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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des Y W, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13. November 2019, VGW-151/069/6387/2019-17, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. März 2019 wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Chinas, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 iVm § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe bereits am 16. Februar 2007 in Österreich unter Angabe eines falschen Namens und eines unrichtigen Geburtsdatums einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der im Jahr 2010 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Revisionswerber sei seiner Meldeverpflichtung nach dem Asylgesetz 2005 nicht nachgekommen. Im Juni 2013 sei der Revisionswerber einer Expertenkommission aus der Volksrepublik China vorgeführt worden, hätte aber nicht identifiziert werden können, sodass kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei. Seit 16. Dezember 2014 sei der Revisionswerber nicht in Österreich gemeldet gewesen. Entgegen seinem Vorbringen im Asylverfahren habe der Revisionswerber schon seit seiner Einreise über einen Reisepass, lautend auf seinen tatsächlichen Namen, verfügt. Nachdem der Reisepass abgelaufen sei, habe er von der chinesischen Botschaft eine Bestätigung für die Heimreise erhalten und sei am 4. Juni 2018 aus dem Bundesgebiet ausgereist. Daraufhin sei das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingestellt worden. Während seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich habe der Revisionswerber eine unselbständige Erwerbstätigkeit ohne Beschäftigungsbewilligung ausgeübt. Die zusammenführende Ehegattin des Revisionswerbers sei ebenfalls chinesische Staatsangehörige und verfüge seit 16. Februar 2018 über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, die Asylantragstellung unter Angabe unrichtiger Personalia mit dem Ziel der Erlangung eines Aufenthaltsrechtes in Österreich stelle eine schwere Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen dar. Der Revisionswerber habe durch sein bisheriges Verhalten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er bereit sei, gegenüber Behörden und Gerichten falsche Angaben zu machen sowie Angaben pflichtwidrig zu unterlassen, um ein für sich günstiges Ergebnis zu erzielen. Im Asylverfahren habe der Revisionswerber tatsachenwidrig behauptet ledig zu sein, weil er sich dadurch Vorteile erhofft habe. Er habe über einen Reisepass mit seinen richtigen Daten verfügt, aber falsche persönliche Daten angegeben, wodurch er die Ausstellung eines Heimreisezertifikates und seine Abschiebung verhindert habe. Weiters sei er während seines Aufenthaltes in Österreich unrechtmäßig beschäftigt gewesen und untergetaucht. Die freiwillige Ausreise sei nach Erteilung eines Aufenthaltstitels an seine Ehegattin erfolgt, wobei sich der Revisionswerber dadurch die Legalisierung seines Aufenthaltes in Österreich erhofft habe. Vor diesem Hintergrund gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Revisionswerber auch in Zukunft bereit sei, gegenüber Behörden und Gerichten falsche Angaben zu machen, um eine günstigere Entscheidung zu erschleichen oder unrechtmäßig Leistungen zu beziehen. Ein neuerlicher Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich stelle somit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, weswegen die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG nicht erfüllt seien.
5 Danach führte das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG aus, dass der beantragte Aufenthaltstitel nicht infolge eines Überwiegens von nach Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Revisionswerbers zu erteilen sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision vor, das Verwaltungsgericht weiche in seinem Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung des Tatbestandes des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG in unvertretbarer Weise ab, weil die Behörde auf die Art und Schwere des zugrunde liegenden Fehlverhaltens abzustellen habe. Der pauschale Hinweis, der Revisionswerber habe unrechtmäßig in Österreich gearbeitet, reiche ohne nähere Feststellungen über Zeitraum, Art und Umfang der Tätigkeit nicht aus. Der Revisionswerber habe Österreich nachweislich im Juni 2018 freiwillig verlassen und sich um einen Aufenthaltstitel vom Ausland aus bemüht.
11 Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Dies ist nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG dann der Fall, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
12 Die einzelfallbezogene Beurteilung der Gefährdungsprognose ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (VwGH 8.11.2018, Ra 2017/22/0207, Rn. 10, mwN).
13 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist bei der Auslegung des § 11 Abs. 4 Z 1 NAG eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung ist die Behörde (das Verwaltungsgericht) berechtigt, alle den antragstellenden Fremden betreffenden relevanten Umstände zu berücksichtigen, aber auch verpflichtet, diese einer auf ihn bezogenen Bewertung zu unterziehen (vgl. VwGH 3.10.2017, Ra 2016/22/0056, Rn. 3.2., mwN).
14 Vorliegend nahm das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Revisionswerbers eine umfassende Prognosebeurteilung vor, wobei es den unwahren Angaben des Revisionswerber im Asylverfahren, der Verwendung einer falschen Identität nahezu während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich, seinem zeitweisen Untertauchen, der Vereitelung fremdenpolizeilicher Maßnahmen sowie den Umständen seiner Ausreise eine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Der Revisionswerber bemühte sich nach der Abweisung seines Asylantrages im Jahr 2010 nicht um die Legalisierung seines Aufenthaltes. Das Verwaltungsgericht berücksichtigte eine illegale Beschäftigung des Revisionswerbers in Österreich lediglich als einen von vielen relevanten Umständen. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision keine Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes auf. Unter den angeführten Umständen ist das Verwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung im Rahmen einer fallbezogenen Prognosebeurteilung nach dem Gesamtverhalten des Revisionswerbers auf jedenfalls nicht unvertretbare Weise zum Ergebnis gelangt, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zu einer Gefährdung der öffentlichen Interessen führen würde.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220043.L00Im RIS seit
09.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020