TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/15 LVwG-318-31/2020-R17

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Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Norm

VwGVG 2014 §8 Abs1
AVG §73 Abs1
RPG Vlbg 1996 §18 Abs3

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Stefanie Wachter aufgrund die Säumnisbeschwerde des E M, K, gegen den Bürgermeister der Gemeinde K wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen Antrag vom 17.04.2015 auf Erteilung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird aufgrund der Beschwerde das Ansuchen vom 17.04.2015, auf baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Gebäudes auf GST-NR XXX, KG K, gemäß § 28 Abs 2 und 3 BauG iVm § 18 Abs 3 RPG, abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.1. Der (unvertretene) Beschwerdeführer brachte bei der belangten Behörde am 27.04.2020 einen „Devolutionsantrag“ ein. Dieser wird vom Gericht als Säumnisbeschwerde gewertet. Er führt aus, dass diese Beschwerde sein Bauansuchen auf GST-NR XXX, KG K betreffe. Seit er sein Bauansuchen eingereicht habe, seien schon mehrere Jahre vergangen. Deshalb stelle er einen „Devolutionsantrag“ (Säumnisbeschwerde).

1.2. Die belangte Behörde legte die Säumnisbeschwerde samt Einreichunterlagen und Behördenunterlagen dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Gericht forderte sowohl die belangte Behörde, als auch den Beschwerdeführer auf, zum näher dargelegten Verfahrensgang Stellung zu nehmen. Sowohl die belangte Behörde, als auch der Beschwerdeführer sind dieser Aufforderung nachgekommen.

2.   Folgender Sachverhalt steht fest:

2.1. Am 17.04.2015 überreichte der Beschwerdeführer der belangten Behörde einen Eingabeplan samt Baubeschreibung für die Errichtung eines Gebäudes auf GST-NR XXX, KG K. Das Bauvorhaben wurde als „Stallung für Tiere aller Art“ beschrieben. Das Baugrundstück ist im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde K als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet ausgewiesen. Der Eingabeplan samt Baubeschreibung wurde der belangten Behörde vom Beschwerdeführer in dreifacher Ausfertigung übergeben.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.05.2015 beauftragte sie einen landwirtschaftlichen Amtssachverständigen der damaligen Agrarbezirksbehörde mit der Erstellung eines Gutachtens. Der landwirtschaftliche Amtssachverständige wurde damit beauftragt zu prüfen, ob das geplante Bauvorhaben aus landwirtschaftlicher Sicht notwendig iSd § 18 Abs 3 RPG ist.

Am 28.07.2016 übermittelte der landwirtschaftliche Amtssachverständige seine gutachterliche Stellungnahme an die belangte Behörde. In dieser Stellungnahme teilte er mit, dass er aufgrund der vagen Angaben des Beschwerdeführers zur Nutzung des Gebäudes kein Gutachten zur Frage, ob das Gebäude aus landwirtschaftlicher Sicht notwendig iSd § 18 Abs 3 RPG sei, erstatten könne. Er habe mehrfach und intensiv beim Beschwerdeführer nachgefragt, jedoch keine konkrete Angabe zur geplanten Nutzung des Gebäudes erhalten.

Mit Scheiben der belangten Behörde vom 17.08.2016 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör zur gutachterlichen Stellungnahme des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen gewährt. Er wurde aufgefordert konkrete Angaben zu geplanten Nutzung des Gebäudes zu machen.

Der Beschwerdeführer hat auf dieses Schreiben schriftlich nicht reagiert. Er hat mehrmals bei der belangten Behörde vorgesprochen. Genaue Zeitpunkte können nicht festgestellt werden. Ihm wurde mehrfach mitgeteilt, dass er die Informationen hinsichtlich der Gebäudenutzung nachreichen müsse und ohne eine positive gutachterliche Stellungnahme keine positive Entscheidung möglich sei.

Der Beschwerdeführer macht bis heute keine konkreten Angaben dazu, wie er das Gebäude nutzen möchte. Er bleibt dabei, dass er das Gebäude als „Stallung für Tiere aller Art“ nutzen will.

Seither wurden von der belangten Behörde keine weiteren Schritte mehr in dieser Angelegenheit gesetzt.

2.2. Das Baugrundstück GST-NR XXX, KG K, mit einem Ausmaß von 2.786 m2 ist im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde K als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet ausgewiesen. Es steht im Eigentum des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit mehr als 90 GVE und rund 36 ha Flächen. Bisher wird das Baugrundstück als Mähwiese genutzt. Der Beschwerdeführer möchte das Grundstück zukünftig beweiden (Auslauffläche für die dort gehaltenen Tiere).

Der Beschwerdeführer beantragte die baurechtliche Bewilligung für ein Gebäude auf diesem Baugrundstück. Das Gebäude besteht aus einem Keller, einem Erdgeschoss und einem Obergeschoss. Der Keller wird als Güllelager genutzt werden und in Stallbeton ausgeführt. Das EG soll als Stallung dienen; es wird als Betondecke mit einer aufgehenden Holzriegelwerkkonstruktion, die mit einer Deckel-Kriecher-Schalung versehen ist, errichtet. Das OG dienst als Heu- und Strohlager. Es wird als Holzbalkenlage mit Riemenboden errichtet. Die Dachkonstruktion ist ein Satteldach mit einer Eterniteindeckung.

Als Verwendungszweck des Gebäudes gibt der Beschwerdeführer an: Stallung für Tiere aller Art. Trotz mehrfacher Nachfrage teilt er weder mit, welche Art von Tieren und welche Anzahl an Tieren dort eingestellt werden sollen. Auch legt er nicht dar, wie der Stall für die verschiedenen Tierarten eingeteilt werden soll.

Ein Gebäude mit diesem Verwendungszweck (Stallung für Tiere aller Art) ist für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht notwendig.

3.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund des Eingabeplanes samt Baubeschreibung, der im Behördenakt befindlichen Schreiben, der eingeholten Stellungnahmen und des Gutachtens des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 28.07.2016 als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig.

3.1. Die Feststellungen zu den eingereichten Unterlagen ergeben sich aus dem Behördenakt. Es liegt ein Eingabeplan samt Baubeschreibung vor.

Die Feststellungen zu den gesetzten Verfahrensschritten ergeben sich aus den zitierten Schreiben der belangten Behörde und des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt des Schreibens zur Gewährung von Parteiengehör keine schriftliche Stellungnahme mehr abgegeben hat. Bis zum heutigen Tag hat er nicht mitgeteilt, wie er das geplante (landwirtschaftliche) Gebäude konkret nutzen möchte.

Unstrittig ist, dass die belangte Behörde keine weiteren Schritte mehr gesetzt hat.

3.2. Die Feststellungen zu Punkt 2.2. konnten aufgrund des Eingabeplanes und der Baubeschreibung getroffen werden. Aus dem Flächenwidmungsplan ergibt sich die Flächenwidmung des Baugrundstückes.

Der Beschwerdeführer blieb auch über Nachfrage des Gerichtes dabei, dass er den Verwendungszweck des Gebäudes nicht näher ausführen werde. Er möchte das Gebäude als „Stallung für Tiere aller Art“ nutzen und sich weder festlegen, welche Art noch welche Anzahl von Tieren er in diesem Gebäude unterbringen wird.

Der landwirtschaftliche Amtssachverständige führte in seinem Gutachten vom 28.07.2016 im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, dass der Stall auch als Quarantänestall genutzt werden könnte, zB für gealpte Tiere bei TBC-Gefahr oder für Tiere die aus anderen EU-Ländern kommen würden. Nach der Vorstellung des Beschwerdeführers könnten dort verschiedene Tiere gehalten werden, wie zB Schweine (auch Hängebauchschweine), Rinder, Hühner und Geflügel. Nähere Angaben über die jeweilige Anzahl der Tiere oder eine Einteilung im Bereich des geplanten Stalles für verschiedene Tierarten hätte der Beschwerdeführer nicht machen können, weil möglichst viele Optionen offengehalten werden sollten. Der Betrieb des Beschwerdeführers sei ohne Zweifel ein bodenabhängiger Landwirtschaftsbetrieb. Zur vorgesehenen Stallung für Tiere aller Art habe der Antragsteller im Gespräch am 28.07.2016 jedoch trotz mehrfacher, intensiver Nachfrage, nur recht vage Angaben gemacht. Eine Beurteilung des beantragten Projektes auf der Basis der Bestimmung des § 18 Abs 3 RPG sei auf Grund der nur sehr vagen preisgegebenen Nutzungsabsichten nicht möglich.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Schreiben an das Gericht vom 28.05.2020 erneut mitgeteilt, dass er den Verwendungszweck nicht konkretisieren werde.

Die Ausführungen im landwirtschaftlichen Gutachten des Amtssachverständigen sind schlüssig und nachvollziehbar. Er legt dar, dass es ohne konkreten Verwendungszweck nicht möglich sei, zu beurteilen, ob das Gebäude „notwendig“ iSd § 18 Abs 3 RPG sei.

Es ist auch eine Tierhaltung außerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes zB im Rahmen eines Gewerbebetriebes möglich (zB Einstellpferde ab einer gewissen Anzahl). Ohne den konkreten Verwendungszweck (Art und Anzahl der gehaltenen Tiere) kann die „Notwendigkeit“ iSd § 18 Abs 3 RPG nicht überprüft werden.

Der Beschwerdeführer ist dem landwirtschaftlichen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Er führt lediglich aus, dass er sich alle Optionen offenhalten wolle, weil er sonst ständig um eine Verwendungsänderung ansuchen müsse, abhängig davon, ob er zB Geflügel, Rinder, Pferde oder Schafe, im Stall unterbringen wolle.

Aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren landwirtschaftlichen Gutachtens konnte die Feststellung getroffen werden, dass ein Gebäude mit diesem Verwendungszweck (Stallung für Tiere aller Art) für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht notwendig ist.

4.1. Gemäß § 8 Abs 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Folgende Bestimmungen des Baugesetzes (BauG), LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 19/2020, sind für den vorliegenden Fall maßgeblich:

„§ 18

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden; ausgenommen sind jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind, weiters Gebäude, soweit es die Verwendung für den Betrieb eines Gastgartens betrifft und die insofern nach § 19 lit. d nur anzeigepflichtig sind;

§ 28

Baubewilligung

(1) Die Behörde hat über den Bauantrag ehestens zu entscheiden.

(2) Die Baubewilligung ist zu erteilen, wenn das Bauvorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht und auch sonst öffentliche Interessen, besonders solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Denkmalschutzes, der Energieeinsparung und des haushälterischen Umgangs mit Grund und Boden (§ 2 Abs. 3 lit. a Raumplanungsgesetz), nicht entgegenstehen.

(3) Die Baubewilligung ist zu versagen, wenn die im Abs. 2 für eine Bewilligung genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind und auch durch Befristungen, Auflagen oder Bedingungen gemäß § 29 nicht erfüllt werden können.

…“

Nach § 18 Abs 3 Raumplanungsgesetz (RPG), LGBl Nr 39/1996, idF LGBl Nr 28/2011, ist in Landwirtschaftsgebieten die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig, soweit dies für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung einschließlich der dazu gehörenden erforderlichen Wohnräume und Wohngebäude und für Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft sowie die häusliche Nebenbeschäftigung notwendig ist.

4.2. Zulässigkeit Säumnisbeschwerde

Zweck des Rechtsbehelfs der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0107). Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des „überwiegenden Verschuldens der Behörde“ in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs 2 AVG bzw nach § 8 Abs 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen ist, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. So wurde beispielsweise ein überwiegendes Verschulden der Behörde iSd § 73 Abs 2 AVG bzw des § 8 Abs 1 VwGVG dann angenommen, wenn diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet.

Nach § 37 AVG ist es der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (vgl etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2016/11/0160). Nach § 39 Abs 2 erster Satz AVG hat die Behörde dabei (soweit die Verwaltungsvorschriften nichts Anderes anordnen) von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der weiteren einschlägigen Vorschriften des AVG den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Der dort normierte Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht das Ermittlungsverfahren. Die Behörde hat danach von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen, ohne in tatsächlicher Hinsicht an das Parteienvorbringen gebunden zu sein (vgl VwGH 23.05.2012, 2009/22/0328).

Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert freilich die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei Informationen betreffend betriebsbezogene bzw personenbezogene Umstände der Fall ist, über die allein die Partei verfügt (vgl aus der stRsp etwa VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0038; 22.11.2014, 2013/03/0092; 27.11.2014, 2013/02/0223; 27.09.2013, 2011/05/0065). Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen.

Ausgehend davon trifft daher grundsätzlich die Behörde die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes; diese kann nicht auf die Partei abgewälzt werden (VwGH 31.03.2004, 2002/06/0214). Die Pflicht zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes kann jedoch dort eine Grenze finden, wo eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr (allenfalls nach Rechtsbelehrung unter Setzung einer angemessenen Frist) gebotenen Möglichkeit unterlässt.

So wird es nach der Rechtsprechung nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht. Dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag.

Vor diesem Hintergrund kann eine Unterlassung der Mitwirkung bzw eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer nicht dazu führen, dass die Behörde von ihrer Verpflichtung entbunden wird, über den Antrag des Beschwerdeführers innerhalb der in § 73 AVG normierten Entscheidungsfrist einen Bescheid zu erlassen.

Eine Mitwirkungspflichtverletzung des Beschwerdeführers ist daher nicht als schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Abwägung des überwiegenden Verschuldens iSd § 8 Abs 1 VwGVG zu werten, welches die Behörde an der Entscheidung gehindert hat. Vielmehr hätte die Behörde die unterlassene Mitwirkung des Beschwerdeführers würdigen und ihre (aufgrund der fehlenden Mitwirkung allenfalls auch negativ ausfallende) Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist treffen müssen (VwGH 20.03.2018, Ra 2017/03/0092).

Auch sonst ist nicht erkennbar, dass die belangte Behörde durch ein Verschulden des Beschwerdeführers oder durch unüberwindbare Hindernisse im Sinne der dargestellten Rechtslage an der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag gehindert gewesen wäre.

Seit dem 17.08.2016, sohin seit beinahe vier Jahren hat die belangte Behörde keine weiteren Schritte mehr gesetzt. Es liegen dafür keine objektiven Gründe vor (zur Verletzung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers siehe oben). Es liegt eine verschuldete Säumigkeit der belangten Behörde vor. Die Säumnisbeschwerde ist zulässig und berechtigt.

Mit Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht erlischt die Zuständigkeit der Behörde. Die Zuständigkeit zur Sachentscheidung geht bei einer berechtigten Säumnisbeschwerde auf das Verwaltungsgericht über (VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0075).

4.3. Zum Antrag auf Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung

Der Beschwerdeführer beantragte eine baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Gebäudes mit dem Verwendungszweck „Stallung für Tiere aller Art“.

Wie unter 2.2. festgestellt wurde, befindet sich das Baugrundstück im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde K im Gebiet Freifläche-Landwirtschaft. Nach § 28 Abs 2 BauG ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Bauvorhaben nach Art, Lage, Umfang und Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht.

§ 18 Abs 3 RPG regelt wann die Errichtung von Gebäuden und Anlagen im Landwirtschafts-gebiet zulässig ist. Diese Regelung (bzw vormals § 16 Abs 3 RPG) trat mit 07.08.1996, LGBl Nr 39/1996 in Kraft und besteht seit diesem Zeitpunkt in unveränderter Form.

Nach § 18 Abs 3 RPG ist eine Errichtung von Gebäuden und Anlagen im Landwirtschaftsgebiet nur zulässig, wenn sie

­ für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung,

­ einschließlich der dazu gehörenden erforderlichen Wohnräume und Wohngebäude und für Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft sowie die häusliche Nebenbeschäftigung,

­ notwendig ist.

In der Regierungsvorlage, Beilage 8/1996 des XXVI. Vorarlberger Landtages zum damaligen § 16 Abs 3 RPG (entspricht § 18 Abs 3 RPG idgF) wurde zum Begriff „bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung“ Folgendes ausgeführt:

„Der Begriff „bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung“ soll – entsprechend der bisherigen Vorgangsweise – klarstellen, dass unter Landwirtschaft iSd Abs 3 jene Tätigkeit anzusehen ist, die auf eine unmittelbare Bodenbewirtschaftung zur

- Gewinnung von pflanzlichen Erzeugnissen,

- Zucht von Nutztieren oder zur

- Gewinnung der Erzeugnisse von Nutztieren

ausgerichtet ist (vgl § 1 des Landwirtschaftsförderungsgesetzes).“

Der Betrieb des Beschwerdeführers ist ein bodenabhängiger Landwirtschaftsbetrieb. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Beschwerdeführer jede Art von Gebäude auf einer Fläche, die als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet gewidmet ist, errichten darf. Vielmehr muss überprüft werden, ob für das geplante Bauprojekt eine Notwendigkeit iSd § 18 Abs 3 RPG besteht.

Nach der Judikatur des VwGH ist bei der Frage der „Notwendigkeit“ ein strenger Maßstab anzulegen, um die Umgehung der durch den Flächenwidmungsplan festgelegten Nutzungsabsichten zu verhindern. Die Baumaßnahmen im Grünland haben sich auf die erforderliche Größe, Gestaltung und Ausstattung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu beschränken. Der an Hand des Betriebskonzeptes das eingereichte Projekt prüfende Sachverständige hat daher zu beurteilen, ob der für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb vorgesehene Bau als landwirtschaftlicher Zweckbau qualifiziert werden kann, also in Größe, Ausgestaltung und Lage für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb notwendig ist. Die begehrten Baumaßnahmen müssen somit in einem sachlichen oder funktionellen Zusammenhang mit der geplanten land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der bauwerbenden Parteien stehen und es dürfen nicht andere Möglichkeiten eine gleichartige oder bessere betriebswirtschaftliche Voraussetzung im Hinblick auf die widmungsgemäße Nutzung bieten (VwGH 21.03.2014, 2012/06/0213 zu § 5 Abs 5 Krnt GdPlanungsG 1995).

Eine Stallung für Tiere aller Art ist für die bodenabhängige Nutzung nicht notwendig iSd § 18 Abs 3 RPG. Durch diesen angegebenen Verwendungszweck lässt sich der Beschwerdeführer alle Optionen offen, welche Art und welche Anzahl von Tieren er in dem Gebäude unterbringt. So wäre ihm zB auch eine Tierhaltung möglich, die der GewO unterliegt (zB Einstellpferde, abhängig von der Anzahl der Tiere).

Das geplante Bauvorhaben widerspricht aus diesem Grund der Bestimmung des § 18 Abs 3 RPG. Die Baubewilligung musste deshalb versagt werden.

Dem Beschwerdeführer steht es frei einen neuen Bauantrag mit einem konkreten Verwendungszweck einzubringen.

4.4. Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Sachverhalt ist zur Gänze unstrittig. Mit Schreiben vom 28.05.2020 hat der Beschwerdeführer dem Gericht erneut mitgeteilt, dass er den Verwendungszweck nicht abändern / konkretisieren wird. Bereits die Akten lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Deshalb konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 24 Abs 1 und 4 VwGVG).

5.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Säumnisbeschwerde, Mitwirkungspflichtverletzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.318.31.2020.R17

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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