Entscheidungsdatum
09.03.2020Index
97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2018 §10 Abs3Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Dr. Schweiger als Vorsitzenden, Mag. Schreiner-Hasberger als Berichterin und Dr. Oppel als Beisitzer über die Antrag der a. ag, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, auf Feststellung, dass der Abschluss des Vertrages zur Nutzung der Software B. betreffend "Projekt C. (Digitale Langzeitarchivierung B.)" ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung gem. BVerG 2018 rechtswidrig war, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9.1.2020, fortgesetzt am 30.1.2020 und am 13.2.2020, durch Verkündung den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Der Feststellungsantrag der a. ag vom 7.11.2019 wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Der Antrag der a. ag vom 7.11.2019 auf Nichtigerklärung des Vertrages „Projekt C. (Digitale Langezeitarchivierung „B.“) wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Der Antrag der a. ag vom 7.11.2019 auf Rückerstattung der Pauschalgebühren in Höhe von 2.081,-- Euro durch die Antragsgegnerin wird abgewiesen.
IV. Der Antragstellerin sind 1.769,-- Euro an entrichteten Pauschalgebühren vom Verwaltungsgericht Wien rück zu erstatten.
V. Die Revision ist unzulässig.
Begründung
1. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 7.11.2019, eingelangt beim Verwaltungsgericht Wien am 8.11.2019, begehrt die Antragstellerin, die a.s ag, mit Sitz in D., …, das Verwaltungsgericht Wien möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung
- feststellen, dass der Abschluss des Vertrages zur Nutzung der Software B. betreffend „Projektes C. (Digitale Langzeitarchivierung B.)“ ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung gemäß BVergG 2018 rechtswidrig war,
- den Vertrag betreffend „Projektes C. (Digitale Langzeitarchivierung B.)“ im Anschluss an die Feststellung gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 WVRG für nichtig erklären,
- in eventu eine angemessene sowie abschreckende Geldbuße über die Auftraggeberin gemäß § 7 Abs. 3 Z 7 WVRG iVm § 37 Abs. 6 WVRG verhängen, sofern von der Nichtigerklärung des Vertrages abgesehen oder der Vertrag erst mit dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung oder einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird,
- gemäß § 16 WVRG aussprechen, dass die von der Antragstellerin ordnungsgemäß entrichtete Pauschalgebühr in Höhe von EUR 2.081,-- für den Feststellungsantrag zu Handen der Rechtsvertretung der Antragstellerin binnen 14 Tagen (§ 19a RAO) zu ersetzen ist.
Die Antragstellerin führt aus, die Antragsgegnerin, die Stadt Wien, Magistratsabteilung 01 - Digital, habe sie am 25.1.2017 eingeladen, ihr Produkt, ein Softwaresystem zur digitalen Langzeitarchivierung zu präsentieren und eine Ausschreibung im Jahr 2018 in Aussicht gestellt. Aus einer am 6.9.2019 erfolgten freiwilligen ex ante Transparenzmachung der Stadt Wien folge aber, dass diese nunmehr ein Software Produkt zur digitalen Langzeitarchivierung, nämlich „B.“ ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens erworben habe. Da die Voraussetzungen für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ebenso wenig vorlägen wie eine Ausnahme dieses Beschaffungsvorganges vom Bundesvergabegesetz 2018, sei der Vertragsabschluss rechtswidrig erfolgt. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 BVergG 2018 nicht vor.
Die Antragstellerin stellte weiters einen Antrag auf Akteneinsicht und entrichtete Pauschalgebühren in Höhe von EUR 2.081,-- betreffend die Beschaffung eines Dienstleistungsvertrages im Oberschwellenbereich.
Die Antragsgegnerin wendet die Verfristung des Antrages ein. Im Detail führt sie aus, es sei der Entschluss gefasst worden, das Produkt „B.“ im Wege einer sog. „Öffentlich - Öffentlichen Kooperation“ gemäß § 10 Abs. 3 BVergG 2018 mit der B. - Entwicklungspartnerschaft, welche aus dem Landesarchiv E., dem F. Landesarchiv und dem Kooperationsverbund G. bestehe, zu erhalten. Dieses Software Produkt sei am offenen, freien Markt nicht erhältlich.
2. In der Beschwerdesache führte das Verwaltungsgericht Wien am 9.1.2020, fortgesetzt am 30.1. und am 13.2.2020 eine Verhandlung durch, zu der die Verfahrensparteien, sowie ihre rechtsfreundlichen Vertretungen ladungsgemäß erschienen. H. I., Vertreter der Antragsgegnerin, wurde zum Beweis als Partei zu den Gründen des Eingehens einer öffentlich – öffentlichen Kooperation befragt und sagte aus, man habe sich auf Vorschlag des Landes Niederösterreich das Produkt der Antragstellerin und noch Produkte zweier weiterer Anbieter präsentieren lassen, habe sich aber dann im Wesentlichen aus wirtschaftlichen Überlegungen für das Eingehen einer Kooperation entschieden und habe nicht vor, B. am Markt anzubieten.
Prof. Dr. J. K. vom Landesarchiv E. wurde am 30.1.2020 zeugenschaftlich zur Frage der Entwicklung des Produktes B., der damit in Zusammenhang stehenden „Öffentlich-Öffentlichen Kooperationen“ und der Beteiligung der Entwicklungspartnerschaft und deren Partnern am offenen Markt einvernommen. Dieser sagte zusammengefasst aus, er habe anhand öffentlicher Vorgaben B. mangels verfügbarer Produkte am Markt 2006 entwickelt, Technisch gesehen könnte B. auch von privaten Archiven genutzt werden. B. werde jedoch ausschließlich zur Verwendung im Rahmen von Kooperationen überlassen, ein Anbieten dieses Produktes sei nicht angedacht und den bestehenden Kooperationen zufolge auch nicht zulässig. Was die Überlassung an nichtstaatliche Einrichtungen betrifft, so werde B. an vier Kirchen überlassen, die sich jedoch im Hinblick auf die laufende Weiterentwicklung einbrächten und eine Service Gebühr pro Servicebeantwortung entrichten würden.
Im Anschluss an die Verhandlung wurde der Beschluss verkündet.
3. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
3.1. Sachverhaltsfeststellungen:
Im Jänner 2017 präsentierte die Antragstellerin, die a. ag mit Sitz in D., …, der Antragsgegnerin, der Stadt Wien, Magistratsabteilung 01 - Wien Digital, ihr Produkt betreffend digitale Langzeitarchivierung. Darüber hinaus ließ sich die Antragsgegnerin von zwei weiteren privaten Dienstleistern IT - Software Produkte zur digitalen Langzeitarchivierung präsentieren. Mit keinem dieser privaten Dienstleister wurde ein Vertrag zwecks Beschaffung von IT - Software zur digitalen Langzeitarchivierung abgeschlossen. In weiterer Folge entschied sich diese zur Verwendung des Softwareproduktes „B.“ im Wege des Eingehens einer sog. „Öffentlich – Öffentlichen Kooperation“ mit der sog. „B. – Entwicklungspartnerschaft“, welche aus dem Landesarchiv E., dem F. Landesarchiv und dem Kooperationsverbund G. besteht. Die Kooperation wurde im Dezember 2019 unterzeichnet. Ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung oder ein Verfahren nach den Bestimmungen des BVergG 2018 wurde nicht durchgeführt.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Bezug habenden „Verwaltungsvereinbarung über gegenseitige Unterstützung bei der dauerhaften Sicherung digitalen Archivgutes mittels der B.-Software“ besteht die Beitragsleistung der Entwicklungspartner im Überlassen der B.-Software (Kernmodul und andere Module) und der Einräumung eines einfachen und zeitlich unbeschränkten Nutzungsrechtes an der Software und ihren Einzelkomponenten. Die Beiträge des Kooperationspartners Stadt Wien sind in § 4 normiert, in deren Anlage 1 näher ausgeführt. Diese Beitragsleistung besteht im Wesentlichen in der Sicherstellung der Qualitätssicherung durch Dokumentation, Source-Code-Review und Testing sowie in der zur Verfügung Stellung der erforderlichen personellen Ressourcen im Umfang von jährlich einem Vollzeitäquivalent für die programmiertechnische Weiterentwicklung.
Der Gegenstand „B. („B.“) Software“ bezeichnet ein Softwaresystem zur Archivierung sämtlicher denkbarer Typen digitaler Objekte („Back-End“ - seitig) und wurde 2006 vom Landesarchiv E., federführend von dessen Mitarbeiter Prof. Dr. J. K., entwickelt. Im Zuge dieser Entwicklung wurden internationale Standards, insbesondere Vorgaben der ISO 14721 sowie der DIN 31644 umgesetzt.
B. wurde von den Entwicklungspartnern bislang nicht auf dem „offenen“ Markt angeboten, sondern ausschließlich im Wege von Kooperationen mit öffentlichen Auftraggebern/Einrichtungen überlassen, wobei vier davon mit Kirchen in E. eingegangen wurden, welche eine „Service Gebühr pro Servicebeantwortung“ zu entrichten haben und sich ebenfalls an der Weiterentwicklung beteiligen. Die Beteiligung der Kirchen besteht im Wesentlichen in der Rückmeldung von „Fehlern“ (Programmierfehler oder Inkompatibilitäten). Mit der ausschließlichen zur Verfügung Stellung von B. im Wege von Kooperationen sehen die Entwicklungspartner ihre Kernaufgabe, den „Erhalt digitaler Informationen im öffentlichen Bereich” bestmöglich gewahrt, zumal die Beitragsleistungen der Kooperationspartner der Optimierung und Weiterentwicklung dieser Software dienen und damit auch sichergestellt wird, dass die Veränderung von Einzelteilen des Produktes, die eine Störung des Systems hervorrufen könnten, hintangehalten wird. Der technische Support für B. wird von den Rechenzentren der Kooperationspartner erbracht. Es besteht keine Absicht, B. in Zukunft am offenen, freien Markt anzubieten.
Die Stadt Wien ist an die Nutzung der Software unter den dargestellten Konditionen gebunden, welche eine Weitergabe von B. bzw. deren Anbieten am offenen Markt verbieten.
3.3. Diese Feststellungen gründen sich beweiswürdigend auf die unbedenkliche Aktenlage und die in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien unmittelbar aufgenommenen Beweise. Die Feststellungen bezogen auf die Beitragsleistungen der Kooperationspartner ergeben sich aus der Bezug habenden, aktenkundigen Kooperation.
Die Feststellungen bezogen auf die Erwägungen der Stadt Wien hinsichtlich des Eingehens der Kooperation sowie die Feststellungen bezogen auf die Beitragsleitungen und allfälliges marktrelevantes Verhalten der Stadt Wien ergeben sich aus den Stellungnahmen der Antragsgegnerin, der aktenkundigen Kooperation und der Aussage von H. I.. Dieser wurde zum Abschluss der Kooperation, den Beitragsleistungen der Stadt Wien und der Frage, ob Verträge mit privaten Dienstleistern abgeschlossen wurden sowie ein Anbieten des Produktes B. am offenen Markt geplant sei, detailliert befragt und hat letztere Voraussetzungen schlüssig, widerspruchsfrei und in Übereinstimmung mit der Aktenlage ausgeschlossen.
Die Feststellungen bezogen auf die Entwicklung von B. und dessen „Zur Verfügung Stellung“ durch die Entwicklungspartner an Kooperationspartner gründen auf der Aussage des Zeugen J. K. in der Verhandlung vom 30.1.2020. Dieser hat auf konkretes Befragen schlüssig und widerspruchsfrei, insofern absolut glaubhaft ausgesagt, dass B. 2006 unter seiner Federführung in Umsetzung internationaler Standards entwickelt wurde und es trotz regelmäßiger Anfragen keine Pläne gebe, das Softwareprodukt B. am offenen Markt anzubieten. Weiters hat der Zeuge K. glaubhaft ausgesagt, dass B. seitens des Landesarchives E. an vier Kirchen überlassen wird und die Beitragsleistungen der Kirchen zur Weiterentwicklung von B. inhaltlich nachvollziehbar und schlüssig dargestellt.
3.3. In rechtlicher Hinsicht folgt, dass sich der Senat mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob der „Erwerb“ von B. im Wege der genannten Verwaltungsvereinbarung als „Öffentlich-Öffentliche Kooperation“ iSd § 10 Abs. 3 BVergG 2018 zu qualifizieren ist und die Stadt Wien sohin von einer Ausnahme vom BVergG 2018 zulässig Gebrauch gemacht hat oder der Erwerb von B. allenfalls den oben getätigten Feststellungen zufolge als (unzulässige) Direktvergabe anzusehen ist.
§ 10 Abs. 3 und 6 BVergG 2018 lautet:
„(3) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern, wenn
1. der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder implementiert, mit der sichergestellt werden soll, dass von den beteiligten öffentlichen Auftraggebern zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden können,
2. die Implementierung dieser Zusammenarbeit ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und
3. die beteiligten öffentlichen Auftraggeber auf dem offenen Markt weniger als 20% der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten erbringen.
(4) Zur Ermittlung des prozentualen Anteiles der Tätigkeiten gemäß Abs. 1 Z 1 lit. b, Abs. 1 Z 3 lit. b und Abs. 3 Z 3 ist der durchschnittliche Gesamtumsatz aller während der letzten drei Jahre vor der Vergabe des Auftrages oder dem Vertragsschluss erbrachten Leistungen oder ein geeigneter alternativer, in Relation zu den jeweiligen Tätigkeiten stehender Wert heranzuziehen. Liegen wegen des Gründungszeitpunktes oder des Zeitpunktes der Aufnahme der Geschäftstätigkeit für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen, in Relation zu den jeweiligen Tätigkeiten stehenden Wert vor oder sind diese Daten aufgrund einer erfolgten Umstrukturierung nicht mehr relevant, so genügt es, wenn die Ermittlung des Anteiles der Tätigkeiten etwa durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung glaubhaft gemacht wird.
(6) Der öffentliche Auftraggeber hat die für die Ausnahme vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes gemäß Abs. 1 bis 5 maßgeblichen Gründe schriftlich festzuhalten.“
Die in § 10 Abs. 3 BVergG 2018 in den Ziffern 1 bis 3 festgelegten Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein, darüber hinaus folgt aus Abs. 6 leg. cit., dass den Auftraggeber bei Inanspruchnahme dieser Ausnahme besondere Dokumentationspflichten treffen.
Die Antragstellerin bestreitet nunmehr das Vorliegen der in den Z 1 bis 3 leg. cit. normierten Voraussetzungen, sie wendet im Wesentlichen ein, für die Antragsgegnerin seien vordergründig wirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebend gewesen, diese Kooperation einzugehen. Dies sei jedoch nicht unter die in Z 2 normierten „Überlegungen mit dem öffentlichen Interesse“ zu subsumieren. Unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 19.1.2012, C-159/11, Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce) führt sie aus, die Erbringung von IT-Dienstleistungen für eine aus Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland bestehende Entwicklungspartnerschaft sei keine von der Stadt Wien zu erfüllende öffentliche Dienstleistung. Insbesondere aber würde B. auch nichtstaatlichen Archiven zugänglich gemacht, dies ergebe sich insbesondere auch aus der Website des Landesarchives L.. Es gehe bei der anzustellenden Betrachtungsweise um den Markt von elektronischen Lösungen für die Langzeitarchivierung und nicht um den Markt B..
Mit diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin aus nachfolgenden Erwägungen nicht im Recht:
Die Archivierung und Bewahrung von öffentlichem Kulturgut ist unbestritten als eine von öffentlichen Auftraggebern zu erbringende öffentliche Dienstleistung zu qualifizieren, welche auch die Grundlage für die Erbringung weiterer, eben auf diesen Informationen fußenden öffentlichen Dienstleistungen darstellt. Sie ist verpflichtend vorzunehmen und in den jeweiligen landes- oder bundesgesetzlichen Bestimmungen grundgelegt (vgl. gegenständlich das Wiener Archivgesetz - Wr. ArchG). Die Art- und Weise der Archivierung im öffentlichen Bereich hat den gesetzlichen Vorgaben entsprechend (bereits allein den datenschutzrechtlichen Verpflichtungen zufolge) jeweils am Stand der Technik zu erfolgen, sodass die dafür zu verwendenden „Technik(en)“ zwangsweise eine laufende Anpassung erfordern. Mit anderen Worten ist ein sorgfältiger öffentlicher Auftraggeber gehalten, Langzeitarchivierung dem Stand der Technik entsprechend durchzuführen und steht somit die Verwendung unter anderem dafür erforderlicher IT- Software als unterstützendes „tool“ in einem unerlässlichen Kontext (quasi „Annex“) mit der ursprünglichen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistung. Gegenständlich handelt es sich überdies um die „digitale Langzeitarchivierung öffentlichen Kulturgutes“, womit die Verwendung der digitalen Software bereits begrifflich von der öffentlichen Dienstleistung erfasst ist. Vor dem Hintergrund, dass der vorliegenden Vereinbarung zufolge beide Kooperationspartner zweifelsfrei die Entwicklung allgemeiner Standards für digitale Langzeitarchivierung öffentlichen Kulturgutes und deren Weiterentwicklung und Optimierung als gemeinsames (zulässiges) Ziel definiert haben und beide Partner auch „echte“ Beträge zur Erreichung dieses Zieles leisten, liegt kein der Entscheidung zu EuGH vom 19.1.2012, C-159/11, vergleichbarer Sachverhalt vor (vgl. auch Rn 37 des Urteils Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce).
Es ist sohin davon auszugehen, dass § 10 Abs. 3 Z 1 BVergG 2018 erfüllt ist.
Auch stehen der Erfüllung der Z 2 leg. cit. wirtschaftliche Erwägungen der Antragsgegnerin als Grundlage des Eingehens der Kooperation nicht entgegen. Die Antragsgegnerin hat in ihren Schriftsätzen zutreffend auf die – im Übrigen bereits bundesverfassungsgesetzlich – bestehende Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig zu handeln, hingewiesen. Sofern die Antragstellerin hier vermeint, gerade daraus ergebe sich der Auftrag vergaberechtskonform auszuschreiben und sohin Wettbewerb zuzulassen, ist ihr entgegen zu halten, dass hier mangels nachweislicher Bevorzugung eines privaten Dienstleisters Wettbewerb eben nicht stattfinden muss.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die Zusammenarbeit öffentlicher Stellen außerhalb des Anwendungsbereiches des Vergaberechtes unter anderem unter Bezugnahme auf EuGH vom 19.1.2012, C-159/11, ausgeführt, dass verlangt werde, dass “kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt werde, als seine Wettbewerber (vgl. VwGH vom 17.6.2014, 2013/04/0020, Rz 4.4.). Danach kommt es eben nicht darauf an, ob aus der Zusammenarbeit öffentlicher Stellen ein Wettbewerbsvorteil einer öffentlichen Stelle gegenüber einem privaten Dienstleistungserbringer resultiert, was gegenständlich durch die Nichterteilung des Auftrages an die a. ag und des Eingehens der Kooperation mit den Entwicklungspartnern der Fall ist. Dem Höchstgericht zufolge ist nach der zitierten Judikatur vielmehr, dass - im Sinne der Gleichbehandlung privater Unternehmer untereinander (in diesem Sinne Rn 47 des Urteiles Rs C-480/06) - kein privates Unternehmen besser gestellt wird, als seine Wettbewerber“. Dieses Gleichbehandlungskriterium wird, wie sich im Verfahren gezeigt hat, zweifelsfrei eingehalten.
Die Behauptung der Antragstellerin, B. werde auch nicht öffentlichen Einrichtungen zugänglich gemacht und am freien offenen Markt angeboten und sei Z 3 leg. cit. daher nicht erfüllt, hat sich im Verfahren nicht erhärtet. Das Produkt B. mag als solches bezogen auf den privaten Markt „kompatibel“ sein und von Privaten verwendet werden können, es ist jedoch nicht erhältlich. Anders gewendet, man kann diese Innovation der Entwicklungspartner nicht kaufen. Vielmehr bestehen Regeln, die ein entgeltliches Zur Verfügung stellen des Produktes verbieten. Selbst wenn man die vier Kirchen als nicht – öffentliche Einrichtungen qualifiziert, die B. noch dazu „entgeltlich“ erhalten, ist der daraus zu generierende Anteil am Markt digitaler Langzeitarchivierung gemessen am Bestehen von Archiven europaweit, verschwindend gering (vgl. auch die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 20.1.2020, Rz 54 unter Hinweis auf „Archive in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Adressenverzeichnis“, Verlag Münster: Ardey, wonach es allein im deutschsprachigen Raum mehrere tausend Archive gibt.).
§ 10 Abs. 4 BVergG 2018 enthält Regelungen, wie der in Abs. 3 Z 3 genannte Anteil der Tätigkeiten zu berechnen ist. Abs. 3 Z 3 leg. cit. stellt jedoch klar auf eine Beteiligung am offenen Markt ab, welche eben, wie sich aus den Feststellungen zu 3.1. ableiten lässt, nicht gegeben ist.
Sofern die Antragstellerin nunmehr mit dem Hinweis darauf, dass der IT-Leister des G. – Verbundes in B.- Angelegenheiten offensichtlich in einem Vergabeverfahren ermittelt wurde, vermeint, dies stehe sinngemäß der Qualität der gegenständlich zu beurteilenden Vereinbarung als Kooperation iSd § 10 Abs. 3 BVergG 2018 entgegen, ist Folgendes zu bemerken. Die aufgezeigte Ausschreibung betrifft die gegenständliche Vereinbarung nicht, darüber hinaus dient diese noch dazu der Beschaffung von Support zum Betrieb von B.. Es kann einem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich nicht verwehrt sein, unterstützende (Einzel-)Leistungen in Zusammenhang mit einer von ihm zu erbringenden öffentlichen Dienstleistung (vergleichbar mit der Beschaffung von Reinigungsmaterial zur Durchführung der Gemeinden obliegenden Stadtreinigung) auszuschreiben. Ebenso wenig lassen sich aus dem Hinweis der Antragstellerin auf die Website des Landesarchives L., wonach sich ergebe, dass B. durch G. (G.), weitergegeben würde, „Einbruchstellen“ Privater zur Nutzung von B. generieren. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 20.1.2020 zutreffend darauf verwiesen, dass es sich hierbei um sogenannte „Magazinpartnerschaften“ mit öffentlichen Einrichtungen auf Basis von Verwaltungsvereinbarungen handelt, die noch dazu nicht Gegenstand dieses Feststellungsantrages sind.
Abschließend ist festzuhalten, dass die (Weiter-)entwicklung eines auf die Langzeitarchivierung im öffentlichen Bereich zugeschnittenen, innovativen Produktes öffentlicher Auftraggeber in Form von Kooperationen wie der vorliegenden auch unantastbaren Ausfluss der staatlichen (kommunalen) Organisationsfreiheit iSd Art. 4 Abs. 2 EUV darstellt. In diesem Sinn konnte sich die Antragsgegnerin daher zu Recht auf § 10 Abs. 3 BVergG 2018 berufen und war der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
Den Anträgen auf Akteneinsicht in die Dokumentation gemäß § 10 Abs. 6 BVergG 2018 und in den Kooperationsvertrag war nicht stattzugeben, zumal hier überwiegende berechtigte Interessen der Antragsgegnerin auf Geheimhaltung vorliegen und das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin im Verfahren bereits durch den ihr zugestellten Schriftsatz der Antragstellerin vom 22.11.2019, in dem alle wesentlichen Information betreffend die Kooperation, insbesondere eine komprimierte Darstellung der Beitragsleistungen enthalten ist, gewahrt ist (vgl. auch Varec, EuGH vom 14.02.2008, C-450/06, wonach ein Recht auf Akteneinsicht begrenzbar ist).
Zum als „Dokumentation gemäß § 10 Abs. 6 BVergG 2018“ bezeichneten E-Mail Verkehr ist auszuführen, dass dieser nicht die an den Auftraggeber gestellten Anforderung der Transparenz erfüllt. Die Unterlagen erschöpfen sich in Verweisen auf geführte Gespräche und in der Formulierung „negativer“ Vorgaben, ohne dass damit in für ein Vergabekontrollverfahren nachvollziehbarer Weise dokumentiert würde, warum die Tatbestände des § 10 Abs. 3 BVergG 2018 fallbezogen erfüllt wären. Den Gesetzerläuterungen zum BVergG 2018 (vgl. EB RV 69 Blg NR 26. GP 45) zu Abs. 6 leg. cit. zufolge erfordert die den Auftraggeber in diesem Kontext treffende Beweislast jedoch eine Dokumentationspflicht gerade im Hinblick auf allfällige Vergabekontrollverfahren. Die Antragsgegnerin hat sohin dem Transparenzgrundsatz nicht ausreichend Rechnung getragen, wobei diese Wertung nichts am Vorliegen der materiellen Voraussetzung ändert.
Nachdem der erkennende Senat dem festgestellten Sachverhalt zufolge mangels Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorheriger Bekanntgabe allenfalls die Durchführung einer unzulässigen Direktvergabe zu prüfen hatte, war auszusprechen, dass der Antragstellerin der von ihr zu entrichtete Mehrbetrag an Gebühren rück zu erstatten ist.
4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die anzuwendende Regelung des § 10 Abs. 3 BVergG 2018 ist klar. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.6.2014, GZ 2013/04/0020) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Feststellungsantrag; Verwaltungsvereinbarung; Kooperation; öffentliche Dienstleistung; Direktvergabe; Akteneinsicht; Dokumentation; AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.123.061.14290.2019Zuletzt aktualisiert am
26.06.2020