Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AlVG 1977 §15 Abs1 Z1 litk idF 1996/201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des GS in Wien, vertreten durch Dr. Christian Herbst, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 6. Mai 1997, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1997, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 18. Juli 1959 geborene Beschwerdeführer war vom 1. August 1977 bis 31. Oktober 1989 arbeitslosenversichert. Von August 1989 bis 20. August 1996 war er als geschäftsführender Gesellschafter selbständig erwerbstätig. Am 21. August 1996 stellte er erstmalig den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 23. September 1996 wurde dieser Antrag mangels Erfüllung der Anwartschaft abgewiesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen und Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, daß innerhalb der Rahmenfrist kein Tag einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung liege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die Behörde habe sein Recht auf gesetzliches Gehör gemäß § 37 AVG verletzt. Es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Beweisverfahrens der belangten Behörde Stellung zu nehmen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde schon deswegen nicht zum Erfolg, weil der Beschwerdeführer es unterläßt, darzutun, welche tatsächlichen Feststellungen die belangte Behörde unter Verletzung des Parteiengehörs getroffen haben soll und was er - bei Gewährung des Parteiengehörs - dagegen vorgebracht hätte.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes meint der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe die anzuwendende Vorschrift des § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. k AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 201/1996 in unzutreffender Weise angewendet. Die Bestimmung sei gleichheitswidrig. Da die belangte Behörde ein verfassungswidriges Gesetz angewendet habe, habe sie den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Bedenken gegen die angewendete Rechtsvorschrift nicht:
Die Arbeitslosenversicherung hat den Schutz vor dem Risiko des Verlustes der Beschäftigung und des damit einhergehenden Verlustes der Unterhaltsmittel zum Gegenstand. Sie bezweckt nämlich, den arbeitslos Gewordenen und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung Stehenden, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Das Arbeitsmarktservice hat nach § 46 Abs. 4 AlVG über Ansprüche auf Leistungen erst zu entscheiden, wenn eine solche Vermittlung nicht möglich ist. Anknüpfungspunkt für die Arbeitslosenversicherung ist die Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Grundgedanke jeder Sozialversicherung - die Arbeitslosenversicherung ist ungeachtet der Tatsache, daß sie nicht in Selbstverwaltung besorgt wird, ein Zweig der Sozialversicherung - ist die Zusammenfassung der Angehörigen eines Berufsstandes zu einer Riskengemeinschaft (vgl. etwa VfSlg. 12.739/1991). In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof bekräftigt, daß innerhalb der jeweiligen Riskengemeinschaft der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht und daher in der Sozialversicherung auch nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung gilt, sodaß in Kauf genommen werden muß, daß es in manchen Fällen trotz Leistung von Pflichtbeiträgen zu keiner Versicherungsleistung kommt.
Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß er während seiner Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung bis 1989 Beiträge leistete, vermag daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die anzuwendende Norm erwecken. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer mit Ende seines Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des Oktober 1989 nicht mehr in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert war. Zum Zeitpunkt der Beantragung des Arbeitslosengeldes gehörte der Beschwerdeführer schon über viele Jahre nicht mehr der Riskengemeinschaft an. Ein Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der im Zeitpunkt der Erfüllung der Anwartschaft auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz im Oktober 1989 gegebenen Rechtslage, genießt jedoch als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz
(vgl. VfSlg. 13.657/1993). Der Gesetzgeber ist von Verfassungswegen nicht verpflichtet, Anwartschaften "ewig" aufrechtzuerhalten. Durch die Rahmenfristerstreckung gemäß § 15 Abs. 1 lit. k AlVG in der Fassung vor der genannten Novelle wurde kein Vertrauenstatbestand geschaffen, der Anlaß zu Dispositionen der Versicherten hätte geben können, weil etwa auch nicht die Alternative der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung bestanden hat. Die Abschaffung der "ewigen Anwartschaft" während einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers stellt daher von vornherein keinen Eingriff in einen geschaffenen Vertrauenstatbestand dar. Es steht dem Gesetzgeber frei, die Rechtslage für die Zukunft anders und auch für die Normunterworfenen ungünstiger zu gestalten. Nur unter besonderen Umständen verbietet der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber eine solche die Rechtsposition verschlechternde Rechtsgestaltung. Derartige Umstände sind etwa dann anzunehmen, wenn der Normunterworfene durch eine in Aussicht gestellte Begünstigung zu einem bestimmten Aufwand veranlaßt wurde, der dann wegen Wegfalls der Begünstigung frustriert wird oder im Vertrauen auf einen gegebenen Versicherungsschutz eine anderweitige Vorsorge unterläßt. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 13.657/1993 auch dargetan, daß eine verfassungswidrige Enttäuschung berechtigten Vertrauens auf eine gegebene Rechtslage auch darin liegen könne, daß die Angehörigen einer Berufsgruppe in ein bestimmtes System der Versorgungssicherung gelockt werden, das dann infolge gesetzlicher Regelung seiner Wirkung beraubt wird. Weder der eine noch der andere Fall ist hier gegeben. Mit der grundsätzlichen Begrenzung der Rahmenfristerstreckung um drei Jahre durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 wurde der zeitliche Zusammenhang zwischen Leistungen der Arbeitslosenversicherung und dem Verlust des Arbeitsplatzes betont. Die Änderungen der Anspruchsvoraussetzungen lassen insgesamt eine Verletzung eines geschützten Vertrauens nicht erblicken.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher von einer verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides aus.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997080515.X00Im RIS seit
18.10.2001