TE Vwgh Beschluss 2020/4/5 Ra 2020/02/0057

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2020
beobachten
merken

Index

L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §39
VStG §39 Abs1
VStG §39 Abs6
VwGG §30 Abs2
WettenG Wr 2016 §23 Abs2
WettenG Wr 2016 §23 Abs6
WettenG Wr 2016 §24 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Magistrats der Stadt Wien der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Dezember 2019, Zlen. 1. VGW-002/042/7147/2017-16, 2. VGW-002/V/042/8032/2017, 3. VGW-002/V/042/8033/2017, 4. VGW-002/042/3829/2019-1, 5. VGW-002/V/042/3831/2019, 6. VGW-002/V/042/3833/2019, 7. VGW-002/042/3838/2019, 8. VGW-002/V/042/3840/2019, 9. VGW-002/042/3841/2019, 10. VGW-002/V/042/3842/2019, 11. VGW-002/042/3843/2019, 12. VGW-002/V/042/3844/2019, 13. VGW-002/V/042/6098/2019, 14. VGW-002/V/042/6097/2019 und 15. VGW-002/V/042/6099/2019, betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. J, 2. C Agentur & IT-Service GmbH, 3. C Ltd., 4. M, 5. I und 6. W, alle vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag hinsichtlich des Verfalls stattgegeben.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Verwaltungsgericht Wien u.a., indem es in Spruchpunkt A) 1) feststellte, dass der bekämpfte Beschlagnahmebescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (des revisionswerbenden Magistrats) vom 31. März 2017 mittlerweile aus dem Rechtsbestand getreten sei, weil mit demselben Erkenntnis gleichzeitig der vom revisionswerbenden Magistrat vorgenommene Ausspruch des objektiven Verfalls ersatzlos behoben und in keinem der anlässlich derselben Kontrolle geführten Strafverfahren die Strafe des Verfalls gemäß § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz verhängt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschlagnahmebescheid mittlerweile keinen Sicherungszweck mehr verfolge und daher außer Kraft getreten sei. Mit Spruchpunkt A) 2) erfolgte die ersatzlose Behebung des mit Bescheid des revisionswerbenden Magistrats vom 14. April 2017 gemäß § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz ausgesprochenen Verfalls für die Geräte Nr. 3.) bis 9.) wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung eines rein administrativrechtlichen Verfallsbescheids. Weiters sprach das Verwaltungsgericht in Spruchpunkt A) 4) aus, dass der Beschwerde des Fünftmitbeteiligten Folge gegeben, das Straferkenntnis des revisionswerbenden Magistrats vom 28. Jänner 2019 behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt werde sowie der in Spruchpunkt 3) des Straferkenntnisses erfolgte Ausspruch des Verfalls von Gegenständen behoben werde. Dann erkannte das Verwaltungsgericht in Spruchpunkt A) 5), es werde der Beschwerde der zweitmitbeteiligten Partei gegen das genannte Straferkenntnis im Hinblick auf die Verfallserklärung für die Geräte Nr. 3.) bis 9.) Folge gegeben und der dahingehende Verfallsauspruch behoben sowie die Beschwerde im Übrigen als unzulässig zurückgewiesen. Schließlich sprach das Verwaltungsgericht noch in Spruchpunkt A) 6) aus, der Beschwerde der drittmitbeteiligten Partei gegen dasselbe Straferkenntnis im Hinblick auf den als verfallen erklärten Geldbetrag Folge zu geben, den dahingehenden Verfallsauspruch zu beheben und im Übrigen die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

2        Unter anderem gegen die Spruchpunkte A) 4) bis 6) dieses Erkenntnisses wendet sich die vorliegende Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde verbunden mit den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. In seinem Antrag führt der revisionswerbende Magistrat aus, mit dem im bereits genannten Straferkenntnis nach § 24 Abs. 2 Wiener Wettengesetz verfügten Verfall der vorläufig beschlagnahmten Gegenstände sei der Verfallsausspruch an die Stelle des Bescheids zur vorläufigen Beschlagnahme getreten. Zur Sicherung des Verfalls als Strafe sei es jedoch notwendig, dass die Eingriffsgegenstände weiterhin dem Zugriff der Eigentümer durch Beschlagnahme entzogen blieben. Das Interesse der Eigentümer trete hinter das öffentliche Interesse an der Sicherstellung eines etwaigen Verfalls zurück. Demnach erfasst der Antrag auf aufschiebende Wirkung nur den mit der Revision angefochtenen Verfall und nicht die (sonstigen) Bestrafungen.

3        In ihrer Stellungnahme vom 26. März 2020 sprachen sich die zweit-, dritt- und fünftmitbeteiligten Parteien gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Begründung aus, dass die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Feststellung der Unwirksamkeit der Beschlagnahme und die Aufhebung des objektiven Verfalls mit der Revisionnicht angefochten worden seien und der Fünftmitbeteiligte unstrittig nicht Eigentümer der in Rede stehenden Gegenstände sei. Die Beschlagnahme der Gegenstände könnte auch dann nicht erreicht werden, wenn die Revision erfolgreich wäre oder der Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei einem Vollzug nicht zugänglich. Würde man sie aussetzen, läge weiterhin eine mit aufschiebender Wirkung verbundene Beschwerde gegen den Verfallsbescheid vor. Selbst im Fall der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses stünde der belangten Behörde kein Rechtstitel zu, um die verfallsbedrohten Gegenstände zu behalten. Die vom revisionswerbenden Magistrat gewünschte Sicherstellung würde ihn in eine bessere Position versetzen, als wenn er mit dem in seiner Revision gestellten Aufhebungsantrag erfolgreich wäre. Die Beschlagnahme sei eine eigenständige Sicherungsmaßnahme, die nicht durch die bloße Erlassung eines (nicht rechtskräftigen) Verfallsbescheids ende. Schließlich schlage die Interessenabwägung zugunsten der mitbeteiligten Parteien aus, weil sie durch die Verleihung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr Eigentümer der vom Verfall bedrohten Gegenstände und die Wettgeräte gemäß § 24 Abs. 4 Wiener Wettengesetz zu vernichten seien, was einen unwiederbringlichen Schaden herbeiführe. Demgegenüber sei der revisionswerbende Magistrat seiner Konkretisierungspflicht für das Sicherungsinteresse nicht nachgekommen, was bei dem für verfallen erklärten Geld schon gar nicht ersichtlich sei, weil die mitbeteiligten Parteien unzweifelhaft für eine allfällige Rückstellung ausreichend zahlungskräftig seien.

4        Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

5        Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Beschluss vom 28. Oktober 1980, 1154/80, VwSlg 10274 A/1980, ausgesprochen, dass auch ein kassatorischer Bescheid einem Vollzug zugänglich sein kann, weil er die Grundlage für nachfolgende, der beschwerdeführenden Partei zum Nachteil gereichende Verwaltungsakte bilden kann. Diese Rechtsprechung gilt auch im Revisionsverfahren (vgl. VwGH 1.12.2015, Ra 2015/06/0095).

6        Im Revisionsfall wurde den mitbeteiligten Parteien mit dem (die erstinstanzliche Beschlagnahme und Verfallserklärungen aufhebenden) angefochtenen Erkenntnis das Recht eingeräumt, die vom revisionswerbenden Magistrat in Beschlag genommenen Gegenstände herauszuverlangen (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² (2017) § 39 Rz. 30, mwN; Stöger in Raschauer/Wessely (Hrsg.), VStG² § 39 VStG Rz. 6, mwN). Mit diesem Erkenntnis sind daher Wirkungen verbunden, die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert werden können. Das angefochtene Erkenntnis ist daher einem Vollzug im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu überprüfen. Vielmehr geht es, soweit nicht zwingende öffentliche Interessen einem Aufschub entgegen stehen, ausschließlich um die Frage, ob eine Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses für die revisionswerbende Partei einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich bringen würde (vgl. VwGH 30.1.2020, Ra 2020/02/0001).

8        Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Formulierung des § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch bei einer Amtsrevision zulässig. Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen (vgl. VwGH 16.12.2019, Ra 2019/03/0128, mwN).

9        Bei einer Beschlagnahme handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme der Entziehung eines Gegenstands aus der Verfügungsmacht eines Betroffenen mit dem Zweck der Sicherung während des Verfahrens darüber, was mit dem Gegenstand endgültig zu geschehen hat. Eine gemäß § 39 Abs. 1 VStG verfügte Beschlagnahme tritt außer Kraft, wenn das zugrunde liegende Strafverfahren rechtskräftig eingestellt oder rechtskräftig der Verall - zu dessen Sicherung sie verfügt wurde - ausgesprochen wird, weil eine Beschlagnahme in einem Verfallsbescheid oder Einstellungsbescheid „gleichsam aufgeht“ und außer Kraft tritt, „ohne dass es ihrer ausdrücklichen Außerkraftsetzung bedürfte“ und der Rechtstitel für die Entziehung von Gegenständen aus dem Gewahrsam nunmehr im Straferkenntnis zu finden ist. Ist daher der Zweck der Beschlagnahme durch den Ausspruch des Verfalls erreicht, oder steht fest, dass der Zweck der Beschlagnahme nicht mehr gegeben ist, dann hat der Beschlagnahmebescheid seine normative Wirkung verloren. Eine rechtskräftig verfügte Beschlagnahme nach § 39 VStG endet daher in der Regel nicht mit der Erlassung eines Aufhebungsbescheids. Das Ende einer solchen Beschlagnahme tritt vielmehr mit dem Eintreten bestimmter rechtlich relevanter Umstände ein, welche die Beendigung der Beschlagnahme ohne eigenen Rechtsakt bewirken (vgl. VwGH 6.9.2016, Ra 2015/09/0103). Das gilt auch für die hier erfolgte Beschlagnahme nach § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz, weil zwar § 23 Abs. 4 Wiener Wettengesetz in der Stammfassung LGBl. Nr. 26/2016, noch ausdrücklich vorsah, dass eine Verfügung über die Anordnung einer Beschlagnahme bei Wegfall des Grundes ihrer Erlassung unverzüglich aufzuheben sei, diese Regelung jedoch durch den am 7. Juli 2018 in Kraft getretenen Art. I Z 50, LGBl. Nr. 40/2018, laut den Materialien (ErläutRV BlgLT 7/2018, S 15) mit Hinweis auf das zuvor zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs entfiel.

10       Die Sonderbestimmung des § 39 Abs. 6 VStG betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung betrifft von ihrem Wortlaut her nur Beschwerden gegen die Anordnung einer Beschlagnahme und dient nach systematischer Überlegung unter Einbeziehung der Teleologie der Regelung im Falle der Beschwerde der von der Beschlagnahme betroffenen Partei der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Aufrechthaltung des Titels für die Entziehung der Sache zur Wahrung des Sicherungszwecks. Im umgekehrten Fall, in dem die Behörde die Aufhebung der Beschlagnahme ausgesprochen hat, kommt der gesetzlichen Regelung, die die Beschwerde einer Amtspartei vorsieht, nur dann Effektivität zu, wenn sie mit einer aufschiebenden Wirkung verbunden ist (vgl. VwGH 16.11.2011, 2011/17/0111). Dieselben Überlegungen treffen ebenso für die Beschwerde gegen eine Beschlagnahme nach § 23 Abs. 2 und 6 Wiener Wettengesetz und für die Frage der aufschiebenden Wirkung einer Revision zu, sodass einer Amtsrevision gegen die Aufhebung der Beschlagnahme nur dann Effektivität zukommt, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird.

11       Im Zusammenhalt mit den oben (Rz. 9) erfolgten Ausführungen zu der ohne Rechtsakt bewirkten Beendigung der Beschlagnahme durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls kommt auch einer Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheids nur dann Effektivität zu, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, weil andernfalls die Beendigung der Beschlagnahme durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts dem Sicherungszweck der Beschlagnahme zuwiderlaufen würde. Daher kommt es - entgegen dem Vorbringen der mitbeteiligten Parteien - für die Frage der mit der Amtsrevision gegen die Aufhebung eines Verfallsbescheids verfolgten Interessen nicht allein darauf an, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts über die Feststellung des Fortbestands oder das Außerkrafttreten des Beschlagnahmebescheids auch angefochten wurde.

12       Das vom revisionswerbenden Magistrat geltend gemachte Risiko, dass die von der Beschlagnahme betroffenen Gegenstände dem Zugriff der Behörde entzogen werden, ist jedenfalls als eine erhebliche Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen zu verstehen. Die dagegen von den mitbeteiligten Parteien vorgetragene Behauptung, mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würden sie ihr Eigentums an den vom Verfall bedrohten Gegenständen verlieren und die Wettgeräte seien gemäß § 24 Abs. 4 Wiener Wettengesetz zu vernichten, bleibt ohne nähere Begründung und es ist nicht ersichtlich, dass die Sistierung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts dazu führen würde. Wenn die mitbeteiligten Parteien überdies eine unzureichende Konkretisierung des Sicherungsinteresses des revisionswerbenden Magistrats bemängeln, so sind sie darauf hinzuweisen, dass sich das schon hinreichend aus dem oben (Rz. 9) dargestellten Zweck der Beschlagnahme und des Verfalls ergibt. Angesichts der Regelung des § 39 Abs. 3 VStG, nach der die Behörde an Stelle der Beschlagnahme den Erlag eines Geldbetrags anordnen kann, vermag das Vorbringen der mitbeteiligten Parteien, sie seien für die Rückstellung des Geldbetrags ausreichend zahlungskräftig, die Interessen des revisionswerbenden Magistrats nicht maßgebend zu schmälern.

13       Das im Revisionsfall erhöhte Risiko des Entzugs der von der Beschlagnahme betroffenen Gegenstände aus dem Zugriff der Behörde stellt somit einen unverhältnismäßigen Nachteil für den revisionswerbenden Magistrat dar.

14       Dem Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung war daher im klar erkennbar vom revisionswerbenden Magistrat gemeinten Umfang nach Anhörung der vom Verfall betroffenen mitbeteiligten Parteien stattzugeben.

Wien, am 5. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020057.L00

Im RIS seit

29.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten