TE Vwgh Erkenntnis 1980/10/15 3242/79

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Veröffentlicht am 15.10.1980
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Index

Dienstrecht

Norm

LDG 1962 §21 Abs6
VwGG §41 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde der B H in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Oktober 1979, Zl. VIII/1-L-196/1 (mitbeteiligte Partei: C G in L), betreffend Nichtverleihung der ausgeschriebenen schulfesten Lehrerstelle an der Volksschule S, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hatte sich mit einem an den Landesschulrat für Niederösterreich gerichteten Schreiben vom 1. Februar 1978 um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Niederösterreich vom 18. Jänner 1978 zur Besetzung ausgeschriebene schulfeste Lehrerstelle an der Volksschule S beworben.

Von den nach § 3 Abs. 2 des NÖ Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes, LGBl. 2600-0, vorschlagberechtigten Organen, dem Bezirksschulrat Wr. Neustadt und dem Landesschulrat für Niederösterreich, waren gleichlautende Besetzungsvorschläge erstattet worden, in denen die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei an erster Stelle und die Beschwerdeführerin an zweiter Stelle gereiht worden waren.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1978 sprach die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen aus, die schulfeste Lehrerstelle der Volksschule S werde gemäß § 21 des Landeslehrer-Dienstgesetzes, BGBl. Nr. 245/1962, in seiner für den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (LDG), an die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei verliehen. Die Bewerbung der Beschwerdeführerin werde nach der erwähnten Gesetzesbestimmung abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid der Landeslehrerkommission. Begründend führte sie nach Darstellung des Sachverhaltes unter Hinweis auf die von den hiezu berufenen Organen erstatteten Besetzungsvorschläge im wesentlichen aus, die Berufungsbehörde sei der Ansicht, daß das Verfahren, das zur Verleihung der schulfesten Lehrerstelle geführt habe, den angeführten gesetzlichen Bestimmungen entsprechend durchgeführt worden sei. Es bleibe daher nur noch zu prüfen, ob bei der Auswahl bzw. Reihung vom freiem Ermessen im (unter anderem aus § 21 Abs. 6 LDG hervorleuchtenden) Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht worden sei. Als Richtlinie für die Auswahl bzw. Reihung der Bewerber bestimme § 21 Abs. 6 LDG, daß auf die Leistungsfeststellung, auf den Dienstrang sowie auf die Rücksichtswürdigkeit der Bewerber im Hinblick auf ihre sozialen Verhältnisse Bedacht zu nehmen sei. Es sei richtig und sei der Berufung in diesem Punkte beizupflichten, daß die Beschwerdeführerin und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei auf Grund der Leistungsfeststellung als gleichrangig anzusehen seien. Was den Dienstrang betreffe, so sei festzuhalten, daß sich derselbe nach dem seinerzeit für Landeslehrer geltenden § 39 des Gehaltsüberleitungsgesetzes (GÜG) nach der für die Vorrückung maßgeblichen Zeit gerichtet habe. Nunmehr (nach der Novellierung des Landeslehrer-Dienstgesetzes) richte sich der Dienstrang des Lehrers - wie den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Landeslehrer-Dienstgesetz-Novelle zu entnehmen sei - nach der Dauer der innerhalb seiner Verwendungsgruppe tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit. Diese habe bei der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei mit 1. September 1972, bei der Beschwerdeführerin hingegen mit 1. September 1975 begonnen. Daß dieser Umstand dem Punkt "Soziale Verhältnisse" unterstellt worden sei, sei für die Entscheidung im vorliegenden Falle unbeachtlich. Wenn daher die gegenständliche Lehrerstelle an die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei verliehen worden sei, könne darin keine unrichtige Gebrauchnahme von den Bestimmungen des § 21 Abs. 6 LDG erblickt werden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Verleihung einer schulfesten Stelle als geeignetster Bewerber sowie auf Gesetzmäßigkeit des Reihungs- und Verleihungsverfahrens, all dies gemäß § 21 LDG, durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39, 60 AVG 1950) verletzt. Die Beschwerdeführerin bringt hiezu vor, es sei ganz offensichtlich, daß dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, er habe mit der Aufhebung der Bestimmung des § 39 GÜG bewirken wollen, daß nunmehr sozusagen eine umgekehrte Regelung für den Dienstrang gelten solle. Gerade das aber wäre - zumindest in etwa - erforderlich, um für das gegenständliche Außerkrafttreten des § 39 GÜG eine entsprechende Schlußfolgerung zu rechtfertigen, und die Annahme zu ermöglichen, daß die Außerkraftsetzung "entsprechende Bedeutung" habe. Fehle es innerhalb der Gesetzesregelung an jedem Anhaltspunkt dafür, daß einem Gesetzesbegriff eine veränderte Bedeutung gegeben werden sollte, so sei solches auch nicht anzunehmen. Dies umsoweniger, als innerhalb des gesamten Systems des Beamtendienstrechtes die Entsprechung Dienstrang-Vorrückungsstichtag am naheliegendsten sei. Außerdem spreche gegen die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, daß der Dienstrang im Ergebnis praktisch gleich der durch Gedankenstriche abgegrenzten Sonderbestimmung im zweiten Satz des § 21 Abs. 6 LDG wäre. Die Zeit der tatsächlichen Verwendung in einer Verwendungsgruppe werde praktisch in aller Regel so wenig von der tatsächlichen Verwendung ab Erfüllung der entsprechenden Einstufungsvoraussetzungen abweichen, daß der Gesetzgeber keinen Anlaß gehabt hätte, dafür eine Sonderbestimmung zu schaffen oder aufrecht zu erhalten.

Das Beschwerdevorbringen ist begründet. § 21 des Landeslehrer-Dienstgesetzes, BGBl. Nr. 245/1962, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. Mai 1978, BGBl. Nr. 261 (LDG), regelt das Verfahren zur Verleihung der schulfesten Stellen. Gemäß dem Abs. 6 zweiter Satz dieser Gesetzesstelle ist bei der Auswahl und Reihung der Bewerber zunächst auf die Leistungsfeststellung, ferner auf den Dienstrang - bei Bewerbern um schulfeste Stellen an Haupt- und Sonderschulen, an Polytechnischen Lehrgängen sowie an Berufsschulen überdies auf die an Schulen dieser Art nach Erfüllung der besonderen Anstellungserfordernisse für die betreffende Schulart zurückgelegte Verwendungszeit - sowie auf die Rücksichtswürdigkeit der Bewerber im Hinblick auf ihre sozialen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

Von dem ihr in der genannten Gesetzesstelle eingeräumten Ermessen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1974, Zl. 991/72, Slg. Nr. 8643/A) darf die belangte Behörde Rechtens erst dann Gebrauch machen, wenn die Voraussetzungen, an die das Gesetz die Ermessensübung knüpft, zutreffen. Die Bedachtnahme auf den Dienstrang der Bewerber ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung. Allein darüber, ob die belangte Behörde die sich auf der Grundlage des § 21 Abs. 6 zweiter Satz LDG stellende Rechtsfrage der "Bedachtnahme auf den Dienstrang" der beiden Bewerber dem Gesetz gemäß beantwortete, geht der vorliegende Rechtsstreit.

Die belangte Behörde kommt unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage in 818 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates XIV GP. zu dem Ergebnis, daß sich der Dienstrang eines Landeslehrers zufolge des mit 1. Jänner 1978 erfolgten Außerkrafttretens (§ 130 Abs. 1 Z. 7 im Zusammenhalt mit § 144 Abs. 1 Z. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 329/1977) der denselben regelnden Bestimmungen des § 39 nunmehr nach der Dauer der innerhalb seiner Verwendungsgruppe tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit richte.

Diese Auffassung erweist sich als rechtswidrig. Der Begriff "Dienstrang" erhielt durch die Verweisung im § 2 Abs. 1 LDG (in der Fassung vor der Novelle 1978, BGBl. Nr. 261) auf die Bestimmungen des Gehaltsüberleitungsgesetzes seinen normativen Inhalt. Solcherart war der in § 39 GÜG , umschriebene Begriff "Dienstrang der Lehrer" für den Bereich des Landeslehrer-Dienstgesetzes materiell rezipiert worden. Darnach richtete sich der Dienstrang der Lehrer - im Gegensatz zum Dienstrang der Beamten anderer Besoldungsgruppen - nach der für die Vorrückung maßgebenden Zeit, somit nach dem gemäß § 12 des Gehaltsgesetzes 1956 festgestellten Vorrückungsstichtag. Die Umschreibung des Begriffes "Dienstrang der Lehrer" durch § 39 GÜG verbietet es, diesem nur deshalb einen vom - wenn auch inzwischen außer Kraft getretenen - Verweisungsobjekt losgelosten Bedeutungsinhalt zu geben, weil das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1977 keine Bestimmungen über den Dienstrang enthält. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt den materiell übernommenen Begriff "Dienstrang", so wird deutlich, daß es dem Gesetzgeber, soweit er im Mai 1978 noch diesen Begriff beibehielt, fernlag, diesem einen anderen Inhalt zuzumessen, als jenem im § 39 des Gehaltsüberleitungsgesetzes umschriebenen Begriff.

Der Verwaltungsgerichtshof hat das bestehende, zuletzt im Mai 1978 geänderte Landeslehrer-Dienstgesetz anzuwenden, nicht aber im Wege der Rechtsfortbildung oder einer allzu weitherzigen Auslegung möglicher Absichten des Gesetzgebers Gedanken in ein Gesetz zu tragen, die darin nicht enthalten sind. Maßgebend ist allein der objektive Sinn eines gehörig kundgemachten Gesetzes.

Das dargestellte Auslegungsergebnis läßt sich auch nicht durch den Hinweis auf die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage in 818 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIV. GP., zu Art. I Z. 10 und 11 widerlegen. Unbeschadet dessen sei auch auf das diesbezügliche Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift eingegangen:

Der § 21 Abs. 6 des Landeslehrer-Dienstgesetzes erhielt seine geltende Fassung durch das Bundesgesetz vom 23. Mai 1978, BGBl. Nr. 261. Durch Art. I Z. 11 dieser Novelle wurde im § 21 Abs. 6 lediglich das Wort "Gesamtbeurteilung" durch das Wort "Leistungsfeststellung" ersetzt. Hiezu führen die Erläuternden Bemerkungen zur genannten Regierungsvorlage in ihrem allgemeinen Teil aus, da nun das Beamten-Dienstrechtsgesetz einen Großteil der Bestimmungen der Lehrerdienstpragmatik und des Gehaltsüberleitungsgesetzes außer Kraft setze und an deren Stelle neue materiell-rechtliche Bestimmungen enthält, sei es notwendig, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz dieser geänderten Rechtslage anzupassen. Der dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1977 fremde Begriff des Dienstranges (vgl. § 69 der Erläuternden Bemerkungen zum Beamten-Dienstrechtsgesetz 1977, 500 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIV GP.) wurde nicht ersetzt. Daraus, daß der Gesetzgeber im Mai 1978, somit nahezu sechs Monate nach dem Inkrafttreten des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1977, anläßlich der Änderung der betreffenden Bestimmung das Wort "Dienstrang" nicht ersetzte und solcherart diesen Begriff weiter verwendete, ist zu schließen, daß der Gesetzgeber den einmal übernommenen Begriff beibehalten wollte.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1962, Slg. Nr. 4291, ausgesprochen hat, muß dem Gesetzgeber zugemutet und kann auch zugetraut werden, eine ihm vorschwebende Absicht durch einen entsprechenden Gesetzgebungsakt zu verwirklichen. Hätte der Gesetzgeber wollen, daß dem Dienstrang des Lehrers keine Rechtserheblichkeit bei der Auswahl und Reihung der Bewerbung um eine schulfeste Stelle mehr zukomme, dann hatte er dies unschwer zum Ausdruck bringen können. Im gegenständlichen Falle hat er sich aber durch die Beibehaltung dieses Begriffes derart deutlich und unmißverständlich ausgedrückt, daß sich eine andere Auslegung mit dem Wortlaut nicht vereinen läßt. Andernfalls wäre auch, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist, die Ausnahmeregelung - Paranthese von § 21 Abs. 6 zweiter Satz LDG - unverständlich.

Erläuterungen zu den Gesetzen können Aufschluß über gewisse Zusammenhänge geben, nicht aber eine authentische Antwort auf im Gesetz unbeantwortet gebliebene Fragen. Das Gesetz steht mit seinem Wortlaut über der Meinung der Gesetzesredaktoren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1960, Slg. N.F. Nr. 5362/A, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes).

Da die belangte Behörde, welche ihre Entscheidung ausschließlich auf den Dienstrang der beiden Bewerber abstellte, solcherart den § 21 Abs. 6 LDG unrichtig auslegte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am 15. Oktober 1980

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1979003242.X00

Im RIS seit

25.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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