TE Vwgh Beschluss 2020/6/3 Ra 2019/16/0182

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
20/05 Wohnrecht Mietrecht
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken

Norm

ABGB §1090
B-VG Art133 Abs4
GebG 1957 §33 TP5
GebG 1957 §33 TP5 Abs1
GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1
GebG 1957 §33 TP5 Abs3
MRG §30 Abs2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der O GmbH & Co KG, vertreten durch die TPA Steuerberatung GmbH in 1100 Wien, Wiedner Gürtel 13, Turm 24, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 8. August 2019, Zl. RV/7105629/2018, betreffend Rechtsgebühr (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Gesellschaft (Revisionswerberin) gegen die vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel für einen Mietvertrag gemäß § 33 TP 5 GebG in näher genannter Höhe vorgeschriebene Rechtsgeschäftsgebühr als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

2        Das Bundesfinanzgericht ging von einem Mietvertrag auf bestimmte Dauer von 15 Jahren aus, der danach in einen Vertrag mit unbestimmter Dauer übergehe.

3        Das Bundesfinanzgericht stellte im Erkenntnis fest, die Vertragsparteien hätten am 29. Juni 2017 einen Mietvertrag über Büroräumlichkeiten und Parkplätze geschlossen, der nach seinem Punkt 10.1 von unbefristeter Vertragsdauer sei. Der Mieterin stehe unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist ein ordentliches Kündigungsrecht zum Ende jedes Kalenderjahres zu, wobei die Mieterin auf die Kündigung für einen Zeitraum von 15 Jahren verzichtet habe. In Punkt 11. des Mietvertrages sei festgelegt worden, dass die revisionswerbende Partei als Vermieterin aus wichtigen Gründen mit sofortiger Wirkung den Vertrag kündigen könne, wenn die Mieterin den Kündigungsgrund nicht binnen 14 Tagen nach Aufforderung vollständig beseitige. Als solche wichtige Kündigungsgründe seien sämtliche Gründe des § 30 Abs. 2 MRG sowie sieben weitere Gründe, die als wichtige und bedeutsame Umstände iSd. § 30 Abs. 2 Z 13 MRG zählen würden, zum Vertragsgegenstand erklärt worden. Die gesetzlichen Kündigungsrechte der revisionswerbenden Partei als Vermieterin nach § 1118 ABGB würden hiervon unberührt bleiben.

4        Die vereinbarten Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG würden primär auf die Wohnraummiete abstellen, gegenständlich liege jedoch eine Geschäftsraummiete vor. Somit würden § 30 Abs. 2 Z 5, 6, 8 und 16 MRG ausscheiden. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 2 MRG gelange nicht zur Anwendung, weil das Mietentgelt nicht in einer Dienstleistung bestehe. Ebenso greife Z 10 dieser Bestimmung nicht, weil der Mietgegenstand nicht zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten bestimmt sei. § 30 Abs. 2 Z 11 MRG scheide aus, weil die Norm nur für den Bund, ein Bundesland oder eine Gemeinde gelte. § 30 Abs. 2 Z 12 MRG setze ein Untermietverhältnis voraus, welches im Revisionsfall nicht vorliege. § 30 Abs. 2 Z 14 und 15 MRG kämen nicht in Betracht, weil der Mietgegenstand kein Miethaus sei und zudem ein Abbruch oder Umbau des Gebäudes als unwahrscheinlich gelte. Bei § 30 Abs. 2 Z 1 (Mietzinsrückstand), Z 3 (erheblich nachteiliger Gebrauch oder rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten), Z 4 (Untervermietung) und Z 7 (vertragswidrige Verwendung) MRG handle es sich um Umstände der Verletzung von Vertragspflichten trotz Mahnung und Fristsetzung. Gleiches gelte für die im iSd. § 30 Abs. 2 Z 13 MRG als Kündigungsgründe vereinbarten Umstände, die ein grobes Fehlverhalten der Mieterin voraussetzen würden. Sämtliche Kündigungsgründe würden ein grobes Fehlverhalten des anderen Vertragspartners voraussetzen, womit die Kündigungsrechte der revisionswerbenden Partei nicht nach Belieben ausgeübt werden könnten und jeglichem Einfluss der revisionswerbenden Partei entzogen seien.

5        Dem Vertragswortlaut nach seien zwar gegenständlich alle Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG und zusätzlich weitere sieben Gründe sowie die Gründe nach § 1118 ABGB vereinbart worden, jedoch komme faktisch als einziger Kündigungsgrund, der in der Sphäre der revisionswerbenden Partei liege, der Eigenbedarf nach § 30 Abs. 2 Z 9 MRG in Betracht. Hierbei erscheine die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Vertragsauflösung aufgrund des Eigenbedarfs als äußerst gering, weil der Geschäftsgegenstand der revisionswerbenden Partei im Bereich der Vermietung der gegenständlichen Immobilie liege und sie für sich selbst Räumlichkeiten im umfangreichen Ausmaß nicht benötige.

6        Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die vorzeitige Kündigung des Mietvertrages durch die revisionswerbende Partei bloß äußerst eingeschränkt möglich sei. Sämtliche Kündigungsgründe, abgesehen vom Eigenbedarf, seien dem Einfluss der revisionswerbenden Partei entzogen. Die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Auflösung des abgeschlossenen Mietvertrages durch die revisionswerbende Partei sei äußerst gering. Es sei somit von einer Unwahrscheinlichkeit der Auflösung des Vertrages innerhalb des Zeitraums des vereinbarten Kündigungsverzichtes von 15 Jahren auszugehen. Diesem Ergebnis stehe auch das vertraglich der Mieterin eingeräumte Weitergaberecht nicht entgegen.

7        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der sich die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Einstufung des Vertrages als Vertrag auf unbestimmte Dauer und Berechnung der Gebühr vom dreifachen Jahreswert verletzt erachtet. Am 4. Mai 2020 langte beim Verwaltungsgerichtshof noch ein Schriftsatz der Revisionswerberin ein, der kein über den Revisionsschriftsatz hinausgehendes Zulässigkeitsvorbringen enthält.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das Bundesfinanzgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Vereinbarung aller denkmöglichen Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten darstelle, um von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen.

12       Gemäß § 33 Tarifpost 5 (Bestandverträge) des Gebührengesetzes 1957 (GebG) unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Rechtsgebühr von 1 vH nach dem Wert.

13       Nach § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

14       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen „auf bestimmte Zeit“ und „auf unbestimmte Zeit“ abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht entgegensteht. Ein nach seinem Wortlaut auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist als ein Vertrag auf vorerst bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist. Die Vereinbarung etwa aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG stellt noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten dar, weshalb in einem solchen Fall ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist (vgl. VwGH 16.10.2014, 2011/16/0169, und VwGH 9.9.2015, Ra 2015/16/0072).

15       Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2017/16/0111 und 0112).

16       Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird somit nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0040, mwN).

17       Wenn auch die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG allein noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten mit dem Ergebnis eines Vertrages auf bestimmte Dauer darstellt, so kann eine Gewichtung und eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe durchaus zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen (vgl. auch nochmals VwGH 19.9.2017, Ra 2017/16/0111 und 0112; VwGH 4.12.2019, Ro 2018/16/0004).

18       Indem das Bundesfinanzgericht nicht allein die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG heranzog, sondern sein Erkenntnis tragend auf eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der vereinbarten Kündigungsgründe stützte, wich es nicht von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. hierzu in einer ähnlichen Konstellation die bereits zitierten Erkenntnisse VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0040; sowie VwGH 4.12.2019, Ro 2018/16/0004, mwN).

19       Die Revision bringt in weiterer Folge im Zusammenhang mit der gebührenrechtlichen Dauer von Bestandverträgen vor, dass aufgrund der Bedeutung der Gewichtung und Wahrscheinlichkeiten im Einzelfall bei jedem Vertrag mit einzeln aufgezählten Auflösungsmöglichkeiten eine ordentliche Revision zuzulassen sei, weil die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofes immer von der Einschätzung des Bundesfinanzgerichtes abweichen könne. Solange der Verwaltungsgerichtshof über einen solchen Vertrag nicht entschieden habe, fehle eine solche Rechtsprechung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

20       Nach der hg. Rechtsprechung kann einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinn zu (vgl. VwGH 13. 9.2016, Ra 2016/16/0077). Ob ein konkreter Bestandvertrag vom Verwaltungsgericht, das sich auf dem Boden der erwähnten Rechtsprechung bewegt, im Einzelfall in seiner Gesamtgestaltung als Vertrag auf bestimmte Dauer oder auf unbestimmte Dauer gedeutet wird, ist - von krassen Fehlentscheidungen abgesehen - keine Frage, die über den Einzelfall hinausgeht und daher nicht grundsätzlich im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl.nochmals VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0040).

21       Dass das Bundesfinanzgericht eine krasse Fehlentscheidung getroffen hat, ist nicht erkennbar. Die Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes, wonach aufgrund des abgegebenen Kündigungsverzichtes sowie der Unwahrscheinlichkeit der Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe, gegenständlich von einem Mietvertrag auf bestimmte Dauer auszugehen sei, erweist sich als vertretbar.

22       Schließlich versucht die Revision eine Zulässigkeit damit zu begründen, dass zur Frage, ob bei Vereinbarung aller (denkmöglichen) Gründe des § 30 Abs. 2 MRG eine Prüfung auf deren Gewicht und Wahrscheinlichkeit zur Anwendung komme, eine ordentliche Revision zur Zahl Ro 2018/16/0004 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei, weshalb von „einer klaren Rechtslage nicht die Rede sein könne“.

23       Hierzu ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof die zitierte Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückgewiesen hat. Inwieweit die Rechtslage nicht „klar“ wäre ist im Hinblick auf die bereits dargelegte Judikatur nicht ersichtlich.

24       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160182.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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