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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2019, W276 2196037-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 30. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 12. April 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 29. August 2019 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 3790/2019-7, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, der Revisionswerber habe nicht ausreichend die Möglichkeit gehabt, die von ihm geltend gemachten Fluchtgründe durch seine Aussage zu bescheinigen. Das Bundesverwaltungsgericht habe es nämlich unterlassen, durch geeignetes Nachfragen darauf hinzuwirken, dass der Revisionswerber umfassende und vollständige Angaben gemacht hätte. Es seien auch keine Erhebungen im Herkunftsstaat erfolgt, obwohl der Revisionswerber zu solchen unter Wahrung seiner Anonymität bereit gewesen sei. Der Revisionswerber habe seine Fluchtgründe widerspruchsfrei und umfassend dargelegt. Das Bundesverwaltungsgericht habe „offenkundig eine über die Bescheinigung hinausgehende Beweisführung“ verlangt. Damit sei es von der Rechtsprechung abgewichen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 19.2.2020, Ra 2020/14/0036, mwN).
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen der Revisionswerber - entgegen der von ihm vertretenen Meinung - ausreichend Gelegenheit hatte, aus eigenem ausführliche Angaben zu seinen Fluchtgründen zu machen. Zudem wurde er vom Bundesverwaltungsgericht zu seinen Fluchtgründen befragt. Somit liegt schon der insoweit vom Revisionswerber behauptete Verfahrensfehler nicht vor. Im Übrigen bleibt der Revisionswerber jegliche Konkretisierung schuldig, welche Antworten, die zur Klärung des Sachverhalts hätten beitragen können, er auf ergänzende Fragen - um welche es sich dabei hätte handeln sollen, lässt der Revisionswerber ebenfalls im Dunkeln - hätte geben können.
11 Weiters ist mit Blick auf das Revisionsvorbringen festzuhalten, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens des Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2020/20/0051, mwN).
12 Zudem stellt die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. auch dazu VwGH 26.2.2020, Ra 2020/20/0051, mwN). Derartiges legt der Revisionswerber mit seinem bloß unsubstantiierten - auch die Relevanz der behaupteten Verfahrensfehler nicht dartuenden - Vorbringen, im Fall ergänzender Erhebungen hätte sich die Richtigkeit des Vorbringens bestätigt und das Bundesverwaltungsgericht hätte zu einem anderen Ergebnis kommen können, nicht einmal ansatzweise dar.
13 Dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts, das sich ausführlich mit den Angaben des Revisionswerbers auseinandergesetzt hat, als unvertretbar einzustufen wären, wird in der Revision gleichfalls nicht aufgezeigt.
14 Weiters gibt es anhand der Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis keinen Hinweis dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen die Verweigerung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten betreffenden Erwägungen von einem anderen als dem in § 3 Abs. 1 AsylG 2005 festgelegten Beweismaßstab ausgegangen wäre (vgl. zu diesem Maßstab VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN; sh. auch im Zusammenhang mit unionsrechtlichen Vorgaben VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472, mwN).
15 Der Revisionswerber wendet sich schließlich auch gegen die im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung durchgeführte Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 2.3.2020, Ra 2020/14/0062, mwN).
17 Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen dem Vorbringen in der Revision sämtliche im vorliegenden Fall bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden - im Besonderen auch die vom Revisionswerber angesprochenen - Umstände einbezogen. Es ist - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der fallbezogenen Gewichtung dieser Umstände die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140180.L00Im RIS seit
15.07.2020Zuletzt aktualisiert am
15.07.2020