TE Vwgh Beschluss 2020/5/29 Ro 2020/05/0014

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Veröffentlicht am 29.05.2020
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Index

L37133 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe Müllabfuhrabgabe Niederösterreich
L82403 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Niederösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

AWG NÖ 1992 §11 Abs6a
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des Stadtsenates der Stadt S, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. Dezember 2019, LVwG-AV-999/001-2019, betreffend eine Angelegenheit der öffentlichen Abfallentsorgung (mitbeteiligte Partei: T GmbH in S, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4        Gemäß § 11 Abs. 6 des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes 1992 (NÖ AWG 1992) sind die Anzahl und die Größe der aufzustellenden Müllbehälter nach dem Holsystem mit Bescheid so festzusetzen, dass in den beigestellten Müllbehältern der zu erfassende und erfahrungsgemäß anfallende Müll innerhalb des Abfuhrzeitraumes nach dem Stand der Technik erfasst werden kann.

5        Abweichend von Abs. 6 dürfen gemäß § 11 Abs. 6a leg. cit. Grundstücken, auf denen sich Betriebe befinden, für diese Betriebe Müllbehälter mit einem Volumen von maximal 3.120 Liter pro Jahr insgesamt zugeteilt werden. Über dieses Volumen hinaus anfallenden Restmüll hat die Gemeinde über Ansuchen des Betriebes gegen Berechnung der Kosten in Form eines privatrechtlichen Entgeltes zu erfassen. Für Altstoffe und kompostierbare Abfälle dürfen Betrieben keine Müllbehälter zugeteilt werden.

6        Im gegenständlichen Fall geht es um ein Grundstück, auf dem sich ein Stadion samt Büroräumlichkeiten, Trainingsflächen und Parkplätzen befindet. Das Verwaltungsgericht kam im angefochtenen Erkenntnis zu dem Schluss, dass ein Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 vorliege.

7        Die Revision wurde für zulässig erklärt, weil die Rechtsfrage relevant sei, ob der in § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 verwendete Begriff des Betriebes deckungsgleich mit dem Betriebsbegriff der Gewerbeordnung 1994 sei. Nach dem erkennbaren Wunsch des Gesetzgebers hätten auch landwirtschaftliche Betriebe bzw. Anstalten dem Regime des NÖ AWG 1992 unterworfen werden sollen, was für eine weite Auslegung des Betriebsbegriffes spreche. Zu der genannten Bestimmung bzw. zu der hier relevanten Rechtsfrage liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

8        In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird darüber hinaus ausgeführt, durch die Novelle LGBl. Nr. 42/2017 habe der Begriff „Müll“ (§ 3 Z 2 lit. b NÖ AWG 1992) eine Erweiterung erfahren. Während er zuvor feste Siedlungsabfälle, die im Rahmen von Betrieben, Anstalten und sonstigen Einrichtungen anfielen, umfasst habe, wenn das Abfallaufkommen inMenge und Zusammensetzung mit einem privaten Haushalt vergleichbar sei, werde nun, den unionsrechtlichen Vorgaben der Abfallrahmen-Richtlinie folgend, auf „Art und Zusammensetzung“ abgestellt. Aus der Streichung des Mengenkriteriums folge, dass nun feste Siedlungsabfälle aus diesen Herkunftsbereichen grundsätzlich auch dann gemäß § 11 NÖ AWG 1992 in die kommunale Sammlung einzubeziehen seien und somit dem Andienungszwang unterlägen, wenn sie in (wesentlich) größerer Menge als in privaten Haushalten anfielen. Durch diese Regelungssystematik könne gewährleistet werden, dass dieser Abfallstrom, der besonders schwierig zu bewirtschaften sei, einer ordnungsgemäßen Behandlung zugeführt werde.

9        Gleichzeitig sei die Ausnahmebestimmung des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 geschaffen worden, wonach Müll von Grundstücken, auf denen sich Betriebe befänden, nur bis zu einem Volumen von maximal 3.120 Liter pro Jahr zwingend in die kommunale Sammlung einzubeziehen sei. Zu diesem neugeschaffenen Regelungssystem, insbesondere zum Umfang der Ausnahme nach § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992, gebe es noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Klärungsbedürftig sei konkret die Frage, welchen Umfang der Begriff „Betrieb“ habe, dies vor dem Hintergrund, dass er in § 3 Z 2 lit. b leg. cit. neben den Begriffen „Anstalten“ und „sonstige Einrichtungen“ angeführt werde. Er müsse von diesen abgegrenzt werden, da die erwähnte Ausnahme nur für Grundstücke, auf denen sich Betriebe befänden, nicht aber für solche, auf denen sich Anstalten oder sonstige Einrichtungen befänden, gelte. Aus der Verwendung unterschiedlicher Begriffe lasse sich ableiten, dass der Gesetzgeber Unterschiedliches habe regeln wollen. In diesem Zusammenhang sei zudem zu klären, wie diese Begriffe in Bezug auf allgemein zugängliche Sportanlagen voneinander abzugrenzen seien.

10       Dieser Frage komme über den Anlassfall hinausreichende Bedeutung zu, da es in Niederösterreich unzählige öffentlich zugängliche Sportanlagen gebe. Es stelle sich stets die Frage, ob diese als Anstalten oder sonstige Einrichtungen zu qualifizieren seien, die der vollen Anwendung des § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 unterlägen, oder ob es sich um Betriebe im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 handle.

11       Die Frage, ob eine bestimmte Anlage ein Betrieb im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 ist, ist eine solche des Einzelfalles. Sie ist stets anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Diese Frage unterliegt somit - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2019/06/0012, mwN; VwGH 22.1.2019, Ra 2018/05/0286, mwN).

12       Derartiges ist angesichts der eingehenden Begründung des Verwaltungsgerichtes, das sich umfassend mit dem Betriebsbegriff im Sinne des § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 auseinandergesetzt hat, im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und wird auch in der Zulässigkeitsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses und der gegenständlichen Revision in keiner Weise dargelegt (vgl. VwGH 6.12.2019, Ra 2017/05/0214).

13       Die Rechtslage ist auch insofern eindeutig, als § 11 Abs. 6a NÖ AWG 1992 seinem Wortlaut nach keinerlei Hinweis darauf enthält, dass nur gewerbliche Betriebe bzw. Betriebe, die der Gewerbeordnung 1994 unterliegen, von dieser Regelung erfasst sind. Insoweit die Rechtslage aber eindeutig ist, liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation gegeben ist, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. VwGH 29.11.2016, Ra 2016/06/0066, 0067, mwN).

14       Angesichts der vorliegenden Begründung des Verwaltungsgerichtes ist es nicht erforderlich, dass der Verwaltungsgerichtshof korrigierend eingreift, und dergleichen wird auch in den Revisionszulässigkeitsgründen der Revision nicht dargelegt.

15       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

16       Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Beträgen nach der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 29. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020050014.J00

Im RIS seit

08.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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