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AbgabenverfahrenNorm
BAO §12Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Narr, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde des AK in L, vertreten durch Dr. Otto Haselauer, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 2. August 1987, Zl. 602/4-10/Ma-1987, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 18. August 1978 wurde über das Vermögen der AK KG das Ausgleichsverfahren eröffnet. Mit Beschluß des gleichen Gerichtes vom 18. Jänner 1979 wurde über das Vermögen dieses Unternehmens der Anschlußkonkurs eröffnet. Die Aufhebung des Anschlußkonkurses erfolgte am 14. Oktober 1982 nach Verteilung des Massevermögens gemäß § 139 KO.
Mit Bescheid vom 21. Februar 1983 wurde der Beschwerdefürer als persönlich haftender Gesellschafter der AK KG gemäß § 12 BAO für bei diesem Unternehmen aushaftende Umsatzsteuer (S 185.843,--), Lohnsteuer (S 28.369,--), Dienstgeberbeitrag (S 18.238,52) und Säumniszuschläge (S 8.575,--) sohin für insgesamt S 241.025,-- zur Haftung herangezogen.
In der deswegen erhobenen Berufung beschränkte sich der Beschwerdeführer auf den Hinweis, der angefochtene Bescheid enthalte keine Angaben darüber, für welche Zeitraume die angeführten Abgaben aushafteten. Er müsse daher vorsichtshalber den Haftungsbescheid bekämpfen und Verjährung einwenden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. September 1983 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab, schlüsselte aber die Haftungsbeträge wie folgt auf: Umsatzsteuer 1978 S 179.346,--, Umsatzsteuer 1980 S 6.497,--, Lohnsteuer 1980 S 28.369,--, Dienstgeberbeitrag 1980 S 18.238,-- und Säumnis- und Verspätungszuschläge 1978 bis 1982 S 8.575,--.
In seinem auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gerichteten Antrag wendete der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß das Ausgleichsverfahren über das Vermögen der KG am 18. August 1978 eröffnet worden sei, ergänzend ein, Geschäftsführungsforderungen während des Ausgleiches seien im Anschlußkonkurs Masseforderungen. Im Konkurs seien aber sämtliche Masseforderungen und die Konkursforderungen erster und zweiter Klasse mit einer Quote von 48,9 befriedigt worden. Die Steuerforderungen für 1980 könnten nur Masseforderungen darstellen. Auch die Umsatzsteuerforderung 1978 könnte zu einem Teil, und zwar für die Zeit ab Ausgleichseröffnung, Masseforderung sein. Das ergebe sich auch aus einer Mitteilung des Masseverwalters Dr. G. Sch., weshalb die in der Berufungsvorentscheidung angeführten Beträge unrichtig seien. Zum Beweis berief sich der Beschwerdeführer auf den Masseverwalter als Zeugen. Dem über Einladung bei der belangten Behörde vorsprechenden anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurde informativ der Inhalt der vorgesehenen Berufungsentscheidung bekanntgegeben.
Mit dem nunmehr mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit statt, als sie die Haftungsinanspruchnahme auf S 159.059,-
- einschränkte. Im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Sie führte zur Begründung im wesentlichen sinngemäß aus, der Beschwerdeführer hafte als Komplementär gemäß § 128 in Verbindung mit § 161 HGB für die Verbindlichkeit der Gesellschaft gesamtschuldnerisch, persönlich, unmittelbar und primär. Soweit es sich dabei um Abgabenschuldigkeiten handle, seien diese gemäß § 224 Abs. 1 BAO durch Erlassen eines Haftungsbescheides zu konkretisieren. Nach Aufhebung des Konkurses über das Vermögen der KG habe ein Abgabenrückstand von S 262.092,85 bestanden. Der Beschwerdeführer sei für einen Betrag von S 241.025,-- zur Haftung herangezogen worden. Aus dem Schreiben des Masseverwalter vom 29. Juli 1982 gehe hervor, daß nachfolgende Masseforderungen anerkannt und berichtigt worden seien:
Lohnsteuer
S 48.381,67
Dienstgeberbeitrag
S 21.531,48
restliche Umsatzsteuer 1978
S 16.762,--
Gewerbesteuer 1978 bis 1980
S 15.500,--
insgesamt
S 102.175,--.
Des weiteren sei in der Konkursklasse 1 ein Lohnsteuerbetrag von S 20.812,87 befriedigt worden. Die noch verbleibenden Abgabenrückstände hatten aus dem Vermögen der Gesellschaft nicht befriedigt werden können. "In Ausübung des hiebei der Abgabenbehörde eingeräumten Ermessens wurde der Berufungswerber als persönlich haftender Komplementär zur Haftung herangezogen, denn in Verfolgung der Grundsätze des § 20 BAO wurde vorerst die Abgabenschuldnerin (KG) in Anspruch genommen, die Haftung gegenüber dem Berufungswerber jedoch erst subsidiär ausgesprochen. "Zu Recht sei der Beschwerdeführer zur Haftung bis zur Eröffnung des Konkurses herangezogen worden. Von einer Haftungsinanspruchnahme sei jedoch für Zeiträume nach der Eröffnung des Anschlußkonkurses am 18. Jänner 1979 Abstand zu nehmen.
Die Haftung werde somit auf nachfolgende Beträge
eingeschränkt
Umsatzsteuer 5/78 (fällig 10.7.1978)
S 612,--
Umsatzsteuer 6/78 (fällig 10.8.1978)
S 20.409,--
Umsatzsteuer 1-8/78 (fällig 10.10.1978)
S 134.882,--
Säumniszuschläge 1978
S 3.156,--
S 159.059,--
Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten verletzt, als persönlich haftender Gesellschafter der K KG für die Abgabenschuldigkeiten dieses Unternehmens nur insoweit in Anspruch genommen zu werden, als solche Abgabenschuldigkeiten tatsächlich bestehen und offen sind und daß die Abgabenschuldigkeiten richtig festgestellt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden zufolge § 224 Abs. 1 BAO durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.
Von diesem Recht hat - wie der Begründung des angefochtenen Bescheides entnommen werden kann - der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall Gebrauch gemacht, doch hat die belangte Behörde der herrschenden Lehre und Rechtsprechung folgend, mit dem angefochtenen Bescheid zunächst nur über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung entschieden (siehe u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1986, Zl. 85/13/0049). Dementsprechend ist Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung.
Der Beschwerdeführer bekämpft mit seiner Beschwerde nicht mehr, wie im Berufungsverfahren, die Geltendmachung seiner Haftung für Abgabenschuldigkeiten dem Grunde nach. Bestritten wird aber von ihm nach wie vor, daß jene Abgaben, für die auch noch von der belangten Behörde die Haftung in Anspruch genommen wird, noch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides zur Gänze unberichtigt ausgehaftet haben. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer neuerlich, wie bereits im Verwaltungsverfahren, darauf, daß nach der für das im streitgegenständlichen Fall durchgeführte Ausgleichs- und Konkursverfahren geltenden Rechtslage die im vorhergehenden Ausgleichsverfahren entstandenen öffentlichen Abgaben im Anschlußkonkurs als Masseforderungen zu behandeln gewesen wären. Da das Ausgleichsverfahren über das Vermögen der K KG am 18. August 1978 eröffnet worden sei, wäre die die Umsatzsteuer August 1978 betreffende Abgabenforderung im Konkurs der K KG als Masseforderung zu behandeln und zu befriedigen gewesen. Überdies seien die vom Finanzamt im Konkurs der K KG angemeldeten Abgabenforderungen als Konkursforderungen zweiter Klasse mit einer Quote von 48,9 % befriedigt worden. Mit diesem Vorbringen habe sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid nicht auseinandergesetzt und insbesondere keine Feststellungen darüber getroffen, welche Abgabenforderungen im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides unberichtigt ausgehaftet hätten.
Diesem Einwand kommt Berechtigung zu. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid wurde der Beschwerdeführer zunächst als Haftungspflichtiger gemäß § 12 BAO noch für Abgabenschuldigkeiten im Gesamtausmaß von S 241.025,-- in Anspruch genommen, die nicht nur die Umsatzsteuer, sondern auch Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag betrafen. Diese Haftung wurde durch den angefochtenen Bescheid auf Schuldigkeiten an Umsatzsteuer und sich darauf beziehende Säumniszuschlage im Gesamtausmaß von S 159.059,--
eingeschränkt. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist wohl zu entnehmen, welche Umsatzsteuerforderungen und Säumniszuschläge in dem Betrag von S 159.059,-- enthalten sind. Eine Begründung dafür, wieso gerade jene Abgabenschuldigkeiten im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides unberichtigt aushafteten, fehlt jedoch. Auch ein Vergleich jener nach den Feststellungen der belangten Behörde vom Masseverwalter als Masseforderung und in der Konkursklasse 1 berichtigten Beträge mit den im erstinstanzlichen Haftungsbescheid angeführten gibt keinen Aufschluß darüber, welche Abgabenschuldigkeiten, für die der Beschwerdeführer haftbar gemacht wurde, im Konkurs berichtigt worden sind. Selbst wenn man aus der Bescheidbegründung schließen wollte, daß die belangte Behörde die Haftung auf jene Abgabenschuldigkeiten beschränkt hat, die Zeiträume nach der Eröffnung des Anschlußkonkurses am 18. Jänner 1979 betroffen haben, bliebe noch immer ungeklärt, worauf die Reduzierung der erstinstanzlichen Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers zur Umsatzsteuer 1978 im Betrag von S 179.346,-- auf S 155.903,-- im angefochtenen Bescheid zurückzuführen ist. Letztlich gibt der angefochtene Bescheid auch keinen Aufschluß darüber, ob und in welchem Ausmaß der vom Masseverwalter als Masseforderung berichtigte Betrag von S 16.762,-- für "restliche Umsatzsteuer 1978" auf die Höhe der die Umsatzsteuer 1978 betreffenden Haftungsbeträge Einfluß hatte.
Dazu kommt aber, daß die belangte Behörde, ausgehend von der Rechtsansicht, nur der Zahlungseingang des aus der Konkursmasse zugeteilten Betrages stehe der Geltendmachung der Haftung entgegen, unterlassen hat, Feststellungen darüber zu treffen, welche Abgabenschuldigkeiten der K KG im Zeitpunkt der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung tatsächlich uneinbringlich waren. Von einer Uneinbringlichkeit kann man aber insoweit nicht sprechen, als in einem Insolvenzverfahren ein bereits rechtskräftiger Beschluß darüber vorliegt, in welchem Ausmaß angemeldete Forderungen berichtigt werden.
Nun ist die Geltendmachung einer Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Ermessensentscheidungen der Abgabenbehörde haben sich gemäß § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (siehe u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Oktober 1979, Zl. 1817/78, Sig. Nr. 5423/F, vom 10. Juli 1987, Zl. 83/17/0174, und vom 16. Februar 1988, Zl. 87/14/0059). Im Rahmen der Zweckmäßigkeit wird daher auch jeweils die Einbringlichkeit der in Frage stehenden Abgabenschulden zu prüfen sein.
Ermittlungen über die Einbringlichkeit der Haftungsschuld wurden aber weder von der Verwaltungsbehörde erster Instanz noch von der belangten Behörde angestellt, obwohl der Beschwerdeführer darauf hingewiesen hat und überdies - wie aus der Aktenlage ersichtlich ist - den Abgabenbehörden auf Grund des Verteilungsbeschlusses bekanntgewesen sein mußte, daß die aushaftenden Abgabenschulden wenigstens teilweise im Zuge des Insolvenzverfahrens berichtigt werden. In diesem Umfang läßt aber der angefochtene Bescheid auch eine Begründung für die Ermessensübung über die Haftungsinanspruchnahme vermissen. Der angefochtene Bescheid weist sohin wesentliche Mängel auf, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es noch erforderlich war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Das Kostenmehrbegehren war deshalb abzuweisen, weil die Beilagen nur in einer Ausfertigung vorzulegen waren (§ 28 Abs. 5 VwGG).
Wien, am 23. Jänner 1989
Schlagworte
UneinbringlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1987150136.X00Im RIS seit
29.06.2020Zuletzt aktualisiert am
29.06.2020