TE OGH 2020/2/3 1R5/20t

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Veröffentlicht am 03.02.2020
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, LL.M. und Mag. Silke Todor-Kostic, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, wider die beklagte Partei B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 313.553,59 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 15.225,--), über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 8.683,--) gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10.9.2019, 24 Cg 40/13k-246, in nichtöffentlicher Sitzung

I. durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Einzelrichterin gemäß § 8a JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird, soweit er sich gegen die Bestimmung der Gebühr des Sachverständigen ***** wendet, nicht Folge gegeben.

Insoweit haben die Parteien die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 5 ZPO).

II. durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Schaller und Mag. Waldstätten den

Beschluss

gefasst:

Dem Rekurs wird, soweit er sich gegen den Auftrag an die klagende Partei wendet, den nicht durch Kostenvorschüsse gedeckten Teil der Sachverständigengebühr von EUR 4.668,-- dem Sachverständigen zu überweisen, teilweise Folge gegeben und Punkt 3. des Beschlusses dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

„3. Zur Zahlung des nicht durch Kostenvorschüsse gedeckten Teils der Gebühr von EUR 4.688,- ist die klagende Partei mit EUR 834,- und die beklagte Partei mit EUR 3.834,- verpflichtet.“.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 293,15 (hierin USt EUR 48,86) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt nach Fällung eines Teilurteils über EUR 99.405,85 s.A. (ON 167) weitere EUR 313.553,59 s.A. sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für näher umschriebene Schäden bei einer Reihe von Bauvorhaben. Die Klägerin habe in den Jahren 2001 – 2003 bei diesen Bauvorhaben die von der Beklagten bezogene Fugenmasse Botact M30 verwendet. Die Schäden an den Gewerken seien dadurch verursacht, dass diese Fugenmasse entgegen den Zusicherungen der Beklagten nicht frostbeständig und wasserundurchlässig und daher nicht für eine Anwendung im Außenbereich geeignet sei.

Die Beklagte führt die Schäden an den Gewerken auf Verarbeitungsfehler der Klägerin, unsachgemäße Anwendung im Zusammenhang mit den verwendeten Steinarten und Mängel der Unterkonstruktion der Klägerin zurück.

Das Erstgericht holte zunächst über Antrag der Klägerin ein Gutachten des Sachverständigen Ing. ***** B***** ein (ON 21, 40 und 41). Nicht nur die Klägerin begehrte eine Gutachtensergänzung, in eventu die Einholung eines Gutachtens eines weiteren Sachverständigen aus dem Bauwesen (zB ON 58), sondern auch die Beklagte beantragte die Einholung weiterer Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Zement- und Betontechnik (ON 61) und aus dem Bereich der Betontechnik zur Prüfung der Untergrundkonstruktion beim Bauvorhaben C***** (ON 71). Stattdessen holte das Erstgericht weitere Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Ing. B***** ein (ON 92 und 114), den schließlich die Beklagte wegen Befangenheit ablehnte (ON 122) und einen anderen Sachverständigen zu bestellen beantragte. Dies nahm das Erstgericht zwar zunächst in Aussicht und trug der Beklagten einen entsprechenden Kostenvorschuss auf (ON 130), den es ihr jedoch schließlich wieder zurücküberwies (ON 222).

Mit Teil- und Zwischenurteil vom 30.4.2015 (ON 167) verhielt das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 99.405,85 s.A. und sprach aus, dass das weitere Klagebegehren in Höhe von EUR 313.553,59 s.A. sowie das Feststellungsbegehren (unter Berücksichtigung der Berichtigung durch das Berufungsgericht) hinsichtlich der Bauvorhaben ***** nicht verjährt sind. Das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Bauvorhaben ***** wurde abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht Wien zu 1 R 109/15d bestätigt (ON 172) und die außerordentliche Revision der Beklagten vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen (ON 175).

In der folgenden mündlichen Streitverhandlung nahm das Erstgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens „zur generellen Tauglichkeit des Produkts sowie auch zur Höhe des Schadenersatzanspruches“ in Aussicht und trug den Parteien auf, mittels Schriftsatzes „sämtliche Fragen an den Sachverständigen bzw. auch konkretes Vorbringen zu allfälligen Verlegemängeln etc. vorzubringen“. Diesem Auftrag kamen beide Parteien nach (ON 180, 181).

Mit seinem Beschluss vom 1.3.2017 (ON 187) bestellte das Erstgericht schließlich ***** zum Sachverständigen und trug ihm auf, „nach Aktenstudium Befund und Gutachten im Sinn des Vorbringens/Prozessprogramms ON 1-186 zu erstatten (§ 351 ZPO); im Besonderen über die Tauglichkeit des Produktes sowie zur Höhe des Schadenersatzanspruches, insbesondere unter Berücksichtigung des Vorbringens und der Fragen in den Schriftsätzen ON 180 und 181“. Ferner trug es beiden Parteien auf, einen Kostenvorschuss von jeweils EUR 5.000,-- für die zu erwartenden Sachverständigengebühren zu erlegen. Von einer allfälligen Befundaufnahme sollten die Parteien und ihre Vertreter rechtzeitig verständigt werden.

Beide Parteien erlegten den Kostenvorschuss von je EUR 5.000,-- (ON 188, 189). Für sein Gutachten ON 191 beanspruchte der Sachverständige schließlich EUR 8.985,--. Die Parteien erhoben keine Einwendungen gegen den Gebührenanspruch. Die Klägerin beantragte jedoch die mündliche Erörterung des Gutachtens in der nächsten mündlichen Streitverhandlung oder dem Sachverständigen aufzutragen, sein Gutachten schriftlich zu ergänzen (ON 196, 197) und legte schließlich auch eine Fragenliste vor (ON 201), zu der die Beklagte Stellung nahm, ohne damit aber eigene Anträge zu verbinden (ON 203). Das Erstgericht trug dem Sachverständigen eine schriftliche Ergänzung auf. Dem kam der Sachverständige mit ON 204 nach und beanspruchte hierfür EUR 2.440,--. Die Klägerin beantragte erneut die mündliche Erörterung der Gutachten oder eine ergänzende Begutachtung (ON 208). Mit ON 211 legte sie einen weiteren Fragenkatalog vor und beantragte auch die Beiziehung eines anderen Sachverständigen aus dem Bauwesen. Letzteres lehnte das Erstgericht ab und trug ***** eine weitere Gutachtensergänzung auf (ON 212). Auch dazu nahm die Beklagte Stellung, ohne aber in Bezug auf das Sachverständigengutachten konkrete Anträge zu stellen. Für sein weiteres Ergänzungsgutachten (ON 215) verzeichnete der Sachverständige EUR 3.246,--. Nunmehr bestritt die Klägerin alle bisher vom Sachverständigen geltend gemachten Gebühren, beantragte die mündliche Erörterung bei der nächsten mündlichen Streitverhandlung und wiederholte ihren Antrag auf Bestellung eines anderen Sachverständigen (ON 218). Jetzt erlegte sie auch den für den Fall eines Antrags auf Gutachtensergänzung aufgetragenen Kostenvorschuss von EUR 3.000,-- (ON 220). Weiteres Vorbringen mit einem ergänzenden Fragenkatalog erstattete die Klägerin mit ON 224, wozu sich die Beklagte mit ihrem Schriftsatz ON 225 äußerte, in dem sie sich kritisch mit einem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten auseinandersetzte, in Bezug auf den Sachverständigen ***** aber keine Anträge stellte.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 18.12.2018 (ON 226) nahm der Sachverständige zu den Fragen der Parteien Stellung und es wurde ihm schließlich ein Ergänzungsgutachten zur Höhe der Sanierungskosten des Fugenmörtels in Auftrag gegeben. Die Gebühren des Sachverständigen für die Teilnahme an dieser Tagsatzung wurden einverständlich mit EUR 3.400,-- bestimmt (über deren Auszahlung aber, soweit nachvollziehbar, bisher nichts verfügt wurde).

Nach einer Reihe von Fristerstreckungsanträgen beider Seiten legte die Beklagte schließlich mit ON 232 einen weiteren Fragenkatalog vor; ebenso die Klägerin mit ON 233. Auch erklärte die Klägerin, nicht bereit zu sein, die Tätigkeit des Sachverständigen weiter bevorschussen zu wollen, insbesondere nicht, wenn ihr diese Bevorschussung alleine aufgetragen werde (ON 235). Auch zu diesem Fragenkatalog äußerte sich die Beklagte (ON 237). Das Erstgericht beauftragte eine Gutachtensergänzung (ON 236). Für sein weiteres Ergänzungsgutachten ON 238 beanspruchte der Sachverständige Gebühren von EUR 2.997,--. Neuerlich beantragte die Klägerin die mündliche Gutachtenserörterung und sprach sich gegen den Gebührenanspruch aus, weil das Gutachten sachlich falsch erstattet worden sei (ON 243). Dazu äußerte sich die Beklagte mit ON 244, jedoch ohne erkennbare konkrete Antragstellung in Bezug auf das Sachverständigengutachten oder die verzeichneten Gebühren. Nach Urgenz erlegte die Klägerin schließlich den ihr für den Fall eines Antrags auf Gutachtenserörterung auferlegten Kostenvorschuss von weiteren EUR 2.000,-- (ON 247).

An der mündlichen Streitverhandlung vom 13.11.2019 (ON 251) nahm der Sachverständige teil, beanspruchte für diese Teilnahme pauschal EUR 1.500,--, wogegen sich die Klägerin aussprach und die er letztlich mit Gebührennote ON 252 aufschlüsselte. Die Verhandlung wurde in dieser Tagsatzung geschlossen und das Urteil vorbehalten.

Die Gebühren für die Teilnahme an der mündlichen Streitverhandlung vom 13.11.2019 bestimmte das Erstgericht mit seinem Beschluss vom 3.12.2019 antragsgemäß und verfügte deren Auszahlung aus dem zuletzt von der Klägerin erlegten Kostenvorschuss von EUR 2.000,--.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen für die Erstattung von Befund und Gutachten ON 191, ON 204, ON 215 und ON 238 mit EUR 17.668,--, verfügte die Auszahlung von EUR 13.000,-- aus den Kostenvorschüssen beider Parteien von je EUR 5.000,-- und aus dem weiteren Kostenvorschuss der Klägerin von EUR 3.000,--. Weiters verfügte das Erstgericht, dass die Klägerin dem Sachverständigen weitere EUR 4.668,-- zu überweisen habe, da sie Beweisführer sei. Gegen die Gutachten ON 191 und 204 habe es keine begründeten Einwendungen gegeben, weshalb diese Gebühren antragsgemäß zu bestimmen seien. Die Gebühren zu den Gutachten ON 215 und ON 238 schlüsselte das Erstgericht entsprechend den Gebührennoten auf und bestimmte sie ebenfalls antragsgemäß als „allesamt nachvollziehbar und in einem solchen Verfahren für die erbrachten Leistungen angemessen“, zumal aufgrund der vielen und umfangreichen Fragen des Klagevertreters eine detaillierte Auseinandersetzung notwendig gewesen sei. Die Angaben des Sachverständigen bezüglich der von ihm aufgewendeten Zeit (Mühewaltung) seien grundsätzlich für wahr zu halten, sofern nicht das Gegenteil bewiesen sei.

Dagegen wendet sich der Rekurs der Klägerin, der sich sowohl gegen die Höhe der Gebührenbestimmung als auch gegen die Auszahlungsanordnung wendet. Die Klägerin beantragt einerseits die Bestimmung der Gebühr „mit maximal EUR 8.985,--, in eventu mit höchstens EUR 13.475,50“ und begehrt für den Fall, dass keine Herabsetzung der Gebühren erfolgt, die Beklagte aufzufordern, den nicht als Kostenvorschuss erliegenden Betrag von EUR 4.668,-- an den Sachverständigen zu überweisen.

Die Beklagte hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag „auf kostenpflichtige Abweisung bzw. Zurückweisung des Rekurses“ erstattet. Der Sachverständige beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Zur Höhe der Gebühr (I.):

Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 8a JN über Rechtsmittel gegen Entscheidungen über die Gebühren der Sachverständigen und Dolmetscher der Einzelrichter zu entscheiden hat. Hingegen hat über einen Rekurs gegen die Auszahlungsanordnung, auch wenn dieser mit der Gebührenbestimmung verbunden ist, der Senat zu entscheiden, weil sie die vorläufige Kostentragung betrifft (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 41 GebAG Anm 12 lit c mwN). Soweit sich der Rekurs gegen die Bestimmung der Höhe der Sachverständigengebühr wendet, ist darüber gemäß § 8a JN durch Einzelrichter, soweit er sich gegen die Auszahlungsanordnung, also gegen den Ausspruch über die Pflicht der Parteien zur vorläufigen Kostentragung wendet, in Senatsbesetzung zu entscheiden (vgl RIS-Justiz RW0000721; RL0000125; OLG Wien 15 R 132/19w mwN; Mayer in Rechberger/Klicka5 § 8a JN Rz 2; Ballon in Fasching/Konecny³ §§ 8, 8a JN Rz 8/2 je mwN).

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Hier meint die Klägerin, dem Sachverständigen sei aufgetragen worden, Befund und Gutachten zu erstatten. Der Sachverständige habe aber die Durchführung einer Befundaufnahme, zu der die Parteien und ihre Rechtsvertreter bzw. über die technischen Ausführungen des jeweiligen Untergrunds informierte Vertreter beizuziehen gewesen wären, unterlassen. Er habe keine solche Befundaufnahme durchgeführt und damit den Gerichtsauftrag nicht erfüllt, weshalb er seines Gebührenanspruchs verlustig gegangen sei. Zudem habe der Sachverständige entgegen dem Auftrag das Vorbringen der Parteien zu berücksichtigen, insbesondere jenes der Klägerin gänzlich unberücksichtigt gelassen, wodurch das Gutachten fehlerhaft bzw. unvollständig geblieben sei. Hätte der Sachverständige von vornherein dem Gerichtsauftrag entsprochen, wären auch keine Ergänzungsgutachten notwendig gewesen. Der Gebührenanspruch sei daher jedenfalls um die auf die Ergänzungsgutachten entfallenden Gebühren zu kürzen. Die Ausführungen des Sachverständigen seien darüber hinaus zumindest teilweise auch unrichtig und demnach unbrauchbar. Deshalb seien die Gebühren für Mühewaltung für die Ergänzungsgutachten gemäß § 25 Abs 3 Satz 2 GebAG jedenfalls um ein Viertel zu mindern.

Gemäß § 25 Abs 1 GebAG richtet sich der Anspruch auf die Gebühr nach dem dem Sachverständigen erteilten gerichtlichen Auftrag. Der gerichtliche Auftrag wird daher möglichst genau den Zweck der Untersuchung anzugeben haben und auch, soweit das Fachwissen des Gerichts reicht, die Art und den Umfang der vom Sachverständigen verlangten Leistung. Ist er erreicht, so hat der Sachverständige nur für diejenigen Leistungen einen Gebührenanspruch, die vom Auftrag gedeckt sind; dies gilt auch für den Fall, dass das Gericht ausdrücklich ausspricht, bestimmte Untersuchungsmethoden seien nicht anzuwenden und der Sachverständige trotzdem diese Untersuchungsmethoden anwendet. Hält er diese oder andere etwa neue Untersuchungsmethoden für notwendig, so muss er einen neuerlichen Auftrag des Gerichtes unter Angabe von Gründen einholen, des Gleichen dann, wenn er über den Umfang und Inhalt des gerichtlichen Auftrags Zweifel hegt (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 25 GebAG Anm 1).

Allfällige behauptete Mängel des Gutachtens sind im Gebührenbemessungsverfahren nicht zu prüfen. Im Rahmen der Gebührenmessung ist nicht über Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tauglichkeit und Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens abzusprechen. Das Gutachten ist im Gebührenbemessungsverfahren daher auch nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Der Sachverständige hätte sogar den Anspruch auf Gebühren, wenn ihm ein Fehler unterlaufen wäre, sofern das Gutachten nicht völlig unbrauchbar in dem Sinne ist, dass eine Erfüllung des Auftrags des Gerichts gar nicht zu erkennen ist (RIS-Justiz RS0132211). Die Aufgabe des in der Gebührenfrage angerufenen Rechtsmittelgerichts kann es nicht sein, die Beurteilung der Rechts- und Tatfrage im Hauptverfahren vorweg zu nehmen und dem Erstgericht hierbei seine Auffassung aufzuzwingen. Ein Gutachten ist zudem nicht schon dann unvollständig, wenn es sich nicht mit dem Vorbringen einer Seite auseinandersetzt, welches das Gericht im Rahmen seiner Prozessleitung für irrelevant erachtet oder dessen Prüfung es einem späteren Verfahrensstadium vorbehält. Auch aus der Notwendigkeit der Einholung eines Ergänzungsgutachtens allein kann noch nicht geschlossen werden, dass es der Sachverständige bei Erstellung seines ersten Gutachtens an der gehörigen Sorgfalt habe mangeln lassen (RW0000048). Ob eine Befundaufnahme nach ihrer Art und Dauer zur Gutachtenserstattung ausreicht, bleibt grundsätzlich der Beurteilung durch den Sachverständigen selbst vorbehalten (RS0097390).

Davon ausgehend ist zunächst festzuhalten, dass der gerichtliche Gutachtensauftrag „nach Aktenstudium Befund und Gutachten im Sinn des Vorbringens/Prozessprogramms ON 1-186 zu erstatten (§ 351 ZPO); im Besonderen über die Tauglichkeit des Produktes sowie zur Höhe des Schadenersatzanspruches, insbesondere unter Berücksichtigung des Vorbringens und der Fragen in den Schriftsätzen ON 180 und ON 181“ überaus weit gefasst und wenig spezifiziert ist und damit dem Sachverständigen einen großen Spielraum bezüglich der Art der Befundaufnahme und der im Rahmen des Gutachtens zu beurteilenden Fragen einräumte. Insbesondere wurde dem Sachverständigen keineswegs aufgetragen, Befund an Ort und Stelle aufzunehmen, sondern es wurde ihm die Art der Befundaufnahme überlassen. Der Sachverständige selbst führt zu Beginn seines Gutachtens (ON 191, 4 = Band III AS 329) aus, dass mittlerweile alle angeführten und aufgetretenen Schäden teil- oder generalsaniert wurden, sodass eine zerstörende Überprüfung eines im Moment mangelfreien Belages mit Unterbau nicht sinnvoll erscheine. Wenn er sich daher aus Zweckmäßigkeitsgründen zunächst mit einer Befundaufnahme durch das Studium des Aktes und der darin erliegenden Urkunden und Vorgutachten begnügte, ist diese Vorgangsweise Teil seiner sachkundigen Beurteilung. Sie ist nicht zu beanstanden und hat keinerlei Einfluss auf seinen Gebührenanspruch.

Auch die Notwendigkeit der im Rahmen des gerichtlichen Auftrags erbrachten Leistung ist kein Kriterium für die Gebührenbestimmung (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 25 GebAG E 53). Ob die Einholung von Ergänzungsgutachten notwendig war, ist nicht vom Rechtsmittelgericht im Rahmen des Gebührenbestimmungsverfahrens zu überprüfen. Entscheidend ist hier allein, dass die Tätigkeiten des Sachverständigen im gerichtlichen Auftrag erfolgten und dessen Umfang nicht überschritten wurde, was auch die Klägerin nicht behauptet.

Hat der Sachverständige aus seinem Verschulden seine Tätigkeit nicht innerhalb der vom Gericht festgelegten Frist erbracht oder sein Gutachten so mangelhaft abgefasst, dass es nur deshalb einer Erörterung bedarf, eröffnet § 25 Abs 3 GebAG die Möglichkeit, die Gebühr für Mühewaltung um ein Viertel zu mindern. Die damit gemeinte Mangelhaftigkeit der Abfassung des Gutachtens betrifft allerdings nur den formellen (logischen oder sprachlichen) Aufbau und die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens und nicht seine inhaltliche Richtigkeit. Die Mangelhaftigkeit des Gutachtens ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen und hängt nicht von etwaigen Anträgen der Parteien auf Erörterung des Gutachtens ab.

Eine solche Mangelhaftigkeit wird primär dann vorliegen, wenn der Sachverständige die Grundlagen für die von ihm gezogenen Schlüsse nicht ausreichend oder nicht verständlich darlegt. Die Gutachtenserörterung kann aber dem Sachverständigen insbesondere dann nicht angelastet werden, wenn er mit neuen Tatsachen oder (wie vor allem hier) neuen Annahmen der Parteien konfrontiert werden soll (vgl 1554 BlgNR 18. GP [GebAG-Nov 1994]; Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 25 GebAG Anm 13).

Von einer Mangelhaftigkeit des Gutachtens in diesem Sinne kann hier keine Rede sein, weshalb eine Minderung der Gebühr für Mühewaltung auch unter dem Aspekt des § 25 Abs 3 GebAG nicht in Frage kommt.

Gemäß § 41 Abs 3 GebAG findet im Gebührenbestimmungsverfahren kein Kostenersatz statt.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.

Zum Zahlungsauftrag an die Klägerin (II.):

Zur Entscheidung in Senatsbesetzung wird auf die Ausführungen zu oben Punkt (I.) verwiesen. Insoweit erweist sich der Rekurs als berechtigt.

Hat der Sachverständige – wie hier – auf die Zahlung der Gebühren aus Amtsgeldern verzichtet und erliegt kein hinreichender Kostenvorschuss, hat das Gericht anlässlich der Gebührenbestimmung gemäß § 42 Abs 1 GebAG in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs 1 GEG auszusprechen, welche Partei zur Zahlung der Gebühr an den Sachverständigen verpflichtet ist. Auch diese Entscheidung ist mit Rekurs bekämpfbar (§ 42 Abs 1 GebAG). Erfolgt die Anweisung der Gebühr aus einem Kostenvorschuss, so wird durch die Auszahlungsanordnung nicht bloß ein Überweisungsvorgang eingeleitet, sondern auch darüber entschieden, welche Partei in welchem Umfang Verfahrenskosten – unbeschadet des Kostenersatzanspruches nach den §§ 41 ff ZPO – zunächst selbst zu bestreiten hat. Durch eine gerichtliche Verfügung über Kostenvorschüsse kann eine Partei daher in ihrem Recht auf Einhaltung der vorläufigen Kostentragungsvorschriften des § 40 ZPO beeinträchtigt und gesetzwidrig belastet werden. Es muss ihr daher möglich sein, den entsprechenden Beschluss zu bekämpfen, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn etwa wegen Ruhens oder Unterbrechung des Verfahrens eine endgültige Entscheidung über die Kostenersatzpflicht zumindest derzeit nicht nachfolgen kann und die Zahlungsanordnung damit endgültigen Charakter bekommt. Daher kann die Partei gegen eine sie belastende Auszahlungsanordnung das Rechtsmittel des Rekurses erheben (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO GebAG § 41 Anm 3 lit c und lit d).

Gemäß § 2 Abs 1 GEG sind die hier in Rede stehenden Kosten mangels einer Vorschrift oder Entscheidung von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde. Die in diesem Zusammenhang maßgebliche „bestehende Vorschrift“ ist § 40 Abs 1 ZPO, wonach jede Partei die durch ihre Prozesshandlung verursachten Kosten zunächst selbst zu bestreiten hat. Die Kosten solcher gerichtlichen Handlungen, welche von beiden Parteien gemeinschaftlich veranlasst oder vom Gericht im Interesse beider Parteien auf Antrag oder von Amts wegen vorgenommen werden, sind von beiden Parteien gemeinschaftlich zu bestreiten. Es ist ständige Rechtsprechung, dass der Sachverständigenbeweis betreffend die Kostenersatzpflicht eine Einheit bildet und dass es daher unzulässig ist, für die Kostentragung darauf abzustellen, auf wessen Veranlassung jeweils eine Tätigkeit des Sachverständigen zurückzuführen ist, zum Beispiel darauf abzustellen, wer die mündliche Gutachtenserörterung beantragt hat (OLG Wien 10 Ra 86/95 = RW0000005; 1 R 197/14v = RW0000829; OLG Graz 2 R 60/06w = SV 2007, 107; OLG Innsbruck 1 R 81/13s = SV 2013, 115; LGZ Wien 44 R 613/05f = EFSlg 115.735; LGZ Wien 42 R 325/10w = EFSlg 128.957). Hat eine Prozesspartei eine Beweisführung durch einen Sachverständigen beantragt, so wird ihr Gegner folglich nicht deshalb für die Mehrkosten zahlungspflichtig, weil er die Ladung des Sachverständigen zur Verhandlung zwecks Erörterung des Gutachtens und Ausübung seines Fragerechtes beantragt hat (VwGH 85/15/0067 = AnwBl 1986/2376). Es handelt sich bei einem von der anderen Verfahrenspartei gestellten Antrag auf Gutachtenserörterung um keinen neuen Beweisantrag (OLG Graz 2 R 60/06w = SV 2007, 107).

Wurde der Sachverständigenbeweis ausschließlich über Antrag einer Partei eingeholt, so hat diese Partei als formeller Beweisführer ohne Rücksicht auf die Interessen oder Beweislage für die betreffenden Kosten aufzukommen. Bei einem nicht amtswegig beschlossenen Sachverständigenbeweis ist der formelle Beweisführer allein für die Sachverständigengebühren zahlungspflichtig (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO Anh zu § 42 GebAG E 76 f). Wurde die Durchführung des Sachverständigenbeweises von beiden Parteien beantragt und somit von beiden veranlasst, haften beide Teile dem Bund im Zivilverfahren je zur Hälfte für die Entrichtung dieser Gebühr, wobei ein Sachverständigengutachten nicht nur durch einen Antrag, sondern auch durch ein konkretes Vorbringen veranlasst werden kann, soweit zur Dartuung dieses Vorbringens nicht andere Beweise angeboten wurden (E 81 f). Ein Sachverständigengutachten wird etwa durch ein Parteienvorbringen, mit dem vorliegende Beweise bekämpft werden, veranlasst (E 85), ebenso durch die Bekämpfung des ersten Sachverständigengutachtens als „unsachlich“ und „wertlos“ wird dadurch die Einholung eines weiteren Gutachtens veranlasst (E 87). Bei einem nicht amtswegig beschlossenen Sachverständigenbeweis ist allein der formelle Beweisführer für die Sachverständigengebühren zahlungs- und rückersatzpflichtig. Dabei ist unbeachtlich, ob der von dem Beklagten allein beantragte Sachverständigenbeweis auch dem Interesse des Klägers diente (E 88). Es ist nicht von der materiellen Beweislast auszugehen, vielmehr ist allein der formelle Beweisführer für die Sachverständigengebühren zahlungs- und rückersatzpflichtig, denn § 2 Abs 1 GEG (und so auch § 40 Abs 1 ZPO) enthält die Tatbestandselemente „veranlasst“ und „in deren Interesse vorgenommen“ alternativ. Wird ein Sachverständigenbeweis nicht von Amts wegen im Interesse beider Parteien aufgenommen, sondern über ausdrücklichen Antrag eines Streitteils, dann sind die Sachverständigengebühren von diesem Beweisführer veranlasst, auch wenn die Beweislast allenfalls die Gegenpartei treffen sollte (E 88 f).

Aus der eingangs vorgenommenen ausführlichen Darstellung des Verfahrensgangs ergibt sich, dass die Begutachtung durch den ersten Sachverständigen ohne jeden Zweifel aufgrund des Beweisantrags der Klägerin erfolgt ist, sie damit als Beweisführerin diese Kosten verursacht hat und diese Kosten auch von ihr vorläufig zu tragen sind. Was allerdings die Bestellung des Sachverständigen ***** anlangt, dessen Gebühren hier zu beurteilen sind, ist diese Frage nicht mehr eindeutig zu beantworten. Das Rekursgericht hält in diesem Zusammenhang den Bestellungsbeschluss für maßgeblich (vgl OLG Graz 4 R 77/15y SV 2016/2, 114). Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass das Erstgericht dafür beiden Parteien den Erlag eines Kostenvorschusses je in gleicher Höhe aufgetragen hat, ist zu folgern, dass das Gutachten des Sachverständigen ***** (mitsamt den folgenden Ergänzungsgutachten) einschließlich der Teilnahme des Sachverständigen an den Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung im Interesse beider Parteien erfolgte, sodass die Kosten dieser Begutachtung gemäß § 40 Abs 1 ZPO von beiden Parteien gemeinschaftlich zu bestreiten sind.

Der nicht durch Kostenvorschüsse gedeckte Teil der mit EUR 17.668,-- bestimmten Gebühr ist, wie die Klägerin daher zu Recht in ihrem Rekurs ausführt, dem Sachverständigen mit einem Teilbetrag von nur EUR 834,-- von ihr zu zahlen, weil sie bereits Kostenvorschüsse von zusammen EUR 8.000,-- erlegt hat, und der Restbetrag von EUR 3.834,-- ist dem Sachverständigen von der Beklagten zu zahlen, weil die Beklagte nur EUR 5.000,-- an Kostenvorschuss erlegt hat.

Insoweit erwies sich der Rekurs als berechtigt.

Nach Auffassung des erkennenden Senats (1 R 197/14v = RW0000829) findet § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG über den Ausschluss des Kostenersatzes auf einen Rechtsstreit über eine Auszahlungsanordnung keine Anwendung, weil eine solche kein Beschluss ist, „mit dem eine Sachverständigengebühr bestimmt wird“ (§ 41 Abs 1 GebAG). § 41 GebAG (und damit auch dessen Abs 3 letzter Satz) hat den Fall vor Augen, dass es in einem Beschluss unmittelbar um die Sachverständigengebühr (dem Grund und/oder der Höhe nach) geht, weshalb neben den Verfahrensparteien jedenfalls auch der Sachverständige legitimiert ist, einen solchen Beschluss anzufechten (vgl § 40 Abs 1 und § 41 Abs 1 GebAG).

Soweit sich der Rekurs auf die Abänderung der Auszahlungsanordnung bezieht, ist von einer Kostenbemessungsgrundlage von EUR 4.668,-- auszugehen. Es handelt sich insoweit um die Bekämpfung einer Kostenentscheidung, weshalb TP 3A zur Anwendung gelangt. Insoweit hat die Klägerin einen Rekurserfolg von 82% erzielt und im Ergebnis gemäß §§ 43 Abs 1, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz von 64% ihrer Rekurskosten, das sind EUR 244,29 zuzüglich 20% USt.

Da es sich, wie bereits mehrfach dargelegt, um eine Entscheidung im Kostenpunkt handelt, ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ebenso jedenfalls unzulässig.

Textnummer

EW0001029

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2020:00100R00005.20T.0203.000

Im RIS seit

29.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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