Index
70/05 Schulpflicht;Norm
SchPflG 1985 §14 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des D in A, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 24. Oktober 1997, Zl. UVS 30.13-5/97-13, betreffend Übertretung des Schulpflichtgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Vater der schulpflichtigen C.T. in der Zeit vom 18. März bis 15. April 1996 nicht für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch, gesorgt. Er habe dadurch gegen § 24 Abs. 1 SchulpflichtG verstoßen; es wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- verhängt.
Die belangte Behörde ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Tochter des Beschwerdeführers, die am 29. Juni 1989 geborene C.T., sei im Herbst 1995 in die 1. Klasse der Volksschule A. aufgenommen worden. Im Jänner 1996 habe sich C. geweigert, die Schule weiterhin zu besuchen. In einem am 2. Februar 1996 erstellten schulpsychologischen Gutachten sei geraten worden, das Kind nicht mit Gewalt zum Schulbesuch zu zwingen; es solle der Besuch der Vorschulklasse ermöglicht werden. Am 5. Februar 1996 hätten die Schulleiterin und die Mutter der Schülerin vereinbart, daß C. ab 6. Februar 1996 die Vorschulklasse besuchen solle. C. habe sich aber trotz guten Zuredens lautstark geweigert, die Vorschulklasse zu betreten. Ab diesem Tag habe C. die Schule nicht mehr aufgesucht. Am 12. Februar 1996 habe die Schulleiterin die Mutter der Schülerin darüber aufgeklärt, daß C. dem Unterricht nicht länger fernbleiben dürfe, und sie an den Bezirksschulrat verwiesen. Am 1. März 1996 habe die Schulleiterin die Abwesenheit der Schülerin dem Bezirksschulrat gemeldet. Am 11. März 1996 habe der Bezirksschulinspektor der Mutter der Schülerin erklärt, daß C. die Vorschulklasse besuchen müsse; dem habe Frau D. zugestimmt. C. sei am genannten Tag (und auch in der Folge) nicht in der Schule erschienen. Am 18. März 1996 habe der Bezirksschulinspektor dem Beschwerdeführer telefonisch die getroffene Vereinbarung vorgehalten und auf die Schulpflicht hingewiesen; der Beschwerdeführer habe nach kurzem Gespräch einfach aufgelegt. Am 22. März 1996 sei dem Bezirksschulrat eine ärztliche Bestätigung Dris. B. vorgelegt worden, wonach "C.T. wegen körperlicher Zartheit und psychischer Überforderung im Unterricht (auch in der Vorschule) im Schuljahr 1995/96 bildungsunfähig" sei. Am 22. April 1996 sei dem Bezirksschulrat ein psychologisches Gutachten Dris. D. vorgelegt worden, das "eine Freistellung vom Unterricht für das heurige Schuljahr" empfiehlt, weil "C. zum jetzigen Zeitpunkt in die Vorschule zu schicken, für sie eine ähnlich belastende Situation wie ehemals beim Kindergartenwechsel bedeuten würde". Nach Darlegungen zur Beweiswürdigung und Darstellung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Abwesenheit der Schülerin vom Unterricht zwischen 22. Jänner und 6. Februar 1996 sei jedenfalls gerechtfertigt gewesen. Auch am Fernbleiben im Zeitraum vom 7. Februar bis 17. März 1996 treffe den Beschwerdeführer kein Verschulden, weil die Schulleiterin ihm am 6. Februar 1996 erklärt habe, man solle C. nicht mit Gewalt zum Schulbesuch zwingen. Hingegen habe dem Beschwerdeführer ab dem Hinweis des Bezirksschulinspektors auf die bestehende Schulpflicht am 18. März 1996 bekannt sein müssen, daß die Abwesenheit seiner Tochter vom Unterricht nicht als gerechtfertigt anzusehen sei. Angesichts seiner Verpflichtung nach § 24 Abs. 1 SchulpflichtG hätte der Beschwerdeführer den Konsens mit der Schulbehörde herstellen müssen. Aus dem psychologischen Gutachten Dris. D. ergebe sich nicht, daß bei einem weiteren Versuch eines Schulbesuches unzumutbare Belastungen für das Kind zu erwarten gewesen wären. Daß die am 20. März 1996 ausgestellte Bestätigung der Schulärztin, wonach C. im Schuljahr 1995/96 "bildungsunfähig" wäre, keine Bedeutung haben könne, habe dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt klar sein müssen, da er für seine Tochter bereits früher den schulpsychologischen Beratungsdienst und zum gleichen Zeitpunkt eine qualifizierte Psychologin in Anspruch genommen habe. Daß die anstehende Frage der Schulreife seiner Tochter von einer praktischen Ärztin mit einem vierzeiligen Satz, der keinerlei Befund enthalte, nicht ausreichend geklärt werden könne, liege auf der Hand. Anders verhalte es sich ab dem Zeitpunkt, ab welchem das Gutachten Dris. D. fertiggestellt war, in dem eine Freistellung vom Unterricht auch für den Vorschulbereich empfohlen worden sei. Ab diesem Zeitpunkt liege zumindest nachvollziehbarer guter Glaube vor, dies auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall kein Verfahren zur Befreiung des Kindes von der Schulpflicht beantragt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 SchulpflichtG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes. Nach § 2 leg. cit. beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des 6. Lebensjahres folgenden 1. September. Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. haben die in eine im § 5 genannte Schule aufgenommenen Schüler den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen. Ein Fernbleiben von der Schule ist während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig (Abs. 2). Als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung gelten nach Abs. 3 leg. cit. insbesondere:
1.
Erkrankung des Schülers,
2.
mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,
3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,
4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,
5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 erster Satz SchulpflichtG sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch ... zu sorgen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. stellt die Nichterfüllung dieser Pflicht eine Verwaltungsübertretung dar.
Die Beschwerde trägt vor, der Verpflichtung der Eltern, für den regelmäßigen Schulbesuch zu sorgen, sei bei Erkrankung des Schülers Grenzen gesetzt. Die Schulunreife sei einer Erkrankung gleichzuhalten. "Diese Schulunreife" sei der Schulbehörde ohne Aufschub mündlich bekanntgegeben und mittels Attest der Schulärztin vom 20. März 1996 schriftlich bestätigt worden. Zu Unrecht habe die belangte Behörde diese Bestätigung als bedeutungslos gewertet.
Die Beschwerde beruft sich damit erkennbar auf den Rechtfertigungsgrund nach § 9 Abs. 3 Z. 1 SchulpflichtG (Erkrankung des Schülers); sie behauptet dem Sinne nach, daß bei C.T. "Schulunreife" vorgelegen und diese einer Erkrankung im Sinne des § 9 Abs. 3 Z. 1 SchulpflichtG gleichzuhalten sei.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Den Begriff "Schulunreife" kennt das Gesetz nicht; offenbar bezieht sich die Beschwerde mit ihren Darlegungen auf den Begriff der "Schulreife" im Sinne des § 7 Abs. 2 SchulpflichtG. Danach ist ein Kind schulreif, wenn begründete Aussicht besteht, daß es dem Unterricht in der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden. Mangelnde Schulreife ist - anders als dies die Beschwerde offenbar sieht - nach dem System des Gesetzes weder eine "Erkrankung" im Sinne des § 9 Abs. 3 Z. 1 SchulpflichtG noch sonst ein unter die nicht abschließende Aufzählung des § 9 Abs. 3 SchulpflichtG fallender Rechtfertigungsgrund. Bei der Schulreife handelt es sich vielmehr um eine Voraussetzung für den vorzeitigen Besuch der ersten Schulstufe der Volksschule durch Kinder, die zwischen dem 1. September und 31. Dezember des betreffenden Jahres das 6. Lebensjahr vollenden (vgl. das Erkenntnis vom 14. Dezember 1992, Zl. 92/10/0440). Weiters stellt das Fehlen der Schulreife stellt (bei schulpflichtigen Kindern) eine Voraussetzung für die Zurückstellung vom Besuch der ersten Schulstufe (nach entsprechender Feststellung) dar (vgl. § 14 Abs. 2 SchulpflichtG). Eine Frage des vorzeitigen Besuches der Volksschule stellte sich im Beschwerdefall bezogen auf das Schuljahr 1995/96 aber nicht. C. ist am 29. Juni 1989 geboren; nach § 2 SchulpflichtG war sie daher ab 1. September 1995 (allgemein) schulpflichtig. Ebensowenig wäre im vorliegenden Fall die Berufung auf die Möglichkeit einer Zurückstellung vom Schulbesuch nach § 14 Abs. 2 SchulpflichtG zielführend gewesen, zumal die hiefür im Gesetz normierte Frist (ab Beginn des Schuljahres bis zum Ende des laufenden Kalenderjahres) lange vor Beginn des von der belangten Behörde angenommenen Deliktszeitraumes abgelaufen war (vgl. § 14 Abs. 4 SchulpflichtG).
Die Beschwerde wäre aber auch nicht im Recht, sollte sie sich mit ihrem auf "Schulunreife" bezogenen Vorbringen - worauf ein kursorischer Hinweis im Rahmen der Verfahrensrüge hindeutet - auf "Schulunfähigkeit" des Kindes berufen. Nach § 15 Abs. 2 SchulpflichtG liegt Schulunfähigkeit vor, wenn medizinische Gründe einen Schulbesuch ausschließen, nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum mit besonderer Förderung kein Entwicklungsfortschritt feststellbar ist oder der Schulbesuch eine unzumutbare Belastung für das Kind darstellen würde. Auf einen solchen Sachverhalt hindeutende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich; insbesondere tritt die Beschwerde der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegen, daß sich auch aus dem Gutachten Dris. D. kein Hinweis auf unzumutbare Belastungen für das Kind durch den Schulbesuch ergebe. Dem von der Beschwerde bezogenen ärztlichen Zeugnis vom 22. März 1996 sind solche Anhaltspunkte ebenfalls nicht zu entnehmen; insbesondere war es nicht rechtswidrig, die Bezeichnung der Schülerin als "bildungsunfähig" mangels jeglichen Hinweises auf einen Befund, der eine solche Beurteilung rechtfertigen könnte, für ein Vergreifen im Ausdruck zu halten. Dabei ist zu bemerken, daß nach dem Vorbringen der zur Zl. 98/10/0012 protokollierten Beschwerde C. - der am 22. März 1996 "Bildungsunfähigkeit" attestiert worden war - im Schuljahr 1996/97 zu den Klassenbesten zählte. Es erübrigte sich daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich der Beschwerdeführer mangels Einleitung eines Verfahrens nach § 15 Abs. 3 iVm § 8 SchulpflichtG mit Erfolg auf "Schulunfähigkeit" des Kindes als Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 3 leg. cit. hätte berufen können.
Soweit die Beschwerde Begründungsmängel des erstinstanzlichen Straferkenntnisses geltend macht, ist darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof nur solche Verfahrensmängel aufzugreifen hat, die im Verfahren der letzten Instanz unterlaufen sind. Die gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten Darlegungen der Beschwerde sind schon deshalb nicht zielführend, weil nicht vorgetragen wird, welche vom festgestellten Sachverhalt abweichenden Tatsachenfeststellungen die belangte Behörde nach Auffassung der Beschwerde hätte treffen sollen. Was die im erwähnten Zusammenhang von der Beschwerde angedeuteten persönlichen Verhältnisse von Organen des Schuldienstes mit der Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu tun haben sollen, ist überhaupt unerfindlich.
Auch mit dem Hinweis, wonach es den Denkgesetzen widerspreche, wenn die belangte Behörde annehme, daß "vom 22. Jänner 1996 bis 17. März 1996 und vom 15. April 1996 bis Schulschluß Schulunreife vorliegt, und daher begründetes Fernbleiben, aber nicht zwischen 18. März 1996 und 15. April 1996", zeigt die Beschwerde nicht auf, daß die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers als strafbar im zuletzt erwähnten Zeitraum rechtswidrig wäre. Daß die belangte Behörde über diesen Zeitraum nicht hinausging, kann den Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzen.
Da somit bereits die Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998100016.X00Im RIS seit
20.11.2000