TE Vwgh Beschluss 1998/3/9 97/10/0230

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Veröffentlicht am 09.03.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, in der Beschwerdesache der X AG, vertreten durch Dr. Manfred Moser, Rechtsanwalt in

7033 Pöttsching, Wiener Neustädter Straße 57, gegen die Niederösterreichische Landesregierung, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem NÖ Naturschutzgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Das Verfahren wird im Umfang des Antrages, der Verwaltungsgerichtshof möge den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 4. Dezember 1996, Zl. 9-N-9643/4, beheben, eingestellt.

Im Umfang des Antrages, der Verwaltungsgerichtshof möge feststellen, daß für die Bauausführung der mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst vom 10. Juli 1996, Zl. 229.160/5-II/2/96, behördlich genehmigten Eisenbahnanlagen eine Anzeigepflicht im Sinne der Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes, insbesondere im Hinblick auf § 5 leg. cit., nicht besteht, wird die Säumnisbeschwerde zurückgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution Aufwendungen von S 8.750,-- zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte bei der Bezirkshauptmannschaft Melk am 5. August 1996 folgende Anträge:

"1. Es möge festgestellt werden, daß für die Bauausführung der mit Bescheid des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst vom 10. Juli 1996, Zl. 299.160/5-II/2/96, behördlich genehmigten Eisenbahnanlagen eine Anzeigepflicht im Sinne der Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes, insbesondere im Hinblick auf § 5 leg. cit, nicht besteht,

2. in eventu, daß die Anzeige hinsichtlich der zu Punkt 1. genannten Anlagen nach § 5 NÖ Naturschutzgesetz zur Kenntnis genommen werde und

3. daß die Anzeige für die Errichtung der nicht als Eisenbahnanlage genehmigten Baumaßnahmen laut dem vorgelegten Übersichtslageplan und dem technischen Bericht im Sinne des § 5 NÖ Naturschutzgesetz zur Kenntnis genommen werde."

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 4. Dezember 1996 nahm die Bezirkshauptmannschaft Melk die Anzeige betreffend den viergleisigen Ausbau der Westbahn, Projektumfahrung Loosdorf, unter Vorschreibung von Auflagen zur Kenntnis.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die im Dezember 1996 bei der Bezirkshauptmannschaft eingebracht wurde. Sie machte geltend, die Bezirkshauptmannschaft habe über den auf Feststellung gerichteten Hauptantrag nicht entschieden; damit sei die Behörde ihrer Entscheidungspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen. Die Behörde sei für Eisenbahnanlagen unzuständig. Es würden "seitens des Bewilligungswerbers keine Baulichkeiten vorgenommen". Die Baumaßnahmen fänden nicht im Grünland, sondern auf Flächen statt, die als Eisenbahnflächen gewidmet wären. Gemäß § 2 Abs. 3 NSchG dürften Auflagen nicht vorgeschrieben werden. Die Entscheidungsfrist nach § 5 Abs. 2 NSchG sei überschritten worden. Es werde beantragt, 1. den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft zu beheben und 2. mit Bescheid festzustellen, daß für die Bauausführung der mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst vom 10. Juli 1996 behördlich genehmigten Eisenbahnanlagen eine Anzeigepflicht im Sinne der Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes, insbesondere im Hinblick auf § 5 leg. cit. nicht bestehe.

Am 28. November 1997 erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde mit dem aus dem Spruch dieses Beschlusses ersichtlichen Anträgen.

Am 17. Februar 1998 legte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 3. März 1997 und den Nachweis über dessen am 15. Jänner 1998 erfolgte Zustellung an die Beschwerdeführerin vor. Mit diesem Bescheid wird - dem Wortlaut des Spruches zufolge - "der Berufung teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben". Begründend wird nach Darstellung des Verfahrensganges u.a. dargelegt, die Anträge 1. und 2. seien als Eventualanträge formuliert; die Behörde erster Instanz habe daher berechtigterweise nur über einen der beiden Anträge entschieden. Eine allfällige Verletzung der Entscheidungspflicht könne nicht Gegenstand eines Berufungsverfahrens sein. Gegebenenfalls wäre ein Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG zu stellen. Zu dem mit 2. bezeichneten Berufunsantrag sei festzustellen, daß die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen sei. Die Berufungsbehörde dürfe sachlich nicht über mehr entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz gewesen sei. Daher könne dem Berufungsantrag Punkt 2. nicht Folge gegeben werden. Die Behebung des von der Bezirkshauptmannschaft erlassenen Bescheides erfolge wegen einer Überschreitung der 8-Wochen-Frist nach § 5 Abs. 2 NÖ Naturschutzgesetz.

In Ansehung des in der Säumnisbeschwerde gestellten Begehrens, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 4. Dezember 1996 zu beheben, wurde der versäumte Bescheid durch Erlassung gegenüber der Beschwerdeführerin am 15. Jänner 1998 innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nachgeholt. Das Verfahren ist daher insoweit gemäß § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG einzustellen.

Im Umfang des in der Säumnisbeschwerde enthaltenen, oben wiedergegebenen Feststellungsbegehrens ist die Säumnisbeschwerde unzulässig. Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Zwar trifft es zu, daß das in erster Instanz gestellte und einen Teil des Berufungsantrages darstellende Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin bisher unerledigt geblieben ist. Der Hinweis in der Begründung des Bescheides der belangten Behörde, wonach "dem Berufungsantrag Punkt 2. nicht Folge gegeben werden konnte", bedeutet mangels Aufnahme eines Ausspruches über dieses Begehren in den Spruch des Bescheides insoweit keine Erledigung dieses Antrages. Zur Klarstellung ist zu bemerken, daß die Entscheidungspflicht betreffend das als Hauptantrag formulierte Feststellungsbegehren durch die Entscheidung über den Eventualantrag nicht untergegangen ist.

Eine Säumnisbeschwerde ist aber erst dann zulässig, wenn die oberste Behörde, die die Partei im Verwaltungsverfahren anrufen konnte (§ 73 Abs. 2 AVG), säumig geworden ist. Besteht die Möglichkeit eines Devolutionsantrages, so ist zunächst dieser zu stellen. Die Beschwerdeführerin hat ihren Feststellungsantrag betreffend keinen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die belangte Behörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG gestellt. Daß sie in ihrer Berufung, die unmittelbar bei der ersten Instanz eingebracht wurde (vgl. für den Fall eines Devolutionsantrages jedoch § 73 Abs. 2 zweiter Satz AVG) auf die Verletzung der Entscheidunspflicht der ersten Instanz betreffend ihren Feststellungsantrag Bezug nahm, bedeutet mangels eines auf den Übergang der Zuständigkeit gerichteten Antrages keine "Anrufung der obersten Behörde" im Sinne des § 27 VwGG. Insoweit war die Beschwerdes somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 iVm 55 Abs. 1 und 50 VwGG und der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997100230.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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