TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/10 95/08/0135

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Veröffentlicht am 10.03.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs6 litd idF 1989/364;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der EH in T, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den aufgrund eines Beschlusses des zuständigen Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 10. Februar 1995, Zl. LA2 7022 B-Dr.J/S, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Leoben vom 6. Dezember 1994 wurde das der Beschwerdeführerin zuerkannte Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7 und 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit ab dem 1. Dezember 1994 eingestellt. Begründend wurde im Anschluß an eine Wiedergabe von Rechtsgrundlagen (darunter auch des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG) ausgeführt, die Behörde sei aufgrund ergänzender Überprüfungen des Leistungsbezuges der Beschwerdeführerin nunmehr zu der Rechtsauffassung gelangt, daß die Mithilfe der Beschwerdeführerin im Betrieb ihres Ehegatten "ein Ausmaß erreicht hat, das Arbeitslosigkeit ausschließt".

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Begründend stellte sie nach einer Wiedergabe u.a. des § 12 Abs. 3 lit. d (nicht aber auch des § 12 Abs. 6 lit. d) AlVG zunächst die Inhalte des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung dar. Hieran schlossen sich folgende Feststellungen zum Sachverhalt:

"Ihr Ehemann, H.H., betreibt am Standort ... ein Papierfachgeschäft, Leder- und Spielwaren, Buchhandlung, das früher gemeinsam mit Ihnen betrieben wurde bzw. in dem Sie bis 30.9.1992 vollversicherungspflichtig beschäftigt waren.

Seither stehen Sie im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, sind Sie aber auch in diesem Betrieb tätig."

In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt wie folgt:

"Seit Sie erstmals, nämlich am 20.9.1993 bei einer Tätigkeit in dem bezeichneten Geschäft angetroffen worden sind, waren Sie bei jeder weiteren Überprüfung anwesend. Wenn auch die Ironie, die aus Ihren "Arbeitseinsatzaufzeichnungen" spricht, wenn ungezählte Male auch einminütige Arbeitseinsätze ausgewiesen werden, nicht zu übersehen ist, so zeigen die Aufzeichnungen doch, daß Sie in der Regel an 6 Tagen der Woche im Einsatz sind. Waren Sie, wie beispielsweise am 15.9.1994, nach Wahrnehmung durch das Arbeitsmarktservice von 11,40 Uhr bis 12,00 Uhr, von 16,00 Uhr bis 16,25 Uhr, um 16,45 Uhr und um 17,30 Uhr im Geschäft anwesend bzw. an der Kasse tätig, dann ist die Ihrer Aufstellung zu entnehmende Arbeitseinsatzzeit mit 1 Stunde und 5 Minuten knapp bemessen, wenn man bedenkt, daß die Arbeitszeit nicht dadurch unterbrochen wird, daß beispielsweise eine Verkäuferin keine zu bedienenden Kunden hat. Im Geschäft gibt es (weitere) Mitarbeiterinnen. Insgesamt ist es schlüssig davon auszugehen, daß Ihre Arbeitsleistung einen Umfang erreicht, der überhaupt auch gemessen an dem von Ihnen bis 1992 erzielten Verdienst, Arbeitslosigkeit ausschließt.

Nachdem nach den eingangs zitierten gesetzlichen Bestimmungen eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld das Vorliegen von Arbeitslosigkeit ist, wobei arbeitslos insbesondere nicht ist bzw. insbesondere nicht als arbeitslos gilt, wer in einem Dienstverhältnis steht, wer selbständig erwerbstätig ist oder außerhalb des Dienstverhältnisses im Betrieb des Ehegatten tätig ist, erweist sich die durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leoben vorgenommene rechtliche Beurteilung als zutreffend, sodaß wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden und Ihre Berufung abzuweisen war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt u.a. Arbeitslosigkeit voraus. Nicht als arbeitslos gilt u.a., "wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist" (§ 12 Abs. 3 lit. d AlVG).

Seit der AlVG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 364/1989, ist weiters zu beachten, daß als arbeitslos gilt, "wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigen würde" (§ 12 Abs. 6 lit. d AlVG). Diese Bestimmung, die entgegen der in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck gebrachten Ansicht gegenüber der früheren Rechtslage nicht als bloße "Klarstellung" anzusehen ist, sieht die fiktive Anwendung der für Dienstverhältnisse geltenden Rechtsvorschriften (z.B. von Kollektivverträgen) auf Beschäftigungen im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht vor. Seit ihrem Inkrafttreten am 1. August 1989 setzt die Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG voraus, daß der fiktive (gegebenenfalls: kollektivvertragliche) Anspruchslohn für die zu beurteilende Tätigkeit - würde sie in einem Dienstverhältnis ausgeübt - die angeführten Geringfügigkeitsgrenzen übersteigt (vgl. dazu im einzelnen die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0080, und vom 14. November 1995, Zl. 95/08/0172, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Die belangte Behörde hat dies verkannt und jede Prüfung des Sachverhalts am Maßstab des (unter den anzuwendenden Gesetzesbestimmungen im angefochtenen Bescheid auch nicht genannten) § 12 Abs. 6 lit. d AlVG unterlassen. Eine Auseinandersetzung damit, welcher fiktive Anspruchslohn der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer von der belangten Behörde angenommenen Tätigkeit im Betrieb ihres Ehegatten zugestanden wäre, fehlt ebenso wie die für eine Beurteilung dieser Rechtsfrage erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt (im besonderen über den allenfalls heranzuziehenden Kollektivvertrag), mögen auch Ermittlungen in dieser Richtung gepflogen worden sein.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (und einer darauf beruhenden, sekundären Mangelhaftigkeit des Verfahrens) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995080135.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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