Index
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz TirolNorm
AVG §37Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen
1. der Gemeinde Neustift im Stubaital, vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, und die Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/14,
2. des Österreichischen Alpenvereins in Innsbruck, 3. des Deutschen Alpenvereins in München (Deutschland) und 4. des Umweltdachverbandes (UWD) in Wien, diese vertreten durch Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Barbara Lässer, Dr. Christian Klotz, Mag. Claudia Lantos, MMag. Mathias Demetz und Dr. Simon Gleirscher, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 4/3. OG, sowie
5. der Bürgerinitiative W in N, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 38,
gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2019, Zl. W104 2134902-1/203E, betreffend die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Speicherkraftwerkes nach dem UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: T AG in I, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19) den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 erteilte die belangte Behörde als UVP-Behörde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens Speicherkraftwerk K (SKW K) nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) unter Mitanwendung weiterer materienrechtlicher Bestimmungen, insbesondere des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) und des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (TNSchG 2005), und unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen. Dabei legte sie die wasserrechtliche Konsensdauer mit 90 Jahren ab Rechtskraft fest.
2 Gemäß der Vorhabensbeschreibung sollen in den nordwestlichen Stubaier Alpen, südlich des I-Tals zwischen dem Ö-Tal und dem S-Tal, in einer Seehöhe von durchwegs über 1.900 m zu den bestehenden Anlagen der Kraftwerksgruppe S der mitbeteiligten Partei - bestehend insbesondere aus dem unteren Speicher L-Tal und dem oberen Speicher F-Tal samt Beileitungen sowie dem Pumpspeicherkraftwerk K und dem Kraftwerk S - ein weiteres Pumpspeicherkraftwerk K 2 sowie ein weiterer Speichersee K samt Beileitungen aus dem hinteren S-Tal und dem hinteren Su-Tal (Ö-Tal) errichtet werden. Das Vorhaben erstreckt sich über das Gebiet mehrerer Gemeinden, Teile des Vorhabens befinden sich im Ruhegebiet S Alpen.
3 Über die dagegen - unter anderem - von den revisionswerbenden Parteien eingebrachten Beschwerden entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im ersten Rechtsgang mit Erkenntnis vom 3. August 2017. Dabei änderte es den angefochtenen Bescheid insofern ab, als näher bezeichnete Auflagen umformuliert und neue Auflagen eingefügt wurden. Im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen.
4 Auf Grund von dagegen erhobenen Revisionen der nunmehr erst- bis viertrevisionswerbenden Parteien wurde dieses Erkenntnis durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. November 2018, Ro 2017/07/0033 bis 0036, (im Folgenden auch: Vorerkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
5 Grund für die Aufhebung war zunächst der Umstand, dass die vom BVwG zusätzliche vorgeschriebene, zur weiteren Kompensation für den Verlust von Mooren und hochwertigen Feuchtlebensgebieten im L-Tal erforderliche Ersatzmaßnahme nicht ausreichend bestimmt festgelegt wurde, weil nicht eine konkrete Maßnahme vorgeschrieben, sondern lediglich der Auftrag erteilt wurde, ein (inhaltlich näher definiertes) Konzept für eine solche Maßnahme vorzulegen (Rn 166 bis 175 des Vorerkenntnisses). Darüber hinaus konnten mangels Festlegung der konkreten Flächen der notwendige sachliche (wenn auch gelockerte räumlich-inhaltliche) Konnex der Maßnahme zu den auszugleichenden Verlusten (Rn 177f des Vorerkenntnisses) sowie die Frage der Verfügbarkeit allfällig betroffener Grundflächen und die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit der Einräumung von Zwangsrechten (Rn 180 bis 182 des Vorerkenntnisses) nicht beurteilt werden. Für den Fall, dass die Einräumung von Zwangsrechten in Frage komme, hätte die gesamte Bewilligung nach § 17 Abs. 1 letzter Satz UVP-G 2000 unter den Vorbehalt des Erwerbs der entsprechenden Rechte gestellt, und nicht - wie vom BVwG angeordnet - lediglich der Baubeginn im L-Tal mit der „Freigabe des Maßnahmenkonzeptes“ verknüpft werden müssen (Rn 183 bis 186 des Vorerkenntnisses).
6 Das BVwG belastete sein Erkenntnis überdies durch Begründungsmängel mit Rechtswidrigkeit, weil es sich nicht im Hinblick auf § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 mit der Beantwortung der Frage auseinandersetzte, ob durch das beantragte Vorhaben das Ausmaß der von den bestehenden Anlagen ausgehenden und verursachten Emissionen verändert bzw. erhöht würde, und es eine abschließende Gesamtabwägung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 unterließ (Rn 187 bis 204 des Vorerkenntnisses).
7 Im fortgesetzten Verfahren erklärte das BVwG am 20. Dezember 2018 unmittelbar nach Ergehen des hg. Vorerkenntnisses das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs. 3 AVG iVm § 16 Abs. 3 und § 40 Abs. 5 UVP-G 2000 für geschlossen, dies mit Ausnahme des Teilbereichs „mögliche Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe im L-Tal infolge Errichtung des Speichers, die geeignet sind, den Boden, den Pflanzen- und Tierbestand oder die Gewässer bleibend zu schädigen“.
8 In der Folge legte die mitbeteiligte Partei als ergänzende Auskunft nach § 12 Abs. 6 UVP-G 2000 einen Vorschlag für eine derartige Kompensationsmaßnahme auf Liegenschaften in der Gemeinde Z vor. Nach Vorliegen der diesbezüglichen gutachterlichen Stellungnahmen des gerichtlich bestellten Sachverständigen vom 25. Februar 2019 und (zu den Einwendungen weiterer Parteien) vom 18. April 2019 führte das BVwG am 17. Mai 2019 eine mündliche Verhandlung zu dieser Kompensationsmaßnahme unter Beiziehung des gerichtlich bestellten Sachverständigen durch und erklärte an deren Ende das gesamte Ermittlungsverfahren für geschlossen.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 26. Juni 2019 entschied das BVwG im zweiten Rechtsgang erneut über die Beschwerden gegen den Bescheid der belangten Behörde.
10 Es änderte mehrere Nebenbestimmungen zu Maßnahmen im Kapitel „Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Naturhaushalt“ ab (Spruchpunkte A.I.1. bis 3.) und fügte in diesem Kapitel unter Punkt A.XII.11.12 eine neue Auflage unter dem Titel „Ausgleich für den Verlust von Feuchtlebensräumen im L-Tal“ ein (Spruchpunkt A.I.4.). Demnach seien auf konkret bezeichneten Liegenschaften in der Gemeinde Z insgesamt 4,13 ha landwirtschaftlich überwiegend intensiv genutzte Flächen durch Wiedervernässung und Extensivierung inkl. Nährstoffentzug in hochwertige Feuchtlebensräume mit vegetationsökologisch naturnahem Zustand und biotoptypischen hydrologischen Verhältnissen überzuführen. Ziel sei die Entwicklung eines Mosaiks aus nährstoffarmer, artenreicher Feuchtwiese (Nasswiese bis Pfeifengraswiese) und Kleinseggenrieden, in Kombination mit Großseggen- und Hochstaudenbeständen in den Geländesenken bzw. entlang der wasserführenden Gräben. Dazu legte das BVwG im Einzelnen detailliert fest, welche Arbeiten auf welchen Flächen in welcher zeitlichen Abfolge konkret durchzuführen sind.
11 Weiters fügte das BVwG weitere Auflagen in den Kapiteln „Gewässerökologie“ (Spruchpunkt A.I.5.) sowie „Wasserwirtschaft, Wasserbau, Hochwasserschutz“ (Spruchpunkt A.I.6.) ein, womit zusätzliche Revitalisierungsmaßnahmen auf rund fünf Flusskilometern des I und damit zusammenhängende wasserbauliche Maßnahmen vorgeschrieben werden. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerden ab (Spruchpunkt A.II.) und erklärte die Revision gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
12 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revision einer Gemeinde (erstrevisionswerbende Partei zu Ra 2019/07/0081) und die gemeinsam ausgeführten Revisionen dreier Umweltorganisationen (zweit- bis viertrevisionswerbende Parteien zu Ra 2019/07/0082 bis 0084).
13 Die nunmehr fünftrevisionswerbende Bürgerinitiative erhob gegen das Erkenntnis des BVwG zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2962/2019-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Behandlung ab. Die daraufhin erhobene Revision der fünftrevisionswerbenden Bürgerinitiative ist zu Ra 2019/07/0130 protokolliert.
14 Die mitbeteiligte Partei erstattete unaufgefordert Stellungnahmen zur Zulässigkeit der jeweiligen Revisionen und regte deren Zurückweisung an.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen wegen ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Revisionen in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Allgemeines
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (VwGH 31.1.2019, Ra 2018/07/0367 bis 0371, mwN).
19 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052, mwN).
20 Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in diesem Zusammenhang vielmehr nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (VwGH 23.7.2018, Ra 2016/07/0080, mwN).
21 Soweit die Zulässigkeit der Revision mit einem Verfahrensmangel begründet wird, ist schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dessen Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzutun. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Diese gilt insbesondere auch für die Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. VwGH 12.6.2019, Ra 2017/06/0030, mwN). Im Fall einer unterbliebenen (bzw. auch unzureichenden) Vernehmung hat der Revisionswerber konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer (hinreichenden) Vernehmung ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0152, mwN).
22 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt schließlich auch dann nicht vor, wenn die gesetzliche Rechtslage eindeutig ist, und zwar selbst, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (VwGH 3.7.2015, Ra 2015/03/0041, mwN).
23 Auf Basis dieser Rechtsprechung gelingt es den revisionswerbenden Parteien nicht, Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von denen das Ergebnis der Revisionen abhinge. Wegen des teilweise überschneidenden Vorbringens wird das Zulassungsvorbringen in der Folge gemeinsam und thematisch gegliedert behandelt.
2. Zum teilweisen Schluss des Ermittlungsverfahrens im zweiten Rechtsgang
24 2.1. Im Zusammenhang mit dem Beschluss des BVwG vom 20. Dezember 2018, das Ermittlungsverfahren unmittelbar nach Ergehen des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes - mit Ausnahme eines Teilbereichs - gemäß § 39 Abs. 3 AVG iVm § 16 Abs. 3 und § 40 Abs. 5 UVP-G 2000 für geschlossen zu erklären, werden in allen Revisionen Rechtsfragen angesprochen, denen grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
25 Nach der Revision der Gemeinde (Punkt A.3.8.) stelle „die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise“ eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar. Die vom BVwG nachzuholende Gesamtbeurteilung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 müsse in einem Verfahren gewonnen werden, in dem den Parteien die Gelegenheit gegeben werde, an der Gewinnung der tatsächlichen Grundlage auf Basis des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes mitzuwirken, und in dem auch der Vortrag zu den rechtlichen Grundlagen nochmals zugelassen werde. Eine so breit als mögliche Diskussion zuzulassen, gehöre zu den Effektivitätsgrundlagen der diskursiven Offenheit, die einen modernen europäischen Rechtsstaat ausmache, und sei dem Vollzuge des Gemeinschaftsrechts als solchem geschuldet.
26 Die Revision der Umweltorganisationen (Punkt II.3.5.3.) führt aus, die unmittelbare zeitliche Nähe des Beschlusses des BVwG (zum aufhebenden Vorerkenntnis) stelle für sich die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise massiv in Frage. Den Revisionswerbern sei keine Gelegenheit gegeben worden, in Anlehnung an die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes Beweisanträge zu stellen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege für sich gesehen auch darin, ob Ersatzmaßnahmen, die integrale Voraussetzung für die Bewilligungsfähigkeit eines Projektes seien, überhaupt ein „Teilbereich der Sache“ im Sinne des § 16 Abs. 3 UVP-G 2000 sein könnten, für den das Ermittlungsverfahren gesondert geschlossen werden könne. Das BVwG sei mit seinem Vorgehen weiters von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (nämlich konkret vom Vorerkenntnis) abgegangen, weil dessen Auftrag gelautet habe, „eine zusammenfassende Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Synergien, Überlagerung, Kumulationseffekte etc. durchzuführen“, wofür die Beurteilungsgrundlage substantiell durch Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zu erweitern gewesen sei.
27 Die Bürgerinitiative bringt in ihrer Revision (Punkt 3.4.5.) dazu vor, dass sich das BVwG entsprechend dem Vorerkenntnis mit Wechselwirkungen, Kumulierungs- und Verlagerungseffekten zu „befassen“ gehabt habe, was jedoch die Möglichkeit der Verfahrensparteien einschließen müsse, an der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, insbesondere in der mündlichen Verhandlung durch Befragung der Prüfgutachter mitzuwirken. Das Vorgehen der BVwG widerspreche (nicht näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es den Parteien möglich sein müsse, sich am Verfahren zu beteiligen. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 44 Abs. 1 VwGVG vor. Die Durchführung der Verhandlung im ersten Rechtsgang könne davon nicht dispensieren, denn wären tatsächlich - wie vom BVwG argumentiert - keine weiteren Sachverhaltsannahmen erforderlich gewesen, hätte der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang in der Sache selbst entscheiden können.
28 2.2. Keine der Revisionen führt im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung - auch nur zusammengefasst - aus, welcher Sachverhalt im Falle eines nicht unmittelbar nach Ergehen des hg. Vorerkenntnisses erklärten Schlusses des Ermittlungsverfahrens (ergänzend) erhoben und festgestellt hätte werden können, welche Beweisanträge gestellt worden wären oder auch nur, welche ergänzenden rechtlichen Ausführungen erstattet worden wären. Es fehlt damit schon an der Darlegung der Relevanz (also der konkreten Auswirkung) des behaupteten Verfahrensmangels, weshalb damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird.
29 Soweit die Revision der Bürgerinitiative einen Verstoß gegen die Verhandlungspflicht nach § 44 Abs. 1 VwGVG rügt, zeigt sie schon deshalb keinen Verfahrensmangel auf, weil § 44 VwGVG nur für das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen gilt.
3. Zum Prognosezeitraum der zugrunde liegenden Gutachten
30 3.1. In der Revision der Gemeinde (Punkt A.3.3.) wird vorgebracht, es stelle sich die Frage, wie es möglich sein sollte, den energiewirtschaftlichen Nutzen der Anlage und damit die ökonomische Bedeutung derselben zu beurteilen, wenn über die mittelfristige und die langfristige Entwicklung im Bereich der maßgeblichen Parameter der Beurteilung der Zulässigkeit der Anlage keine validen Aussagen möglich seien. Dies betreffe einen Teilzeitraum von ca. zwei Dritteln der gesamten Bewilligungsdauer. Mit einer nur befristeten Betrachtung der Anlagenauswirkungen dürfe man sich bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zufrieden geben; die wesentlichen positiven und negativen Umweltauswirkungen seien aus Sicht der Standortgemeinde auf die gesamte Bewilligungsdauer zu bewerten - dies sowohl bei der Bewertung der energiewirtschaftlichen Bedeutung des Vorhabens als auch bei der Rechtsgutabwägung im Rahmen des § 17 UVP-G 2000. Da diese Frage bislang offengeblieben sei, werde der Verwaltungsgerichtshof gebeten, darzulegen, auf welcher methodischen Grundlage man Fragen beantworten könne, wenn über einen sehr langen Zeitraum der in Rede stehenden Prognoseentscheidungen keine validen Datengrundlagen gegeben seien.
31 3.2. Soweit erkennbar, beziehen sich diese Ausführungen auf Feststellungen des BVwG in den Abschnitten II.1.2. „Öffentliches Interesse am Vorhaben, effiziente Wassernutzung“ und II.1.5. „Gletscherschmelze, Klimawandel, Wasserdargebot“.
32 Im Abschnitt zum öffentlichen Interesse am Vorhaben und zur effizienten Wassernutzung stellt das BVwG u.a. die Ausführungen des energiewirtschaftlichen Sachverständigen zur künftigen Entwicklung der Energieversorgung, zum Anteil regenerativer Energiequellen und der Kostenstruktur sowohl von klassischen thermischen Kraftwerken als auch Pumpspeicherkraftwerken etc. sowie dessen näher begründete Schlussfolgerung dar, wonach das gegenständliche Vorhaben dem voraussichtlich stark erhöhten Bedarf an Pumpspeichern in Österreich und Europa entspreche. Weiters erfolgt eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der von den Revisionswerbern am Gutachten geübten Kritik sowie von ihnen vorgelegten Studien. Das BVwG kommt abschließend zum Ergebnis, dass sich die vom Sachverständigen vorgenommene Beurteilung der energiewirtschaftlichen Sinnhaftigkeit des Vorhabens als schlüssig erweise, wenngleich offenbar nicht gesagt werden könne, mit welcher Wahrscheinlichkeit seine Annahmen zum zukünftigen energiewirtschaftlichen Umfeld eintreffen würden. Die im Verfahren diskutierten wissenschaftlichen Studien und die vom Sachverständigen daraus gezogenen Schlüsse ließen es aber als plausibel erscheinen, dass das Vorhaben einen bedeutenden Beitrag zur Integration erneuerbarer Energieträger wie Wind und Sonne in das Energieversorgungssystem leisten und die Versorgungssicherheit erhöhen werde und es auch wirtschaftlich betrieben werden könne. Es könne kein Zweifel darin obwalten, dass das Vorhaben zu einer Erhöhung des Anteils der Versorgung der Bevölkerung mit Energie aus erneuerbaren Quellen beitragen werde, wobei ein hoher Wirkungsgrad und eine hohe Energieausbeute erzielt würden. Ausdrücklich stellt das BVwG als Ergebnis fest, dass insgesamt ein hohes öffentliches Interesse an der Energieerzeugung durch das geplante Vorhaben bestehe und das verwendete Wasser effizient genutzt werde.
33 Hinsichtlich Gletscherschmelze, Klimawandel und Wasserdargebot trifft das BVwG zunächst Feststellungen zum Wasserhaushalt im Vorhabensgebiet unter Berücksichtigung der weiter fortschreitenden Gletscherschmelze auf Basis des als nachvollziehbar beurteilten Gutachtens des beigezogenen glaziologischen Sachverständigen. Dieser habe in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt, dass die Voraussage der Veränderungen des Niederschlags nach Abschmelzen der Gletscher sehr komplex sei und sich nur aus komplexen Klimamodellen ableiten lasse, deren Interpretation großen Spielraum lasse. Das BVwG stellte abschließend fest, „dass derzeit keine belastbare Prognose zur Entwicklung der Niederschlagsmengen im Vorhabensgebiet nach Ende der Gletscherschmelze möglich ist, nach derzeitigem Stand aufgrund eines ‚sophisticated guess‘ aber davon ausgegangen werden kann, dass im Jahresdurchschnitt, möglicherweise sogar im Sommer und im Winter mit mehr Niederschlag als bisher zu rechnen ist.“
34 3.3. Die von der Revision ganz allgemein aufgeworfene Frage, wie man zu tatsächlichen Annahmen über die Zukunft kommen könne, wenn dazu keine „validen Datengrundlagen“ existierten, ist eine der Beurteilung der Schlüssigkeit diesbezüglicher Gutachten sowie letztlich überhaupt Gegenstand der von der freien Beweiswürdigung iSd § 45 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG getragenen, einzelfallbezogenen Sachverhaltsfeststellung durch das Verwaltungsgericht. Schon deshalb entzieht sie sich einer allgemeingültigen Vorgabe „methodischer Grundlagen“ durch den Verwaltungsgerichtshof.
35 Im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfordert beispielsweise die von der Revisionswerberin angesprochene Gesamtabwägung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 im Hinblick auf die Beurteilung, ob schwerwiegende Umweltbelastungen „zu erwarten“ sind, eine Prognoseentscheidung. Ganz allgemein sind Prognoseentscheidungen auf Grund von ausreichenden Sachverhaltsermittlungen - etwa schlüssigen Sachverständigengutachten - zu treffen (vgl. etwa VwGH 20.12.2005, 2004/05/0138). Es ist eine Frage des Einzelfalls, auf Grund welcher Beweisergebnisse das Verwaltungsgericht letztlich vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes überzeugt sein kann, wobei im Falle von Prognoseentscheidungen entsprechend darauf Bedacht zu nehmen ist, dass Aussagen über Zukünftiges naturgemäß mit einer gewissen (unterschiedlich starken) Unsicherheit behaftet sein müssen.
36 Mit den konkreten Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG setzt sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht auseinander. Sie legt damit auch nicht dar, dass diese im Einzelfall unvertretbar oder auch nur unzutreffend wären. Ebensowenig wird die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes kritisiert. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird somit im diesem Zusammenhang nicht aufgeworfen.
4. Zur Abweichung vom Verschlechterungsverbot nach § 104a WRG 1959
37 Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision der Gemeinde nimmt an mehreren Stellen zusätzlich Bezug auf die Regelung des § 104a WRG 1959 bzw. deren unionsrechtliche Grundlagen.
38 Zu der unter Punkt A.3.3. der Revision, der den „Prognosezeitraum der zugrunde liegenden Gutachten“ betrifft, aufgeworfenen Frage der Auslegung des § 104a WRG 1959 ist ein konkreter Bezug zum vorliegenden Sachverhalt nicht erkennbar dargestellt, sodass sich daraus keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von der die vorliegende Revision abhängen würde, ergibt.
39 Zu Punkt A.3.4., welcher die Einbeziehung der Altanlage betrifft, bringt die Revisionswerberin außerdem vor, dass die Bestimmung des § 104a WRG 1959 gemeinschaftsrechtskonform derart ausgelegt werden müsse, dass Ausnahmen vom wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot nur verfügt werden dürften, wenn dies „das Ergebnis eines umfassend, unionsrechtlich überprägten Prüfvorganges“ sei, der im vorliegenden Fall fehle. Angesichts der umfassenden diesbezüglichen Erwägungen des BVwG in seinem Erkenntnis unter Abschnitt II.2.4.2. ist dem Zulässigkeitsvorbringen nicht zu entnehmen, welchen darüber hinausgehenden Prüfvorgang die Revisionswerberin vermisst. Somit wird auch diesbezüglich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.
5. Zur Gesamtabwägung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000
40 5.1. Die Revision der Bürgerinitiative (Punkt 3.4.1.) bringt vor, die vom BVwG vorgenommene Gesamtbeurteilung lasse weiterhin die Beurteilung von Wechselwirkungen, Kumulierungs- und Verlagerungseffekten vermissen und entspreche damit nicht der vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis geforderten Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen.
41 5.2. Das BVwG hat dazu im Abschnitt II.2.10. seines Erkenntnisses - anders als noch im ersten Rechtsgang - zunächst die Erwägungen der belangten Behörde zur Gesamtbewertung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 dargestellt, in der Folge die Feststellungen zu den kritischen Umweltbereichen zusammengefasst, die im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG nochmal einer eingehenden Prüfung unterzogen worden sei. Dazu hat das BVwG darauf hingewiesen, dass die Frage von Wechselwirkungen und Kumulierungen nicht nur von den Prüfgutachtern im Verfahren vor der belangten Behörde geprüft worden, sondern auch ausdrücklich vom Gegenstand der Gutachtensaufträge an die vom BVwG herangezogenen Sachverständigen umfasst gewesen seien. Als Ergebnis seien Kumulationseffekte zwischen der bisherigen Wasserfassungen der Altanlage und der neuen Wasserfassungen in Bezug auf die Erholungsnutzung als geringfügig und in Bezug auf das Landschaftsbild und den Erholungswert als - wegen Lage in unterschiedlichen Geländekammern - nicht beurteilbar klassifiziert worden. Sonstige medienübergreifende Umweltauswirkungen seien nicht identifiziert worden. Demgegenüber sei jedoch ein insgesamt hohes öffentliches Interesse an der Energienutzung durch das geplante Vorhaben, eine effiziente Wassernutzung sowie das Fehlen einer anderen, wesentlich besseren Umweltoption festgestellt worden. Das BVwG schloss sich daher ausdrücklich der von der belangten Behörde vorgenommenen Gesamtbewertung an, wonach die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen höher wögen als die Summe der damit verbundenen nachteiligen Umweltauswirkungen.
42 5.3. Dass die vom BVwG nunmehr ausdrücklich vorgenommene Abwägung im Einzelfall als unvertretbar (insbesondere unvollständig) zu beurteilen wäre, legt die Revision nicht dar, zumal sie auch nicht anführt, mit welchem Beschwerdevorbringen sich das BVwG nicht auseinandergesetzt haben soll. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang daher nicht vor.
6. Zur Einbeziehung der Altanlage nach § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 bzw. § 21a WRG 1959
43 6.1. Die Revision der Bürgerinitiative (Punkt 3.4.2.) bringt vor, dass BVwG habe sich in Abweichung von den Vorgaben des Vorerkenntnisses mit der Frage, ob durch das beantragte Vorhaben das Ausmaß der von den bestehenden Anlagen ausgehenden und verursachten Emissionen verändert oder erhöht werde, „immer noch nicht auseinandergesetzt“. Auch die Revision der Umweltorganisationen (Punkt II.3.6.) steht auf dem Standpunkt, das BVwG habe es abermals unterlassen, sich mit der Beantwortung dieser Frage näher auseinanderzusetzen.
44 Das BVwG hat diesbezüglich auf Sachverhaltsebene in Abschnitt II.1.14. seines Erkenntnisses ausdrücklich festgestellt, dass durch das Vorhaben die Umweltbelastung, die von der Altanlage ausgeht, nicht vergrößert werde, und begründete dies mit dem Ergebnis der umfassenden Beurteilung der Sachverständigen zu den Fragebereichen „Wirkungen auf das Schutzgut Wasser“ und „Neue oder größere Auswirkungen, die durch Änderungen von bestehenden Anlagenteilen ausgehen“. Auf rechtlicher Ebene setzt es sich in Abschnitt II.2.8.7. seines Erkenntnisses mit der Bestimmung des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 auseinander, verweist auf die diesbezügliche Feststellung und schließt sich ausdrücklich den entsprechenden, wörtlich wiedergegebenen Erwägungen der belangten Behörde an.
45 Die Revisionen zeigen in diesem Zusammenhang im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung weder eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung auf, noch kritisieren sie die vorgenommene rechtliche Würdigung.
46 6.2. Die Revision der Gemeinde geht in diesem Zusammenhang von der Prämisse aus, das BVwG habe sich mit der Frage, ob es sich vorliegend um ein neues Vorhaben oder um eine (der Beurteilung nach § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 unterliegende) Änderung der bestehenden Altanlage handle, nicht auseinandergesetzt (Punkt A.3.5.) bzw. unter Verstoß gegen das Unionsrecht keine Prüfung der kumulativen Projektauswirkungen zusammen mit der Altanlage vorgenommen (Punkt A.3.7.). Dies trifft schon im Hinblick auf die oben dargestellten Erwägungen, die das BVwG in Anwendung des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 angestellt hat, nicht zu, sodass dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen der Boden entzogen ist.
47 6.3. Soweit die Revision der Gemeinde (Punkt A.3.4.) erneut vorbringt, das BVwG habe es rechtswidrig unterlassen, die Bestimmung des § 21a WRG 1959 anzuwenden (also die bestehende Bewilligung der Altanlage anzupassen), wird die Revisionswerberin gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Erwägungen, die der Verwaltungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis angestellt hat, verwiesen: Für die von der revisionswerbenden Gemeinde geforderte Anwendung des § 21a WRG 1959 in einem UVP-G-Genehmigungsverfahren fehlt die Rechtsgrundlage. Angesichts der insoweit klaren Rechtslage zeigt die revisionswerbende Gemeinde auch mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (VwGH 22.11.2018, Ro 2017/07/0033 bis 0036, Rn 89 bis 101).
48 6.4. Die Revision der Umweltorganisationen (Punkt II.3.6.) weist schließlich auf ihr Vorbringen vor dem BVwG hin, wonach „aktuell“ bei der zuständigen Bundesministerin ein wasserrechtliches Überprüfungsverfahren nach § 121 WRG 1959 (Kollaudierungsverfahren) betreffend die „Altanlage“ der betroffenen Kraftwerksgruppe behänge. Den diesbezüglichen Beweisanträgen der Revisionswerber (offenbar gemeint: jener auf Beischaffung des Aktes dieses Verfahrens) sei nicht nachgekommen worden. Dadurch sei die Einbeziehung dieses Aspektes in die Sachverhaltsgrundlage unterblieben. Nur durch eine dahingehende Ermittlung hätte das Untersuchungsobjekt bzw. der Vergleichsgegenstand der Altanlagenprüfung im Sinne des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 überhaupt festgestellt werden können.
49 Das BVwG hat in Abschnitt II.2.2.6. seines Erkenntnisses die Beweisanträge auf Beischaffung des Aktes als auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis gerichtet beurteilt, weil die nunmehrigen Revisionswerber nicht dargetan hätten, aus welchen Umständen daraus neue Tatsachen abgeleitet werden könnten.
50 Weder aus dem diesbezüglichen Vorbringen der Revisionswerber vor dem BVwG noch jenem in der Revision geht hervor, dass das betreffende Kollaudierungsverfahren zum relevanten Zeitpunkt (Schluss des Ermittlungsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht) bereits abgeschlossen gewesen wäre; vielmehr ist durchgängig von einem aktuell anhängigen Verfahren die Rede.
51 Es trifft zu, dass in einem Überprüfungsbescheid nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 bestimmte geringfügige Abweichungen der errichteten Anlage von der erteilten Bewilligung nachträglich bewilligt werden können. Überdies gelten Maßnahmen, die als Abweichungen vom bewilligten Projekt anzusehen sind und bei denen versäumt wurde, ihre Beseitigung im Kollaudierungsbescheid zu veranlassen, als nachträglich bewilligt. Die ausgeführte Anlage ist mit Ausnahme jener Mängel und Abweichungen, deren Beseitigung im Überprüfungsbescheid veranlasst wurde, ansonsten als rechtmäßig und den Bestimmungen des WRG 1959 entsprechend hergestellt anzusehen. Eine im Gesetz vorgesehene Funktion des Überprüfungsbescheides ist es, die Beseitigung wahrgenommener Abweichungen vom Konsens zu veranlassen (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0465 bis 0472). Die dargestellten Wirkungen können jedoch erst mit Rechtskraft des Kollaudierungsbescheides eintreten. Solange ein solcher nicht ergangen ist, ist auch „das bereits genehmigte Vorhaben“ im Sinne des § 3a Abs. 7 UVP-G 2000 auf Basis der bestehenden Bewilligung zu beurteilen.
52 Die Nichteinbeziehung des Umstandes, dass allenfalls ein Kollaudierungsverfahren anhängig (nicht jedoch abgeschlossen) war, kann daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung begründen. Die Revisionswerber verabsäumen es überdies dazulegen, welche Feststellungen auf Basis des beizuschaffenden Kollaudierungsaktes zu treffen gewesen wären, sodass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ersichtlich ist.
7. Zur Erhaltung der Böden in Feuchtgebieten und Mooren nach dem Protokoll „Bodenschutz“ zur Durchführung der Alpenkonvention
53 7.1. Im Hinblick auf das bereits im ersten Rechtsgang von der revisionswerbenden Gemeinde erstattete Vorbringen, das BVwG habe den im (gemäß Art. 2 Abs. 3 der Alpenkonvention vereinbarten, vom Nationalrat ohne Erfüllungsvorbehalt genehmigten und damit unmittelbar anwendbaren) Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll „Bodenschutz“), BGBl. III Nr. 235/2002, dort Art. 9, vorgesehenen absoluten Schutz von Mooren nicht beachtet, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis ausgeführt: Schon aus der bestehenden Rechtsprechung ergibt sich, dass mit Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls „Bodenschutz“ kein ausnahmsloses und unbedingtes Erhaltungsgebot für alle - auch noch so kleinen und unbedeutenden - Moore normiert werden sollte. Die hier zur Anwendung gelangende Ausnahmebestimmung des § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005, derzufolge eine naturschutzrechtliche Genehmigung (u.a. für Vorhaben nach § 9 Abs. 1 und 2 leg. cit. - bestimmte Vorhaben in Feuchtgebieten) nur erteilt werden darf, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen, steht mit Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls „Bodenschutz“ nicht in Widerspruch. Angesichts der in diesem Zusammenhang bereits bestehenden und auf die Rechtslage in Tirol übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelingt es der revisionswerbenden Gemeinde nicht, mit diesem Vorbringen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erfolgreich aufzuzeigen. Auf die diesbezüglichen Erwägungen in VwGH 22.11.2018, Ro 2017/07/0033 bis 0036, Rn 82 bis 88, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
54 7.2. Die Revision der Gemeinde (Punkt A.3.2.) bringt dazu vor, im Vorerkenntnis sei die Frage, ob trotz des in Art. 9 des Protokolls „Bodenschutz“ normierten Verbotes der Zerstörung von Hoch- und Flachmooren und des Abbaus von Torf ein Vorhaben im Rahmen der Bestimmung des § 17 UVP-G 2000 bewilligt werden könne, nicht abschließend geprüft worden, weil auf die Fragen des Einzelfalls - insbesondere im Hinblick auf die konkrete Eingriffstiefe - nicht eingegangen worden sei. Sie wiederholt in der Folge das diesbezügliche Vorbringen aus dem ersten Rechtsgang.
55 Die Revision der Umweltorganisationen (Punkt II.3.10.2.) führt diesbezüglich aus, dass auch angesichts der bestehenden Judikatur eine Rechtsprechung zur Frage, ob eine großflächige und irreversible Zerstörung von Hoch- und Flachmooren auf Grund der Verpflichtung aus Art. 9 des Protokolls „Bodenschutz“, Hoch- und Flachmoore zu erhalten, einen Versagungsgrund der Genehmigung im Sinne des § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 darstellen könne, nicht bestehe.
56 7.3. Schon aus der zitierten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes, wonach aus Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls „Bodenschutz“ kein „ausnahmsloses und unbedingtes Erhaltungsgebot für alle - auch noch so kleinen und unbedeutenden - Moore“ abzuleiten ist, ergibt sich, dass in bestimmten Konstellationen für gewisse Moore sehr wohl ein Erhaltungsgebot anzunehmen sein kann. Von einer insofern fehlenden Rechtsprechung ist daher nicht auszugehen. Ob ein solches Ausmaß konkret erreicht wird, ist hingegen eine Frage des Einzelfalls, die lediglich bei einer unvertretbaren Beurteilung eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen könnte.
57 Das BVwG hat in Abschnitt II.2.6.1. seines Erkenntnisses dargelegt, dass unter Einbeziehung der Regelung des § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 und Berücksichtigung der teilweisen Transferierung und entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen in Form einer Renaturierung degenerierter Moorflächen die im Verfahren eingebrachten öffentlichen Interessen den Eingriff rechtfertigen. Dass diese Erwägungen im konkreten Fall unvertretbar wären, zeigen die Revisionen im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung - auch mit der impliziten bloßen Behauptung, es komme zu einer großflächigen irreversiblen Zerstörung von Mooren - nicht auf.
58 Im Übrigen sind schon dem Vorerkenntnis die gleichen konkreten Eingriffe in die betroffenen Feuchtgebiete bzw. Moore zu Grunde gelegen, sodass insofern bereits eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum konkreten Einzelfall vorliegt, der das BVwG gefolgt ist.
8. Zum Verhältnis zwischen dem Protokoll „Naturschutz und Landschaftspflege“ zur Durchführung der Alpenkonvention und § 11 Abs. 2 lit. d und e TNSchG 2005
59 8.1. Nach der Revision der Umweltorganisationen (Punkt II.3.10.1.) liege eine bislang nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, ob § 11 Abs. 2 lit. d TNSchG 2005 eine Ermächtigung zur erheblichen Lärmentwicklung für Vorhaben der Energiewende in einem Ruhegebiet darstelle, ohne dass das Verschlechterungsverbot des Art. 11 Abs. 1 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ zu beachten wäre.
60 8.2. Nach § 11 Abs. 1 TNSchG 2005 kann die Landesregierung bestimmte Gebiete zu Ruhegebieten erklären, wenn die Erhaltung dieser Gebiete für die Erholung von besonderer Bedeutung ist oder voraussichtlich sein wird. Nach Abs. 2 sind in Ruhegebieten unter anderem jede erhebliche Lärmentwicklung (lit. d) und - mit bestimmten Ausnahmen - die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen (lit. e) verboten. Mit der Novelle LGBl. Nr. 14/2015 wurde in den Text dieser Bestimmung eingefügt, dass zu lit. d „jedenfalls nicht als erhebliche Lärmentwicklung im Sinn dieser Bestimmung ... der mit der Ausführung von Vorhaben der Energiewende, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt oder nicht erforderlich ist, verbundene Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß“ gilt, und zu lit. e der Ausnahmenkatalog um Außenlandungen und Außenabflüge „zur Ausführung von Vorhaben der Energiewende“ ergänzt.
61 Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben die Revisionswerber vorgebracht, diese neu eingefügten Ausnahmebestimmungen in § 11 Abs. 2 TNSchG 2005 stünden in Widerspruch zu Art. 11 Abs. 1 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991, BGBl. III Nr. 236/2002, wonach Einschränkungen bestehender Schutzgebiete nicht zulässig seien.
62 Das BVwG hat dazu in Abschnitt II.2.6.2. seines Erkenntnisses ausgeführt, dass selbst unter der Annahme, dass dieser Widerspruch bestünde, dies nicht zur Verdrängung der genannten innerstaatlichen Bestimmungen durch Art. 11 Abs. 1 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ führe, weil die innerstaatlichen Bestimmungen die spezielleren und späteren Normen seien. Auf Grund der Gleichrangigkeit des Gesetzesrechtes mit dem unmittelbar anwendbaren Völkerrecht käme es daher im konkreten Fall zur Verdrängung letzteren.
63 8.3. Auf die in der Revision aufgeworfene Frage, ob das vom BVwG angenommene Verdrängungsverhältnis zwischen den betroffenen Bestimmungen des TNSchG 2005 und des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ nach den Prinzipien der lex posterior bzw. lex specialis tatsächlich vorliegt, kommt es im konkreten Fall jedoch nicht an.
64 Die Bestimmungen des § 11 TNSchG 2005 wurden für das im vorliegenden Fall betroffene Ruhegebiet „S Alpen“ nämlich durch die Verordnung der (Tiroler) Landesregierung über die Erklärung eines Teiles der Stubaier Alpen in den Gemeinden Längenfeld, Neustift im Stubaital, St. Sigmund im Sellrain, Sölden und Umhausen zum Ruhegebiet (Ruhegebiet Stubaier Alpen), LGBl. Nr. 45/2006 idF. LGBl. Nr. 56/2015, konkretisiert. § 2 dieser Verordnung verbietet im betroffenen Ruhegebiet u.a. jegliche Lärmentwicklung - wobei jedenfalls nicht als erhebliche Lärmentwicklung im Sinn dieser Bestimmung der mit der Ausführung von Vorhaben der Energiewende, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt oder nicht erforderlich ist, verbundene Baulärm im hierfür notwendigen Ausmaß, gilt - und die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen, wobei vom Verbot u.a. solche zur Ausführung von Vorhaben der Energiewende, sofern der angestrebte Zweck auf andere Weise nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand erreicht werden könnte, ausgenommen sind.
65 Vom BVwG war daher die auf das konkrete Gebiet bezogene konkretisierende Verordnung anzuwenden, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 11 TNSchG 2005 bedurft hätte.
66 8.4. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die Rechtmäßigkeit der betreffenden Verordnungsbestimmung am gesamten höherrangigen Recht und damit letztlich - unter Annahme einer unmittelbaren Anwendbarkeit - auch am Protokoll „Naturschutz und Landschaftspflege“ zu messen wäre. Jedoch hat der Verfassungsgerichtshof bereits die Behandlung einer Beschwerde, in der ein Widerspruch der Verordnung „Ruhegebiet Stubaier Alpen“ zu Art. 11 Abs. 1 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ behauptet wurde, mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt: Im diesbezüglichen Beschluss vom 14. März 2018, E 3209/2017, führt der Verfassungsgerichtshof mit näherer Begründung ausdrücklich aus, dass die Verordnung „Ruhegebiet Stubaier Alpen“ nicht gegen Art. 11 Abs. 1 Protokoll „Naturschutz und Landschaftspflege“ verstößt.
9. Allgemeine Fragen zur Auferlegung und Bewertung von Kompensationsmaßnahmen (Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen)
67 9.1. Die Revision der Umweltorganisationen (Punkt II.3.4.) stützt ihre Zulässigkeit darauf, dass es an Rechtsprechung zur Frage fehle, nach welchem konkreten Berechnungsschema und welcher Berechnungsmethodik der Ausgleichs- oder Ersatzwert einer Maßnahme nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 zu bestimmen sei, sowie dazu, dass eine Ersatzmaßnahme nur dann als die Umwelteinwirkungen des Eingriffs mindernd berücksichtigen dürfe, wenn diese in einem gewissen räumlichen, sachlichen und funktionalen Naheverhältnis zum Eingriff stehe (also sich direkt oder zumindest indirekt auf die durch das Vorhaben bewirkten Eingriffe auszuwirken hat). Ganz allgemein bedürfe es der Klarstellung, inwieweit das UVP-G 2000 neben den ausdrücklich genannten Ausgleichsmaßnahmen das Konzept der Ersatzmaßnahme überhaupt kenne.
68 Ausgehend davon, dass die schweren Umwelteingriffe im L-Tal nicht vor Ort ausgeglichen werden könnten, bedürfe es als ultima ratio eines Rückgriffs auf weitere Flächen für Ausgleichsmaßnahmen, wobei sich aus dem Vorerkenntnis ergebe, dass eine Genehmigungsfähigkeit nur bei Kompensierbarkeit durch geeignete Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gegeben sei. Bei räumlicher Entzerrung stelle sich die Frage der konkreten Berechnungsmethodik zur Eruierung des Kompensationsbedarfs nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 nicht nur im konkreten Fall, sondern sei insgesamt für das System des UVP-G 2000 von maßgeblicher Bedeutung. Der Gesetzgeber des UVP-G 2000 sehe das Konzept der Ausgleichsmaßnahme zwar grundsätzlich vor, die entscheidende Frage der konkreten Berechnung (und ihrer Methodik) sei aber nicht weiter determiniert und damit weitgehend der Vollziehung überlassen. Die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen mitentwickelte und eingesetzte Methode der verbal-argumentativen Herangehensweise, verknüpft mit einer Kalkulation im arithmetischen Sinn habe keine ersichtliche Grundlage im Gesetz. Nach den Ausführungen des Sachverständigen existiere noch ein weiteres Modell zur Bewertung des Kompensationsbedarfes, welches zu anderen Ergebnissen führe, insbesondere, weil es von einer anderen Zielsetzung ausgehe. Es stelle sich daher die Frage, ob die Auswahl der jeweiligen Berechnungsmethode in das Belieben eines Sachverständigen gestellt werden könne.
69 9.2. Nach § 17 Abs. 4 zweiter Satz UVP-G 2000 ist „durch geeignete Auflagen, Bedingungen, Befristungen, Projektmodifikationen, Ausgleichsmaßnahmen oder sonstige Vorschreibungen, insbesondere auch für Überwachungsmaßnahmen für erhebliche nachteilige Auswirkungen, Mess- und Berichtspflichten und Maßnahmen zur Sicherstellung der Nachsorge, ... zu einem hohen Schutzniveau für die Umwelt in ihrer Gesamtheit beizutragen“. Weiters sieht § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 vor, dass der Genehmigungsantrag abzuweisen ist, „wenn die Gesamtbewertung ergibt, dass durch das Vorhaben und seine Auswirkungen ... schwerwiegende Umweltbelastungen zu erwarten sind, die durch Auflagen, Bedingungen, Befristungen, sonstige Vorschreibungen, Ausgleichsmaßnahmen oder Projektmodifikationen nicht verhindert oder auf ein erträgliches Maß vermindert werden können“. Darüber hinaus sind nach § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 bei der Entscheidung auch die Genehmigungsvoraussetzungen der Materiengesetze, die ähnliche Bestimmungen enthalten können, zu beachten.
70 Das BVwG führt dazu in Abschnitt II.2.8.3. seines Erkenntnisses unter Bezugnahme auf eine Literaturstelle allgemein aus, dass mit den genannten Arten von Nebenbestimmungen nur ihre rechtstechnische Umsetzung angesprochen sei. Inhaltlich würden folgende Maßnahmen unterschieden, um für Eingriffe in Natur und Landschaft die Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen: Vermeidungsmaßnahmen, Verminderungsmaßnahmen, Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen. Dabei sei die „Ersatzmaßnahme“ keine eigene Maßnahme, sondern eine besondere Form der Ausgleichsmaßnahme, wobei Ersatzmaßnahmen gegenüber Ausgleichsmaßnahmen im engeren Sinn einen gelockerten funktionalen Zusammenhang zum beeinträchtigten Schutzgut aufwiesen. Auch normiere das UVP-G 2000 keine Hierarchie zwischen den verschiedenen Arten von Maßnahmen etwa in dem Sinn, dass Ausgleichsmaßnahmen nur dann in Betracht kämen, wenn weder Vermeidungs- noch Minderungsmaßnahmen zum Ziel führten.
71 Darüber hinaus zitiert das BVwG folgende Ausführungen einer aktuellen Studie, die von einem der Beschwerdeführer vorgelegt worden sei: Maßnahmen, die dem System „mitigation“ zuzuordnen seien, nämlich Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, seien geeignet, Schäden im Vorhinein durch üblicherweise projektseitige Maßnahmen zu vermeiden. Erst wenn trotz Einsatz aller zumutbaren Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen eine erhebliche Beeinträchtigung fortdauere, seien Maßnahmen aus dem Bereich „compensation“ vorzusehen. Dabei seien zuerst Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Diese seien inhaltlich und räumlich so nah wie möglich dem ursprünglichen Schaden zuzuordnen. Zu diesen Ausgleichsmaßnahmen zählten beispielsweise Umlagerungen von Lebensräumen, Wiederherstellung und Schaffung von Lebensräumen oder Entwicklungsmaßnahmen für einzelne Arten. Sollte aufgrund der fehlenden fachlichen und räumlichen Möglichkeiten die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen nicht möglich sein, so sei die Umsetzung von Ersatzmaßnahmen als Ultima Ratio möglich. Bei diesen Ersatzmaßnahmen sei der funktionelle und räumliche Bezug deutlich gelockert, um die Umsetzbarkeit zu sichern. Bei der Umsetzung von Ersatzmaßnahmen sei jedoch darauf zu achten, dass die Prüfung des Stufenbaus umfassend erfolge und tatsächlich nachgewiesen worden sei, dass zur Vermeidung des Schadens keine Vermeidungs-, Verminderungs- oder Ausgleichsmaßnahmen geeignet und zumutbar wären. Für Ausgleichsmaßnahmen werde ein enger funktionaler Zusammenhang mit den vorhabensbedingten Beeinträchtigungen gefordert. Die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts müssten demnach in gleichartiger Weise wiederhergestellt sein. Ersatzmaßnahmen ließen sich durch das Kriterium der Gleichwertigkeit von den Ausgleichsmaßnahmen abgrenzen. Dies bedeute eine Lockerung, jedoch keine gänzliche Aufhebung des Funktionalzusammenhangs zwischen der Beeinträchtigung und der Ersatzmaßnahme. Auch in räumlicher Hinsicht müsse ein Bezug der Ausgleichsmaßnahmen zum Eingriffsort bestehen. Dies bedeute jedoch nicht zwingend, dass der Ausgleich unmittelbar am Ort des Eingriffes zu erfolgen habe. Jedenfalls erforderlich sei aber ein Wirkungszusammenhang, die Ausgleichsmaßnahmen müssten sich dort ausgleichend auswirken, wo auch die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen auftreten. Bei den Ersatzmaßnahmen genüge eine Bezugnahme auf den betroffenen Naturraum.
72 Im Bereich des L-Tals werde es zu schweren Eingriffen kommen, die nicht an Ort und Stelle vollständig ausgeglichen werden könnten. Um eine bleibende Schädigung des Bodens sowie des Pflanzen- und Tierbestandes zu vermeiden, habe daher das BVwG zusätzlich zu den bereits im Vorhaben enthaltenen Ausgleichsmaßnahmen weitere Ersatzmaßnahmen in Form einer Nebenbestimmung eingefügt.
73 9.3. Dieses Verständnis des Konzeptes von Kompensationsmaßnahmen (insbesondere Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen) lag schon dem Erkenntnis des BVwG im ersten Rechtsgang und damit dem Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde (vgl. die diesbezügliche Wiedergabe der Erwägungen des BVwG in Rn 45 bis 48 des Vorerkenntnisses). Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf aufbauend ausgeführt, dass „die Kompensierbarkeit eines Eingriffs (zB durch geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen) einer Versagung der Genehmigung nach § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 entgegen“ stehe (Rn 142). Er verwarf darüber hinaus - unter Bezugnahme auf die vom Sachverständigen angewendete und dem BVwG seinem Erkenntnis zugrunde gelegte Methodik - das Argument der Mitbeteiligten, die Vorschreibung einer Ersatzmaßnahme sei nicht erforderlich gewesen (Rn 148 bis 164). Die im ersten Rechtsgang vorgeschriebene Ersatzmaßnahme sei jedoch geographisch nicht konkret verortet gewesen. Die Beurteilung „eines notwendigen sachlichen (wenn auch gelockerten räumlich-inhaltlichen) Konnexes“ wäre allerdings vor der Vorschreibung einer solchen Maßnahme im Rahmen des Bewilligungsverfahrens durchzuführen gewesen (Rn 178).
74 9.4. Die von den Revisionswerbern aufgeworfenen Fragen, inwieweit „Ersatzmaßnahmen“ (nach dem in diesem Verfahren gebrauchten Verständnis also Ausgleichsmaßnahmen in einem gelockerten Konnex) nach dem UVP-G 2000 überhaupt vorgesehen und in die Beurteilung einbezogen werden können, sowie, dass diese in einem gewissen räumlichen, sachlichen und funktionalen Naheverhältnis zum Eingriff stehen müssen, ist damit durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt.
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