auf den Rechtfertigungsgrund einer nach § 9 Abs. 6 SchulpflichtG ergangenen Erlaubnis zum Fernbleiben kann sich der Beschwerdeführer mangels ihrer Erteilung nicht berufen. Die an § 9 Abs. 6 SchulpflichtG orientierten Überlegungen der Beschwerde gehen daher an der Sache vorbei.

Ebensowenig lassen sich die allgemeinen Erörterungen der Beschwerde über das "Mitspracherecht der Eltern im Schulwesen", das "Ringen der Republik mit den Überresten des Polizeistaates", dessen Ausdruck die vorliegende Beschwerde sei, die Hinweise auf eine (behauptete) Befangenheit eines am Strafverfahren nicht beteiligten Organs der Schulbehörde, den Inhalt einer Dienstaufsichtsbeschwerde und die Dauer der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde einen Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen, im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen Bescheides erkennen.

Auch die Auffassung der Beschwerde, es liege lediglich ein geringfügiges Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne des § 21 VStG vor, ist nicht zu teilen. Der Beschwerdeführer begründet dies mit der Behauptung, es liege nur "irrtümliches Handeln" und somit ein geringfügiges Verschulden vor, weil er sich "darauf stützen durfte, daß ein ärztliches Attest in Verbindung mit einer Erholungsbedürftigkeit dem Gesetz Genüge tun würde". Dem ist entgegenzuhalten, daß im ärztlichen Attest - wie bereits oben erörtert wurde - kein dem Schulbesuch entgegenstehender Gesundheitszustand oder eine keinen Aufschub eines Kuraufenthaltes duldende Erholungsbedürftigkeit der Kinder befundet wird. Ebensowenig ist die - sowohl der Bekämpfung der Strafbemessung als auch der Verfahrensrüge - zugeordnete Auffassung der Beschwerde zu teilen, die Folgen der Übertretung seien geringfügig, weil "C. sowieso zu den Klassenbesten gehörte, B. sich merklich verbesserte und vor Weihnachten nichts mehr durchgenommen wurde". Folge der in Rede stehenden Übertretung ist das Fernbleiben der Kinder von der Schule; von Geringfügigkeit kann im Hinblick auf die Dauer des Fernbleibens nicht gesprochen werden. Auf die Schulleistungen der betreffenden Schüler und auf Unterrichtsinhalte im Deliktszeitraum stellt das Gesetz nicht ab.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998100012.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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