TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/10 94/08/0205

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.03.1998
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des S M in 5020 Salzburg, vertreten durch DDr. Manfred König, Rechtsanwalt in 5753 Saalbach 339, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 14. Juli 1994, Zl. 3/01-12.887/3-94, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Beitragsangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, Faberstraße 19-23, 5024 Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. Jänner 1994 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der beschwerdeführenden Partei aufgrund von Melde- bzw. Beitragsdifferenzen einen Betrag in der Höhe von S 103.154,58 an nachzuentrichtenden Beiträgen vor. Dieser Bescheid wurde sowohl der beschwerdeführenden Partei als auch deren Rechtsvertreter nachweislich am 25. Jänner 1994 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 24. Februar 1994 erhob die beschwerdeführende Partei durch ihren Rechtsvertreter Einspruch. Nach dem Eingangsstempel langte der Einspruch am 2. März 1994 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ("06-Beitragsabteilung") ein.

Die Gebietskrankenkasse ersuchte daraufhin den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei um einen Nachweis über eine eventuelle frühere Postaufgabe. Der Rechtsvertreter übermittelte der Gebietskrankenkasse die Kopie eines an diese gerichteten Kuverts, auf dem ein Freistempel mit Datum "24.2.94" ersichtlich war. Ferner befand sich auf der Kopie die Aufschrift "Postaufgabenachweis" sowie der handschriftliche Vermerk "MSW/GKK".

In ihrem Vorlagebericht an die belangte Behörde vertrat die Gebietskrankenkasse im wesentlichen die Auffassung, daß gegen eine rechtzeitige Aufgabe des Einspruches auch die Übersendung der Kopie des Kuverts spreche, mit dem das Schriftstück angeblich mitgesandt worden sei. Die Anfertigung einer Kopie eines Kuverts, das angeblich rechtzeitig an die Kasse gesandt worden sei, sei eigentlich nicht möglich, es sei denn, dieses Kuvert sei gar nicht bei der Post aufgegeben worden.

Dem Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei wurde der Vorlagebericht im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt. Eine Äußerung dazu erfolgte nicht.

Die belangte Behörde ersuchte in der Folge das zuständige Postamt um Mitwirkung bei der Klärung des gegebenen Sachverhaltes. Von diesem wurde allerdings mitgeteilt, daß kein Nachweis über die Aufgabe von Freistempelsendungen geführt werde. Eine Bestätigung über den Postaufgabenachweis des Einspruches vom 24. Februar 1994 sei daher durch das Postamt nicht möglich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch gemäß § 412 Abs. 1 ASVG iVm § 33 Abs. 4 AVG als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des vorliegenden Sachverhaltes vertrat die belangte Behörde in ihrer Begründung im wesentlichen die Auffassung, daß der Nachweis der tatsächlichen Postaufgabe bei Verwendung einer Freistempelmaschine nur durch eine Bestätigung der Post, an welchem Tag das Schriftstück aufgegeben worden sei, wie z.B. durch "Einschreiben", erbracht werden könne. Gegen eine rechtzeitige Aufgabe des Einspruches spreche auch die Übersendung der Kopie des Kuverts, mit dem der Einspruch angeblich mitgesandt worden sei. Die Anfertigung einer Kopie eines Kuverts, das angeblich rechtzeitig an die Kasse gesandt worden sei, sei nämlich gar nicht möglich, es sei denn, dieses Kuvert sei gar nicht bei der Post aufgegeben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 24. Jänner 1994 am 25. Jänner 1994 zugestellt worden ist. Die einmonatige Einspruchsfrist endete daher am 25. Februar 1994 (und nicht am 26. Februar 1994, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt). Der Einspruch der beschwerdeführenden Partei hätte daher spätestens am 25. Februar 1994 zur Post gegeben oder an diesem Tag der Gebietskrankenkasse übergeben werden müssen.

Der mit 24. Februar 1994 datierte Einspruch wurde nach dem Vorbringen in der Beschwerde noch an diesem Tag mit einem entsprechenden Freistempelaufdruck versehen und zur Post gegeben. Vor der Postaufgabe sei das an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse adressierte und mit dem Freistempelaufdruck versehene Kuvert für den Handakt zum Nachweis der Postaufgabe kopiert worden. Dieser kanzleiübliche Vorgang sei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Zusammenhang mit der übermittelten Kopie des Kuverts auch telefonisch erläutert worden. Dieses Vorbringen wird in einer der Beschwerde angeschlossenen eidesstättigen Erklärung der Kanzleikraft des Rechtsvertreters im wesentlichen bestätigt. Bei der belangten Behörde ist der Einspruch zwar aktenkundig und mit dem Eingangsstempel der Beitragsabteilung vom 2. März 1994 versehen, das entsprechende Kuvert ist allerdings nicht vorhanden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen auch im Falle der Verwendung einer Freistempelmaschine die Tage des Postenlaufes in die (Berufungs-)Frist nicht eingerechnet werden; das Aufgabedatum ist dabei von Amts wegen zu ermitteln (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 7. Mai 1980, VwSlg. 10.116/A).

Dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde zwar ansatzweise entsprochen, indem sie beim zuständigen Postamt versuchte, eine Bestätigung über den Postaufgabenachweis des Einspruches zu erhalten. Die belangte Behörde hätte jedoch im vorliegenden Fall - ungeachtet des Umstandes, daß die beschwerdeführende Partei zum Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse keine Äußerung abgegeben hat - in Erfüllung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht und unter Mitwirkung der beschwerdeführenden Partei auch erheben müssen, wer den gegenständlichen Einspruch zur Post gegeben hat und wann dies erfolgt ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 7. Mai 1980). Klärungsbedürftig wäre ferner der Umstand, wie und wann der gegenständliche Einspruch - sollte er, wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse meint, ohne Kuvert "eingesendet" worden sein - überhaupt in den Verfügungsbereich der Gebietskrankenkasse gelangen konnte (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 14. März 1980, VwSlg. 10.070/A).

Hindert eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf die inhaltliche Gesetzmäßigkeit, dann hat die Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 600 ff, wiedergegebene Rechtsprechung). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994080205.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten