Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers G*****, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Grundbuchshandlungen ob der EZ ***** KG *****, infolge des Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. Jänner 2020, AZ 3 R 172/19g, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hermagor vom 12. November 2019, TZ 1128/19, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art 3 Abs 1 lit b der Verordnung (EU) 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 7. 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EuErbVO) dahin auszulegen, dass ein zwischen zwei deutschen Staatsangehörigen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, abgeschlossener Schenkungsvertrag auf den Todesfall betreffend eine in Österreich gelegene Liegenschaft, wonach der Geschenknehmer nach dem Tod des Geschenkgebers einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Nachlass auf grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechts aufgrund dieses Vertrags und der Sterbeurkunde des Geschenkgebers, somit ohne Zutun der Abhandlungsbehörde, haben soll, ein Erbvertrag im Sinn dieser Bestimmung ist?
2. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird:
Ist Art 83 Abs 2 der EuErbVO dahin auszulegen, dass damit auch die Wirksamkeit einer vor dem 17. August 2015 getroffenen Rechtswahl für einen als Erbvertrag iSd Art 3 Abs 1 lit b EuErbVO zu qualifizierenden Schenkungsvertrag auf den Todesfall geregelt wird?
B. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Text
Begründung:
I. Sachverhalt:
Aus den Grundbuchsurkunden und dem Grundbuchsstand ergibt sich:
Der am 13. 5. 2018 in K***** verstorbene deutsche Staatsangehörige N*****, zuletzt gewöhnlich aufhältig in K*****, ist aufgrund des Kaufvertrags vom 20. 6. 1975 und des Übergabsvertrags vom 22. 7. 1975 im österreichischen Grundbuch als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** eingetragen. Das Nachlassverfahren ist beim Amtsgericht K***** anhängig. Sein Sohn J*****, ebenfalls deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in K*****, hat dort gegen den Nachlass den Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums an dieser Liegenschaft geltend gemacht.
Am 9. 7. 1975 hat N***** seinem Sohn G***** und dessen (damaliger) Gattin R*****, Österreicherin, ebenfalls aufhältig in K*****, folgendes Vertragsanbot in Bezug auf diese Liegenschaft gemacht:
„Erstens: Mit Kaufvertrag vom 13. 5. und 20. 6. 1975 hat Frau R*****, [...], einen erst zu vermessenden Teil der Liegenschaft EZ ***** [...] Gerichtsbezirk K***** erworben. Auf diesem Grundstück soll ein Zweifamilienhaus errichtet werden, welches für Frau R***** und ihre Familie als ständiger Wohnsitz dienen soll und welches von ihrem Schwiegervater, Herr N*****, finanziert werden soll. Für den Fall, dass Frau R***** die genannte Liegenschaft an ihren Ehegatten Herrn G***** ins Alleineigentum übergibt und dieser die Liegenschaft wiederum seinem Vater Herrn N***** ins Eigentum überträgt, bietet Herr N***** der Frau R***** und dem Herrn G***** [...], den Abschluss des folgenden Vertrags an:
a) Herr N***** übernimmt die genannte Liegenschaft von Herrn G***** in sein Eigentum, samt allem, was damit verbunden ist, allen Rechten und Pflichten und entsprechend dem Besitzstand nach erfolgter Vermessung. Die Übergabe der Liegenschaft an Herrn N***** hat zu den Bedingungen zu erfolgen, die in den folgenden Punkten festgelegt sind.
b) Herr N***** verpflichtet sich, auf dieser Liegenschaft, die dann in seinem Eigentum stehen wird, ein Zweifamilienhaus binnen zehn Jahren ab Vertragsabschluss zu errichten. Diese Verpflichtung geht auf seine Erben über soweit sie nicht von ihm zu seinen Lebzeiten erfüllt ist. [...]
c) Herr N***** übergibt die genannte Liegenschaft auf seinen Todesfall an Frau R***** und Herrn G***** je zur Hälfte samt allem, was im Zeitpunkt seines Ablebens mit der Liegenschaft verbunden sein wird, insbesondere dem darauf befindlichen Haus und entsprechend den Grenzen des Besitzstandes im Zeitpunkt der Übergabe. Die Übergabe erfolgt mit dem Ableben des Herrn N*****, nicht aber vor Fertigstellung des Hauses. Die Übergabe ist dadurch bedingt, dass im Zeitpunkt des Ablebens des Herrn N***** die Ehe zwischen den beiden Übernehmern nicht geschieden ist und Frau R***** Herrn N***** überlebt. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, gilt die Übergabe auf den Todesfall nur als an Herrn G***** erfolgt, nach welchen der Anspruch aus dem abzuschließenden Vertrag auch schon vor dem Ableben des Herrn N***** vererblich ist.
d) Soweit Gegenleistungen für diese Übergabe nicht vereinbart sind, erfolgt die Übergabe auf den Todesfall schenkungsweise, wie Herr N***** ausdrücklich erklärt. Er verzichtet darauf, diesen Vertrag zu widerrufen.
e) Als teilweise Gegenleistung für die Übergabe sind die Übernehmer verpflichtet, der Frau [...], der Mutter der Frau R*****, ein Wohnungsrecht in dem zu errichtenden Haus einzuräumen [...].
f) Auf die Rechtsverhältnisse aus den abzuschließenden Verträgen ist österreichisches Recht anzuwenden [...].
g) Herr N***** verpflichtet sich, die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft nicht ohne Zustimmung des Herrn G***** und der Frau R***** zu veräußern oder zu belasten, damit ihre Ansprüche aus dem Übergabsvertrag auf den Todesfall abgesichert sind. [...]
h) Herr N***** bewilligt im Grundbuch bei der für das vertragsgegenständliche Grundstück noch zu eröffnenden Grundbuchseinlage der Katastralgemeinde M*****
aa) [...]
bb) aufgrund dieses Vertrags und der amtlichen Sterbeurkunde des Herrn N***** die Einverleibung des Eigentumsrechts je zur Hälfte über gemeinsamen Antrag für beide Übernehmer oder die Einverleibung des Eigentumsrechts nur für G***** über seinen Antrag unter Nachweis des Eintritts der Bedingung für die Übergabe der Liegenschaft nur an ihn alleine.
i) [...]“
Mit Notariatsakt vom 22. 7. 1975 haben R***** und G***** dieses Anbot angenommen. R***** ist bereits am 5. November 2005, somit vor N***** verstorben, damals war ihre Ehe mit J***** bereits geschieden. Ein Haus wurde auf dem nach Vermessung als 516/1 bezeichneten Grundstück der EZ ***** KG ***** nicht errichtet.
II. Vorbringen des Antragstellers und bisheriges Verfahren:
Als aus dem Schenkungsvertrag auf den Todesfall allein Berechtigter beantragt G*****
die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob der Liegenschaft beim österreichischen Grundbuchsgericht. Er legte Vertragsanbot und Annahmeerklärung vom 9. 7./22. 7. 1975, die Sterbeurkunden von N***** und R*****, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts, den Beschluss über die Anordnung der Nachlasspflegschaft des Amtsgerichts K*****, eine Bescheidkopie des Einheitswertsbescheids und ein Luftbild des Grundstücks vor.
Das Gericht erster Instanz wies – durch seinen Rechtspfleger – das Einverleibungsbegehren mangels urkundlicher Nachweise des Eintritts sämtlicher Bedingungen gemäß Vertragsanbot ab. Es ging von der Anwendbarkeit österreichischen Rechts aus.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung. Die Bestimmungen der EuErbVO seien nicht anwendbar, weil im Vertragsanbot österreichisches Recht vereinbart worden sei. Den Eintritt der im Vertrag vorgesehenen aufschiebenden Bedingungen habe der Antragsteller durch eine grundbuchsfähige Urkunde darzutun. Die Übergabe aufgrund der Schenkung auf den Todesfall hätte nicht vor Fertigstellung des Hauses erfolgen sollen, der Eintritt dieser Bedingung sei nicht nachgewiesen. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Gericht zweiter Instanz zu.
Gegen diese Entscheidung erhebt der Antragsteller ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof, mit dem er sein Eintragungsbegehren weiterverfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat beschlossen, das Verfahren über diesen Revisionsrekurs auszusetzen und dem EuGH die für die Entscheidung der Rechtssache wesentlichen unionsrechtlichen Fragen vorzulegen.
III. Unionsrecht:
1. Art 1 der EuErbVO bestimmt:
(1) Diese Verordnung ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden. [...]
(2) Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:
[...]
g) Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen begründet oder übertragen werden, wie unentgeltliche Zuwendungen, Miteigentum mit Anwachsungsrecht des Überlebenden (joint tenancy), Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen, unbeschadet des Art 23 Abs 2 Buchstabe i;
[...]
l) jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register.
2. Art 3 der EuErbVO bestimmt:
(1) Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
a) „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge;
b) „Erbvertrag“ eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht;
[...]
d) „Verfügung von Todes wegen“ ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag;
[...]
3. Zur Rechtswahl sieht Art 22 EuErbVO vor:
(1) Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Eine Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, kann das Recht eines der Staaten wählen, denen sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.
(2) Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben.
[...]
4. Art 25 EuErbVO sieht für Erbverträge vor:
(1) Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn diese Person zu dem Zeitpunkt verstorben wäre, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde.
[...]
(3) Ungeachtet der Abs 1 und 2 können die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können.
5. Die Übergangsbestimmungen in Art 83 EuErbVO lauten:
(1) Diese Verordnung findet auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17. August 2015 oder danach verstorben sind.
(2) Hatte der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist.
(3) Eine vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen ist zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist.
(4) Wurde eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, so gilt dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht.
IV. Nationales Recht:
1. § 956 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 (BGBl I 2015/87) lautete wie folgt:
Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtnis gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden ist.
§ 1 lit d des Notariatsaktsgesetzes (NotAktG) knüpft die Gültigkeit eines Schenkungsvertrags ohne wirkliche Übergabe an die Aufnahme eines Notariatsakts.
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des österreichischen Grundbuchgesetzes (GBG) lauten:
§ 26:
(1) Einverleibungen und Vormerkungen können nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind.
(2) Diese Urkunden müssen, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handelt, einen gültigen Rechtsgrund enthalten.
3. Die maßgeblichen Bestimmungen des österreichischen Rechtspflegergesetzes (RpflG) lauten:
§ 2:
Ein Gerichtsbeamter kann für eines oder mehrere der folgenden Arbeitsgebiete zum Rechtspfleger bestellt werden:
[...]
3. Grundbuchs- und Schiffsregistersachen;
[...]
§ 16
(1) [...]
(2) Dem Richter bleiben stets vorbehalten:
[...]
6. Entscheidungen, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist.
V. Begründung der Vorlagefragen:
1.1 Nach der nationalen Rechtsprechung hat das österreichische Grundbuchsgericht die zur Begründung einer Grundbuchseintragung vorgelegten Urkunden nach § 26 GBG auf Form und Inhalt zu überprüfen. Wird in einem Vertrag ein Recht unter einer Bedingung eingeräumt und die Zustimmung zur Einverleibung nur unter dieser Bedingung erteilt, so ist auch deren Eintritt urkundlich nachzuweisen (RIS-Justiz RS0060364). Funktionell zuständig für diese Prüfung ist nach dem RPflG der Rechtspfleger. Kommt allerdings die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer ausländischen Rechtsvorschrift dabei in Betracht, wird nach der nationalen Rechtsprechung (RS0125906) der Richtervorbehalt nach § 16 Abs 2 Z 6 RPflG wirksam. Entscheidet in einem solchen Fall anstelle des Richters ein Rechtspfleger, ist der Beschluss und das vorangegangene Verfahren aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung durch den Richter an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Ein derartiger Verfahrensmangel ist auch dann, wenn er im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (RS0007465 [T2, T8, T10]).
1.2 Das Gericht hat immer dann von Amts wegen ausländisches Recht zu erforschen und anzuwenden, wenn die Aktenlage einen Anhaltspunkt für die Möglichkeit der Anwendung eines solchen Rechts gibt (RS0040189). Die Frage der Wirksamkeit der im Schenkungsvertrag auf den Todesfall getroffenen Rechtswahl auf österreichisches Recht und die Anwendung der EuErbVO auf einen derartigen Vertragstyp sind daher Vorfragen für das vorlegende Gericht, um die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers in diesem Fall beantworten zu können.
2. Die nationale Rechtsprechung zum Schenkungsvertrag auf den Todesfall nach § 956 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 sah vor, dass der Geschenkgeber bis zum Todesfall im Genuss der geschenkten Sache blieb (RS0019129). Bei Liegenschaften war zum Eigentumserwerb des Beschenkten die Einverleibung erforderlich, die aufgrund des mit Aufsandungserklärung versehenen Schenkungsvertrags und der Sterbeurkunde begehrt werden konnte, ohne dass ein besonderer Beschluss des Abhandlungsgerichts erforderlich war. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Schenkungsvertrags auf den Todesfall waren die Annahme des Geschenks durch den Beschenkten, die ausdrückliche Erklärung des Geschenkgebers auf den Widerruf der Schenkung zu verzichten und die Errichtung eines Notariatsakts. Die Schenkung begründete nur einen schuldrechtlichen Anspruch, der erst nach dem Tod des Geschenkgebers erfüllt werden sollte (5 Ob 39/14t – „Vermächtnislösung“). Ein im Vertrag vereinbartes Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Beschenkten ersetzte nach nationaler Rechtsprechung den ausdrücklichen Widerrufsverzicht. Die dem Grundbuchsgericht vorgelegten Urkunden lassen hier auf den Abschluss eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall zugunsten des Antragstellers nach den Kriterien des österreichischen Rechts schließen.
3.1 Die EuErbVO regelt an sich nur die Rechtsnachfolge von Todes wegen, nicht daher Vorgänge, die ihren Grund in einem Rechtsgeschäft unter Lebenden haben. Die Schenkung auf den Todesfall nach österreichischem Recht hat allerdings die Besonderheit, dass sie keinen Vermögensübergang zu Lebzeiten bewirkt, der den Schenkenden zu dessen Lebzeiten betreffen und belasten würde, sofern sie nicht – was hier nicht der Fall war – allenfalls bereits vor dem Tod des Erblassers vollzogen wurde. Der Vermögensübergang erfolgt erst nach dem Tod und trifft den Nachlass bzw die Erben. Da die Begriffsbestimmungen des Art 3 Abs 1 lit b und lit d EuErbVO als Verfügung von Todes wegen auch den Erbvertrag als Vereinbarung der Begründung von Rechten am künftigen Nachlass mit oder ohne Gegenleistung nennen, hält das vorlegende Gericht die Frage für auslegungsbedürftig, ob eine Schenkung auf den Todesfall eine derartige Vereinbarung von Todes wegen ist.
3.2 Die deutschsprachige Literatur vertritt überwiegend die Auffassung, eine Schenkung auf den Todesfall, die zu Lebzeiten des Geschenkgebers keine dingliche Wirkung entfaltet, sei erbrechtlich zu qualifizieren und unterliege damit dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (Deixler-Hübner/Schauer in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Kommentar2 Art 3 Rz 14; Czernich in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, HdB Erbrecht und Vermögensnachfolge2 § 43 Rz 7; Dutta in MüKo-BGB7 Art 1 EuErbVO Rn 32; in dem Sinn wohl auch Mankowski in Deixler-Hübner/Schauer EuErbVO Kommentar2 Art 1 Rz 79; abweichend aber Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer, IZVR Kap 62 EuErbVO Art 1 Rz 24; Bösendorfer, ebenda EuErbVO Art 3 Rz 17; differenzierend Rudolf/Zöchling-Jud/Kogler in Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO Kap 3 Rz 122 ff; Nordmeier, Erbverträge und nachlassbezogene Rechtsgeschäfte in der EuErbVO – eine Begriffserklärung, ZEV 2013, 117).
3.3 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts sprechen bessere Argumente dafür, den Schenkungsvertrag auf den Todesfall – unabhängig davon, ob ein teilweises Entgelt vorgesehen wurde oder nicht – als Erbvertrag im Sinn der EuErbVO anzusehen. Auch wenn der dort genannte Vermögenswert aufgrund des Rechtsgeschäfts unter Lebenden nach dem Tod des Schuldners an sich ohne Mitwirkung der Abhandlungsbehörde an diesen zu übertragen ist, gehört er nach der auch für das österreichische Recht vertretenen Vermächtnislösung im Sinn des Art 3 Abs 1 lit b EuErbVO noch zum künftigen Nachlass. Dem Gebot der engen Auslegung von Ausnahmebestimmungen und dem Charakter der in Art 1 Abs 2 lit g EuErbVO genannten konkreten Ausnahmen entspricht es nach Auffassung des vorlegenden Gerichts eher, die Verfügung über einen Nachlassbestandteil mittels Schenkungsvertrags auf den Todesfall jedenfalls dann, wenn ein Übereignungsanspruch des Geschenknehmers vergleichbar einem Vermächtnisnehmer erst nach Ableben des Geschenkgebers entsteht, von den Bestimmungen der EuErbVO erfasst anzusehen. Die Ausnahmebestimmung des Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht anzuwenden, weil es nicht um eine registerrechtliche Frage geht, sondern um die kollisionsrechtliche Beurteilung des Vertrags, die Voraussetzung für die Beurteilung der funktionellen Zuständigkeit des Entscheidungsorgans ist.
4. Die Vorinstanzen haben die Anwendung österreichischen materiellen Rechts mit der von den Parteien im Vertrag getroffenen Rechtswahl begründet. Die EuErbVO, die aufgrund des Todeszeitpunkts des Geschenkgebers hier grundsätzlich anzuwenden ist, sieht Übergangsbestimmungen auch für eine vor dem 17. 8. 2015 getroffene Rechtswahl vor und macht deren Wirksamkeit davon abhängig, ob die Rechtswahl entweder die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder diese nach den im Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist. Da der Geschenkgeber damals bereits deutscher Staatsangehöriger war, dies bis zu seinem Todeszeitpunkt blieb und sich sowohl zum Vertragsabschluss- als auch Todeszeitpunkt in Deutschland aufhielt, legt Art 83 Abs 2 EuErbVO die Unwirksamkeit der im Schenkungsvertrag auf den Todesfall getroffenen Rechtswahl auf österreichisches Recht nahe. Von einem Erbvertrag spricht Art 83 Abs 2 EuErbVO nicht ausdrücklich, wohl aber von der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Art 83 Abs 3 EuErbVO befasst sich nicht mit der Rechtswahl, sondern mit der Zulässigkeit und materiellen sowie formellen Wirksamkeit einer vor dem 17. 8. 2015 errichteten Verfügung von Todes wegen. Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass Art 83 Abs 2 EuErbVO auch auf eine in einem „Erbvertrag“ getroffene Rechtswahl anzuwenden ist, hält diese Auslegung aber nicht für völlig eindeutig. Wäre die Rechtswahl aber nach den Bestimmungen des Kapitels III der EuErbVO selbst nicht zulässig, könnte ihre Wirksamkeit bei Anwendbarkeit der Bestimmung des Art 83 Abs 2 und 3 nur damit begründet werden, dass sie nach den Bestimmungen des internationalen Privatrechts in Deutschland damals wirksam gewesen wäre, also nach innerstaatlichem deutschen Recht. Auch die Anwendung ausländischen Kollisionsrechts ist aber nach dem österreichischen RPflG dem Richter vorbehalten.
VI. Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.
Textnummer
E128386European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00061.20M.0527.000Im RIS seit
25.06.2020Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021